Hass

Stefan Niggemeier

Der Pau­le aus Wup­per­tal hat jetzt mal ein Foto ge­macht von dem Feind. In der Wup­per­ta­ler Schwe­be­bahn ha­ben sie ge­ses­sen, Va­ter mit Voll­bart, Mut­ter und drei Kin­der ver­schlei­ert, klar: Is­la­mis­ten. Die woll­ten das nicht, klar, und ei­ni­ge Fo­tos, die er ge­macht hat, konn­te der Pau­le prak­tisch weg­wer­fen hin­ter­her, weil die Frau ihre Au­gen mit ih­ren Hän­den ver­deckt hat. Aber der Pau­le ist nicht blöd, und so hat er beim Aus­stei­gen noch mal die Ka­me­ra auf die El­tern ge­rich­tet, „so dass die nicht er­war­tet ha­ben, daß man sie fo­to­gra­fiert“. Das Foto hat er dann an den Ste­fan Her­re ge­schickt, der be­treibt „das po­li­tisch in­kor­rek­te Web­log in Deutsch­land“, das wird so­gar von be­kann­ten Ver­tre­tern des po­li­ti­schen In­kor­rek­tis­mus wie Hen­ryk M. Bro­der emp­foh­len. Und die­ser Ste­fan Her­re also hat das Foto von den bei­den Men­schen, die nicht fo­to­gra­fiert wer­den woll­ten, auf sei­ne Sei­te ge­stellt und aus der E-Mail von Paul zi­tiert. Er hat „Mehr Bur­kas und Bär­te in Wup­per­tal“ dar­über­ge­schrie­ben und sei­ne Le­ser auf­ge­for­dert, ihm ähn­li­che „aus­sa­ge­kräf­ti­ge Zu­sen­dun­gen“ zu­kom­men zu las­sen.

Es gab dann in den Kom­men­ta­ren ein paar ver­ein­zel­te kri­ti­sche Stim­men, ob das nicht und­freund­lich oder gar ver­bo­ten sei, Leu­te ge­gen ih­ren Wil­len zu fo­to­gra­fie­ren und das dann zu ver­öf­fent­li­chen. Aber ers­tens sind die ja selbst schuld, wenn sie sich ver­schlei­ern und nicht ra­sie­ren und so. Und zwei­tens kann man die­se Is­la­mis­ten doch eh nicht aus­ein­an­der­hal­ten, des­halb ha­ben sie auch kein Recht am ei­ge­nen Bild: „zu­min­dest ver­schlei­er­te frau­en darf man auf­neh­men wo und wann man will, da sie nicht als in­di­vi­du­en er­kenn­bar sind.“

Die Dis­kus­si­on da­nach ist ein­drucks­voll. Das Syn­onym für Deut­sche lau­tet „‚nor­ma­le’ Ein­woh­ner“, Aus­län­der sind Kri­mi­nel­le und Schlä­ger. Über das Foto, das – wie ge­sagt – nichts wei­ter zeigt als ei­nen bär­ti­gen Mann und eine ver­schlei­er­te Frau, die in der Schwe­be­bahn sit­zen, schreibt je­mand: „Eine Ge­sell­schaft, die sich das bie­ten lässt, ist selbst schuld, wenn sie un­ter­geht.“ Und ein an­de­rer: „Al­lei­ne wenn ich mir die­sen Ty­pen auf dem Bild an­se­he,kann es ja wohl nicht ver­kehrt sein, wenn sein Bild ir­gend­wo ge­spei­chert bleibt. Denn so­was, wie der, passt zu­min­dest von der Op­tik ge­nau in das Ras­ter de­rer, die Flug­zeu­ge klau­en U-Bah­nen ind die Luft ja­gen usw. (...)“ Und ein drit­ter: „(...) wer­de ich wei­ter­hin ver­su­chen un­se­ren Mos­le­mi­schen ‚Freun­den’ [Feu­er] un­term Hi[n]tern zu ma­chen (...)“ Ei­ner schreibt von den „Sä­cken“ und tut es so, dass nicht ganz klar ist, ob er da­mit die Bur­kas meint oder die Mos­lems.

Noch be­ein­dru­cken­der als den Frem­den­hass an sich fand ich zu­nächst den Stolz, mit dem er hier zur Schau ge­stellt wird, ge­le­gent­lich noch als Ver­tei­di­gung der De­mo­kra­tie ver­brämt. Aber das liegt si­cher nur an mei­ner Nai­vi­tät, denn be­stimmt kommt der Frem­den­hass schon längst be­vor­zugt in die­ser Form da­her: nicht ver­druckst, la­tent, un­ter­schwel­lig, son­dern mit der Fan­fa­re: Wir ret­ten das Land, das Volk, die De­mo­kra­tie! Das ko­ket­te mo­di­sche La­bel „po­li­tisch un­kor­rekt“ ist ein Mar­ken­zei­chen da­für: Man hält sich na­tür­lich für po­li­tisch kor­rekt und gibt sich als un­ter­drück­te Min­der­heit - so als hät­te man nicht zum Bei­spiel die mit Ab­stand größ­te deut­sche Ta­ges­zei­tung auf sei­ner Sei­te. Und wo­mög­lich den Volks­zorn ei­ner schwei­gen­den Mehr­heit.

Vie­le Kom­men­ta­re sind von him­mel­schrei­en­der Ah­nungs­lo­sig­keit. Als ei­ner meint, dass der Ab­druck von Fo­tos, die ohne Ein­wil­li­gung ent­stan­den sind, doch ver­bo­ten sei, ant­wor­tet ein an­de­rer: „Nein - nur die kom­mer­zi­el­le Nut­zung wäre ver­bo­ten.“ Hey, das stimmt zwar nicht, klingt aber su­per sou­ve­rän. Wo­her der Hass kommt, das kann ich theo­re­tisch noch nach­voll­zie­hen. Aber wo­her neh­men die­se Leu­te das Selbst­be­wusst­sein, ne­ben ih­rer Men­schen­ver­ach­tung auch ihre Dumm­heit so de­mons­tra­tiv zur Schau zu stel­len?

Der Pau­le ist un­ter­des­sen be­stimmt schon wie­der mit sei­ner Ka­me­ra un­ter­wegs und kämpft für eine bart­lo­se Ge­sell­schaft. Viel­leicht hat er die Ka­me­ra auch weg­ge­legt und macht den Mos­lems schon Feu­er un­term Hin­tern. Ei­ner muss es ja tun.

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