rum­be­haup­ten wirkt

felix schwenzel

ich bin der fes­ten über­zeu­gung, wenn man din­ge nur fest ge­nug be­haup­tet, stim­men sie ir­gend­wann. wenn ir­gend­wo ein körn­chen wahr­heit drin­steckt kann man ver­su­chen die­ses körn­chen mit stän­di­ger wie­der­ho­lung zu ei­nem rie­sen­hau­fen wahr­heit gross­zu­la­bern. man könn­te zum bei­spiel be­haup­ten, dass frü­her das blog­gen aus über­zeu­gung kom­merz­frei war und aus­schliess­lich aus idea­lis­mus be­stand und dass al­les kom­mer­zi­el­le, pe­ku­niä­re erst spä­ter, von aus­sen, von „mit­ma­chen­wol­lern“ kam:

Ist klar, alle Kul­tur än­dert sich. Aber im­mer sind da erst die Leu­te, die in der Ga­ra­ge wer­keln und die Ideen ha­ben. Und dann kom­men die an­de­ren und wol­len par­ti­zi­pie­ren, und die Ga­ra­gen­bast­ler fan­gen an, ihre Ideen zu ver­tei­di­gen. Zu Recht oder zu Un­recht, das ist ver­mut­lich mehr Stil­fra­ge als sonst­was und hängt vom Ein­zel­fall ab. Aber am An­fang, be­vor et­was Ver­dienst­mög­lich­keit wird, ist der Idea­list. Im­mer.

In die­sem Fal­le: Blogs sind erst­mal au­then­tisch, per­sön­lich, idea­lis­tisch und wer­be­frei. Su­per. Dann kom­men wel­che, die al­les das nicht sind. Die nen­nen sich aber trotz­dem auch Blogs. Sa­gen die Ga­ra­gen­blog­ger: „Äh, so war das nicht ge­meint.“ Sa­gen die Mit­ma­chen­wol­ler: „Wie­so? Je­der kann blog­gen, es gibt kei­ne Re­geln. Also auch nicht für uns.“ (quel­le)

ich habe so mei­ne schwie­rig­kei­ten die lo­gik dar­in zu er­ken­nen, dass sich idea­lis­mus, au­then­ti­zi­tät und geld ver­die­nen ka­te­go­risch aus­schlies­sen oder dass der zeit­punkt an dem man et­was an­fängt aus­wir­kun­gen auf die qua­li­tät oder die hal­tung ha­ben soll­ten. nicht nur bleibt mir die lo­gik die­ser ge­dan­ken ver­schlos­sen, ich fra­ge mich auch, ist je­mand wie jörg kan­tel ein „mit­ma­chen­wol­ler“ oder ga­ra­gen-idea­list? ich hab ir­gend­wann mal ir­gend­wo ge­le­sen dass der schon fast seit im­mer bloggt, aber auch ir­gend­wann mal ir­gend­wo ge­le­sen, dass er ei­ner der ers­ten war, die sich wer­be­ban­ner aufs blog ge­holt ha­ben, wie die­se an­geb­li­chen „mit­ma­chen­wol­ler“. hat er sei­ne au­then­ti­zi­tät, per­sön­lich­keit und idea­lis­mus zu­sam­men mit sei­ner wer­be­frei­heit ab­ge­ge­ben?

majo von in­dus­tri­al tech­no­lo­gy and witch­craft war ei­ner der ers­ten blog­ger de­ren idea­lis­mus und schreib­fleiss ich be­wun­der­te und der of­fi­zi­ell aus ei­ner ga­ra­ge blogg­te (oder so). trotz­dem war er auch ei­ner der ers­ten die kon­se­quent ihr blog­gen ver­mark­te­ten, mit ban­nern, af­fi­lia­te-links und kom­mer­zi­el­ler ori­en­tie­rung. don dah­l­mann, auch ei­ner der ers­ten blog­ger die ich las und be­wun­der­te, hat seit jah­ren kein pro­blem da­mit sei­ne schrei­be zu ver­kau­fen oder wer­bung zu schal­ten, trotz­dem fin­de ich ihn nach wie vor idea­lis­tisch und echt. wer sind dann die­se gars­ti­gen „mit­ma­chen­wol­ler“ und re­gel­bre­cher? sa­scha lobo? der als an­drea die­ner sich schon um idea­lis­mus und idea­lis­mus­ver­mark­tung in buch­form küm­mer­te im­mer noch nur in fo­ren schrieb statt wie es sich für idea­lis­ten ge­hört in wer­be­freie blogs? john­ny haeus­ler der olle kom­merz­kas­per der wahr­schein­lich erst vier oder acht wo­chen nach an­drea die­ner an­fing ins in­ter­net zu schrei­ben? bin ix ein „mit­ma­chen­wol­ler“ weil ich im ge­gen­satz zu an­drea die­ners 1950 ta­gen bei ant­ville erst 1822 tage auf wir­res.net ins in­ter­net schrei­be? muss ich den idea­lis­mus-füh­rer­schein nach­ho­len weil ich wir­res.net als port­fo­lio-, bzw. ei­gen­wer­bungs­sei­te an­fing, also auch von vor­ne­her­ein mit kom­mer­zi­el­len hin­ter­ge­dan­ken und der ab­sicht mich zu ver­kau­fen?

mich be­schleicht das ge­fühl es geht ei­gent­lich bei die­sen dis­kus­sio­nen auch gar nicht ums blog­gen, es geht nicht um „mit­ma­chen­wol­ler“, um in­hal­te, idea­lis­mus, kom­merz oder die gross­ar­ti­gen mög­lich­kei­ten und po­ten­zia­le, es geht um de­fi­ni­ti­ons­macht, my­then­bil­dung, selbst­er­hö­hung und ab­gren­zung. ab­gren­zen und ka­te­go­rie­sie­ren in gut oder böse, idea­lis­tisch oder kom­mer­zi­ell, rein oder schmut­zig, ehr­lich oder kor­rupt, schön oder häss­lich, rich­tig oder falsch - kurz: schwarz oder weiss, ent­we­der/oder. eine klei­ne über­sicht­li­che welt ohne zwi­schen­tö­ne oder dis­so­nan­zen wird da her­bei­ge­sehnt. es geht auch nicht um mu­sik, son­dern um die rich­ti­ge mu­sik, die rich­ti­gen ein­stel­lung, die rich­ti­gen kla­mot­ten. es geht nicht um fin­ni­sche clubs, es geht dar­um tü­ren ge­schlos­sen zu hal­ten. es geht um un­be­ha­gen und um den un­wil­len sich mit neu­em oder an­de­rem als dem ge­wohn­ten zu be­schäf­ti­gen und — ob­wohl ger­ne das ge­gen­teil be­haup­tet wird — um qua­li­täts­wer­tung und -wich­tung. viel­leicht auch ums an­spruchs­den­ken oder neid. aber wie ge­sagt; ir­gend­wie ist das al­les auch wurscht.