mein bleibender respekt für gabriele fischer

felix schwenzel

ich habe ja ge­ra­de ge­schrie­ben, dass die brand­eins droht mei­nen re­spekt zu ver­lie­ren. prä­si­zer wäre es viel­leicht zu sa­gen, dass ich mehr und mehr das ge­fühl be­kom­me, dass mei­ne an­sprü­che an das heft nicht mehr so er­füllt wer­den wie frü­her. und dazu muss ich sa­gen, dass ich das heft be­reits las, als es noch „ec­o­ny“ hiess und dass ich es, seit es brand­eins heisst, abon­niert habe. mir ge­fiel im­mer, dass die brand­eins the­men ge­gen den strich bürs­te­te und stets in der lage war mich zu über­ra­schen. mit fri­schen an­sich­ten, bis­her un­ge­hör­ten und un­ge­le­se­nen ge­dan­ken oder fak­ten und mit ho­her jour­na­lis­ti­scher qua­li­tät. al­lein die the­men­wahl war hin und wie­der in der lage mich zu eu­pho­ri­sie­ren.

die­ser wow-ef­fekt hat in den letz­ten jah­ren nach­ge­las­sen. aus­ser­dem mei­ne ich hin und wie­der, dass die qua­li­tät ver­schie­de­ner ar­ti­kel zu wün­schen üb­rig lässt. man kann mein ge­mä­kel hier, glau­be ich, am schlag­wort „brand­eins“ ganz gut nach­voll­zie­hen.

vor der brand­eins-chef­re­dak­teu­rin ga­brie­le fi­scher schwin­det mein re­spekt al­ler­dings nicht. jede email die ich ihr schrob, ob lob oder ge­nör­gel, be­ant­wor­te­te sie stets ge­dul­dig und aus­führ­lich. das ist seit be­stimmt 10 jah­ren so. glaub ich.

am mon­tag schrieb ich ga­brie­le fi­scher mal wie­der eine email, die­mal um nach­zu­fra­gen, was am vor­wurf von „Karl Gue­va­ra“, der fol­gen­den kom­men­tar bei mir hin­ter­liess, dran sei (und sie ne­ben­bei auf mei­ne kri­tik an tho­mas ram­ges jüngs­ten ar­ti­kel auf­merk­sam zu ma­chen):

Mein hoher Respekt für die BrandEins ging schon verloren, als ich mitkriegte, wie einfach es für (die ja ohnehin gerade wegen ihrer super Arbeit für Facebook und Microsoft in den Medien befindlichen) Jungs von BM [Burson-Marsteller] es war, einen Artikel im Auftrag von McDonald’s im Heft zu platzieren.  
 
Man muss sich nicht darüber wundern, dass so etwas passiert - vertrauensfördernd ist es jedenfalls nicht gerade.

[links und über­set­zung von „BM“ von mir hin­zu­ge­fügt]

mir kam das ein biss­chen über­trie­ben vor. war­um soll­te die brand­eins nicht mit PR-fuz­zis re­den, so­lan­ge die ar­ti­kel die aus sol­chen ge­sprä­chen ent­ste­hen un­ab­hän­gig und nach or­dent­li­chen jour­na­lis­ti­schen grund­sät­zen ent­ste­hen? was soll schlecht sein an an­re­gun­gen oder in­put der von PR-agen­tu­ren, le­sern, fir­men kommt, so­lan­ge das re­sul­tat re­dak­tio­nell un­ab­hän­gig ist? ei­gent­lich ein no-brai­ner, dar­an, dass die brand­eins jour­na­lis­ti­schen grund­sät­zen folgt, hat­te ich ei­gent­lich nie ei­nen zwei­fel. ehr­lich­ge­sagt, fand ich den ar­ti­kel zu mc­do­nalds so­gar ziem­lich gut. auch wenn er po­si­tiv war, rei­ne PR war das nicht.

ich habe trotz­dem mal nach­ge­fragt. ga­brie­le fi­schers ant­wort, die sie mir zu ver­öf­fent­li­chen er­laubt hat und die in ei­nem pri­va­ten email-aus­tausch fiel, lau­tet:

Sie haben völlig Recht: Wir reden mit einer Menge Menschen, auch mit PR-Leuten und sammeln dabei Ideen, Geschichten, Hinweise, die sich irgendwann zu einem Thema verdichten. Oder auch nicht.

