abgründe
ich habe benjamin stuckrad barre immer gegen alle möglichen leute verteidigt, er sei nicht arrogant, er schreibe gut, das „deutsche theater“ sei irre einfühlsam geschrieben ohne schmierig zu wirken (exemplarisch für mich die gespräche mit manfred krug und dem löwitsch) — ich habe mir den mund fuselig geredet. ich mochte was er schrieb und wie er es schrieb, ja sogar in interviews kam er mir wie eine ehrliche und interessante haut rüber.
die aktuelle PR-welle die benjamin stuckrad barre gerade inisziiert (mischwort aus initiiert und inszeniert) finde ich eklig und unwürdig, das habe ich hier überspitzt formuliert, was mir sogleich den ersten rang bei der google-suche nach stuckrad und arschloch einbrachte. das wiederum bringt wieder einige leute auf die seite die dem neuen volkssport nach „stuckrad-und-arschloch-suchen“ nachgehen. in den kommentaren dazu steht schreibt nun jemand:
neidisch, hmm? [...] einer erzählt von abgründen. und zyniker träumen dem hinterher.
das lässt mich gleich 2 mal stocken; ich sei neidisch und zynisch, meint er das? wahrscheinlich, der kommentar ist ja bei mir hinterlassen worden und nicht bei ihm. aber ok. lasse ich gelten. (demnächst gibts hier ne liste auf wen ich sonst noch neidisch bin.)
aber das mit den „abgründen“ kann ich nicht nachvollziehen. dass da einer bei beckmann sitzt und mit verkniffener miene schulbuchpsychologisches wissen über bulemie aus sich rausquetscht, sich in zig interviews selbstbemitleidet weil er mit nicht mit trennungsschmerz und prominenz umgehen kann, dass er drogen genommen hat und traurig war, das sollen „abgründe“ sein?
andere leute nennen soetwas leben, erwachsenwerden. mein mitleid hält sich in grenzen, ähnlich wie bei einem mercedes s-klasse fahrer der in tränen aufgelöst ist, weil sein navigationssystem kaputt ist. oder der typ der sich auf die strasse stellt und schreit „ich bin der grösste ficker!“ und dann weint, weil beim ersten fick die fimose schmerzt. das sind subjektiv in der tat recht dramatische abgründe, welche die man bald auch bei beckmann oder kerner finden wird.
jeder mensch hat seine persönlichen abgründe, dieser von joschua festgehaltene hat mich eben wirklich berührt, vor einiger zeit hat dondahlmann nicht nur anke gröner zum weinen gebracht, ein freund der mit 36 und zwei kindern demnächst zwei bypässe gelegt bekommt reisst bei mir abgründe auf, tausende (zivile) opfer von amerikanischem (oder afrikanischem) grössenwahn machen mich meiner abgrundtiefen hilflosigkeit bewusst, selbstmorde von freunden und kommilitonen nachdenklich.
aber eine kleiner (sicherlich begabter) schnösel, der das leben in luftigen höhen gewählt hat und sich über die dünne luft da oben beschwert, über den würde ich mich gerne lustig machen dürfen.