va­ni­ty fair deutsch­land, zwei­ter ver­such

felix schwenzel

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er­in­nert sich noch je­mand an die ers­te deut­sche aus­ga­be der va­ni­ty fair? auf dem ti­tel stand laut schrei­end: „DAS NEUE MA­GA­ZIN FÜR DEUTSCH­LAND“.

tho­mas knü­wer sag­te ges­tern im in­ter­view mit olaf kol­brück auf die fra­ge wer wired le­sen sol­le:

Ich be­haup­te: Uns ist ein Heft ge­lun­gen, bei dem es kei­ne Ziel­grup­pe gibt, die dar­an kei­nen Spaß ha­ben wird. Je­der Deut­sche wird ei­nen sub­stan­zi­el­len Teil der „Wired“ in­ter­es­sant und le­sen­wert fin­den.

wired ist also — in klein und lei­se — das was die va­ni­ty fair sein woll­te. was für je­den „deut­schen“ da­bei. we­ni­ger arsch und tit­ten, et­was mehr ge­ron­ne­nes netz, ein hauch brand­eins, aber al­les schön flach und glatt­ge­feilt, da­mit sich nie­mand stösst oder piekst.


in­halt­lich kann man ge­gen die deut­sche wired wirk­lich (fast) nichts sa­gen. so­li­de, gar nicht mal lang­wei­li­ge jour­na­lis­ti­sche kost, nichts wor­über man sich auf­re­gen müss­te, aber auch nichts was ei­nen gross­ar­tig be­wegt. die ko­lum­nen sind or­dent­lich und an­ge­nehm kom­pakt, selbst der text von ri­chard gut­jahr ist aus­nahms­wei­se mal un­hys­te­risch, auch wenn die fet­ten res­te gut­jahr-eu­pho­rie sich of­fen­bar nicht raus­re­di­gie­ren lies­sen. statt ap­ple ist dies­mal halt is­ra­el das tolls­te auf der welt. auch die nerd-por­traits sind OK. ein biss­chen wie man das eben von der brand­eins kennt: leu­te die was kön­nen oder was auf­ge­baut ha­ben, wer­den in ei­nem mög­lichst ro­si­gen licht dar­ge­stellt. das an­ge­nehm ge­er­de­te por­trait des it-si­cher­heits-ex­per­ten san­dro gay­cken von tho­mas wie­gold bringt so­gar ein biss­chen po­li­tik ins heft und anke grö­ner hat mit dem por­trait ei­ner ehe­ma­li­gen te­le­kom-ma­na­ge­rin die jetzt edel-scho­ko­la­de her­stellt, ein the­ma ge­fun­den, dass ihr wie auf den leib ge­schnei­dert ist. muss­te beim le­sen so­gar ein­mal laut grin­sen.

selbst die auf dem co­ver schmie­rig an­ge­kün­dig­te kö­der-sex-sto­ry über das so­zia­le- ge­schlechts­ver­kehr-netz­werk ba­doo ist le­sens­wert.

al­ber­nen mis­sio­na­ri­schen ei­fer legt dann wie­der tho­mas knü­wer aufs par­kett, in­dem er ein­fach be­haup­tet, dass leu­te mit un­ge­wöhn­li­chen be­ga­bun­gen oder in­ter­es­sen statt in die schub­la­de „nerd“ lie­ber in die schub­la­de „geek“ ge­steckt wer­den möch­ten. je­man­den nerd zu nen­nen sei „un­ter­durch­schnitt­lich nett“, be­haup­tet er auf sei­te 60. im off-the-re­cord-in­ter­view be­schreibt er sei­ne selbst­ge­stell­te mis­si­on fol­gen­der­mas­sen:

Das Wort „Nerd“ ist eine Be­lei­di­gung. Das po­si­ti­ve Wort „Geek“ wird in Deutsch­land nie ver­wen­det. Das wol­len wir än­dern.

das ist na­tür­lich quark. eine um­fra­ge in mei­nem kol­le­gen­kreis (al­les leu­te die man po­ten­zi­ell nerd nen­nen könn­te, was ich aber nicht im traum täte) er­gab, dass nie­mand das wort nerd als be­lei­di­gung emp­fin­det, ei­ni­ge aber den kopf schüt­tel­ten und zu­rück­frag­ten was denn der scheiss mit den schub­la­den über­haupt sol­le (in mei­nen wor­ten zu­sam­men­ge­fast). ei­ni­ge nen­nen sich selbst oder so­gar ihre ehe­part­ner ge­le­gent­lich nerd.

selbst knü­wers au­toren nen­nen sich selbst nerds. te­re­sa bü­cker schreibt: „In Sa­chen Lie­be bin ich pas­sio­nier­ter Laie. Durch mei­ne Nerd­bril­le habe ich über die gro­ßen Ge­füh­le für die Wired ge­schrie­ben.“ auch cem bas­man lässt sich durch die wired-lek­tü­re nicht von der be­nut­zung des wor­tes „nerd“ ab­brin­gen.

