jo­chen stahn­ke hat da was falsch ver­stan­den

felix schwenzel

jo­chen stahn­ke schreibt über die re­pu­bli­ca:

Ein an­de­res viel­dis­ku­tier­tes The­ma ist das Ur­he­ber­recht. Mit dem ame­ri­ka­ni­schen Rechts­pro­fes­sor Law­rence Les­sig tritt der pro­mi­nen­tes­te Ver­fech­ter ei­nes weit­ge­hend Co­py­right-be­frei­ten In­ter­nets auf. Les­sig hat die „crea­ti­ve com­mons“-Be­we­gung ge­grün­det, ein Mo­dell der frei­en Li­zenz für Me­di­en­er­zeug­nis­se. Nie­mand dür­fe für ver­meint­lich ur­he­ber­rechts­ver­let­zen­de Down­loads kri­mi­na­li­siert wer­den, trägt Les­sig in ei­ner er­staun­lich schlich­ten Power­point-Prä­sen­ta­ti­on vor: Kul­tur lebe von Frei­heit der Ge­dan­ken und (kos­ten-) frei­er Ver­wen­dung von Me­di­en­er­zeug­nis­sen. Ge­gen­wär­tig herr­sche ein „Kul­tur­kampf“, in dem Künst­ler und gro­ße Me­di­en­häu­ser aus Angst vor Ver­än­de­rung un­ge­recht­fer­tigt Be­sitz­stand wah­ren woll­ten.
Wür­de Les­sig, ein­mal an­ders ge­fragt, auch von Im­mo­bi­li­en­mak­lern, Steu­er­be­ra­tern und Rechts­pro­fes­so­ren ver­lan­gen, dass sie auf ih­ren Be­sitz­stand und die Be­zah­lung ih­rer Leis­tun­gen ver­zich­ten? Dass die Ur­he­ber von Ge­dan­ken, die nicht be­zahlt und ge­schützt wer­den, bald kei­ne Zeit und kein Geld mehr ha­ben, die­se zu den­ken, und dass eine Avant­gar­de, die über 140 Zei­chen und den Ho­ri­zont ih­res Pri­vat­le­bens nicht hin­aus­kommt, kaum ge­eig­net ist, die Welt­öf­fent­lich­keit auf­zu­klä­ren - an die­sen Wi­der­spruch moch­te Les­sig aus Angst vor Ver­än­de­rung kei­nen Ge­dan­ken ver­schwen­den.

da hat er glau­be ich was falsch ver­stan­den.

#1 „Mit dem ame­ri­ka­ni­schen Rechts­pro­fes­sor Law­rence Les­sig tritt der pro­mi­nen­tes­te Ver­fech­ter ei­nes weit­ge­hend Co­py­right-be­frei­ten In­ter­nets auf.“
so­weit ich les­sig ver­stan­den habe, ver­tritt er kei­nes­wegs die mei­nung, dass das „co­py­right“ ab­ge­schafft wer­den sol­le. im ge­gen­teil, er hält dazu an, die kos­ten des, wie er es nennt „co­py­right-krie­ges“, ge­gen den nut­zen auf­zu­rech­nen. was kos­tet uns die ver­fol­gung an­geb­li­cher „co­py­right“-ver­stös­se? wel­che frei­hei­ten müs­sen wir für die­sen auf­ge­ben? ist es OK kin­der und ju­gend­li­che vor ge­richt zu zer­ren die ihre vi­de­os mit ur­he­ber­recht­lich ge­schütz­ter mu­sik un­ter­ma­len, ist es hin­nehm­bar dass an­geb­li­che rech­te­inha­ber ver­stös­se ge­gen das ur­he­ber­recht als vor­wand neh­men, um un­lieb­sa­me in­hal­te ver­schwin­den zu las­sen? bei­spie­le da­für, dass rech­te­inha­ber die rech­te die ih­nen der „On­line Co­py­right In­f­rin­ge­ment Lia­bi­li­ty Li­mi­ta­ti­on Act“ auf übe­le­s­te wei­se miss­brau­chen fin­den sich al­lei­en auf hun­dert­fach. auch in deutsch­land zeigt sich die­ses phä­no­men mitt­ler­wei­le.

wie weit lohnt es sich ei­nen (aus­sich­to­sen) kampf ge­gen „co­py­right“-ver­stös­se zu füh­ren, men­schen zu kri­mi­na­li­sie­ren, bür­ger­rech­te ein­zu­schrän­ken, ei­ner in­dus­trie le­gis­la­ti­ve und exe­ku­ti­ve rech­te ein­zu­räu­men fragt les­sig und ant­wor­tet, dass es in vie­len fäl­len aus­sichts­los und un­sin­nig ist.

ab­ge­se­hen da­von gibt es in deutsch­land kein „co­py­right“ das ab­ge­schafft wer­den könn­te. hier gilt das so­ge­nann­te „ur­he­ber­recht“.

