pa­tridio­tis­mus

felix schwenzel

mar­kus breu­er stiess bei mir mit die­sem bei­trag und der sich dar­aus er­ge­ben­den kurz-dis­kus­si­on in den letz­ten ta­gen eine in­ter­ne mini-de­bat­te an. na gut, nicht nur mar­kus breu­er, wer zei­tung liest oder nach­rich­ten im fern­se­hen sieht kann der pa­trio­tis­mus-dis­kus­si­on nicht aus­wei­chen. in­ter­es­sant üb­ri­chens, was die nach­barn dazu sa­gen. mir kommt bei der dis­kus­si­on im­mer wie­der die gall­le hoch, ei­ner­seits weil die ar­gu­men­te oft so falsch und dumm sind (sie­he stoi­bers denk­feh­ler), aber auch we­gen der be­kennt­niss-kom­po­nen­te die die kon­ser­va­ti­ven im­mer wie­der ins spiel brin­gen. man müs­se sich be­ken­nen, zur na­ti­on, zum grund­ge­setz, zur leit­kul­tur...

ich kann wie bei fast al­lem, auch bei der die­ser „pa­trio­tis­mus“-de­bat­te nur aus rein per­sön­li­chen er­fah­run­gen her­aus ar­gu­men­tie­ren.

mei­ne er­fah­rung war, dass ich wäh­rend ich in deutsch­land auf­wuchs ein eher kri­ti­sches bis gleich­gül­ti­ges ge­fühl mei­ner „hei­mat“ ge­gen­über hat­te. kri­tisch des­halb weil es auch mei­ne wahr­neh­mung des all­ge­mei­nen po­li­ti­schen kon­sens war, na­tio­na­len sym­bo­len, der idee der na­ti­on, der ge­schich­te, vor­sich­tig und kri­tisch ge­gen­über zu ste­hen. gleich­gül­tig des­halb weil ich nicht viel an­de­res als die­se eine hei­mat/zu­hau­se er­lebt hat­te und es so we­der ge­gen an­de­res ab­gren­zen konn­te noch woll­te, ja eben noch nicht ein­mal rich­tig wahr­neh­men konn­te.

das än­der­te sich je­doch als ich deutsch­land als schü­ler für ein jahr ver­liess, ein jahr auf all das ge­wohn­te ver­zich­ten muss­te. durch die ab­we­sen­heit wur­de das was ich an deutsch­land schätz­te erst sicht­bar. ich merk­te das man wenn man sei­ne hei­mat liebt nicht un­be­dingt eine le­der­ho­se tra­gen muss oder jo­deln gut fin­den muss. hei­mat war plötz­lich mit 16 in aa­che­ner stu­den­ten­knei­pen bit­bur­ger trin­ken, an­stän­di­ges brot, de­pres­si­ves rum­dis­ku­tie­ren, rum­psy­cho­lo­gi­sie­ren in schu­le und freun­des­kreis, mit bun­ten haa­ren auch in die schu­le ge­hen kön­nen ohne ei­nen auf­stand zu pro­vo­zie­ren und viel mehr an­de­res was eben an­ders­wo nicht „nor­mal“ war.

sa­gen will ich da­mit; hei­mat, das land das die „va­ter­lands­lie­be“, der pa­trio­tis­mus liebt, ist eine sehr, sehr in­di­vi­du­el­le sa­che. die va­ter­lands­lie­be lässt sich nicht auf eine leit­idee/-kul­tur, die ver­fas­sung oder wirt­schaft­li­che wer­te re­du­zie­ren. im ge­gen­teil, uns deut­schen fehl­te in den letz­ten 50 jah­re im­mer die klar um­ris­se­ne, idio­ten­si­che­re leit­idee. wenn es so­et­was wie eine leit­idee in deutsch­land je­mals gab, dann war es die kri­ti­sche sicht auf sich selbst, auf deutsch­land, auf die na­ti­on, auf die ge­schich­te, auf die po­li­tik. krit­sche ver­nunft, das ist doch ei­gent­lich eine gute leit­idee. eine ziem­lich lei­se, eine mit der sich even­tu­ell nur eine min­der­heit iden­ti­fi­zie­ren mag. aber ei­gent­lich auch et­was wor­auf man „stolz“ sein kann — und stolz wol­len die rech­ten doch im­mer ir­gend­wie sein, oder?

was ich aber noch­ein­mal be­to­nen möch­te, was mir wirk­lich an der ak­tu­el­len, von der CDU an­ge­stif­te­ten de­bat­te miss­fällt ist die ten­denz pa­trio­tis­mus, va­ter­lands­lie­be oder das neu­tra­ler for­mu­lier­te „mis­si­on state­ment“ ab­zu­fra­gen und ein be­kennt­niss dazu zu ver­lan­gen. das ist für mich ge­sin­nungs­schnüf­fe­lei. ich bin zwar deut­scher, aber ich möch­te nicht „in­te­griert“ wer­den, ich möch­te nicht „end­lich“ mei­nen stolz vor mir her tra­gen („dür­fen“). ich möch­te mich wei­ter­hin für mei­ne hei­mat recht­fer­ti­gen müs­sen, ich möch­te wei­ter­hin sehr auf mei­ne wor­te ach­ten müs­sen wenn es um „na­ti­on“, „ge­schich­te“ und „ver­gan­gen­heit“ geht. ich pis­se auf schluss­stri­che.