hin­ter klei­nen sicht­blen­den ka­cken

felix schwenzel

ich er­in­ner­te mich kürz­lich als ich auf dem klo sass, dass jeff jar­vis kürz­lich ein „deut­sches pri­vat­s­hä­ren pa­ra­do­xon“ pos­tu­lier­te. un­ter an­de­rem wun­der­te er sich dar­über, dass deut­sche pro­blem­los nackt in ge­misch­ten sau­nen rum­hän­gen, sich aber dar­über be­kla­gen, dass man von ih­nen in der öf­fent­lich­keit fo­tos macht und sich kol­lek­tiv über face­book, goog­le ana­ly­tics, nackt­scan­ner oder (ganz ak­tu­ell) über fo­to­gra­fien ih­rer haus­fas­sa­den auf­re­gen.

ich per­sön­lich gehe we­der in eine ge­misch­te noch eine nach ge­schlech­tern ge­trenn­te sau­na, weil ich auch ohne sau­na wie eine sau schwit­ze. trotz­dem hat jar­vis na­tür­lich recht, wenn er sich über so eine ver­meint­li­che pa­ra­do­xie wun­dert, über­sieht aber viel­leicht den aspekt, dass es deut­schen durch­aus un­an­ge­nehm ist, wenn sie in der sau­na oder am FKK-strand fo­to­gra­fiert wer­den, bzw. das ge­fühl ha­ben, ihre pri­vat­s­hä­re nicht au­to­nom kon­trol­lie­ren zu kön­nen.

ctrl-ver­lust hin und her, kon­troll­ver­lust ist nun­mal un­an­ge­nehm.

als ich da auf dem klo sass, fiel mir ein ame­ri­ka­ni­sches pa­ra­dox auf: ame­ri­ka­ner gel­ten ja all­ge­mein als recht prü­de. weib­li­che brüs­te auf ta­ges­zei­tungs­ti­tel­sei­ten oder im fern­se­hen sind ver­pönt, selbst stil­len­de müt­ter gel­ten mit­un­ter als ob­zön. ge­misch­te sau­nen, öf­fent­lich zu­gäng­li­che FKK-strän­de, öf­fent­li­che wer­be­ta­feln mit nack­ten, all das lässt die ame­ri­ka­ner ge­nau­so stau­nen, wie das feh­len­de tem­po­li­mit auf deut­schen au­to­bah­nen.

die ame­ri­ka­ni­sche prü­de­rie en­det aber auf öf­fent­li­chen toi­let­ten. wer in in ame­ri­ka in ruhe auf ei­ner re­stau­rant- oder büro-toi­let­te ka­cken will ist auf­ge­schmis­sen. ers­tens sind die ka­bi­nen in ame­ri­ka fast nie ge­schlos­sen son­dern un­ten und oben of­fen (das kennt man aus ame­ri­ka­ni­schen kri­mis, man kann im­mer be­quem un­ter den tü­ren durch­gu­cken oder, wenn man aufs klo steigt, mit dem ne­ben­mann von an­ge­sicht zu an­ge­sicht plau­dern. sym­bol­bild 1, sym­bol­bild 2) und zwei­tens ha­ben die tü­ren spalt­mas­se, die meis­tens meh­re­re fin­ger dick sind.

so kann man beim ka­cken zwar gut be­ob­ach­ten was vor der ei­ge­nen ka­bi­ne los ist, fühlt sich als deut­scher, der ge­schlos­se­ne und ein­fach ab­schliess­ba­re ka­bi­nen ge­wohnt ist, aber auch un­an­ge­nehm be­ob­ach­tet oder zu­min­dest be­ob­acht­bar.

als ich mal für ein paar wo­chen in new york war, bin ich zum ka­cken im­mer ins four-sea­sons-ho­tel ge­gan­gen. dort be­fin­den sich mei­nes wis­sens die ein­zi­gen blick- und ich glau­be auch luft­dich­ten öf­fent­li­chen toi­let­ten-ka­bi­nen der USA.

wie ver­trägt sich ei­ner­seits die prü­de­rie der ame­ri­ka­ner und die­se wer nichts zu ver­ber­gen hat, kann auch hin­ter ei­ner klei­nen sicht­blen­de ka­cken-hal­tung?