prince

felix schwenzel in notiert

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was pe­ter breu­er hier über prin­ce schreibt, ins­be­son­de­re im ers­ten ab­satz, über mu­sik, kann ich sehr gut nach­voll­zie­hen:

Popmusik fängt an, wenn das Verlieben beginnt. Das ist Teil der menschlichen DNA. Die Bands oder Musiker, für die man sich in dieser Zeit entscheidet, sind wie die erste unglückliche Liebe, der erste Kuss und der erste Sex – Vergessen unmöglich. Man kann vieles irgendwie mögen, aber dieser Flash, schon nach drei Takten zu wissen, dass diese Geschichte jetzt etwas Ernstes wird, ist ein Moment, der mit den Jahren leider seltener wird. Ob die Musiker, die diese Takte spielen, mit 27 sterben oder mit 57, ist egal, sie werden ohnehin für immer 27 bleiben. Prince starb gestern mit 27 Jahren und über 30 Jahre nach dem ersten Kuss.

kön­nen wir uns wahr­schein­lich im ers­ten ab­satz alle als mu­si­kopfer re­zi­pi­en­ten von mu­sik iden­ti­fi­zie­ren, wer­den die fol­gen­den vier ab­sät­ze, die er schreibt, prin­ce selbst und sei­nem wir­ken sehr ge­recht.

aber es ist na­tür­lich al­les noch viel kom­pli­zier­ter. denn wirk­lich gute mu­si­ker ster­ben im lau­fe ih­res le­bens mehr­fach, we­ni­ger gute sel­te­ner. prin­ce war, als ich (zum bei­spiel) pa­ra­de zu lie­ben be­gann, schon lan­ge wei­ter­ge­zo­gen, zu neu­en ufern. so eine mu­si­ka­li­sche pha­se fühlt sich aus der per­spek­ti­ve des mu­si­ker wahr­schein­lich an, wie eine häu­tung. der häu­tungs­pro­zess ist lang­wie­rig und an­stren­gend, aber am ende bleibt to­tes ge­we­be.

die­ses tote ge­we­be ist, was wir als fans be­wun­dern. dank mo­der­ner tech­nik ist es mil­lio­nen­fach re­pro­du­zier­bar, oft ist es wun­der­schön, edel und im bes­ten fall kön­nen wir es jahr­zehn­te­lang nut­zen, um schö­ne ge­füh­le in uns her­vor­zu­ru­fen. der mu­si­ker, der es pro­du­ziert hat, ist längst ge­wach­sen (oder ge­schrumpft) und mit der nächs­ten häu­tung be­schäf­tigt.

mit der ab­ge­leg­ten haut be­schäf­ti­gen wir uns teil­wei­se sehr in­ten­siv, ken­nen jede ein­zel­ne schup­pe und ver­wech­seln sie oft mit dem- oder der­je­ni­gen, die sie vor vie­len jah­ren ab­ge­legt hat. man­che mu­si­ker be­herr­schen das häu­ten sehr gut, und pro­du­zie­ren stän­dig neue häu­te, die uns im­mer wie­der er­neut be­geis­tern kön­nen. an­de­re be­herr­schen das we­ni­ger gut und ver­su­chen jah­re­lang in ihre al­ten häu­te zu­rück­zu­krie­chen oder sind ent­täuscht, dass ihre neu ab­ge­leg­ten häu­te nie­man­den mehr zu be­geis­tern ver­mö­gen.

mu­sik ist ein spiel mit dem le­ben und dem tod — oder we­ni­ger dra­ma­tisch, ein hit, ein voll­tref­fer, kann haupt­ge­winn und höchst­stra­fe zu­gleich sein. wenn man sich von auf­merk­sam­keit oder ap­plaus er­nährt, fühlt sich aus­blei­ben­de auf­merk­sam­keit, oder auf­merk­sam­keit für längst ver­gan­ge­nes und ab­ge­leg­tes, mut­mass­lich wie ein dolch­stoss an.

oder noch­mal an­ders: der prin­ce, von dem ich fan bin, war schon tot, als prin­ce noch leb­te. mit sei­nem neue­ren werk, konn­te ich nichts an­fan­gen, auch wenn ich es mehr­fach pro­biert habe. aus­ser­halb mei­ner sub­jek­ti­ven wahr­neh­mungs­bla­se, war prin­ce aber (na­tür­lich) al­les an­de­re als tot, son­dern quick­le­ben­dig und ak­tiv. und dass es, um das zu be­mer­ken, des ech­ten, end­gül­ti­gem, grau­sam un­er­bit­ter­li­chen to­des be­durf­te, macht mich jetzt dop­pelt trau­rig und er­in­nert mich dar­an, wie wich­tig es ist, zu­nei­gung, freund­schaft, lie­be und be­zie­hun­gen vor dem tod zu le­ben; wie wich­tig es wäre, hin und wie­der an die vie­len men­schen in mei­nem le­ben zu den­ken, die ich ver­ges­sen oder aus den au­gen ver­lo­ren habe. es soll­te ei­gent­lich nicht der tod sein, der uns an un­se­re lie­ben, die le­ben­den oder un­se­re lei­den­schaf­ten er­in­nert. aber, das muss man dem tod las­sen, er funk­tio­niert da in sei­ner un­er­bit­ter­lich­keit, ziem­lich gut.