ix al­lein un­ter press­fuz­zis

felix schwenzel

das war heu­te eine sehr flau­schi­ge ver­an­stal­tung. auf der rück­fahrt vom ziem­lich „ge­die­ge­nen“ rhein-schlöss­chen des „me­di­en­fach­ver­lags rom­mers­kir­chen“ zum flug­ha­fen im chauf­fier­ten A8 fiel mir (leicht dö­send) zu­nächst nicht viel mehr zum blog­gen ein als über das an­ge­neh­me fahr­ver­hal­ten, die ru­ckel­lo­se gang­schal­tung, das ge­dämpf­te aber ker­ni­ge mo­to­ren­ge­räusch des audi zu schrei­ben. so als witz, um die flau­schig­keit der ver­an­stal­tung zu ka­kao­i­sie­ren. beim flug­ha­fenkölsch mit chris­toph schult­heis und ei­ner af­ter­show plau­de­rei mit hen­ry lüb­ber­stedt fie­len mir dann doch noch ein, zwei sa­chen ein über die ich schrei­ben könn­te. wit­ze zum bei­spiel. ganz gros­se kon­ku­renz ver­such­te mir ka­tha­ri­na ski­bow­ski (chef­re­dak­teu­rin „in­sight“) zu ma­chen. weil der herr wink­ler von der deut­schen bp zu spät kam liess sie sich zum ham­mer­gag „dem ist wohl das ben­zin aus­ge­gan­gen“ hin­reis­sen. ich fands lus­tig, herr wink­ler schobs auf den stau. herr neu­ber­ger, der auch zu spät kam, ent­schul­dig­te sich mit den stich­wor­ten „bahn“ und „per­so­nen­scha­den“. nicht lus­tig.

wäh­rend wir auf die nach­züg­ler war­te­ten knall­te ich mir bei­na­he eine gan­ze kan­ne kaf­fee rein, so dass ich spä­ter wäh­rend des ge­sprächs kaum noch die tas­se hal­ten konn­te. aus­ser­dem be­wirk­te die über­do­sis kaf­fee, dass ich mei­nen kopf nicht mehr zum trin­ken nach hin­ten nei­gen konn­te, even­tu­ell eine ge­schick­te kaf­fee-ab­wehr­re­ak­ti­on mei­nes kör­pers.

das ge­spräch ver­lief un­spek­ta­ku­lär, ein zwei wat­te­bäu­schen flo­gen, eine net­te plau­de­rei um und über blogs und jour­na­lis­mus. mich er­in­ner­te die dis­kus­si­on ein biss­chen an das was ich wäh­rend mei­nes stu­di­ums er­lebt hat­te. da wa­ren die ar­chi­tek­ten, ein jahr­tau­sen­de al­ter be­rufs­s­stand, der mein­te das pri­vi­leg zu bau­en sei na­tür­li­cher­wei­se an sei­nen stand ge­bun­den. die ar­chi­tek­ten sa­hen sich tra­di­tio­nell als die hü­ter der bau­kunst, ein irr­glau­be der in den letz­ten jah­ren mehr und mehr von (sehr er­folg­reich bau­en­den) bau­in­ge­nieu­ren und gros­sen bau­trä­gern un­ter­mi­niert wur­de. die ar­chi­tek­ten sa­hen er­staunt, wie ehe­ma­li­ge, nie­de­re re­chen­knech­te und dienst­leis­ter er­folg­reich und preis­ge­krönt an ih­nen vor­beibau­ten, wie bau­trä­ger sie nicht mehr als krea­ti­ve, als bau­künst­ler an­stell­ten, son­dern als aus­füh­ren­de dienst­leis­ter aus­saug­ten, de­ren ideen höchs­ten die bau­kos­ten und -zei­ten — in die höhe trie­ben. die ar­chi­tek­ten su­chen nun schon seit ei­ni­ger zeit nach ei­nem neu­en selbst­ver­ständ­nis, mal er­folg­reich, mal we­ni­ger.

