hu­mor­lo­se clowns

felix schwenzel

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  ta­ges­spie­gel.de: Grie­chen­land-Dra­ma: So­li­da­ri­tät? Ich bin ir­ri­tiert!

ich bin im­mer wie­der er­staunt wie ein­fach und un­kom­pli­ziert die welt für man­che men­schen zu sein scheint. hier ver­sucht ha­rald mar­ten­stein die welt den deut­schen wohl­stand mit der lo­gik ei­ner schwä­bi­schen haus­frau zu er­klä­ren. das funk­tio­niert er­staun­lich gut, wenn man die lo­gi­schen fä­hig­kei­ten und den sinn für kom­ple­xi­tät ei­ner schwä­bi­schen haus­frau hat.

was mich aber wirk­lich ir­ri­tiert, das wort eu­ro­pa („eu­rop…“) kommt in mar­ten­steins text ein­mal vor, deutsch­land („deutsch…“) neun mal. mög­li­cher­wei­se ist mar­ten­stein des­halb ir­ri­tiert, weil er nicht be­grif­fen hat, dass ein ge­ein­tes und funk­tio­nie­ren­des eu­ro­pa sehr im deut­schen in­ter­es­se ist und un­ser wohl­stand sehr viel en­ger mit eu­ro­pa ver­knüpft ist, als al­lein mit dem „deut­schen Steu­er­zah­ler“.

(ur­sprüng­lich ver­öf­fent­licht am 19.07.2015 08:29)

  faz.net: Die­ter Nuhr über Shit­s­torms: Di­gi­ta­les Mit­tel­al­ter

je­mand der lan­ge zeit da­von leb­te sich über an­de­re lus­tig zu ma­chen, die äus­se­run­gen an­de­rer als dumm oder un­be­dacht oder flach zu ent­lar­ven, be­klagt sich dar­über, dass sich jetzt an­de­re über ihn lus­tig ma­chen oder sei­ne äus­se­run­gen als dumm oder flach be­zeich­nen? ein ko­mi­ker for­dert als re­ak­ti­on auf eine pro­vo­zie­ren­de iro­nisch/sa­ti­ri­sche äus­se­rung sach­lich­keit und das un­ter­las­sen von po­le­mik?

das pein­lichs­te auf der welt ist glau­be ich ein haupt­be­ruf­li­cher clown, der sich zu ernst nimmt. (via)

(ur­sprüng­lich ver­öf­fent­licht am 19.07.2015 08:21)


das trau­ri­ge an die­ter nuhr und ha­rald mar­ten­stein ist ge­nau be­trach­tet ihre ex­tre­me ich-be­zo­gen­heit. zwei men­schen die seit lan­ger zeit da­von le­ben wi­der­sprü­che in der welt auf­zu­spü­ren, zu ver­ein­fa­chen, zu­zu­spit­zen und sich in der öf­fent­lich­keit dar­über lus­tig zu ma­chen, de­ren job es so­zu­sa­gen ist wind zu ma­chen, se­hen sich plötz­lich in ei­ner welt, in der sie plötz­lich auch hin und wie­der ei­nen wind­hauch am ei­ge­nen kör­per spü­ren. statt zu er­ken­nen, dass da jetzt an­de­re wind ma­chen, mit den glei­chen mit­teln und werk­zeu­gen wie sie selbst, em­pö­ren sie sich über ideo­lo­gi­sche pro­pa­gan­da (mar­ten­stein) oder un­zi­vi­li­siert­heit und se­hen das wind­ma­chen plötz­lich als „ei­nen zi­vi­li­sa­to­ri­schen Rück­schritt in Rich­tung Fa­schis­mus und Mit­tel­al­ter, Po­grom und He­xen­ver­bren­nung“ (nuhr).

hu­mor, iro­nie, sar­kas­mus, zu­spit­zung, ver­ein­fa­chung, all das ist für men­schen wie die­ter nuhr eine ein­bahn­stras­se. die­se werk­zeu­ge, meint er, sind in sei­nen ei­ge­nen hän­den gut auf­ge­ho­ben — aber in den hän­den an­de­rer ge­fähr­li­che waf­fen. abs­trakt, auf an­de­re be­zo­gen, er­kennt ha­rald mar­ten­stein die­ses prin­zip sehr hell­sich­tig:

