Der Un­ter­schied zwi­schen Schwu­len-Geg­nern und Schwu­len-Geg­ner-Geg­nern

Stefan Niggemeier

die­ser bei­trag von ste­fan nig­ge­mei­er hat hier asyl be­kom­men, weil der ser­ver von ste­fan nig­ge­mei­er ge­ra­de off­line ist.


nach­trag 13.02.2014: der ar­ti­kel ist jetzt auch wie­der bei ste­fan nig­ge­mei­er on­line.


Ge­gen Ende ih­rer Talk­show woll­te San­dra Maisch­ber­ger de­mons­trie­ren, wie hoch die Emo­tio­nen auf bei­den Sei­ten der De­bat­te ge­hen.

Sie zi­tier­te aus Kri­tik, die das Pu­bli­kum ge­gen­über dem Deutsch­land­funk ei­ner­seits und ih­rer Re­dak­ti­on an­de­rer­seits äu­ßer­te. »Dem Deutsch­land­funk wur­de im Prin­zip vor­ge­wor­fen, zu schwu­len­freund­lich zu sein«, sag­te sie. »Uns wur­de im Vor­feld der Sen­dung vor­ge­wor­fen, zu schwu­len­feind­lich zu sein. Und das In­ter­es­san­te ist da­bei« — sie zö­ger­te und schau­te be­trof­fen in die Ka­me­ra — »die Wahl der Wor­te.«

Dann zeig­te sie Bei­spie­le. Ei­ner­seits:

»Ho­mo­se­xua­li­tät ist und bleibt per­vers. In vie­len Län­dern ist sie bei Stra­fe ver­bo­ten. Sie war es bei uns auch, als es noch kei­ne falsch ver­stan­de­ne Li­be­ra­li­tät gab.«
»Ho­mo­sex ist nicht die Norm der Schöp­fung.«
»Mich wür­de in­ter­es­sie­ren, wie eine Ge­sell­schaft, die ein­heit­lich auf die gleich­ge­schlecht­li­che Ehe setzt, die spä­te­ren Ren­ten fi­nan­zie­ren will.«

An­de­rer­seits:

»Kei­ne Platt­form für Homo– und Trans­has­ser.«
»Von Les­ben und Schwu­len geht kei­ne Ge­fahr aus! Hier wird kei­ner um­er­zo­gen! Es droht auch nicht der Nie­der­gang des Abend­lan­des, nur weil man über se­xu­el­le Viel­falt in­for­miert.«
»Beim The­ma Ho­mo­se­xua­li­tät darf je­der zu Wort kom­men, egal wel­chen Hass er pre­digt.«

Sie las hin­ter­her noch wei­te­re Bei­spie­le vor, von der »ei­nen Sei­te« und von der »an­de­ren Sei­te«, und sug­ge­rier­te, dass die Ex­tre­me auf bei­den Sei­ten na­tür­lich glei­cher­ma­ßen zu ver­ur­tei­len sei­en.

Und lösch­te da­mit die Rest­hoff­nung aus, dass sie we­nigs­tens im An­satz ver­stan­den ha­ben könn­te, was so kri­tik­wür­dig an der Kon­stel­la­ti­on der Sen­dung und ih­rer An­kün­di­gung war.

Die Deutsch­land­funk-Kri­ti­ker ver­ur­tei­len Men­schen für das, was sie sind: ho­mo­se­xu­ell.

Die »Maisch­ber­ger«-Kri­ti­ker ver­ur­tei­len Men­schen für das, was sie tun: Ho­mo­se­xu­el­le dis­kri­mi­nie­ren.

Das ist nicht das­sel­be. Das hat nicht die­sel­be Qua­li­tät. Ob­jek­tiv nicht.

Wir kön­nen dar­über strei­ten, was der rich­ti­ge Um­gang mit Men­schen wie Bir­git Kel­le und Hart­mut Steeb ist. Ob ihre Po­si­tio­nen rich­tig sind oder we­nigs­tens sa­tis­fak­ti­ons­fä­hig oder nicht. Wir kön­nen dar­über strei­ten, ob die Schmä­hun­gen, de­nen sie aus­ge­setzt wa­ren, an­ge­mes­sen oder über­trie­ben wa­ren. Aber Ge­gen­stand der Dis­kus­si­on ist, wel­che Po­si­tio­nen sie ver­tre­ten.

