„Generation Upload und der Dialog“ (übersetzt: „shit happens“)

felix schwenzel

ges­tern hat nico lum­ma ge­sagt er fän­de den vo­da­fone spot „su­per“ und an­ge­kün­digt „spä­ter“ was dazu zu schrei­ben. heu­te hat er was ge­schrie­ben, aber lei­der we­der et­was ge­sagt, noch er­klärt war­um er den spot „su­per“ fin­det. und da vo­da­fone und scholz und fri­ends neu­er­dings den dia­log „rich­tig ent­wi­ckeln“ wol­len, lass ich mich nicht lum­pen und ver­su­che mal ni­cos ar­ti­kel zu über­set­zen. für den dia­log.

Ich versuche mal, in aller Ruhe und der mir bekanntermaßen innewohnenden Gelassenheit das Thema der letzten Tage aufzugreifen. Laut Rivva war der neue Markenauftritt von Vodafone beherrschend in einer der Blogosphären in Deutschland. Daran war ich nicht ganz unbeteiligt, ebenso wenig wie mein Arbeitgeber Scholz & Friends und unser Kunde Vodafone.

die mee­tings ges­tern und heu­te wa­ren ziem­lich an­stren­gend. riv­va, die blogs und twit­ter sind voll mit ne­ga­ti­vem feed­back, des­halb ver­lin­ke ich es lie­ber nichts da­von, aber da ich ei­ner der ver­ant­wort­li­chen für die­ses de­sas­ter war ver­su­che ich mal um ein biss­chen ver­ständ­nis für un­ser ver­fah­re­ne si­tua­ti­on zu wer­ben.

Aber fangen wir mal von Vorne an. Vor ca. drei Monaten haben wir den Pitch um den Werbe-Etat von Vodafone Deutschland gewonnen. Unser Konzept ist in vielen Meetings, endlosen Gesprächen und aus vielen verworfenen Ideen entstanden, und zwar als eine orchestrierte Kampagne, also unter Zuhilfenahme vieler Instrumente, die eine große Kommunikationsagentur zu bieten hat. Uns war früh klar, dass der Kunde von Vodafone im Mittelpunkt stehen soll und damit ebenfalls klar, daß das Thema Zuhören eine große Rolle spielen muß, bei allem Monolog, der bei einer klassischen Kampagne dazugehört. Wir haben uns entschlossen, Social Media nicht nur als ein Teil der Kampagne zu etablieren, sondern als Taktgeber der Kampagne in den Mittelpunkt zu rücken. Daraus resultiert ein komplexes Kampagnengesamtkonzept, um es mal vorsichtig zu formulieren.

vor drei mo­na­ten ha­ben wir mit über­geig­ten ver­spre­chun­gen und viel mar­ke­ting-ge­sül­ze den irre gros­sen wer­be-etat von vo­da­fone deutsch­land ge­won­nen. wir ha­ben irre lan­ge dis­ku­tiert und ge­kno­belt wie man die sa­che auf­zie­hen kann. nach all den mee­tings, ge­sprä­chen mit selbst­er­nann­ten ex­per­ten und brains­stor­mings wa­ren wir zwar ge­nau­so ah­nungs­los wie vor­her und ha­ben uns ge­dacht, dass das eh egal ist, so­lan­ge wir rich­tig kräf­tig auf die scheis­se hau­en und ein­fach aus al­len roh­ren schies­sen. wich­tig war uns, dass vo­da­fone zu je­dem zeit­punkt das ge­fühl hat die vol­le kon­trol­le zu ha­ben und dass der kun­de der über­zeu­gung ist, dass ein neu­er an­strich ihn aus sei­ner ak­tu­el­len mi­se­re be­freit. um dem kun­den den ein­druck zu ver­mit­teln dass wir wis­sen wo­von wir re­den, ha­ben wir ihn drei mo­na­te lang mit web2.0-mar­ke­ting ge­sül­ze ein­ge­seift und dar­aus ein „kon­zept“ mit vie­len eng­li­schen klin­gen­den buz­zwords ge­bas­telt.

