fundiertes google-bashing

felix schwenzel, , in wirres.net    

ich habe mich ja ein bisschen über den brandeins-artikel von slaven m. aufgeregt und vor allem über die brandeins gewundert, dass sie einerseits google-analytics datenschutzrechtlich als gefährlich bezeichnet, es andererseits, neben einigen anderen google-diensten, selbst nutzt. also schrob ich gabriele fischer, der chefredakteurin von brandeins, eine email.

[slaven m. hab ich bevor ich den artikel schrob auch eine mail geschrieben, die wurde allerdings nie beantwortet, was aber auch am gmx-spamfilter oder daran liegen könnte, dass ich die falsche adresse von ihm gegoogelt (sic!) habe.]

wie immer, wenn ich gabriele fischer anmaile, entspann sich ein interessanter dialog. egal welchen blödsinn ich ihr schreibe, sie antwortet immer, immer sachlich und offen. in einer der emails schrieb ich, dass ich, modisches google-bashing hin oder her, fundierte google-kritik als nötiger denn je ansehen würde und mich umso mehr darüber ärgern würde, wenn selbst ein blatt wie die brandeins nur schwammige halbwahrheiten und genöle zustande brächte. und gabriele fischer antwortete mit exakt der richtigen frage: „Aber verraten Sie mir noch, was für Sie eine fundierte Kritik an Google wäre?“

gute frage. meine antwort habe ich heute früh hastig bei meinem morgen-kaffee zusammengeschrieben:

ich mach mir mal gedanken darüber was ich damit gemeint habe. ehrlichgesagt dachte ich ja, eines tages sowas irgendwo zu lesen und ihnen dann bescheid zu sagen. aber vielleicht lohnt es sich ja, mir mal gedanken zu machen, wie fundierte kritik an google aussehen könnte.

wahrscheinlich ist die sache mit kritik an google eh nicht getan. die fragen sind ja viel grösser. was ist privatshäre in einer digitalen welt, wie ändern sich begriffe wie „geistiges eigentum“, informationelle selbstbestimmung, bürgerrechte im laufe der zeit, bzw. wie ändert sich unsere gesellschaft durch digitalisierung und vernetzung? und ist das gut oder weniger gut? und müssen wir uns jetzt vor mehrheiten fürchten? sind die massen dumm und ideologisch, wie jason lavier jaron lanier in der faz rumbehauptet? statt demokratie eine herrschaft der weisen? so viele fragen.

[den namen laniers schrieb ich in der mail falsch und ohne link. ix war gehetzt. das bringt gerald reischl hoffentlich nicht wieder auf die palme.]

witzigerweise wurde mir dann heute abend ein link auf diesen artikel von christoph kappes angespült, der genau das tat was ich mir von der brandeins erhofft hatte. nüchtern analysieren, einen schritt zurücktreten, die richtigen fragen stellen und die kritikpunkte und möglichen „gefahrenfelder“ bennenen. kappes hat einige wichtige punkte in seinem text erkannt. der wichtigste: das thema ist grösser als google.

Man sollte hier keine Stellvertreterdiskussion am Beispiel von Google führen. Es geht um ein Thema, das die halbe Branche, wichtige Technologien und somit die Nutzung des Internet schlechthin betrifft.

und im gegenteil, etwa zu susanne gaschke, der internet-doof-finderin von dienst bei der zeit, schreibt er einerseits ohne schaum vor dem mund und andererseits so, dass man ihn verstehen und ihm folgen kann — oder genauer: so dass man ihn und seine kritikpunkte auch ernst nehmen kann.

die vier wichtigen kritikpunkte oder gefahrenfelder die kappes benennt sind:

1. Unsicherheit bei der Einschätzung künftiger „tektonischer“ Verschiebungen von Märkten,
2. Unabhängigkeit der Suchmaschine im Meinungsbildungsprozesss,
3. Unsicherheit im Umgang mit Daten und
4. Die Meta-Ebene der Politik.

es lohnt sich unbedingt die bei kappes selbst nachzulesen — und so sehr ich es hasse das so zu sagen: dem was kappes sagt, ist kaum etwas hinzuzufügen. ausser vielen weiteren diskussionen.

ach doch, es bleibt zweierlei zu hoffen. einerseits, dass die brandeins vielleicht noch einen follow-up bringt, einen fundierten, die diskussion bereichernden beitrag. und da ich weiss, dass gabriele fischer schnell wie der blitz denkt und sich kritik wirklich zu herzen nimmt, bin ich da ganz optimistisch. und andererseits, dass kappes nicht genau hingesehen hat und er sich entweder in seiner pessimistische beobachtung irrt oder sich die situation, die er beobachtet hat, schnell bessert:

Ich habe nach einigen Hintergrundgesprächen nicht den Eindruck, dass die Politik der Entwicklung noch folgen kann. Bisher jedenfalls habe in der Politik niemanden getroffen, der die heutigen Möglichkeiten gut kennt, sich eine Prognose der technischen Möglichkeiten mittelfristig vorstellen kann und diese auch politisch rational bewerten kann.