Wir kön­nen auch über dar­über strei­ten, ob die Kri­tik an Maisch­ber­ger be­rech­tigt war. Sie ent­zün­de­te sich vor al­lem an der Art, wie sich ihre Re­dak­ti­on im Vor­feld die The­sen der Ver­fech­ter ei­ner ver­meint­lich tra­di­tio­nel­len Mo­ral zu ei­gen mach­te.

Es sind An­grif­fe dar­auf, wie Men­schen han­deln und wel­che Po­si­tio­nen sie ver­tre­ten. Das ist die eine Sei­te.

Und die an­de­re Sei­te sagt: Ihr seid we­ni­ger wert, weil ihr les­bisch oder schwul seid. Ihr seid krank. Eure Lie­be müss­te man ver­bie­ten (wie es in vie­len Län­dern ge­schieht). Es sind An­grif­fe auf die Iden­ti­tät von Men­schen.

Das ist nicht das­sel­be. Das sind nicht zwei gleich­ar­ti­ge Ex­tre­me, hier die über­trie­be­nen Schwu­len­has­ser, da die über­trie­be­nen Schwu­len­freun­de. Es sind zwei völ­lig un­ter­schied­li­che Ar­ten von An­grif­fen.

Nicht für San­dra Maisch­ber­ger. Sie prä­sen­tier­te ver­meint­lich schlim­me Zi­ta­te von bei­den Sei­ten und war scho­ckiert über die Wahl der Wor­te, auf bei­den Sei­ten.

(Ich wüss­te gern, was an dem zwei­ten Zi­tat der Maisch­ber­ger-Kri­ti­ker über­haupt pro­ble­ma­tisch ist, aber um das zu ver­ste­hen, muss man viel­leicht in ei­ner Re­dak­ti­on ar­bei­ten, die es tat­säch­lich zu­nächst un­pro­ble­ma­tisch fand, der Sen­dung den Ti­tel zu ge­ben: »Ho­mo­se­xua­li­tät auf dem Lehr­plan: Droht die mo­ra­li­sche Um­er­zie­hung?« Es gab da in der Sen­dung selbst nicht den Hauch ei­ner An­deu­tung von Ein­sicht, war­um das hei­kel sein könn­te, oder gar Selbst­kri­tik.)

Ich hal­te den »Wald­schlöss­chen-Ap­pell ge­gen die Ver­harm­lo­sung ho­mo­se­xua­li­täts­feind­li­cher Dif­fa­mie­run­gen«, wie ge­sagt, für pro­ble­ma­tisch. Weil man ihn so ver­ste­hen kann, als soll­ten be­stimm­te, miss­lie­bi­ge Po­si­tio­nen aus der öf­fent­li­chen De­bat­te aus­ge­schlos­sen wer­den. Aber er hat das Ziel, ge­nau das zu ver­hin­dern, was bei Maisch­ber­ger nicht nur pas­sier­te, son­dern von der Mo­de­ra­to­rin auch noch ak­tiv ge­för­dert wur­de: Dass der Ein­druck ent­steht, Dis­kri­mi­nie­rung von Min­der­hei­ten und Nicht-Dis­kri­mi­nie­rung von Min­der­hei­ten sei­en zwei gleich­wer­ti­ge Po­si­tio­nen oder »Mei­nun­gen«, die man in ei­nem Du­ell ge­gen­ein­an­der an­tre­ten las­sen kann. Als sei »zu schwu­len­freund­lich« ein na­tür­li­cher und sinn­vol­ler Ge­gen­satz zu »zu schwu­len­feind­lich« und das ge­sun­de Maß ir­gend­was in der Mit­te. Und als sei nicht »schwu­len­feind­lich« an sich schon eine Hal­tung, die im öf­fent­li­chen Dis­kurs so in­ak­zep­ta­bel sein soll­te wie »aus­län­der­feind­lich«, »frau­en­feind­lich« oder »schwar­zen­feind­lich«, ohne dass man sie über­haupt stei­gern müss­te.

Und so bleibt von die­ser ARD-Talk­show dank San­dra Maisch­ber­ger die Bot­schaft, dass wir es nicht über­trei­ben soll­ten: Nicht mit der Ak­zep­tanz von Schwu­len und Les­ben und nicht mit ih­rer Ab­leh­nung.

Und wenn Sie die­sen letz­ten Satz für sinn­los hal­ten, dann ha­ben Sie es schwer in der Re­dak­ti­on von San­dra Maisch­ber­ger, die je­den Diens­tag im öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk in Deutsch­land eine Talk­show mo­de­riert.