ich habe offenbar eine besondere begabung: ich kann willentlich sascha lobo zufällig treffen. das hat jetzt schon zweimal geklappt, auf meinem nachhauseweg von der arbeit. das funktioniert übrigens ganz ohne internet, nur mit analogen mitteln. zumindest hat das heute so funktioniert und vor ein paar wochen auch schonmal.
ausserdem ist mir aufgefallen, dass mir sascha lobos kolumnen auf spiegel online dann besonders gut gefallen, wenn er sie hinrotzt, auf subjektive erfahrungen stützt und jede tiefere, gezielt intellektuelle analyse weglässt. so hat er das heute in einer sehr okayen kolumne gemacht: Lob der Okayheit.
wie jeder weiss, haben er und kathrin passig gestern ihr buch abgegeben, also kann er nicht sonderlich viel zeit für das schreiben der heutigen kolumne gehabt haben (auf vorrat kann sacha seine kolumne nicht produzieren).
der kolumne liegt ein einfacher gedanke zugrunde: was passiert, wenn wir zugang zu grossen teilen des privatlebens und den privatansichten von immens vielen menschen haben?
Die sozialen Medien bringen in die Öffentlichkeit, was zuvor als höchst privat galt, sie erlauben daher dem Einzelnen, völlig unbekannten Menschen sehr nah zu kommen. Zwei, drei, vier Klicks auf Facebook oder Twitter, und man lauscht privaten Gesprächen, die man ohne das Netz niemals hätte wahrnehmen können. Geführt, als gäbe es kein Publikum. Ein digitaler Blick in die Köpfe, wo die eben noch gefährliche Bedenkenlosigkeit jetzt schon eine unerhörte, ungefilterte Nähe erlaubt. Jeder, der soziale Netzwerke benutzt und ein bisschen umherstromert, aus welchen Motiven auch immer, betreibt digitale Echtzeitethnografie. […]
Was passiert langfristig, wenn es mit sozialen Medien nun möglich ist, in die Köpfe und Gespräche hineinzusehen? Wird es völlig egal sein, weil kaum jemand die Möglichkeit nutzt? Oder setzt sich mit dieser digitalen Nähe die Toleranz der Andersartigkeit flächendeckend durch? Sind die sozialen Medien durch ihre Vernetzung der Verschiedenheiten sogar eine Art Konfrontationstherapie für Intolerante?
Wenn man annimmt, dass beide Extreme nicht zutreffen werden, sondern irgendetwas in der Mitte herauskommt, dann entsteht ein neues Gesellschaftsbild, das hier den Namen Okayheit bekommen soll: "Andersartigkeit ist okay". Okayheit verbindet eine Reihe von sehr unterschiedlichen Haltungen wie Resignation, Toleranz, Desinteresse, Empathie und Gleichgültigkeit zu einem leicht widersprüchlichen Amalgam, das aber am Ende in allen Varianten die gleiche Wirkung hat: es einfach okay sein zu lassen.
einfach eine subjektive beobachtung zu einer kleinen, steilen these anspitzen und in die welt setzen. dann andere drüber nachdenken lassen, ohne zu versuchen es selbst zuende zu denken. einfach mit einem „lob der okayheit“ die kolumne beenden, ohne über die weiteren gesellschaflichen konsequenzen nachzudenken, ohne die kolumne argumentativ gegen potenziell anderesdenkende zu wappnen, die kolumne veröffentlichen und dann in urlaub fahren.
möglicherweise mag ich diese art zu publizieren deshalb so gerne, weil ich auch dazu neige das so zu machen. man sollte aber dabei bedenken, dass nur weil eine kolumne, ein blogeintrag oder ein vortrag nicht alles zuende denkt und durchgekocht serviert, der autor nicht bereits weitergedacht hat oder direkt nach dem veröffentlichen weiterdenkt. aber diese unbeständigkeit, diese temporäre qualität, ist meiner meinung nach einer der ganz grossen reize des netzes; man setzt ein paar kleine, unfertige, nicht zuende gedachte ideen in die welt und andere ziehen sie gross oder modifizieren sie — oder auch nicht.
ich habe vor knapp 5 jahren auch mal was zur vorratsdatenspeicherung bei watch berlin erzählt. nicht so eindringlich und plastisch wie malte spitz, ist aber auch schon 5 jahre her.
