kunst sam­meln

felix schwenzel in artikel

mit 12 hat­te ich kein ver­ständ­nis für kunst. als mei­ne el­tern mir er­zähl­ten, dass sie eine plas­tik von joa­chim ban­dau ge­kauft hät­ten und mir den preis nann­ten, fand ich das da­mals sehr, sehr doof und liess das auch mei­ne el­tern wis­sen. ich ver­mu­te, ich liess sie da­mals wis­sen, dass ich sie für be­scheurt hielt so viel geld für ein stück po­ly­es­ter zu be­zah­len.

der fuss, wie wir ihn dann meist nann­ten, stand oder hing dann die fol­gen­den jah­re in un­se­ren woh­nun­gen. er war ein­fach da: glatt, schlank und gleich­zei­tig rund­lich, matt­schwarz glän­zend, ohne spe­ckig zu wir­ken. sei­ne form war ori­gi­nell aber gleich­zei­tig ein biss­chen ver­traut, wie aus dem flug­zeug­bau.

auf ge­wis­se wei­se teil­te ich mein le­ben mit dem fuss. mein le­ben ver­än­der­te sich, der fuss nicht. je äl­ter ich wur­de, des­to sym­pa­thi­scher wur­de mir der fuss, sei­ne form, sei­ne ober­flä­che, sei­ne re­flek­ti­ons­ei­gen­schaf­ten. ir­gend­wann um die jahr­tau­send­wen­de sah ich den stream ei­ner key­note, in der ste­ve jobs die neu­en ibooks vor­stell­te und sinn­ge­mäss sag­te, dass ihre form so wun­der­bar sei, dass man sie ab­le­cken woll­te. da fiel mir auf, dass mir das mit der plas­tik von joa­chim ban­dau mitt­ler­wei­le auch so ging.

da­mals, so um die jahr­tau­send­wen­de, fing ich auch an zu ver­ste­hen, war­um es in­ter­es­sant ist kunst zu sam­meln. es geht nicht um die wert­an­la­ge oder -stei­ge­rung, es geht nicht um das ha­ben-wol­len oder be­sit­zen, es geht um das zu­sam­men­le­ben mit kunst. kunst, mit der man zu­sam­men­lebt lädt sich mit be­deu­tun­gen, er­in­ne­run­gen, hoff­nun­gen und pro­jek­tio­nen auf. kunst ver­wi­ckelt sich mit dem ei­ge­nen le­ben.

dar­an muss­te ich je­den­falls wie­der den­ken, als ich die­ses wo­chen­en­de wie­der bei mei­nen el­tern über­nach­te­te und die gan­zen ar­bei­ten sah, die die bei­den im lau­fe der jah­re ge­kauft hat­ten.

der fuss von joa­chim ban­dau stand vie­le jah­re auf dem fuss­bo­den, bis mei­ne mut­ter und ich vor zwei jah­ren dem drän­gen mei­nes va­ters nach­ga­ben und ihn end­lich wie­der an eine wand hin­gen. ich fin­de das tut ihm ganz gut.


die­ses bild von dirk skre­ber moch­te ich von an­fang an. ich glau­be mei­ne mut­ter hat es ge­kauft, als er ge­ra­de die düs­sel­dor­fer kunst­aka­de­mie ab­ge­schlos­sen hat­te. ob­wohl — oder ge­ra­de weil es mit we­nig de­tails und eher grob ge­malt ist, eig­net es sich sich her­vor­ra­gend zum rein­pro­ji­zie­ren von ideen und in­ten­tio­nen. ich fand es im­mer ein biss­chen iro­nisch und gleich­zei­tig ir­ri­tie­rend. als sei es un­fer­tig oder als pas­sie­re im bild gleich et­was. im­mer wenn ich am bild vor­bei­kom­me, mer­ke ich je­den­falls, dass es mich be­schäf­tigt; was ist, was könn­te pas­sie­ren?


die blu­men und die fi­sche sind von wang fu. hin­ten sind sie mit ne­on­far­be ge­stri­chen, so dass sie von ei­ner art aura um­ge­ben wer­den. die ar­bei­ten müss­ten alle so um das jahr 1995 ent­stan­den sein, also bald 20 jah­re bei mei­nen el­tern in der kü­che hän­gen. ich stau­ne also seit knapp zwan­zig jah­ren über sie. je­des mal.

wang fu be­schreibt auch das ge­fühl kunst im­mer wie­der im all­tag aus­ge­setzt zu sein, das ich oben ver­sucht habe aus­zu­drü­cken:

Wang Fu be­ob­ach­te­te im­mer wie­der Men­schen in ih­rer Wahr­neh­mung wäh­rend ei­nes Son­nen­un­ter­gan­ges am Pa­zi­fik. Man­che schlie­ßen die Au­gen, an­de­re füh­len mit der Haut, an­de­re kön­nen sich dem Au­gen­blick nicht auf­merk­sam hin­ge­ben. Je öf­ter und be­wuss­ter Men­schen sol­che Au­gen­bli­cke er­le­ben, je mehr Er­fah­rung sie da­mit be­kom­men, je tie­fer wird das Er­leb­nis. Aus der Wie­der­ho­lung ent­steht Kon­zen­tra­ti­on.

so ist das, glau­be ich, ex­akt mit der kunst. je mehr man sich ihr aus­setzt, des­to tie­fer kann das er­le­ben sein, des­to mehr de­tails und qua­li­tä­ten ent­deckt man. und der idea­le ort sich kunst aus­zu­set­zen, ist wohl in der tat das zu­hau­se, der ort an dem man am meis­ten zeit ver­bringt.

ich möch­te be­haup­ten: kunst zu kau­fen oder zu sam­meln ver­bes­sert die le­bens­qua­li­tät. und wenn man das mit kunst macht, zu der man viel­leicht noch kei­nen zu­gang ge­fun­den hat, kann kunst auch aha-er­leb­nis­se pro­du­zie­ren. so wie ein gu­tes buch oder ein gu­ter film.

(wird fort­ge­setzt)