ab­ge­se­hen da­von, dass es sich ähn­lich un­schön an­hört wenn tho­mas knü­wer „geek“ schreibt, wie wenn tho­mas gott­schalk „rock­mu­sik“ sagt, frag­te ich mich war­um knü­wer ne schub­la­de um­be­nen­nen will, statt dar­an zu ar­bei­ten, sie los­zu­wer­den. ich fürch­te bei­na­he, dass knü­wer im nächs­ten heft den kon­flikt um den rich­ti­gen ar­ti­kel für das wort „blog“ zum lei­the­ma des hef­tes ma­chen könn­te.


ge­stal­te­risch trägt das heft für mei­nen ge­schmack ein biss­chen zu­viel or­na­ment. mög­li­cher­wei­se wur­de aus dem gu­ten vor­satz opu­lenz im ei­fer des ge­fechts schnör­kel.

die ver­schnör­kel­te heft­ge­stal­tung ist gleich­zei­tig irre trend-fi­xiert. das führt be­dau­er­li­cher­wei­se dazu, dass zum bei­spiel die ak­tu­el­le le­no­vo-kam­pa­gne die glei­che vi­su­el­le spra­che spricht, wie vie­le re­dak­tio­nel­le sei­ten. durch das gan­ze heft hin­weg sind wer­bung und in­halt kaum von­ein­an­der zu un­ter­schei­den.

ent­we­der hat sich art­di­rec­tor mar­kus rin­der­mann zu sehr von ak­tu­el­len wer­be­trends in­spi­rie­ren las­sen, oder die le­ser­ver­ar­schung le­ser­ver­wir­rung hat prin­zip. mir fiel es aus­ge­spro­chen schwer re­dak­tio­nel­le in­hal­te von an­zei­gen — und um­ge­kehrt — zu un­ter­schei­den. aber viel­leicht wer­de ich auch zu alt und fal­le ein­fach zu schnell auf sol­che rent­ner­fal­len rein.

man kann das auch kür­zer aus­drü­cken:


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Konn­te die Print-Wired nicht le­sen weil mein Ad­blo­cker ak­tiv war.

about 7 hours ago via web Re­p­ly Ret­weet Fa­vo­ri­te 

@das­nuf das­nuf


ver­steht je­mand das co­ver? das ding was auf dem co­ver ab­ge­bil­det ist ist mit „Ho­tel Deutsch­land“ be­schrif­tet und wird of­fen­sicht­lich um­ge­baut. das steht auch noch­mal in gros­sen let­tern drauf. auf der obers­ten eta­ge ste­hen sate­lit­ten­schüs­seln und ein wind­kraft­rad. un­ten steht das ho­tel deutsch­land auf ei­ner art ana­log-com­pu­ter mit usb- und fire­wire-an­schlüs­sen, aber ohne tas­ta­tur. es gibt aber ei­nen joy­stick und drei space-in­va­der. un­ter dem joy­stick ein schild mit der auf­schrift „wired buil­der 0811 DE“. ist die auf dem co­ver ab­ge­bil­de­te ma­schi­ne ein sym­bol­bild für tho­mas knü­wer (wired buil­der de?) oder kann man mit solch ei­ner ma­schi­ne deutsch­land ver­bes­sern? oder ist das bild ein­fach ein WTF-pro­vo­ka­teur?


über die wired-app kann ich nichts sa­gen, da sie mir ein­deu­tig zu teu­er ist: 479,00€ + 2,99€ = 481,99€. ich habe aber ge­hört, dass sie ne­ben „zü­cker­chen“ auch feen­staubfun­keln­de Ster­ne oder Vo­gel­ge­zwit­scher“ ent­hal­ten soll.


an­de­re re­zen­sio­nen:

  • chris­ti­an stö­cker
  • fon­si
  • tho­mas knü­wer sam­melt auch selbst „me­di­en­re­ak­tio­nen“
  • ole reiß­mann
  • mi­cha­el see­mann („Und ich dach­te mir: Nee, die Wired ist nicht nur harm­los, sie ist lang­wei­lig.“)
  • erik hauth (tes­tet die ipad-app)
  • chris­toph kap­pes (sehr lan­ge re­zen­si­on. chris­toph kap­pes weist un­ter an­de­rem dar­auf hin, wie sehr die „in­fo­gra­fi­ken“ im heft ei­gent­lich nichts mehr als „zü­cker­chen“ sind, die kei­nen gros­sen in­for­ma­ti­ons­wert ha­ben und mehr fra­gen of­fen las­sen als sie be­ant­wor­ten.)
  • mi­chae­lis pan­te­lou­ris (zerppflückt tho­mas knü­wers wired ar­ti­kel und geek/nerd-ge­la­ber als „aben­teu­er­lich jen­seits der Rea­li­tät an­ge­sie­del­te Vor­stel­lung von der Welt, dass ich nicht ein­mal weiß, wie man dar­auf ant­wor­ten soll.“ bis­her mei­ne lieb­lings­re­zen­si­on. fa­zit: „Dass ich das Kon­zept per­sön­lich nicht mag, heißt nicht, dass es nicht funk­tio­nie­ren kann. Aber ich fin­de es lang­wei­lig.“)