Orson Welles stated that Keaton's The General is "the greatest comedy ever made, the greatest Civil War film ever made, and perhaps the greatest film ever made."
kann man auf youtube in voller länge ansehen. ohne ton.
Kernstück der Kampagne ist aber ein Musikvideo, in dem sich der Megaupload-Gründer singend selbst mit der Bürgerrechtsikone Martin Luther King vergleicht, an Präsident Obama appelliert und den “Krieg um das Internet” ausruft. Dabei setzt der 38-Jährige weniger auf musikalische Qualität, denn auf den Fremdschäm-Faktor. Mit dem breiten deutschen Akzent und einer schamlosen Inszenierung seiner selbst als Widerstandskämpfer gegen ACTA, sorgt Schmitz für Gelächter. Der YouTube-Zähler steht schon auf über 400.000 Klicks, vieleMedienverbreitendasVideoweiter. Doch Solidaritätsbekundungen sind bedeutend spärlicher: Ein paar Tausend Likes auf Facebook kann er bisher vorweisen - angesichts des Medienwirbels ist das bemerkenswert wenig. Dass gar jemand für Schmitz auf die Straße gehen würde, ist derzeit nicht abzusehen.
auch schön, die offenlegung am ende:
Anmerkung: Kim Schmitz und Megaupload Ltd sind 2011 mit drei einstweiligen Verfügungen vor drei verschiedenen Landgerichten gegen den Autoren dieses Artikels vorgegangen. Alle drei Einstweiligen Verfügungen wurden jedoch aufgehoben.
torsten kleinz verfolgt das treiben von kim schmitz bereits seit einigen jahren und hat(te) eine umfangreiche kimble-doku online, die jetzt aber leider 404 ist.
[nachtrag]
torsten kleinz erzählt warum der kimble-report offline ist. und warum kim schmitz ein aufschneider ist:
Ende letzten Jahres habe ich nochmal für heise und die taz Berichte über Kim Schmitz und Megaupload verfasst. Wenig später bekam ich ein Schreiben von einer Anwaltskanzlei, in dem mir so ziemlich alles verboten werden sollte. […]
In der Folge erhielt ich persönlich und die beteiligten Verlage drei einstweilige Verfügungen von drei verschiedenen Landgerichten, die mir auf Verlangen von Kim Schmitz (nicht:Dotcom) und Megaupload jeweils eine einzelne Äußerung verboten. Warum dafür drei verschiedene Gerichte bemüht wurden? Die einzige Erklärung, die mir plausibel erscheint: Ich sollte mit möglichst vielen Kosten und Prozessrisiken konfrontiert werden. Solche Rechtstreitigkeiten können schnell fünfstellige Beträge verschlingen. Selbst im Siegesfall waren die Aussichten, meine Anwaltskosten erstattet zu bekommen, gering.
Dankenswerterweise hielten die Verlage von heise online und taz zu mir und hielten mich von dem finanziellen Risiko der Streitigkeiten frei. Dank der hervorragenden und engagierten Arbeit meiner Anwälte wurden die einstweiligen Verfügungen eine nach dem anderen erst außer Kraft gesetzt und schließlich gerichtlich abgewiesen. Das dauerte mehrere Monate und kostete einige Nerven. Wäre Kim Schmitz nicht im Januar festgenommen worden — vielleicht hätte ich mittlerweile mit einem Dutzend Einstweilige Verfügungen zu tun. Er hatte scheinbar unbegrenzte Mittel, die er mit seinem (geleasten) Millionen-Villa, seinem Fuhrpark, seinen Spenden für Feuerwerke medienwirksam dokumentierte. Ich hingegen habe mein Einkommen als freier Journalist. Wenn Schmitz oder Dotcom sich nun als Vorkämpfer für freie Rede im Internet inszeniert, ist die Absurdität kaum in Worte zu fassen.
