bezahlschranken überall

felix schwenzel, , in wirres.net    

schmerzlich vermisst im internet

vor acht tagen gefiel mir ein kostenlos lesbarer artikel auf süddeuschte.de so gut, dass ich dafür etwas bezahlen wollte. eine bezahl- oder spenden-funktion fand ich auf der seite der süddeustchen zeitung nicht. die süddeutsche bietet zwar print- und digitalabos und jede menge apps (ituneslink) an, aber eine möglichkeit einzelne artikel zu bezahlen, oder der redaktion einfach geld zukommen zu lassen habe ich nicht gefunden.

ich habe dann zwar noch eine möglichket gefunden für den artikel zu bezahlen, indem ich das (papier) sz-magazin für exakt zwei euro bestellt habe, in dem der artikel ursprünglich erschien. das finde ich super günstig, zumal in den zwei euro auch das porto für die unnütze papier-lieferung enthalten ist. ausserdem bin ich jetzt „registriert“, wofür ich sogar eine dankes-email erhielt:

Sehr geehrter Herr Schwenzel,
vielen Dank für Ihre Registrierung bei Süddeutsche Zeitung Shop!

kurz darauf bedankte man sich erneut bei mir:

Sehr geehrter Herr Schwenzel,
vielen Dank für Ihre Bestellung im Süddeutsche Zeitung Shop.

bei fragen könne ich mich auch gerne an den kundenservice wenden. da ich eine frage hatte, bedankte ich mich also auch und fragte:

vielen dank für die promte bestätigung.
können sie mir die rechnung auch gleich per email schicken?
ich zahle dann auch gleich.

darauf bekam ich eine handgeschriebene email zurück, in der sich eine sehr freundliche dame auch zuerst bedankte und mir schrieb:

Sehr geehrter Herr Schwenzel,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Gern senden wir Ihnen die Rechnung per Mail, sobald diese erstellt wurde.

Sollten Sie noch Fragen haben, stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

mir brannte die frage warum der magazin-kauf die einzige abo- und app-freie methode für süddeutsche-zeitungs-inhalte zu zahlen sei dann doch zu sehr unter den fingern, also fragte ich:

ja, ich habe noch eine frage. das sz-magazin habe ich gekauft, weil es keine andere möglichkeit gab für die reportage von michael obert etwas zu zahlen. und ich unbedingt etwas für die geschichte zahlen wollte.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/40203/

jetzt kommt die frage: gibt es keine andere möglichkeit (freiwillig) für artikel aus der sz oder dem sz-magazin die online zu lesen sind zu bezahlen, als ein heft zu kaufen? vor allem ohne ein abo abzuschliessen? wenn nein, warum nicht?

die handgeschriebene antwort der sehr freundlichen dame dauerte diesmal ungefähr einen tag und fing, natürlich, so an:

Sehr geehrter Herr Schwenzel,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

die antwort selbst war etwas unbefriedigend. die sehr freundliche dame erklärte mir, dass die gesamte zeitungsbranche derzeit im wandel sei und dass mein wunsch, nur für die inhalte die ich lesen wollte zu zahlen, sicherlich auch irgendwann einmal möglich sein werde und derzeit in der verlagswelt ausgiebig diskutiert werde. sie wies mich darauf hin, dass die verlagswelt sich derzeit frage, ob man sich bei einem solchen bezahlmodell dann überhaupt noch leisten könne eine zeitung zu produzieren und ob dann vielleicht nur noch artikel die massentauglich seien veröffentlicht würden. das alles müsse bei meiner fragen berücksichtigt werden.

obwohl mich die sehr freundliche dame abschliessend (wieder) darauf hinwies, dass ich ihr gerne noch mehr fragen stellen könnte, liess ich das mal so stehen. ich hatte ja nur 2 euro bezahlt und kein abo abgeschlossen und wollte nicht nerven.

ich wies sie also nicht darauf hin, dass es mir nicht darum gehe nur noch für sachen zu zahlen die mir gefallen (wo kämen wir denn dahin wenn jeder nur noch für sachen die ihm gefallen geld ausgibt?), sondern dass ich überhaupt zahlen können wollte ohne mich gleich an die süddeutsche zeitung zu binden.

ich weiss natürlich, dass eine mitarbeiterin des sz-shops nicht für den verlag der süddeutschen zeitung sprechen kann, aber ich fürchte beinahe, dass das was sie mir schrob doch genau der mentalität der deutschen verlage entspricht.

wenn es nach denen geht, sollen die leser statt der angeblichen kostenloskultur nachzugehen, die die verlage derzeit anbieten, mit jedem einzelnen verlag abonnements abschliessen. da ich regelmässig die zeit, den spiegel, diverse heise-magazine, die brandeins, den guardian, die new york times, die FAZ, die wired und ca. 200 andere verlagserzeugnisse lese wären das pi mal daumen 211 abonnements die ich abschliessen müsste.

man kann die absurdität dieses abo-gedankens in einer digitalen welt, in der ich zugriff auf jedes erdenkliche verlagserzeugnis der welt haben kann, eigentlich kinderleicht erkennen — nur konsequenzen scheint in der verlagswelt niemand zu ziehen. stattdessen werden weiterhin abo-modelle als das nächste grosse ding gepriesen. die welt ist stolz auf 47 tausend (oder so) digital abonnenten, die bild verkauft ihr plus auch nur als abo. bei der FAZ habe ich (neben abos) nur die möglichkeit einzelne artikel zu apothekenpreisen um die zwei euro zu kaufen oder gar nichts bezahlen zu können. wenn ich wollte, könnte ich allerdings „rechte“ erwerben.

ich will das alles nicht. ich will keine abos abschliessen, ich will keine rechte erwerben, ich will nach dem bezahlen kein papier geliefert bekommen. ich will einfach für etwas das ich schätze, das mir empfohlen worden ist oder über dass ich im netz gestolpert bin bezahlen können. das muss auch nicht die einzige methode sein, aber mir erscheint sie im moment logisch und verständlich. warum ist die taz die einzige zeitung die das anbietet? haben die verlage wirklich angst vor der abonnement-kanibalisierung durch microzahlungen für einzelartikel? sind es die technischen schwierigkeiten? ist es furcht vor dem misserfolg? glaubt niemand, ausser jeff bezos, dass man millionen durch die verehrung von lousy pennies scheffeln könne?

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das sz-magazin kam einen tag nach der bestellung per post, die rechnung zwei tage später. und heute, 10 tage nach meiner bestellung habe ich die dritte handgeschrieben email der sehr freundlichen mitarbeiterin des sz-shops erhalten, die mich darauf hinwies, dass ich die rechnung jetzt per email erhalten habe. menschen die mal freundlich behandelt werden möchten, kann ich nur empfehlen im shop der süddeutschen einkaufen zu gehen.

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