die welt beherrschen

felix schwenzel, , in wirres.net    

ich habe am donnerstag gegen 17 uhr einen text geschrieben und so gegen 17:45 uhr versucht den text — oder zumindest die wichtigsten passagen — zu memorieren. gegen 18 uhr habe ich hinter dem palast der republik ungefähr fünf mal versucht den text aufzusagen. beim fünften mal sass der text einigermassen. den text kann man jetzt hier sehen oder hier lesen.

watch berlin hinter dem palast

ich habe kürzlich ein aha-erlebnis gehabt. und zwar habe ich einer sehr grossen maschine bei der arbeit zugesehen. ich stand fast eine halbe stunde vor dieser maschine und habe beobachtet wie sie funktioniert, wie sie die aspahltoberfläche einer strasse einfach wegfräste. ich stand vor der maschine wie ich es als elfjähriger, kleiner junge getan hätte, mit offenem mund und voller bewunderung für den mann der die maschine bediente. nicht dass der mann an sich sonderlich bewundernswert oder vorbildlich gewesen wäre, er wirkte eher als habe er ein schlichtes gemüt. trotzdem. er beherrschte ein ungetüm, einen koloss, einen riesen, eine riesenmaschine. und das bewunderte ich.

ich fragte mich, was ist daran so faszinierend eine maschine zu beherrschen? die antwort lautet: ich weiss es nicht. aber ich beobachte, an mir selbst und anderen, dass es menschen offenbar fasziniert maschinen, apparate zu beherrschen.

ich kann beispielsweise guten gewissens behaupten jede funktion meines handys zu kennnen. ich kenne jeden menüpunkt und habe extra programme installiert, die noch mehr menüpunkte freischalten die mir helfen mir einzubilden, dass mein handy genau das tut was ich will. an meinem computer verbringe ich einen grossen teil der zeit damit die bedienung zu vereinfachen, tastaturkürzel die die arbeit beschleunigen könnnten zu lernen, lese begierig ganze webseiten durch, die nichts als tipps und tricks bereithalten um die bedienung des computers zu vereinfachen. ich will die maschine um jeden preis beherrschen. und vergesse beim optimieren der arbeitsabläufe oft die arbeit die ich mir eigentlich erleichtern wollte.

dieses prinzip lässt sich überall in der welt beobachten. die menschen wollen maschinen, die technik, die welt beherrschen. das fängt beim hundebesitzer an der zeigen will, das der hund ihm aufs wort gehorcht, er also absolute kontrolle über den hund auszuüben vermag, bei autofahhrern, die ganz besonders hier in berlin allen anderen autofahrern zeigen wollen, dass sie besonders gut oder besonders schnell fahren oder fantastisch einparken können, also die maschine besser als andere beherrschen.

ich hab, wie gesagt, keine ahnung warum das so ist, warum menschen und vor allem männer maschinen beherrschen wollen.

aber es geht ja auch nicht nur um maschinen. es geht auch um fertigkeiten. mein vater beispielsweise lernt wie ein besessener vokabeln um beispielsweise perfekt englisch sprechen zu können. er prügelt die vokabeln quasi in sich hineien und zeigt seine herrschaft über die vokabeln bei jeder gelegenheit, zum beispiel beim gemeinsamen abendessen mit seinen kindern, denen er unvermittelt vokabeln an den kopf wirft um sie zu testen und sich zu messen. nur wenn er im ausland ist, schweigt er meistens, aus furcht jemand könnte merken, dass er die vokabeln, die sprache nicht perfekt beherrscht. meine mutter spricht nicht sonderlich gut englisch und kommt mit ungefähr 200 vokabeln aus. ihr ist das egal, sie spricht im ausland ununterbrochen, mit händen und füssen.

ich habe, und das sage ich jetzt zum dritten mal, keien ahnung warum das so ist und ob die obsession dinge zu beherrschen vielleicht typisch männlich ist. aber wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass menschen und vor allem männer eigentlich ziemlich arme würstchen sind, in eine komplizierte, eigentlich unbeherrschbare welt hineingeboren werden und sich darin behaupten müssen. da kann es hilfreich sein, sich im kleinen zu beweisen, dass man zumindest kleine teile der welt beherrschen kann.

und vielleicht ist es auch gut, dass der grossteil der menschen ihren drang dinge zu beherrschen an autos, maschinen oder hunden auslassen und ihr unzulänglichkeiten nicht damit ausgleichen, dass sie wie manche politiker menschen auf ihre festplatten gucken wollen, sie in listen registrieren wollen oder ihre telefonate und telekomunikationsverhalten um jeden preis kontrollieren und letzztendlich beherrschen wollen. vielleicht wäre die welt ein besserer ort, wenn schäuble kranführer wäre?