When Lee Cronin learned about the concept of 3D printers, he had a brilliant idea: why not turn such a device into a universal chemistry set that could make its own drugs?
jörg häntzschel über die „weirdness“ von mitt romney:
Noch dramatischer missglücken seine Versuche, die Menschen direkt anzusprechen. Regelmäßig versucht er, das Eis mit abwegigen Fragen nach Alter oder Nationalität seines Gegenübers zu brechen: "Lassen Sie mich raten: Sie sind Franco-Kanadier!" Oder er versucht es mit Gratulationen - doch für was? "Das ist ja eine große Lava-Lampe! Gratuliere!", meinte er zu einem Google-Mitarbeiter. Leider verwandeln sich seine Übungen in Jovialität aber oft in Beleidigungen, schon bevor sie seinen Mund verlassen haben.
mike elgan erklärt warum apples skeuomorphismus scheusslich ist:
Here we have one of the most incredible technologies ever made available to consumers -- one that communicates with multiple Earth-orbiting satellites, and it's decorated to look like a wallet made at summer camp.
das hat übrigens nicht erst mit iOS oder dem leder-ical angefangen. angefangen hat das elend (glaube ich) mit dem polierten itunes aus edelstahl.
auch widersprüchlich: einerseits eine breite ablehnung von skeuomorpher app-gestaltung, aber wenn sich auf dem iphone die lichtreflektionen von schieberegglern mithilfe des gyroskops verändern, gibts tosenden applaus — obwohl das auch skeuomorph ist.
wenn man etwas toll findet und benutzt ohne zu bezahlen, kann es den bach runter gehen. wenn man etwas toll findet und für die benutzung bezahlt kann es den bach runtergehen oder kaputt-geheadhuntet werden. und jetzt? nur offene, freie software benutzen? möglichst unabhängig bleiben? doch auf die grossen player setzen? selber programmieren lernen?
Mich irritiert immer noch etwas, dass in Deutschland Sabbatical mit Urlaub verwechselt wird. In Deutschland gibt es offenbar noch keine Tradition und kein Verständnis für den wesentlichen Unterschied. Urlaub ist “Abschalten”, ein Sabbatical ist ein “Umschalten”, wie es Scott Hanson in einem Kommentar zu meinem Posting in Facebook treffend und kurz ausgedrückt hat.
nach folge vier muss ich, wegen einer überdosis von ziemlich schwachsinnigem pathos und mangel an humor, aufhören the newsroom zu gucken und ausserdem margaret lyons zustimmen.
marcel weiss beschreibt wie die musikindustrie in den letzten jahrzehnten „innovationen“ massiv gehemmt hat. wobei das mit den innovationen natürlich auch ein zweischneidiges schwert ist; eins von kim schmitzs „hauptargumenten“ in seinem mega-peinlichen video ist glaube ich, dass „innovation“ (also was er so treibt) kriminalisiert werde. wobei wir hier von jemandem reden, der nicht nur mit kalten händen gemolken hat, sondern dabei auch noch laut und schief gesungen hat.
auffällig zumindest ist: ohne kriminalisierung, gibts auch keine robin-hood-attitüde.
Die Gegend um die Mississippi Street, in der sich schicke Cafés, Bars und Restaurants auf engstem Raum befinden, ist derzeit die angesagteste in der Stadt. »Small Businesses« und »Creatives« sind hier zu Hause, also Menschen, die nicht nur Geld verdienen wollen, sondern für die auch eine gewisse Selbstdarstellung von existentieller Bedeutung ist. Man könnte diesen Stadtteil als amerikanische Version von Kreuzkölln oder als Torstraße 2.0 bezeichnen.
„kreuzkölln“ — kannte ich noch nicht das wort. sehr schön. auch der rest.
Doch wer die Filterblase lediglich als Phänomen der Digitalisierung ansieht, irrt gewaltig. Jahrzehntelang wurde Journalismus vor allem von alten, weißen Männern bestimmt, die pflichtbewusst die Weltsicht alter, weißer Männer in den Äther hinausposaunt haben. Ganze Generationen durften sich zur besten Sendezeit in den Abendnachrichten vergewissern, dass Politik und Wissenschaft Männersachen seien und die armen Neger ohne Starthilfe aus dem Westen wahrscheinlich immer noch ziellos durch die Savanne rennen würden.