Je stär­ker ein Mensch in abs­trak­ter Hin­sicht für Re­spekt und Sen­si­bi­li­tät ein­tritt, des­to we­ni­ger ist der­sel­be Mensch im Um­gang mit ei­nem Ge­gen­über zu Sen­si­bi­li­tät und Re­spekt auf­ge­legt. (quel­le)

es ist na­tür­lich ein biss­chen re­spekt­los (und falsch) von mir mar­ten­stein und nuhr hier zu ver­mi­schen. der eine von bei­den ist bei­spiels­wei­se gar nicht mal so dumm und mar­ten­stein re­agiert auf kri­tik nicht em­pört, son­dern meis­tens nur pam­pig (er selbst wür­de das na­tür­lich hu­mor­voll nen­nen).

klaus kus­anow­sky hat die un­gläu­bi­ge em­pö­rung von die­ter nuhr sehr hell­sich­tig (und lang) aus­ein­an­der­kla­mü­se­rt:

In­ter­es­sant ist nun, dass der­je­ni­ge, der auf die­se Wei­se eine Re­gel vor­schlägt, näm­lich die Re­gel, dass al­les nur sa­ti­risch-iro­nisch ge­meint ist, beim über­rasch­ten Fest­stel­len der Shit­back­schlei­fe von die­ser Re­gel gar nichts mehr wis­sen will. Aus Spaß wur­de, ho­kus­po­kus, plötz­lich Ernst, so je­den­falls will es die Par­tei des Be­lei­dig­ten. Und die Fra­ge ist: war­um lässt er die vor­ge­schla­ge­ne Re­gel nicht mehr gel­ten? (wei­ter­le­sen …)

ge­nau­so ein­leuch­tend hat han­nah beit­zer das in der sz se­ziert:

Den­je­ni­gen, die die Reich­wei­te nicht ha­ben, bleibt we­nig mehr als ihre Kri­tik über so­zia­le Me­di­en zu äu­ßern. Wenn es ziem­lich vie­le Men­schen sind, die das tun, wird die­se Kri­tik dann na­tür­lich zu ei­nem In­stru­ment, Druck aus­zu­üben auf die­je­ni­gen, die im Hier­ar­chie­ver­hält­nis über dem stink­nor­ma­len Nut­zer ste­hen - sei es, weil sie Re­dak­teur ei­ner re­nom­mier­ten Zei­tung sind oder eben Ko­mi­ker, de­nen ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum zu­hört. Ein In­stru­ment üb­ri­gens, das durch­aus der klas­si­schen Demo vor dem Ver­lags­ge­bäu­de oder der Par­tei­zen­tra­le äh­nelt. Der Shit­s­torm ist da­mit, wenn man so will, kein Bei­trag zur De­bat­te im feuil­le­to­nis­ti­schen Sinn, son­dern eine Form von po­li­ti­schem Ak­ti­vis­mus, ein Weg, be­stehen­de Macht­ver­hält­nis­se in Fra­ge zu stel­len.

Wenn Nuhr, der Ko­mi­ker mit dem Mil­lio­nen­pu­bli­kum, da­von spricht, dass „die pö­beln­de Mas­se“ heu­te wie­der „selbst­be­wusst als Han­deln­der“ auf­tritt, dann hat das ei­nen bit­te­ren Bei­geschmack. Bös­wil­lig in­ter­pre­tiert: „Die da un­ten“ sol­len ge­fäl­ligst un­ten blei­ben, zu sei­nen Auf­trit­ten kom­men, aber ihm „da oben“ ge­fäl­ligst nicht auf die Ner­ven ge­hen mit ih­rer Kri­tik.

im sz-ar­ti­kel habe ich auch die­ses zi­tat von lu­cie auf klei­ner3 ge­fun­den:

  klei­ner­d­rei.org: Es kann ein we­nig lau­ter wer­den: Über das Dis­ku­tie­ren im Netz
lu­cie:

Aus­ser­dem stellt sich auch hier wie­der die Fra­ge, wer ei­gent­lich den An­spruch er­hebt, dass ihre_sei­ne Mei­nung re­spek­tiert und für zu­hö­rens­wert er­ach­tet wird? Die­je­ni­gen, die sich über den „rau­en Ton“ be­schwe­ren, sind oft ge­nug auch jene, die sehr dar­an ge­wöhnt sind, dass ihre Stim­me ge­hört wird (wie z.B. Jour­na­list_in­nen) und selbst bei Wi­der­spruch ihre Re­le­vanz nicht grund­sätz­lich in Fra­ge ge­stellt wird.

