an­dre­as­von­gun­ten.com: Die bard­geld­lo­se Ge­sell­schaft und ihr to­ta­li­tä­res Po­ten­zi­al

ich glau­be auch, wie an­dre­as von gun­ten, dass es kei­ne gute idee ist, das bar­geld ab­zu­schaf­fen.

aber … an­dre­as von gun­ten sagt:

In einer bargeldlosen Gesellschaft mit staatlicher digitaler Währung wäre es jederzeit möglich – per Knopfdruck quasi – einem Bürger oder einer Bürgerin das Bezahlen zu verunmöglichen, oder die Geldmittel zu konfiszieren.

so wie ich das ver­ste­he, ist das jetzt schon sehr ein­fach mög­lich je­dem per knopf­druck das be­zah­len zu „ver­un­mög­li­chen“. aus­ser man hat ein paar tau­send euro bar­geld ir­gend­wo un­auf­find­bar ver­steckt, ist man mit der pfän­dung sei­nes kon­tos im prin­zip zah­lungs­un­fä­hig. oder an­ders­rum, je­dem dem in deutsch­land die teil­nah­me an bar­geld­lo­sen zah­lungs­ver­fah­ren ver­wei­gert wird, je­dem dem ein gi­ro­kon­to ver­wei­gert wird, ist ein nor­ma­les le­ben so gut wie un­mög­lich. ge­häl­ter wer­den in deutsch­land schon lan­ge nur noch in ab­so­lu­ten aus­nah­me­fäl­len in bar aus­ge­zahlt, mie­ten nimmt kaum noch ein ver­mie­ter in bar an. im netz, in das sich un­ser le­ben mehr und mehr ver­la­gert, funk­tio­niert bar­geld auch eher schlecht.

ich glau­be, wir ha­ben uns in der west­li­chen welt schon sehr, sehr weit vom bar­geld ent­fernt — wei­ter als an­dre­as von gun­ten es of­fen­sicht­lich wahr ha­ben will. ich weiss zwar, dass es auch an­de­re mög­lich­kei­ten gibt an bar­geld zu kom­men, aus­ser es am geld­au­to­ma­ten zu kau­fen, aber so­weit ich das ver­ste­he ist es zum bei­spiel be­reits heu­te (in deutsch­land) so, dass man grös­se­re men­gen bar­geld kaum un­be­merkt durch die ge­gend schlep­pen kann, ge­schwei­ge denn über lan­des­gren­zen brin­gen kann. es ist be­reits heu­te so, dass jede ver­si­che­rung, jede bank, aber auch recht­an­wäl­te, no­ta­re oder wirt­schaft­prü­fer die hohe bar­geld­ein­zah­lun­gen ent­ge­gen­neh­men, eine ver­dachts­an­zei­ge we­gen geld­wä­sche auf­ge­ben müs­sen.

[W]enn finanzielle Transaktionen nur noch innerhalb eines digitalen und überwachten Systems stattfinden können, ist eine elementare Grundlage für eine totalitäre Gesellschaft gelegt.

so ar­gu­men­tie­ren üb­ri­gens auch die be­für­wor­ter des zwei­ten zu­satz zur US-ver­fas­sung. wenn den bür­ger das recht ge­nom­men wird waf­fen zu tra­gen, wie sol­len sie sich dann ge­gen eine to­ta­li­tä­re re­gie­rung weh­ren?

un­ser wohl­erge­hen ist, ob wir das wol­len oder nicht, sehr eng mit staat­li­chem han­deln ver­knüpft. im lau­fe der letz­ten jahr­hun­der­te ha­ben wir un­zäh­li­ge frei­heits­rech­te an den staat ab­ge­tre­ten, in der (be­rech­tig­ten) hoff­nung, dass sie dort bes­ser auf­ge­ho­ben sind und zu mehr ge­rech­tig­keit füh­ren. strei­tig­kei­ten kön­nen wir nicht mehr mit ge­walt oder nach stär­ke oder gut­dünk­ten be­en­den, wir kön­nen nicht ein­fach ent­schei­den un­se­re kin­der nicht zur schu­le zu schi­cken, wir müs­sen un­ser ge­sam­tes ein­kom­men dem staat of­fen­le­gen und ei­nen er­heb­li­chen teil da­von abe­ge­ben. wir kön­nen noch nicht­mal ein­fach so ein haus bau­en oder ei­nen baum pfla­zen ohne die ent­spre­chen­den ge­neh­mi­gun­gen da­für ein­zu­ho­len. selbst die hei­zung muss je­des jahr ein­mal von ei­nem staat­lich ge­prüf­ten schorn­stein­fe­ger ge­prüft wer­den, der für die­sen zweck, staat­lich le­gi­ti­miert, un­se­re woh­nung be­tre­ten darf.

an­dre­as von gun­ten macht wiki­leaks, bzw. die wiki­leaks „ban­king-blo­cka­de“, zum kron­zeu­gen für sei­ne the­se, dass ohne bar­geld alle frei­heit den bach run­ter­geht:

Die US-Behörden haben sofort mit massivem Druck reagiert und haben innert weniger Tage erreicht, dass die Geldflüsse von und zu Wikileaks unterbrochen wurden. Paypal, Visa, Mastercard und in der Schweiz die Postfinance haben damals kurzerhand entschieden, keine Zahlungen mehr an Wikileaks anzunehmen oder haben zum Teil sogar die Vermögenswerte eingefroren, ohne dass eine Verurteilung durch ein Gericht, ja nicht einmal eine formale Anklage vorhanden war. Diese Banking-Blockade, wie Wikileaks sie nennt, gibt uns einen Vorgeschmack darauf, was uns blüht, sollte das Bargeld dereinst wirklich abgeschafft bzw. verboten werden.

der witz ist al­ler­dings, dass wiki­leaks auf sei­ner spen­den­sei­te kei­ne bar­geld­zah­lun­gen vor­sieht. dort sind le­dig­lich bar­geld­lo­se zah­lungs­ver­fah­ren vor­ge­se­hen.

ich bin ger­ne da­bei, beim frei­heits­kampf kampf ge­gen die bar­geld­ab­schaf­fung, wich­ti­ger ist es mei­ner mei­nung nach aber sich für den due pro­cess, für die recht­staat­lich­keit beim ein­frie­ren von ver­mö­gens­wer­ten ein­zu­set­zen. dass wir uns da­für ein­set­zen, dass bei der ver­bre­chens­be­kämp­fung nicht alle recht­staat­li­chen grund­sät­ze über bord ge­wor­fen wer­den, nur weil es „or­ga­ni­sier­tes ver­bre­chen“ oder „ter­ro­ris­mus“ gibt. auch wenn es kaum noch je­mand glaubt, der staat sind nicht „die da oben“, son­dern wir alle. wir müs­sen und kön­nen der angst­ma­che der rech­ten law-und-or­der-frak­tio­nen et­was ent­ge­gen­set­zen, aber bit­te kei­ne angst­ma­che, auch wenn sie dem gu­ten zweck dient.


ich habe vor ei­ner wei­le ge­schrie­ben, dass bar­geld nervt, wo­mit ich mich mög­li­cher­wei­se in­di­rekt als bar­geld-ab­schaf­fungs-„Be­für­wor­ter aus der Tech-Sze­ne“ qua­li­fi­zie­re. ich wür­de mir die hose in die­ser form al­ler­dings nicht an­zie­hen wol­len.

(bild­quel­le: fried­rich.krom­berg po­to­gra­po: w.j.pil­sak [GFDL, CC-BY-SA-3.0])


hier geht’s wei­ter …