kartoffeln zum beispiel
rené will den neuen pixar-film „wall•e“ sofort sehen. weil er toll sein soll. und weil es geht. sofort, mit bittorrent. kann ich verstehen. irgendwie.
das internet hat die welt ganz klein gemacht. wenn irgendein promi ausversehen seine arschritze in irgendeinem club in hollywood zeigt und dabei fotografiert wird, kann ich kurz danach die bilder davon im internet sehen. wenn apple irgendwelche geräte neu vorstellt, kann ich 5 minuten später von den ersten leuten lesen, die die dinger in der hand hatten und anderswo, zehn minuten später, klagen darüber hören, dass die deutschen preise noch nicht bekannt sind. wenn scoble pupst, kann ich es live von seinem handy übertragen sehen, wenn knüwer essen gegangen ist, kann ich am tag danach drüber lesen und mir einen verwackelten film davon ansehen.
filme, bilder, musik, bücher; alles einen fingerbreit weit weg. früher musste ich aufs kino, auf zeitschriften, in plattenläden und buchhandlungen warten, jetzt kann ich es mir einfach saugen oder bei amazon bestellen. alles was ich will. wenn ich bedenke was für eine qual es noch vor einiger zeit für mein portemonaie war amerikanische zeitschriften oder bücher zu bekommen, welche absurden aufpreise für solche dinge verlangt wurden, dann kann ich nicht anders als diese verkleinerung der welt durch das internet als einen segen zu bezeichnen.
nur warum muss man immer alles sofort haben? wozu die eile? wozu wall•e jetzt von irgendwo ziehen und in mieser qualität von einer leinwand abgefilmt reinpfeifen, warum nicht warten bis er im kino läuft oder auf DVD erscheint? welchen vorteil hat es, sich den film sofort anzuschauen? mich erinnert das an die kölner u-bahn, da sitzen und stehen abends die hälfte der fahrgäste mit einer flasche kölsch in der hand in die u-bahn. die andere hälfte isst döner. dass bier oder kölsch oder fleisch mit sosse vielleicht auf stühlen im freien oder im wohnzimmer oder am offenen fenster oder am rhein oder an der spree vielleicht besser schmeckt, wenn es mit ruhe und nicht mit hektik gewürzt ist, scheint niemanden zu stören.
dieses ich-will-es-jetzt-und-sofort-und-mit-sosse ist das genaue gegenteil von genuss. nicht dass ich irgendwem vorschreiben möchte dass oder wie er zu geniessen habe oder dass ich selbst der könig der geniesser sei (das gegenteil ist der fall) — mir fällt es nur auf, dass diese haltung alle lebensbereiche durchdringt: alles muss sofort her — und warten ist scheisse.
ich bin auch ein hektiker, oft mit wenig geduld gesegnet und erliege hin und wieder auch dem muss-ich-jetzt-sofort-haben-impuls, aber ich habe in den letzten jahren auch hin und wieder die erfahrung gemacht, dass geduld, verzicht, ruhe ungleich höhere befriedung verschaffen als wie ein staubsauger zu leben, der einfach alles, zu jeder zeit in sich reinsaugt.
kartoffeln zum beispiel. als ich vor vier monaten von ärzten und diversen krankenschwestern dazu gezwungen wurde mich für etwa fünf tage intravenös zu ernähren hatte ich ein aha-erlebnis mit einem haufen verkochter pellkartoffeln aus einer grossküche. die kartoffeln schmeckten mir nach 5 tagen fasten besser als ein steak im grill royal. der jämmerliche haufen kartoffeln aus der grossküche waren das leckerste was ich je in meinem leben gegessen habe. nur weil ich ein paar tage auf sie gewartet habe *).
warten kann durchaus die lust steigern. hört sich spiessig an, genauso, wie der kalenderspruch, dass geduld zufriedenheit spendet. aber es ist was dran. und das tolle ist, man muss das alles-sofort-spiel nicht mitmachen. hunde lecken sich auch nicht ständig die eier, nur weil sie es können.
* nichts gegen intravenöse ernährung, übrigens. wenn das fachmännisch gemacht wird, wenn man zum nichts-essen ab und zu ein medikament bekommt dass die magensäureproduktion unterdrückt und sich hin und wieder eine flasche glukose in die venen tropfen lässt, kann durchaus angenehmn sein.