die gan­ze blog­dings­ge­schich­te ist ähn­lich ge­la­gert. ein al­ter, selbst­herr­li­cher und selbst­zu­frie­de­ner be­rufs­stand wird plötz­lich von lai­en, vom le­se­vieh, von po­ten­ti­ell je­dem her­aus­ge­for­dert, sieht wie pri­vi­li­gier­te trutz­bur­gen plötz­lich durch ein sich von un­ten ent­wi­ckeln­des phä­no­men in fra­ge ge­stellt wer­den. zur wirt­schaft­li­chen kri­se der me­di­en­bran­che ge­sellt sich eine sinn­kri­se: was ma­chen wir ei­gent­lich, wie sol­len wir das al­les be­zah­len, wo ist un­se­re zu­kunft, müs­sen wir uns ver­än­dern, wenn ja, wie?

das sind selbst­ver­ständ­lich al­les fra­gen die sich jour­na­lis­ten stel­len, nicht die blog­ger, die blog­gen ein­fach. aber — kommt jetzt der ein­wand — don al­phon­so der blog­ger hat doch an­ge­fan­gen, hat den jour­na­lis­mus fron­tal an­ge­grif­fen. klar. er ist ja auch jour­na­list. ich be­haup­te ja im­mer wie­der ger­ne, dass sich blog­ger trotz al­len spon und co. bas­hings ei­nen dreck we­nig für die pro­ble­me von jour­na­lis­ten in­ter­es­sie­ren. (blog­ger)kri­tik am jour­na­lis­mus hängt sich meis­ten ganz kon­kret an qua­li­täts- und de­muts­män­geln auf. nicht mehr und nicht we­ni­ger.

ok. ich gebe zu. so dif­fe­ren­ziert, bzw. zu­ge­spitzt war die dis­kus­si­on gar nicht, ix über­fon­se in der rück­schau ein we­nig. haupt­säch­lich ging es tat­säch­lich dar­um, die­ses phä­no­men, das blog­dings, zu be­stau­nen, zu ver­ste­hen und be­ob­ach­tun­gen und er­fah­run­gen da­mit zu be­plau­dern. tors­ten ca­si­mir be­rich­te­te bei­spiels­wei­se von den er­fah­run­gen mit der „mei­nungs­platt­form“ opi­no, ei­nem ex­pe­ri­ment der rhei­ni­schen post an dem sich ca. 1200 le­ser schrei­bend be­tei­li­gen. ca­si­mirs er­fah­run­gen de­cken sich weit­ge­hend mit den me­cha­nis­men und mus­tern aus der blogo­sphä­re: ge­mein­schafts­bil­dung, sich ver­bes­sern­de selbst­kon­troll­me­cha­nis­men, „eli­ten­bil­dung“, re­al­li­fe-tref­fen, ge­le­gent­li­ches hin­über­schwap­pen von the­men auf zei­tungs­pa­pier, grund­sätz­lich stei­gen­des qua­li­täts­ni­veau.

ir­gend­wie wa­ren sich alle teil­neh­mer ei­nig dar­in, dass die­ses blog­dings eine gute sa­che ist, sich wohl nicht mehr weg­den­ken lässt, wach­sen und eine zu­neh­men­de rol­le spie­len wird. ul­rich wink­ler, pres­se­spre­cher der deut­schen bp, ver­such­te ein, zwei­mal eine dis­kus­si­on über be­dro­hungs­sze­na­ri­en an­zu­re­gen, frag­te wie man fakt und fik­ti­on, harm­lo­sig­keit und ge­fähr­lich­keit von web­logs für fir­men ein­schät­zen und früh er­ken­nen kön­ne, wur­de aber von al­len an­de­ren teil­neh­mern so flau­schig ab­ge­bürs­tet, dass man un­ter der har­ten busi­ness­scha­le den jo­via­len blog­mö­ger er­ken­nen konn­te.

