lan­ge wahl­nacht

felix schwenzel

ir­gend­wer frag­te sich ja kürz­lich, war­um die „TV-Frit­zen“ sich „in der Re­gel im­mer auf die drei glei­chen Hir­n­is“ schmeis­sen, „den blö­deln­den Iro­ke­sen, den Pseu­do­in­tel­lek­tu­el­len aus Düs­sel­doof und Fe­lix Schwen­zel“. ich habe mich das auch ge­fragt, als mich eine zdf-re­dak­teu­rin vor ein paar wo­chen an­rief und frag­te ob ich nicht in der zdf-„nacht im netz (und im zdf-in­fo­ka­nal) mit claus kle­ber“ mit claus kle­ber re­den woll­te. da mir aber auch im­mer nur die glei­chen hir­n­is ein­fal­len und ich beim ers­ten te­le­fo­nat auch nicht wuss­te, was ge­nau ich ei­gent­lich be­ant­wor­ten sol­le, fiel mir nur ein sie zu fra­gen, ob sie nicht lie­ber ste­fan nig­ge­mei­er als ge­sprächs­part­ner für claus kle­ber ha­ben woll­le. der hät­te we­nigs­tens so­was wie ex­per­ti­se zum the­ma us-wahl und stop­fe seit min­des­tens 8 wo­chen so viel in­for­ma­tio­nen zur us-wahl in sich rein, wei ein nor­ma­ler mensch in 10 jah­ren. auch mei­nen ein­wand, dass rhe­to­rik und vor ka­me­ras zu re­den nicht ge­ra­de mei­ne stär­ken sei­en, wisch­te sie be­sei­te. sie hät­te ein paar mei­ner watch­ber­lin-bei­trä­ge ge­se­hen und hät­te die ganz lus­tig ge­fun­den. nach ei­ner nacht drü­ber schla­fen sag­te ich ihr zu, mich per sky­pe be­fra­gen zu las­sen.

und ob­wohl ich nach der zu­sa­ge test­wei­se das zdf übel be­schimpf­te, lud man mich nicht wie­der aus.

ein paar tage spä­ter schick­te mir die re­dak­teu­rin mög­li­che fra­gen zu, so dass ich mich ein biss­chen vor­be­rei­ten kön­ne:

Sie blog­gen seit über zehn Jah­ren, wol­len sich aber nicht mehr Blog­ger nen­nen. War­um? Wel­che Be­deu­tung hat das Blog­gen in Deutsch­land im Ver­gleich zu den USA? Gibt es ei­nen ge­ne­rel­len Un­ter­schied in der Blog­ger-Kul­tur in den bei­den Län­dern? Sind Blogs in den USA z.B. po­li­ti­scher? Wel­chen Ein­fluss hat­ten Blogs auf den ak­tu­el­len US-Wahl­kampf? Ha­ben Blogs The­men ge­setzt, die Um­fra­ge­wer­te und letzt­lich auch die Po­li­ti­ker und Wäh­ler be­ein­flusst? Kom­men­des Jahr wird bei uns der Bun­des­tag neu ge­wählt. Ist da eine ähn­li­che Be­deu­tung von Blogs in Deutsch­land denk­bar?

wenn ich mir die fra­gen jetzt, ein paar stun­den vor sen­dungs­an­fang an­se­he, fal­len mir zwei din­ge auf:

  • war­um ist mir nicht ein­ge­fal­len be­ne­dikt köh­ler als ge­sprächs­part­ner vor­zu­schla­gen, oder mar­kus be­cke­dahl? bei­de be­schäf­ti­gen sich sehr viel sub­stan­zi­el­ler mit der ma­te­rie und kön­nen si­cher sehr viel un­sub­jek­ti­ve­re ant­wor­ten als ich ge­ben.
  • auf kei­ne der fra­gen habe ich eine präz­sise ant­wort. ob­wohl das auch mit der teil­wei­se un­präz­sisen fra­ge­stel­lung zu tun ha­ben mag.

an­fang sep­tem­ber hat mich ralph se­gert nach der be­deu­tung von web­logs ge­fragt. die ant­wor­ten von ein paar blog­gern hat er hier ver­öf­fent­licht. vor al­lem das in­si­tie­ren auf der „be­deu­tung“ von web­logs hat mich da­mals ir­ri­tiert. ich habe die fra­gen da­mals nicht be­ant­wor­tet, habe mir al­ler­dings ein paar no­ti­zen ge­macht. und weil claus kle­ber heu­te abend ver­mut­lich wie­der stän­dig nach der be­deu­tung fra­gen wird, sind hier mei­ne (leicht auf­ge­ar­bei­te­ten) no­ti­zen von da­mals:

Wel­che Be­deu­tung hat Blog­gen für Dich per­sön­lich?
seit ich 1994 zum ers­ten mal ge­le­gen­heit hat­te „per­sön­lich“ ins in­ter­net zu ge­hen, war ich fas­zi­niert da­von, dass man ein­fach so ins in­ter­net schrei­ben konn­te und dass das po­ten­zi­ell von mil­lio­nen men­schen ge­le­sen wer­den konn­te. dass es prak­tisch kaum ei­nen in­ter­es­sier­te was ich ins in­ter­net schrieb, fin­de ich bis heu­te nciht wirk­lich schlimm. das prin­zip zählt; ich kann ins in­ter­net schrei­ben, also tue ich es.

