patridiotismus
markus breuer stiess bei mir mit diesem beitrag und der sich daraus ergebenden kurz-diskussion in den letzten tagen eine interne mini-debatte an. na gut, nicht nur markus breuer, wer zeitung liest oder nachrichten im fernsehen sieht kann der patriotismus-diskussion nicht ausweichen. interessant übrichens, was die nachbarn dazu sagen. mir kommt bei der diskussion immer wieder die gallle hoch, einerseits weil die argumente oft so falsch und dumm sind (siehe stoibers denkfehler), aber auch wegen der bekenntniss-komponente die die konservativen immer wieder ins spiel bringen. man müsse sich bekennen, zur nation, zum grundgesetz, zur leitkultur...
ich kann wie bei fast allem, auch bei der dieser „patriotismus“-debatte nur aus rein persönlichen erfahrungen heraus argumentieren.
meine erfahrung war, dass ich während ich in deutschland aufwuchs ein eher kritisches bis gleichgültiges gefühl meiner „heimat“ gegenüber hatte. kritisch deshalb weil es auch meine wahrnehmung des allgemeinen politischen konsens war, nationalen symbolen, der idee der nation, der geschichte, vorsichtig und kritisch gegenüber zu stehen. gleichgültig deshalb weil ich nicht viel anderes als diese eine heimat/zuhause erlebt hatte und es so weder gegen anderes abgrenzen konnte noch wollte, ja eben noch nicht einmal richtig wahrnehmen konnte.
das änderte sich jedoch als ich deutschland als schüler für ein jahr verliess, ein jahr auf all das gewohnte verzichten musste. durch die abwesenheit wurde das was ich an deutschland schätzte erst sichtbar. ich merkte das man wenn man seine heimat liebt nicht unbedingt eine lederhose tragen muss oder jodeln gut finden muss. heimat war plötzlich mit 16 in aachener studentenkneipen bitburger trinken, anständiges brot, depressives rumdiskutieren, rumpsychologisieren in schule und freundeskreis, mit bunten haaren auch in die schule gehen können ohne einen aufstand zu provozieren und viel mehr anderes was eben anderswo nicht „normal“ war.
sagen will ich damit; heimat, das land das die „vaterlandsliebe“, der patriotismus liebt, ist eine sehr, sehr individuelle sache. die vaterlandsliebe lässt sich nicht auf eine leitidee/-kultur, die verfassung oder wirtschaftliche werte reduzieren. im gegenteil, uns deutschen fehlte in den letzten 50 jahre immer die klar umrissene, idiotensichere leitidee. wenn es soetwas wie eine leitidee in deutschland jemals gab, dann war es die kritische sicht auf sich selbst, auf deutschland, auf die nation, auf die geschichte, auf die politik. kritsche vernunft, das ist doch eigentlich eine gute leitidee. eine ziemlich leise, eine mit der sich eventuell nur eine minderheit identifizieren mag. aber eigentlich auch etwas worauf man „stolz“ sein kann — und stolz wollen die rechten doch immer irgendwie sein, oder?
was ich aber nocheinmal betonen möchte, was mir wirklich an der aktuellen, von der CDU angestifteten debatte missfällt ist die tendenz patriotismus, vaterlandsliebe oder das neutraler formulierte „mission statement“ abzufragen und ein bekenntniss dazu zu verlangen. das ist für mich gesinnungsschnüffelei. ich bin zwar deutscher, aber ich möchte nicht „integriert“ werden, ich möchte nicht „endlich“ meinen stolz vor mir her tragen („dürfen“). ich möchte mich weiterhin für meine heimat rechtfertigen müssen, ich möchte weiterhin sehr auf meine worte achten müssen wenn es um „nation“, „geschichte“ und „vergangenheit“ geht. ich pisse auf schlussstriche.