anspruch und wirklichkeit beim spiegel

felix schwenzel

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sie­ben sei­ten in der spie­gel ikea-ti­tel­sto­ry ge­le­sen und schon der ers­te hand­fes­te skan­dal: „De­sign für alle. Das Pro­blem an die­sem Ide­al ist: Es führt dazu dass ir­gend­wann al­les den glei­chen Look hat.“

wow.

nach 10 oder 13 wei­te­ren sei­ten kom­men su­san­ne amann, mar­kus brauck und jan­ko tietz dann zum kern­pro­blem von ikea: „An­spruch und Wirk­lich­keit [sind] nicht de­ckungs­gleich.“

dan­ke dass das mal durch­re­cher­chiert wur­de.

dann, auf sei­te — äh, kei­ne sei­ten­zah­len in der HTML5/epa­per-ver­si­on? — dann also ir­gend­wann bricht das der ti­tel­sto­ry fol­gen­de in­ter­view mit ikea-chef mi­ka­el ohls­son nach drei­ein­halb spal­ten text (oder 10 fra­gen) ab: „Die Lang­fas­sung die­ses In­ter­views le­sen Sie auf www.spie­gel.de.“

da­fuck? erst teasern sich die mar­ke­ting-prak­ti­kan­ten des print-spie­gels den arsch auf spie­gel.de ab, um spie­gel.de le­ser da­von zu über­zeu­gen sich für vier ocken den e-spie­gel zu kau­fen (ar­ti­kel­wei­se ver­kauft man den pre­mi­um-spie­gel nicht) und dann si­mu­liert ir­gend­ein durch­ge­knall­ter re­dak­teur platz­man­gel im epa­per? und ver­weist mich ohne link auf www.spie­gel.de?

ich fin­de das ex­trem fas­zi­nie­rend wie sehr sich der spie­gel be­müht sei­ne le­ser wis­sen zu las­sen, dass er sie für leicht be­schränkt hält. in der ikea-re­por­ta­ge wird ei­nem als le­ser und ge­le­gent­li­chen ikea-käu­fer im­mer wie­der an den kopf ge­wor­fen, wie blöd ma­ni­pu­lier­bar man ist, weil man auf die an­geb­lich hoh­len ver­spre­chun­gen des ikea-mar­ke­tings rein­fällt und im­puls­käu­fen nach­gibt, weil pfif­fi­ge shop­de­si­gner ei­nen dazu ver­lei­ten. die au­toren der re­por­ta­ge wun­dern sich sei­ten­lang, war­um die men­schen wie die blö­den droh­nen zeugs bei ikea kau­fen und kön­nen sich das nur mit ma­ni­pu­la­ti­on, man­geln­der weit­sicht und ge­stör­ter wahr­neh­mung der käu­fer er­klä­ren.

die gan­ze re­por­ta­ge hat ei­nen un­er­träg­lich über­heb­li­chen ton an sich: ihr seid alle op­fer und wir er­klä­ren euch jetzt mal, wie das mit ikea wirk­lich ist. wo­bei man die­se hal­tung ja schon vom spie­gel kennt.

aber dann ei­nem epa­per-käu­fer das vol­le in­ter­view zu kür­zen und auf die spie­gel-on­line-sei­te zu ver­wei­sen dass ist nicht nur hirn­ris­sig, son­dern das sen­det die klar ver­nehm­ba­re bot­schaft: ihr könnt uns alle mal, WIR SIND DER SPIE­GEL! WIR MA­CHEN WAS WIR WOL­LEN!

na gut im­mer­hin stand dort nicht: „Die Lang­fas­sung die­ses In­ter­views le­sen Sie nach­dem sie ge­schwo­ren ha­ben nie wie­der ein bil­ly zu kau­fen.“ wäre so­was tech­nisch um­setz­bar, stün­de das viel­leicht wirk­lich im epa­per.

dass sich am sonn­tag abend um 23:33 na­tür­lich kein in­ter­view mit mi­ka­el ohls­son auf spie­gel.de fin­den lässt, hat­te ich mir dann aber na­tür­lich schon ge­dacht. in dem screen­shot sieht man zwi­schen den zei­len ge­schrie­ben den deut­li­chen hin­weis: „lie­be sonn­tags-epa­per-käu­fer: sie kön­nen uns mal.“

so be­steht also die ak­tu­el­le spie­gel-ti­tel­ge­schich­te in ei­nem 4 euro teu­ren e-spie­gel aus ei­ner halb­ga­ren re­por­ta­ge von drei re­dak­teu­ren de­ren kern­aus­sa­ge lau­tet „An­spruch und Wirk­lich­keit“ sei­en bei ikea nicht de­ckungs­gleich und ei­nem drei­ein­halb­s­pal­ti­gen in­ter­view mit dem ikea-chef.

wer so mit sei­nen zah­len­den le­sern um­geht muss sich nicht über le­ser- und auf­la­gen­schwund wun­dern. das kann ikea wirk­lich bes­ser: den leu­ten geld ab­neh­men, ohne dass sie sich hin­ter­her ver­kack­ei­ert füh­len. preis und leis­tung beim spie­gel, an­spruch und wirk­lich­keit sind wei­ter denn je von­ein­an­der ent­fernt.


[nach­trag 10.12.2012]
das in­ter­view mit dem ikea-chef mi­ka­el ohls­son ist mitt­ler­wei­le on­line. auf der start­sei­te ist das in­ter­view jetzt sicht­bar, über die such­funk­ti­on fin­det man den text al­ler­dings nach wie vor nicht (stand 11:48 uhr).