randall munroe’s sorgfältige radikalität

felix schwenzel in gesehen

rand­all mun­roe’s vor­trag ges­tern abend war, in ge­wis­ser wei­se, der ra­di­kals­te vor­trag den ich auf der re­pu­bli­ca je ge­se­hen habe. der vor­trag war den co­mics, die rand­all mun­roe auf xkcd.com ver­öf­fent­licht, nicht ganz un­ähn­lich. die­se co­mics han­deln aus­schliess­lich von din­gen, die rand­all mun­roe in­ter­es­sie­ren. sie hal­ten sich an kei­ne kon­ven­tio­nen, aus­ser de­nen, die er sich selbst aus­ge­dacht hat. das ist an sich nicht wirk­lich ra­di­kal, son­dern eine hal­tung, die ich mir ei­gent­lich von je­dem blog­ger, je­der pu­bli­zie­ren­den wün­sche: dem mas­sen­ge­schmack, trends, nicht nur nicht zu fol­gen, son­dern den mas­sen­ge­schmack und trends gar nicht erst be­ach­ten. nicht nur „blog­gen als wür­de nie­mand zu­se­hen“, son­dern pu­bli­zie­ren, als wä­ren alle so wie ich. das klingt her­me­tisch, ist es aber nicht, denn das je­wei­li­ge ich ist ja der welt zu­ge­wandt, aber eben fo­kus­siert. wird die­se hal­tung lei­den­schaft­lich und kon­se­quent durch­ge­zo­gen, kön­nen wun­der­ba­re unt­ren­di­ge, un­op­ti­mier­te, ei­ge­ne wer­ke ent­ste­hen, die viel­leicht nicht je­dem ge­fal­len, aber we­ni­gen dann um so mehr.

das ist, so un­ge­fähr, die ra­di­ka­li­tät von xkcd.com. nicht je­der ver­steht auf den ers­ten blick um was es geht, vie­le in­ter­es­siert es erst gar nicht, aber wenn man sich doch in­ter­es­siert und sich mit den din­gen be­schäf­tigt, zur not mit hil­fe von hilf­rei­chen er­klä­run­gen, ent­deckt man wun­der­ba­re wel­ten, ge­dan­ken, lei­den­schaft und — bei xkcd ganz be­son­ders — sorg­falt.

die­se ra­di­ka­li­tät hat rand­all mun­roe in sei­nem vor­trag eins zu eins vom netz auf die stage 1 der re­pu­bli­ca über­tra­gen. mun­roe küm­mert sich um so gut wie kei­ne re­gel für er­folg­rei­ches, en­ga­gie­ren­des öf­fent­li­ches re­den, er klebt hin­ter dem pult, die fo­li­en flies­sen über mit un­les­ba­ren in­for­ma­tio­nen und er wid­met sich den de­tails, die ihn fas­zi­nie­ren, bis ins wirk­lich al­ler­kleins­te ele­ment. in die­sem fall, so­gar im wahrs­ten sin­ne des wor­tes.

(ge­fühlt) eine drei­vier­tel stun­de wid­met er sich der fra­ge, was pas­sie­ren wür­de, wenn man aus den ele­men­ten des pe­ri­oden­sys­tems eine mau­er bau­en wür­de. er geht die ein­zel­nen ele­men­te und rei­hen sorg­fäl­tig durch, be­geis­tert sich über ein­zel­hei­ten und macht kei­ner­lei an­stal­ten ir­gend­et­was zu­sam­men­zu­fas­sen.

das ist ra­di­kal, aber nicht mal an­satz­wei­se eli­tär oder feind­se­lig. es ist ein­fach das, was rand­all mun­roe be­geis­tert, und wer ihm fol­gen möch­te, bit­te schön, kann das tun, und wer ihm nicht fol­gen möch­te, kann das un­ter­las­sen.

die zwei­te (ge­fühl­te) drei­vier­tel­stun­de be­schäf­tigt sich mun­roe mit drei un­über­sicht­li­chen zeich­nun­gen, in de­nen er kom­ple­xe zu­sam­men­hän­ge mit den 1000 meist­be­nutz­ten wör­tern der eng­li­schen spra­che er­klärt. auch hier geht er aus­führ­lich auf je­des noch so klei­ne de­tail ein und ver­zich­tet auf jede art von zu­sam­men­fas­sung oder me­ta­ebe­ne.

rand­all mun­roe kann sich das er­lau­ben, sein pu­bli­kum mit de­tails zu lang­wei­len, weil sei­ne de­tails eben (für vie­le, sehr vie­le) nicht lang­wei­lig sind. sie sind ge­la­den mit witz und hu­mor, aber eben rand­all mun­roes, ganz ei­ge­nem, sehr spe­zi­el­len, sub­ti­len hu­mor, der sich eben nicht um ir­gend­wel­che hu­mor-richt­li­ni­en oder -trends küm­mert.

dass rand­all mun­roe über­haupt so eine gros­se folg­schaft, so vie­le fans sei­ner ar­beit ge­fun­den hat, ver­dankt er (und wir) in ers­ter li­nie dem netz. er hat sei­nen ei­ge­nen stil und sei­ne folg­schaft über etwa ein jahr­zehnt auf­ge­baut, über sei­ne web­site und sehr, sehr viel de­tail­ver­ses­se­ne, klein­tei­li­ge, lie­be­vol­le und sorg­fäl­ti­ge ar­beit. kein ver­lag hät­te die­se auf­bau­ar­beit leis­ten kön­nen oder wol­len, vor al­lem aber hät­te kein ver­lag mun­roes ta­lent und lei­den­schaft er­ken­nen kön­nen. so funk­tio­niert das wohl nur im in­ter­net, dass win­zi­ge ein-per­so­nen-echo­kam­mern sich über jahr­zehn­te lang­sam fül­len, bis plötz­lich mil­lio­nen men­schen in ihr ste­hen und sich plötz­lich die echo-qua­li­tä­ten, auch in an­de­ren echo­kam­mern, her­um­spre­chen.

rand­all mun­roes the­ma­ti­sche klam­mer im vor­trag war (ne­ben flu­or) das kind­lich, nai­ve fra­gen. mir ge­fiel die auf­for­de­rung sehr gut, dar­auf hin­zu­ar­bei­ten sich nicht für din­ge zu schä­men die man nicht weiss und scham­los da­nach zu fra­gen. neu­gier, nai­vi­tät sei wich­ti­ger als bil­dungs­prot­ze­rei, das war so un­ge­fähr das fa­zit von mun­roe’s vor­trag.

mein fa­zit von mun­roes vor­trag ist: tu das was dich in­ter­es­siert, pu­bli­zie­re das mit lei­den­schaft, de­tail­lie­be und sorg­falt, ent­wick­le dich im­mer wei­ter, ar­bei­te an dei­nem stil und bleib dir treu.


den talk woll­te rand­all mun­roe nicht auf­ge­zeich­net se­hen, es gibt aber eine auf­zeich­nung, wo er über die mau­er aus ele­men­ten aus dem pe­ri­oden­sys­tem re­det:

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