Aber egal ob der Tipp von einem Leser, einem Kunden, einem Journalisten oder einem PR-Mann kommt: mehr als "das könnte eine Geschichte für Sie sein" passiert da nicht. Ob es eine Geschichte ist, ob sie - wie die McDonalds-Geschichte sehr gut in einen Schwerpunkt passt oder auch eine Entwicklung beschreibt, die uns relevant erscheint - all das klären wir unter uns, ohne Zutun des Tippgebers. Und wenn wir dann entschieden haben, dass das eine Geschichte ist, müssen wir zwar bisweilen auf die Hilfe der PR-Agentur
zurückgreifen, wenn es um Termine geht (das ist nun mal, wofür sie von der Firma bezahlt werden): Aber einen Einfluss darauf, WEN wir sprechen wollen und zu welchem Thema haben sie nicht; und wir machen auch grundsätzlich keine Firmengeschichten, wenn wir nicht auch mit von uns ausgewählten Leuten in der Firma sprechen können, die nicht von der Agentur vorbereitet werden.

Dass wir grundsätzlich keine Texte abstimmen (wohl aber Zitate, und zwar mit und ohne PR-Agentur) und auch keinen Text vor Drucklegung aus der Hand geben, versteht sich von selbst. Und dass wir PR-Material übernähmen wäre ein Vorwurf, den ich gern konkretisiert hätte - denn wenn es so wäre, gäbe es wiederum Gesprächsbedarf (mit dem Autor und der Dokumentation).

Und genau so war es auch im Fall BM: der PR-Mann hatte keine Ahnung, welchen Schwerpunkt wir planten (Mitte) und erzählte Thomas [Ramge], wie sich McDonalds zu drehen versucht und wie erfolgreich sie mit ihrer neuen Strategie sind: Thomas hat das dann in die Redaktionskonferenz eingebracht und 10 (nicht von McDonalds bezahlte) Journalisten haben diskutiert, ob das eine Geschichte für den Schwerpunkt sein könnte.

ich hab ja kei­ne ah­nung wie es an­de­ren le­ser­brief­schrei­bern an die brand­eins so geht, aber egal wie naiv, pam­pig oder ze­ternd mei­ne emails an ga­brie­le fi­scher wa­ren, sie hat im­mer ge­dul­dig ge­ant­wor­tet und klar si­gna­li­siert, dass sie durch­aus be­reit ist um­zu­den­ken, nach­zu­den­ken oder auch din­ge zu än­dern. so war das 2004, als die brand­eins ihr ar­chiv ver­schloss und nur abon­nen­ten zu­gäng­lich mach­te (was auch als abon­nent ziem­lich um­ständ­lich war). mein ge­me­cker und das von vie­len an­de­ren führ­te letzt­end­lich dazu, dass die brand­eins um­dach­te und ihr ar­chiv wie­der öff­ne­te — und zwar kom­plett, wenn auch je­weils mit ei­ner aus­ga­be ver­spä­tung.

busi­ness-fuz­zi-sprech: „Dia­log und Zu­hö­ren ge­hö­ren zu den ele­men­ta­ren Key-Is­sues im So­cial Web.“ (work­shop um re­den und zu­hö­ren zu ler­nen nur 1550 euro plus mehr­wert­steu­er)

die­se fä­hig­keit zum um­den­ken, din­ge zu über­den­ken, bes­ser oder schö­ner zu ma­chen per­so­ni­fi­ziert für mich ga­brie­le fi­scher. hört sich pa­the­tisch an, ba­siert aber auf mei­nen jah­re­lan­gen er­fah­run­gen. be­reits zu zei­ten als nie­mand von so­zia­len me­di­en sprach und nur eine hand­voll be­klopp­ter ins in­ter­net schrob, be­ant­wor­te­te ga­brie­le fi­scher ge­dul­dig und of­fen le­ser­brie­fe (mei­ne zu­min­dest). ohne je­mals mit ei­nem so­cial-me­dia-be­ra­ter oder re­pu­ta­ti­on-ma­na­ger ge­spro­chen zu ha­ben (glaub ich. si­cher).

was ich ei­gent­lich sa­gen will: die­ses ding mit der „kon­struk­ti­ven kri­tik“ funk­tio­niert. und zwar im sin­ne von „wenn sie gute ar­gu­men­te ha­ben, las­sen sie uns drü­ber re­den“. und des­halb ver­lie­re ich mei­nen re­spekt vor ga­brie­le fi­scher nicht so schnell und das mit der brand­eins und mir wird auch wie­der.