Die Filterblase ist also mehr als ein technologisches Problem, das sich durch intelligentere Algorithmen oder menschliche Kuratoren im medialen Web relativ einfach lösen ließe. Sie ist ein kulturelles und strukturelles Problem.
sag ich doch.
(obwohl mir nicht ganz klar ist, was eiermann mit seinem text eigentlich genau sagen will. ich glaube es geht in die richtung: früher war scheisse, heute aber auch.)
Nun gab es schon immer eine Berufsgruppe, deren Lebenslage prekär war. Wir reden vom Künstler, Musiker, Maler oder Autor. Er galt bis in die siebziger Jahre als die letzte quasi noch unerschlossene Berufsgruppe des deutschen Sozialstaats. Ein Künstler war von seinem Einfallsreichtum und den Launen seiner Auftragsgeber abhängig. Erfolg und Scheitern lagen nahe beieinander. Häufig war es Zufall, ob man sein Auskommen fand. Trotzdem brauchte er eine soziale Absicherung. Die Künstlersozialkasse wurde erst 1983 gegründet, als der Rückbau des Sozialstaats schon eingesetzt hatte.
Der US-Künstler und Geograf Trevor Paglen deckte Flugzeugentführungen von Terrorverdächtigen und eine komplette CIA-Infrastruktur voller Tarnfirmen, geheimen Operationen und gefälschten Identitäten auf, er fotografierte Spionagesatelliten und “Black Sites”, geheime Militärgefängnisse, die angeblich gar nicht existieren, und sammelte kryptische Aufnäher militärischer Sondereinheiten. 1974 in Maryland geboren, studierte Paglen zunächst Religionswissenschaft und Komposition in Berkeley, danach Kunst und Technologie in Chicago und promovierte 2008 in Geografie. Seitdem spürt er, von wissenschaftlichem Ehrgeiz getrieben, die letzten weißen Flecken auf Landkarten auf, hinterfragt den dokumentarischen Wert der Fotografie – und bekämpft dabei immer auch noch ein paar Mythen.
fonsi spricht auf faz.de ein paar leserbriefschreibern aus der seele,
peter glaser nennt das „bohämisch“. ix frage mich, wie man lobo, seemann und die samwers allerdings in einen topf stecken kann, ist mir ein rätsel. das ist ein bisschen wie äpfel, birnen und elstern in einen topf zu werfen. was dirk von gehlen dazu schreibt gefällt mir aber sehr gut:
Wie ist das mit den gekauften Positionen? Bei einem meiner Bücher hat Rowohlt mal eine Buchvorschau im “DB mobil"-Magazin gekauft, und ich erinnere mich vage, dass das Zigtausende kostet.
Kostet auch Zehntausende. Ich kann dir das jetzt nicht genau sagen, aber es ist wirklich so, dass du sehr viele Artikel kaufst. Das wird ja auch immer diskutiert, die Vermischung von PR und Anzeigen. Bei den Literaturbeilagen, zum Beispiel zur Frankfurter oder zur Leipziger Buchmesse, da kannst du gucken, unten ist dieses Banner mit den ganzen Anzeigen, und obendrüber sind dann die Rezensionen.
Direkt zu den Büchern, für die auch die Anzeigen sind?
Zum Teil ja, sonst ist es halt derselbe Verlag. Bücher, deren Verlag keine Anzeige schaltet, haben einfach null Chancen, rezensiert zu werden.
patrick beuth über websites die sich öffentlich zugängliche mugshots von verdächtigen abziehen und bei denen es unschuldige gar nicht so leicht haben, diese wieder zu entfernen.