#2 „Wür­de Les­sig, ein­mal an­ders ge­fragt, auch von Im­mo­bi­li­en­mak­lern, Steu­er­be­ra­tern und Rechts­pro­fes­so­ren ver­lan­gen, dass sie auf ih­ren Be­sitz­stand und die Be­zah­lung ih­rer Leis­tun­gen ver­zich­ten?“
hat les­sig ge­sagt, ir­gend­wer sol­le auf die be­zah­lung sei­ner leis­tun­gen ver­zich­ten? ich kann mich da nicht dran er­in­nern. er wies je­doch dar­auf hin, dass sich ge­schäfts­mo­del­le stets wan­deln und dass es durch­aus vor­kom­men kann, dass ein ge­schäfts­mo­dell dass un­ter be­stimm­ten um­stän­den funk­tio­niert, un­ter an­de­ren nicht funk­tio­niert. sau­blö­des bei­spiel (von mir): am po­lar­kreis kann man eis auf dem wo­chen­markt, of­fen aus­lie­gend, ver­kau­fen. soll der eis­ver­käu­fer vom po­lar­kreis die son­ne ver­kla­gen, weil er in ita­li­en sein eis nicht of­fen aus­lie­gend ver­kau­fen kann udn sein vom po­lar­kreis er­prob­tes ge­schäfts­mo­dell in ita­li­en nicht funk­tio­niert?

was hiel­te herr stahn­ke da­von, wenn im­o­bi­li­en­mak­ler und ar­chi­tek­ten ihm und sei­nem stand ver­bie­ten wür­den, ihre ge­bäu­de zu fo­to­gra­fie­ren, we­gen ih­rer ur­he­ber­rech­te und weil sie die zu geld ma­chen wol­len? er wür­de ei­nen ganz­sei­ti­gen art­kel ver­fas­sen, in dem er den nie­der­gang der pres­se­frei­heit be­kla­gen wür­de. (ach das ur­he­ber­recht wird schon be­nutzt um fo­tos zu ver­bie­ten?)

was hiel­te herr stahn­ke da­von, dass steu­er­be­ra­ter und rechts­pro­fes­so­ren jour­na­lis­ten ver­bie­ten aus ih­ren ar­bei­ten oder gut­ach­ten zu zi­tie­ren? we­gen ih­rer ur­he­ber­rech­te und weil sie die glau­ben zi­ta­te müss­ten ab ei­ner län­ge von 20 buch­sta­ben be­zahlt wer­den? naja. wenn man für die faz ar­bei­tet, hält man es wahr­schein­lich mit dem her­aus­ge­ber, der ja den ein­druck er­weckt, dass aus­schliess­lich die faz selbst zi­tie­ren darf, aber sonst nie­mand.

#3 „Dass die Ur­he­ber von Ge­dan­ken, die nicht be­zahlt und ge­schützt wer­den, bald kei­ne Zeit und kein Geld mehr ha­ben, die­se zu den­ken, […] an die­sen Wi­der­spruch moch­te Les­sig aus Angst vor Ver­än­de­rung kei­nen Ge­dan­ken ver­schwen­den.“
es geht eben nicht dar­um je­man­den um sei­nen be­sitz­stand, sei­ne rech­te oder sei­ne be­zah­lung zu brin­gen, son­dern vor al­lem dar­um, die be­zah­lung und den schutz der rech­te an die ge­ge­ben­hei­ten an­zu­pas­sen und fair zu ge­stal­ten. auch die rech­te die mit ei­ner CC-li­zenz li­zen­siert sind, sind durch­setz­bar und zu schüt­zen. das bes­te bei­spiel wie so­et­was funk­tio­nie­ren kann, sind cory doc­to­rows bü­cher, die er alle un­ter ei­ner CC-li­zenz ver­öf­fent­licht und zum down­load an­bie­tet. trotz­dem, oder ge­ra­de des­halb, er­freu­en sich sei­ne bü­cher al­ler­bes­ter ver­kaufszah­len. muss ma­rio six­tus hun­ger lei­den, weil „der elek­tri­sche re­por­ter“ und „six­tus vs. lobo“ und „lost in deutsch­land“ un­ter CC li­zen­siert sind? im ge­gen­teil. die­se bei­spie­len möch­te jo­chen stahn­ke nicht mal an­satz­wei­se nach­ge­hen, weil er dann ge­dan­ken ver­schwen­den müss­te.

ich wür­de herrn stahn­ke emp­feh­len, die vor­träg von les­sig und doc­to­row ein­fach noch­mal an­zu­schau­en und zur ab­wechs­lung mal zu­zu­hö­ren. kann na­tür­lich sein, dass er kein eng­lisch ver­steht.

[tho­mas knü­wer meint auch, dass stahn­ke was falsch ver­stan­den hat.]

bild aus law­rence les­sigs prä­sen­ta­ti­on