wer mich sehr er­staun­te war hen­ry lüb­ber­stedt vom stern.de. ich hat­te mir ja vor­ge­nom­men ihm ein biss­chen ans bein zu pin­keln, we­gen der h&m sa­che kürz­lich und den lah­men stern-blogs. noch vor dem ge­spräch, auf der fahrt vom flug­ha­fen zum ver­lag ent­waff­ne­te er mich mit ei­ner er­staun­li­chen of­fen­heit und ehr­lich­keit. alle mei­ne spit­zen wa­ren mit ei­nem schlag stumpf. dass das h&m-dings wirk­lich dumm ge­lau­fen ist, dar­aus ge­lernt wur­de, aber auch kein geld ge­flos­sen ist neh­me ich ihm sehr ger­ne ab. schwie­ri­ger wird mit der fra­ge nach dem sinn von ver­lags-blogs, ein phä­no­men das sich ja zur zeit wie die hüh­ner­grip­pe oder sony root­kits aus­brei­tet. für den ver­le­ger blog­gen­de jour­na­lis­ten konn­te kei­ner in der run­de so rich­tig gut fin­den. ich bin ja teil­wei­se auch der mei­nung, dass die ver­la­ge vor al­lem ei­nen ver­kaufs­feh­ler ma­chen. es geht nicht dar­um (jetzt auch noch) zu blog­gen, son­dern gute the­men, gute köp­fe, qua­li­tät zu brin­gen. kann sich je­mand an eine con­tent­mang­ment­sys­tem-hype er­in­nern? oder an eine bes­se­res zei­tungs­pa­pier-hype? wozu die­se blog­hype im deut­schen ver­lags­we­sen, wozu auf den blog-zug auf­sprin­gen, wenn man auf den glos­sen-, kolumm­nen- oder re­por­ta­ge-zug auf­sprin­gen könn­te? war­um ver­öf­fent­licht die fas nicht die nig­ge­mei­er­schen „die lie­ben kol­le­gen“, um­ge­kehrt chro­no­lo­gisch, war­um wer­den die re­por­ta­gen und ko­lum­nen von ha­rald mar­ten­stein nicht leicht auf­find­bar und na­vi­gier­bar, fest ver­link­bar auf ta­ges­spie­gel.de ge­stellt, war­um kann man wla­di­mir ka­mi­ners kolumm­nen nur zwei wo­chen lang auf re­cy­cling­pa­pier in der zit­ty le­sen, aber nicht im netz, mit brauch­ba­rem ar­chiv? war­um packt franz jo­sef wag­ner sei­ne scheis­se nicht leicht zu­gäng­lich und mit kom­men­tar­funk­ti­on ins netz und lässt sich dann an­ge­mes­sen von der le­ser­schaft zu­rück­be­schimp­fen? die bei­spie­le be­schrei­ben jetzt alle nur zweit­ver­wer­tun­gen, aber in den ver­la­gen sit­zen doch klu­ge köp­fe von de­nen man die eine oder an­de­re pfif­fi­ge idee er­war­ten könn­te und nicht das 3465te me­di­en-, gagdet- oder neo­li­be­ra­les-rum­kot­zen-blog.

wo war ich? ach ja. das fa­zit. die gros­sen me­di­en­häu­ser wer­den von fei­gen pa­ra­no­iden rechts­ab­tei­lun­gen, über­eif­ri­gen „mar­ken“-hü­tern und ängst­li­chen, chef­re­dak­teurs­gläu­bi­gen schrei­bern ber­herrscht, des­halb klappt das mit dem blog­dings auch nicht (aus­ser beim knü­wer, bis jetzt).

trotz­dem glau­be ich, dass in den nächs­ten paar jah­ren blog­mäs­sig ein paar über­ra­schun­gen auf uns zu­kom­men wer­den, und zwar im po­si­ti­ven und rei­chen­wei­ten­star­ken bild­blog-sin­ne: das re­zept ist ei­gent­lich ganz ein­fach: ein gu­tes the­ma, eine gute, hu­mor­vol­le spra­che, qua­li­tät, über die zeit hin­weg auf gleich­blei­bend ho­hem ni­veau und lei­den­schaft (have a look at eh­ren­senf). ob das nächs­te knal­ler­dings al­ler­dings aus ei­nem her­kömm­li­chen ver­lags­haus mit bremsrecht­ab­tei­lung kom­men wird ist frag­lich.

eine an­ge­mes­se­ne­re zu­sam­men­fas­sung der ver­an­stal­tung, mit fo­tos und so, bringt die „pflicht­lek­tü­re der me­di­en­pro­fis“ in der ja­nu­ar­aus­ga­be.

[die­ser bei­trag ist ein up­date zu run­der tisch]