Kaum ist es Anfang Juli und schon sind wir so weit, dass der klassische Part der Kampagne starten kann. In den vergangen 2 1/2 Monaten haben wir einen extrem umfangreichen Markenauftritt umgesetzt, der einen TV-Spot, verschiedene Ableitungen davon, ebenso etliche Plakat- und Print-Motive umfasst, sowie unzählige Online-Werbemittel, eine Microsite mit Integration vieler Social Media Elemente, Plakate für die 3600 Shops, 5 Brandtrucks für die Schulung der 15.000 Mitarbeiter in den nächsten Monaten, ein umfangreiches Shooting mit tausenden Motiven, den Claim “Es ist Deine Zeit” und und und.

wir ha­ben uns zeit­lich to­tal ver­schätzt und muss­ten ackern wie die blö­den, da­mit al­les an­fang juli hübsch aus­sieht. mit den vie­len neu­en bun­ten bild­chen konn­ten wir er­folg­reich ver­hin­dern, dass der kun­de sich mit un­se­rem lei­der völ­lig un­aus­ge­go­re­nen kon­zept aus­ein­an­der setz­te. wir ha­ben ohne ende hüb­sche ku­lis­sen ge­baut, buz­zword-trai­nings-heft­chen für die mit­ar­bei­ter ge­schrie­ben und und vo­da­fone mit hüb­schen bild­chen, im wahrs­ten sin­ne, zu­ge­schis­sen.

Zusätzlich dazu haben wir angefangen, mit Bloggern den Dialog zu suchen, zuerst indem wir das HTC Magic als Testgeräte verteilt haben, danach haben wir den Dreh zum TV-Spot als Startschuß der Kampagne genutzt und über Twitter davon berichtet, dann wurde innerhalb kürzester Zeit mit vielen Mitarbeitern das Vodafone Blog gestartet, weiterhin haben wir Präsenzen auf MySpace, StudiVZ und Facebook etabliert, wo es primär darum geht, den Kunden, Fans und interessierten Nicht-Kunden eine Anlaufstelle zu bieten, um sich mit der Marke Vodafone auseinanderzusetzen. Dort hören wir vor allem zu. Und mit wir meine ich immer Vodafone und Scholz & Friends.

aus­ser­dem ha­ben wir ver­sucht ein paar blog­ger die wir kann­ten mit „test­ge­rä­ten“ mil­de zu stim­men und auf al­len uns zur ver­fü­gung ste­hen­den ka­nä­len leu­te dazu auf­ge­ru­fen über ei­nen un­se­rer drehs für den neu­en spot zu be­rich­ten. aus­ser­dem ha­ben wir die pres­se­tan­te da­von über­zeugt, ihre pres­se­mit­tei­lun­gen künf­tig auch in ein blog, my­space, stu­divz und face­book zu kip­pen. um den kun­den oder den po­ten­zi­el­len kun­den den ein­druck zu ver­mit­teln, vo­da­fone sei kein gi­gan­ti­scher bü­ro­kra­ti­scher mo­loch, bei dem die rech­te hand nicht weiss was die lin­ke hand tut, hat­ten wir die idee, dass die pres­se­spre­che­rin car­men hil­le­brand alle ihre blog­ein­rä­ge mit ih­rem foto ver­ziert. dass, so dach­ten wir uns, ver­lei­he vo­da­fone viel­leicht so­was wie ein mensch­li­ches ant­litz.

Der TV-Spot, bei Werbern nur knapp “der Film” genannt, ist letztlich eine Hommage an alle die, die etwas machen, die kreativ sind und die aktiv die Möglichkeiten des Netzes für sich nutzen und andere dabei involvieren. Der Film wird ebenso wie die Micrositees-ist-deine-zeit.deam Samstag gestartet und dann kann man auch sehen, wie alle Elemente der Kampagne ineinandergreifen, warum wir die Protagonisten so ausgewählt haben, das es eine gemeinsame Klammer gibt und das der Brand Refresh für Vodafone auf einem soliden Fundament steht.