(ur­sprüng­lich ver­öf­fent­licht am 19.07.2015 08:34)

al­lein schon die (iro­nie­freie) nut­zung des wor­tes „shit­s­torm“ soll­te als in­di­ka­tor ge­wer­tet wer­den, dass hier je­mand das wort er­greift, der ger­ne sei­ne de­fi­zi­te bei der selbst­re­flek­ti­on, beim nach­den­ken und ana­ly­sie­ren dar­stel­len möch­te.


die­se tweets hat­te ich noch üb­rig und zu­fäl­lig pas­sen sie auch:

Am Bei­spiel Grie­chen­land kön­nen Saar­land, Ber­lin, Bre­men schon mal se­hen, was ih­nen bei der Neu­ver­hand­lung des Län­der­fi­nanz­aus­gleichs blüht.

Dicht­heit & Wah­rung (@der­kut­ter12.07.2015 13:39

(ur­sprüng­lich ver­öf­fent­licht am 17.07.2015 08:33)

Mit nem So­cial Web als Si­cher­heits­ven­til der Ge­sell­schaft wür­de es die DDR heu­te noch ge­ben.

Guen­ter Hack (@guen­ter­hack16.07.2015 19:20

(ur­sprüng­lich ver­öf­fent­licht am 17.07.2015 08:30)


[nach­trag 19:20 uhr]

  wolf­gang­mi­ch­al.de Wie Eu­ro­pa wirk­lich ent­steht

wer meint es sei be­reits al­les ge­sagt zu grie­chen­land und eu­ro­pa, dem emp­feh­le ich noch die­sen text von wolf­gang mi­ch­al zu le­sen:

Die In­nen­ein­rich­tung Eu­ro­pas wird nicht mehr al­lein den Eli­ten über­las­sen. Im grie­chi­schen Re­fe­ren­dum konn­ten wir ei­nen ers­ten zag­haf­ten An­satz zur For­mu­lie­rung ei­ner Al­ter­na­ti­ve er­ken­nen. Und durch das Re­fe­ren­dum er­leb­ten wir erst­mals eine So­li­da­ri­sie­rung (und Po­la­ri­sie­rung) der Men­schen quer zu den eu­ro­päi­schen Na­tio­nal­staa­ten: Auf den Stra­ßen von Ir­land bis Ita­li­en fei­er­ten die Ver­tei­di­ger der grie­chi­schen „Nein“-Po­li­tik ihre Hel­den; an den Stamm­ti­schen von Mün­chen bis Riga re­gier­ten die An­hän­ger der har­ten Li­nie ge­gen die „Ver­schwen­der“ des Sü­dens.

ich fin­de die po­pu­lis­ti­sche (und be­que­me) ver­ein­fa­chung der grie­chen­land-kri­se auf die fra­gen nach „un­se­ren“ wohl­stand (also steu­er­gel­dern) oder „de­ren“ [faul­heit|kor­rup­ti­on|ver­schwen­dung|über ihre kos­ten le­ben] über­sieht im­mer wie­der eine der ent­schei­den­den fra­gen: un­ser wohl­stand, un­se­re po­li­ti­sche zu­kunft hängt ent­schei­dend vom jahr­hun­dert­pro­jekt der eu­ro­päi­schen ei­ni­gung ab. es ist eben ge­ra­de im deut­schen in­ter­es­se eu­ro­pa zu ei­nem funk­tio­nie­ren­den mo­del zu ma­chen. die zu­kunft deutsch­lands liegt nicht in ei­nem ge­sun­den, rei­chen und kraft­strotz­de­nen na­tio­nal­staat — son­dern in der po­li­ti­schen eu­ro­päi­schen uni­on.

Es ist ein Trug­schluss zu glau­ben, die Grie­chen hät­ten sich mit der Ei­ni­gung von Sonn­tag wie­der nur Zeit ge­kauft, nein, es ist die Troi­ka, es sind die durch die Troi­ka ver­tre­te­nen Son­der-In­ter­es­sen, die sich im­mer wei­te­re Zeit kau­fen. Der Kon­flikt selbst bleibt un­ge­löst.

Der nächs­te Auf­stand wird des­halb dra­ma­ti­scher aus­fal­len als der jet­zi­ge, der über­nächs­te könn­te in ei­nen Bür­ger­krieg mün­den. Wer die Ge­schich­te der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka stu­diert, wird se­hen, dass auch die­ses Pro­jekt nicht von heu­te auf mor­gen auf dem Pa­pier ent­stan­den ist, son­dern nach har­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen im Rah­men ei­nes öko­no­misch-po­li­ti­schen Nord-Süd-Kon­flikts.

(bei wolf wit­te ge­fun­den)

in die­sem zu­sam­men­hang ist ei­gent­lich auch die rede von ge­or­ge sor­os in ber­lin von 2010 ganz le­sens­wert.

(ur­sprüng­lich ver­öf­fent­licht am 19.07.2015 18:13)