Wel­che Dis­kus­sio­nen über die Be­deu­tung von Web­logs sind für Dich un­pro­duk­tiv, über­zo­gen oder gar pein­lich und wel­che da­ge­gen an­ge­mes­sen bis er­gie­big? War­um?
ich hal­te dik­sus­sio­nen über die „be­deu­tung“ von web­logs aus prin­zip un­pro­duk­tiv, ähn­lich dis­kus­sio­nen über die be­deu­tung von small­talk, luft, was­ser oder sa­lat­köp­fe. man kann si­cher über die be­deu­tung ein­zel­ner web­logs oder ein­zel­ner blog­ein­trä­ge dis­ku­tie­ren, aber wie will man über die be­deu­tung von et­was so he­te­ro­gem und un­greif­ba­rem wie der ge­samt­heit von web­logs dis­ku­tie­ren?

noch­mal zur er­in­ne­rung: je­der kann ins in­ter­net schrei­ben, je­der kann ein web­log star­ten. das be­deu­tet: je­der hat eine stim­me, je­der kann sei­ner stim­me be­deu­tung ver­lei­hen.

das je­der zu al­lem et­was sa­gen kann wie­der­um stört ei­ni­ge. man­che schei­nen be­deu­tung nur dort er­ken­nen zu wol­len wo ir­gend­wel­che off­zi­el­len und be­glau­big­ten „in­stan­zen“ seit jah­ren be­deu­tung hin­de­fi­niert ha­ben. die hal­tung, dass be­deu­tung und re­le­vanz an eine aus­bil­dung, an­stel­lung in ei­ner re­dak­ti­on oder gar ei­nen pres­se­aus­weis ge­kop­pelt sei ist nicht nur aro­gant-eli­tär, son­dern vor al­lem dumm und igno­rant. dass eine sol­che hal­tung auch zu­tiefst de­mo­kra­tie- und men­schen­feind­lich ist, dem ein­zel­nen und sei­ner mei­nungs- oder er­fah­rungs­äus­se­rung kei­ner­lei be­deu­tung zu­misst ist auf den ers­ten blick gar nicht so deut­lich zu er­ken­nen. denn die kri­ti­ker der frei­en und un­kon­trol­lier­ten mei­nungs­äus­se­rung im netz ver­ste­cken sich im­mer hin­ter dem ar­gu­ment, dass vie­les an mei­nun­gen die da plötz­lich öf­fent­lich wer­den halb­gar, dumm, pö­belig, ir­rele­vant, be­lei­di­gend oder an­onym sei. doo­fer­wei­se ist aber das recht auf freie mei­nungs­äus­se­rung, ge­nau­so wie bei­spiels­wei­se das wahl­recht, nicht an ein stu­di­um, eine fest­an­stel­lung als re­dak­teur oder eine be­stimm­te po­li­ti­sche hal­tung ge­knüpft.

die ent­schei­den­de fra­ge ist aber we­der die beu­deu­tung, noch die qua­li­tä­ti­ve ein­schät­zung von dem was die men­schen ins in­ter­net schrei­ben und über was sie sich dort un­ter­hal­ten, son­dern dass das nicht mehr weg­geht. das rad lässt sich dank tech­no­lo­gie nicht mehr zu ei­ner zeit zu­rück­dre­hen in der re­le­van­te dis­kus­sio­nen und dis­kur­se kon­trol­liert von re­dak­tio­nen aus­schliess­lich auf pa­pier oder im fern­se­hen statt­fan­den. die ent­schei­den­de fra­ge ist: wie ge­hen wir da­mit um? wel­che re­gu­la­ri­en bil­den sich, wie or­ga­ni­siert sich das netz, wo­hin rich­ten die men­schen ihre auf­merk­sam­keit, wo bil­den sich in­seln der qua­li­tät, wie ge­hen wir mit­ein­an­der um?

Wenn Du die An­fän­ge Dei­ner Blog­zeit mit der jet­zi­gen ver­gleichst: Was hat sich ver­än­dert und was wünscht Du Dir für die Zu­kunft?
in den letz­ten 10, 12 jah­ren hat das in­ter­net die kri­ti­sche mas­se längst er­reicht. die mehr­heit der men­schen hat zu­gang zum netz. als ich an­fing ins in­ter­net zu schrei­ben wa­ren es vor al­lem tech­nik­af­fi­ne stu­den­ten die zu­gang zum netz hat­ten. mitt­ler­wei­le le­sen so­gar mei­ne el­tern re­gel­mäs­sig mit, was ich ins in­ter­net schrei­be. das po­ten­zi­al war von an­fang an da. seit 10, 12 jah­ren pro­bie­ren wir aus wie das ist sich in die­sem neu­en me­di­um zu un­ter­hal­ten, zu kom­mu­ni­zie­ren, es ha­ben sich tech­no­lo­gien, re­geln, selbst­kon­troll- und kor­rek­turme­cha­nis­men ge­bil­det und jetzt geht es vor al­lem dar­um die­se neue frei­heit zu ver­tei­di­gen und die or­ga­ni­sa­ti­on, struk­tu­rie­rung und zu­gäng­lich­keit von all die­sen in­for­ma­tio­nen und ge­sprä­chen wei­ter zu ver­bes­sern. das hört sich jetzt pa­the­tisch an, soll aber wit­zig sein: die gröss­ten fein­de des in­ter­nets und der frei­en mei­nungs­äus­se­rung sit­zen nicht in den re­dak­ti­ons­räu­men der faz, in mi­nis­te­ri­en und äm­tern oder kanz­lei­en. die gröss­ten fein­de sind ar­ro­ganz, igno­ranz und me­di­en­in­kom­pe­tenz.

al­les in al­lem, kann nie­mand der bei sin­nen ist et­was an­de­res sa­gen, als dass es ganz gross­ar­tig ist, was sich in den letz­ten jah­ren im in­ter­net so al­les ent­wi­ckelt hat.

was war noch­mal die fra­ge?
hat je­mand ant­wor­ten?