über den miss­ra­te­nen wer­be­spot möch­te ich jetzt nicht re­den. mei­ne mei­nung zu die­sem irre teu­ren und lei­der to­tal ver­hunz­ten an­wanz­ver­such kann ich lei­der nicht of­fen sa­gen, nur so­viel: wir woll­ten den „on­line­com­mu­ni­ty­be­nut­zern“ schmei­cheln, ih­nen den ein­druck ver­mit­teln, dass sie irre wich­tig sind. das hat mit den ge­schenk­ten han­dys im­mer gut funk­tio­niert. auch wenn der spot lei­der scheis­se ge­wor­den ist, möch­te ich doch be­to­nen, dass wir uns echt mühe ge­ge­ben ha­ben. nach dem gan­zen arschauf­reis­sen, den si­zungs­ma­ra­thons und hin und her flie­gen war ich nerv­lich so durch, dass ich mir ir­gend­wann ein­bil­de­te, wir hät­ten tat­säch­lich ein über­zeu­gen­des kon­zept ge­fun­den. irre was stress so mit ei­nem macht.

Wir haben einen Begriff geprägt, die Generation Upload, um zu beschreiben, was wir online gerade sehen: immer mehr Leute machen mit, erstellen Inhalte, teilen diese Inhalte mit Freunden, verändern ihre Art der Online-Nutzung und haben letztendlich eine Haltung, die deutlich macht, das sie das Netz nutzen, um zu machen. Wir haben als erstes Produkt für die Generation Upload eine Applikation entwickeln lassen für Android und Blackberry, die die einfache Nutzung von Twitter, Facebook und MySpace ermöglicht.

die vor­ga­be von vo­da­fone lau­te­te: „macht ir­gend­was da­mit die kun­den nicht mehr alle we­gen dem scheiss ipho­ne zu t-mo­bi­le lau­fen.“ als die­ser ko­mi­sche spon-jour­na­list sich die­ses „ge­ne­ra­ti­on C64“ aus­ge­dacht hat­te, fiel uns auf, dass dass ge­nau die leu­te wa­ren die vo­da­fone als kun­den bin­den woll­te. also war die ziel­grup­pe klar. nur wie soll­ten wir sie nen­nen ohne all­zu po­li­tisch zu wer­den? „on­line­com­mu­ni­ty­be­nut­zer“ hät­te ich lus­ti­ger ge­fun­den, aber iro­nie ver­steht ja nie­mand, die „ge­ne­ra­ti­on down­load“ ging nicht, down­loads will vo­da­fone nicht, da geht das netz, wie bei sky­pe, in die knie. „ge­ne­ra­ti­on upload“ war nichts­sa­gend ge­nug. aus­ser­dem woll­te vo­da­fone noch ein pro­gramm für an­droid- und black­ber­ry-te­le­fo­ne, wo sie ihr logo fett drauf­set­zen kön­nen.

Und, wir haben quasi im Vorbeigehen damit angefangen, zwei Unternehmen zu verändern, sowohl Vodafone als auch Scholz & Friends selber. Das ist ein irre spannender Prozeß und auch einer, der noch lange nicht zu Ende ist. Als ein Beispiel möchte ich anfügen, dass die Zahl der Twitter- und Facebook-Accounts bei der Agentur und dem Kunden stetig zunimmt, und auch die Nutzung sowie das Verständnis für eine andere Art der Kommunikation stetig wächst. Dabei verändert sich die Arbeitsweise, dabei entstehen neue Ideen, andere Produkte und so weiter. Aber eben alles zu seiner Zeit und nicht alles innerhalb von 2 1/2 Monaten.

bei vo­da­fone und bei scholz und fri­ends fin­den alle das in­ter­net scheis­se. macht nur är­ger. ich la­ber mir seit mo­na­ten nen wolf um we­nigs­tens an­satz­wei­se ver­ständ­nis für die po­ten­zia­le des in­ter­nets zu we­cken. lei­der ka­men am ende mei­ner be­mü­hun­gen le­dig­lich ein paar lieb­los ge­führ­te twit­ter- und face­book­ac­counts raus. aber ich bin op­ti­mis­tisch, in zwei drei jah­ren werd ich si­cher noch ein paar von den schnarch­na­sen zu be­geis­ter­ten in­ter­net-be­nut­zern ma­chen.

