markus pöhler

felix schwenzel, , in wirres.net    

markus, oder den pöhler, wie ihn alle nannten, habe ich zuletzt auf neles beerdigung gesehen. das ist jetzt ungefähr zwanzig jahre her. seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen und auch nichts von ihm gehört. im august des letzten jahres ist markus gestorben, seine todesanzeige und eine „gedenkseite“ habe ich heute per google gefunden.

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markus war vor 30 jahren mein bester freund. als ich ihn kennenlernte war ich 14 oder 15. wir haben zusammen das getan, was 15 jährige in den 80ern eben so machten: geraucht, getrunken, gekifft, musik gehört, computerspiele gespielt, michael gross mitten in der nacht beim schwimmen in los angeles zugeguckt (bei einem der rennen schlug markus vor aufregung eine scheibe ein). ich glaube wir haben ausser der olympiade in LA nie gemeinsam fernsehen geguckt, dafür sind wir aber mal mit 15 gemeinsam ins pornokino gegangen. als es noch kein internet gab, musste man für so nen scheiss noch mäntel mit hohen kragen anziehen und in die innenstadt fahren. an den wochenenden sind wir in diverse aachener clubs gegangen, die man damals noch diskotheken oder kneipen nannte. erschütternderweise sind mir ausser dem metropol in der blondelstrasse alle namen von diesen damals beinahe magischen orten entfallen. wir fühlten uns damals ziemlich erwachsen — und dachten auch dass wir so aussehen. welch ein irrtum.

wir haben in der zeit auch ziemlich oft mädchen aufgesucht und unter anderem auch angefangen stark parfümierte tees zu trinken. und das nicht nur gemeinsam mit den mädchen die wir aufsuchten. bei monika sind wir mal abends über den garten in die erste etage in ihr zimmer geklettert. möglicherweise zum teetrinken. beim einsteigen ins fenster schlug mein fuss gegen die jalousie des wohnzimmers, in dem monikas eltern gerade fernsehen guckten. wir waren eventuell schon ein bisschen angetrunken, weil wir vorher auf dem spielplatz 40prozentigen rum getrunken hatten. wir dachten damals, dass das gegen die bittere kälte helfen würde. bei monika hörten wir, glaube ich, wham! auf einem plattenspieler mit tangetialarm (!), ein teil mit fernbedienung, mit dem man lieder überspringen konnte. eigenartig was man sich so alles merkt und was man vergisst. monikas eltern haben übrigens nicht bemerkt, dass monika herrenbesuch hatte und beim aussteigen waren wir offenbar vorsichtiger.

nie vergessen werde ich den abend an dem ich markus besuchte und gleich bei ihm im zimmer verschwand, ohne seinen eltern, die zwei zimmer weiter fern sahen, hallo zu sagen. bei uns gab es sonntags fast immer lammbraten mit knoblauchsosse (viel jogurt, ein bisschen mayonaise, ketchup, salz, zucker und sehr, sehr viel gequetschter knoblauch). nach 20 minuten riefen markus eltern laut aus dem wohnzimmer rüber: „markus? ist felix da? es riecht nach knoblauch!“

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im sommer 1984 oder 85 sind wir zusammen mit dirk mit der mitfahrzentrale nach lacanau ocean in frankreich gefahren. eine erfahrung die wir dort machten hat sich mir sehr eingeprägt: den billigen landwein (zwei liter flasche) aus dem campingplatz-laden konnte man mit 10 würfeln zucker einigermassen geniessbar machen. ich glaube wir waren 2 oder drei wochen dort, eine zeit in der unsere eltern nicht wussten ob es uns gut geht — unter anderem, weil wir gar nicht auf die idee kamen, zuhause anzurufen. als die ferien sich dem ende zuneigten, kamen wir allerdings auf die idee, unsere mitfahrgelegenheit anzurufen, die versprochen hatte uns auch wieder mitzunehmen. der mann war allerdings nicht zu erreichen. wir fuhren mit unserem letzten geld mit dem zug zurück nach aachen. das geld war dann am kaiserplatz alle, so dass wir uns wegen meiner schwarzfahrphobie entschlossen vom kaiserplatz nach kornelimünster zu laufen oder zu trampen.

was mich im nachinein wundert ist, dass wir es über den urlaub hinweg geschafft haben so mit dem geld zu haushalten, dass wir es tatsächlich zurückgeschafft haben und dass unsere eltern nicht vor angst um uns wahnsinnig geworden sind (oder wenn sie es waren, es sich nicht haben anmerken lassen).

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der tod schien uns damals sehr zu faszinieren. sowohl tagsüber, als auch abends trafen wir uns oft auf dem friedhof an der bergkirche in kornelimünster. oft auch mit nele. irgendwann hatten wir uns vorgenommen auf dem friedhof mal zu übernachten, eine mutprobe, die wir dann doch nie umgesetzt haben. bei neles trauerfeier, die in der bergkirche stattfand, fragte ich markus, ob er sich erinnern würde, wie wir damals oft mit nele auf der freidhofsmauer gesessen hätten. markus antwortete damals ja, wenn ich mir diese frage heute selbst stelle, fällt mir auf, dass ich mich nur noch daran erinnere dass wir oft dort sassen (und wahrscheinlich wie die schlote rauchten), aber nicht an konkrete situationen mit den beiden dort am friedhof. das einzige bild das mir ins gedächnis kommt ist, wie ich dort alleine in der sonne sitze, auf den vom sonnenlicht gewärmten alten, flechtenübersääten steinen, und von oben auf kornelimünster blicke.

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markus und ich haben uns nie gestritten, aber dann doch irgendwann auseinandergelebt. vor allem geographisch, als ich 1986 für ein jahr in die USA ging und danach nicht nach aachen zurückkehrte, sondern nach heinsberg zog. ausser von ein bisschen hörensagen, weiss ich nicht was für ein leben markus seit dem führte und weshalb er gestorben ist. auf seiner gedenkseite erkennt man aber, dass er offenbar ein kind und eine frau hatte. mir tut das sehr leid und ich bin sicher, dass er ein sehr guter vater und mann war.