Der Startschuß für den klassischen Teil der Kampagne war die LivePK vom Mittwoch, die als Novum live im Netz übertragen und via Facebook kommentierbar gemacht wurde. Sicherlich hätte einiges besser sein können, insbesondere was die Dramaturgie und die Ausprägung des Dialogs mit den Usern angeht, aber aus Fehlern lernt man bekanntlich. Der Weg, dies im Netz zu tun, war konsequent richtig und auch hier steht das Zuhören wieder im Vordergrund. In der Spitze nahezu 2000 parallele Abrufe, dazu knapp 2200 Kommentare, viele Fragen und über 300 registrierte Teilnehmer bei Facebook sprechen da eine deutliche Sprache, von der Resonanz auf Twitter und in den Blogs ganz zu schweigen.

das ti­ming und die durch­füh­rung für die pres­se­kon­fe­renz war un­ter­ir­disch. wir wuss­ten, dass uns das un­se­re mar­ke­ting-sprü­che, die lee­ren ver­spre­chun­gen (an de­nen un­se­re tex­ter mo­na­te­lang ge­ar­bei­tet ha­ben) um die oh­ren ge­hau­en wer­den wür­den. aber was wills­te ma­chen? der ter­min stand nun­mal fest. al­ler­dings war ich selbst dann doch über­rascht wie ne­ga­tiv der spot und die pres­se­kon­fe­renz auf­ge­nom­men wur­den, ich hat­te ehr­lich­ge­sagt mit ein biss­chen mil­de der twit­te­rer und blog­ger ge­rech­net, wenn man lau­ter be­kann­te und sym­pa­thi­sche ge­sich­ter aus de­ren rei­hen auf die büh­ne stellt. im­mer­hin kön­nen wir dem kun­den das de­sas­trö­se feed­back als „über­wäl­ti­gen­de“ re­so­nanz ver­kau­fen. das wit­zi­ge ist ja, die glau­ben uns das!

Ist das Aufgreifen von Bloggern in einem klassischen TV-Spot und die Nutzung des Themas Generation Upload jetzt der Ausverkauf der Blogosphäre, das Ende der Unschuld und der Sieg des Kommerzes in jedem Lebensbereich? In keinster Weise. Das wurde auch schon bei den Opel-Bloggern vor vier Jahren geschrieben und ehrlich gesagt habe ich danach nicht festgestellt, dass dadurch ein Ausverkauf der Blogs stattgefunden hat. Im Gegenteil, die Blogs sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Online-Mixes geworden, sogar in Deutschland. Der Brand-Refresh von Vodafone baut darauf auf, daß es eine funktionierende Blog-Landschaft in Deutschland gibt, daß Protagonisten vorhanden sind, die Dinge bewegen wollen, daß Unternehmen vom Wisdom of the Crowds lernen können und daß ein Dialog mit Zuhören startet.

wie ge­sagt. auf un­se­re kon­zept­lo­sig­keit, den alt­ba­cke­nen, un­wit­zi­gen und ziem­lich pein­li­chen spot will ich nicht wei­ter ein­ge­hen, zu­mal ich von an­fang an ge­gen den spa­cken der vom hoch­haus springt war. die grin­se­ba­cken aus dem mo­del­ka­ta­log woll­te ich auch ver­hin­dern, konn­te aber nie­man­den da­von über­zeu­gen, wie blöd das am ende wirkt. den lobo woll­ten wir ei­gent­lich im zug fil­men, aber in der ers­ten klas­se war die dreh­ge­neh­mi­gung zu teu­er. was ich ei­gent­lich sa­gen will: auch wenn ich es die letz­ten fünf jah­re nicht ge­schafft habe, aber ich bin der fes­ten über­zeu­gung, blogs sind ein 1A-mar­ke­ting-in­stru­ment und man kann mit blogs rich­tig gut koh­le ver­die­nen. bin ich über­zeugt von.

So.

mei­ne mei­nung.