Manche Musiker schaffen Neues, andere kupfern trickreich ab. Der Komponist und Musiklehrer Klaus Kauker zeigt in Youtube-Videos, wie Popmusik funktioniert. Im Interview verrät Kauker, wie sich ein Dieter-Bohlen-DSDS-Hit landen lässt.
thomas stadler über sascha lobos kolumne von dienstag. er schliesst mit zwei sätzen, die nix mit sascha lobos kolumne zu tun haben und auch nichts wirklich neues sind. aber man sollte sich die beiden sätze regelmässig vor augen führen und drüber nachdenken.
Anbieter wie Facebook oder Gooogle verstoßen häufiger gegen deutsches und europäisches Recht, u.a. auch beim Datenschutz. Der deutsche Staat, wie auch die EU, sind in vielen Fällen nur nicht mehr dazu in der Lage, ihr Recht gegenüber diesen Anbietern durchzusetzen.
in den kommentaren meldet sich auch sascha lobo.
ich weiss nicht ob das wort dummheit zu thilo baums lieblingsworten gehört, er benutzt es auf jeden fall recht häufig. google findet auf seiner website ungefähr 168 fundstellen (da seien bereits einige dopplungen ausgefiltert, sagt google). die angebliche dummheit anderer menschen beschäftigt thilo baum jedenfalls sehr, sehr stark (es ist immer die dummheit der anderen, nie seine eigene). selbst mein lieblingswort arschloch habe ich in 10 jahren nur 68 mal auf wirres.net gebraucht (thilo baum auf thilo-baum.de nur einmal).
mir fiel thilo baums obsession mit der dummheit der anderen kürzlich mal wieder auf, als er diese kritik von tina groll an seinem jüngsten buch als „das dümmste“, was er jemals über sein buch „Denk mit!“ gelesen habe. leider hat er diese kritik an der kritik seines buches wieder von seiner webseite gelöscht. so fing das damals an:
vor ein paar tagen wochen schrob thilo baum über die dummheit des menschen. ganz generell, des menschen. die ganze menschheit also, ausser thilo baum natürlich wahrscheinlich.
in diesem artikel (einsortiert in „alltagsphilosophie“) stehen auch sehr schöne sätze, denen ich uneingeschränkt zustimmen mag:
Ich erkenne an und respektiere folgerichtig, dass auch mir genetisch oder auch im Verhalten eher ferne Tiere ein Wesen haben, spüren, leben, eine Würde haben. Voraussetzung dafür ist das bisschen Demut anzuerkennen, dass wir nicht der Nabel der Welt sind und dass es um uns nicht geht. Und das ist eigentlich ganz leicht.
leicht ist es ganz offensichtlich nicht, denn zwei absätze später beweist er, dass er den (dummen) menschen, doch als den nabel der welt ansieht:
Das Gegenteil von Egozentrik ist die Fähigkeit, die Perspektive eines anderen einzunehmen. Aus Sicht anderer Tiere überleben wir Menschen einen Winter nicht ohne Hilfsmittel, brauchen sogar zum Hinsetzen ein Werkzeug und sind dabei, den Planeten zu zerstören. Warum sollten wir mehr Würde haben als Tiere, die den Planeten nicht zerstören?
(hervorhebung von mir)
wir zerstören den planeten? falscher, anthropozentrischer kann man das fast nicht ausdrücken. das was wir umweltzerstörung nennen, ist eigentlich die zerstörung unserer natürlichen lebensgrundlagen. wir zerstören uns selbst, gefährden unser überleben. die natur überlebt uns menschen alle, für die natur sind wir nicht schlimmer als ein paar naturkatastrophen. ganz ohne den menschen haben naturkatastrophen es in der erdgeschichte geschafft, 99 prozent aller jemals existierenden arten von leben aussterben zu lassen. trotzdem haben naturkatastrophen es in den letzten 3,5 milliarden jahren nicht geschaft die natur, oder genauer das leben auf diesem planeten zu zerstören. im gegenteil, viele katastrophen ermöglichten vielen lebensformen erst das enstehen. genauso wird es der mensch nicht schaffen „den planeten zu zerstören“ oder das leben auf diesem planeten auszulöschen.
den planeten zerstören wird die sonne, in ca. 5 milliarden jahren, ganz sicher nicht der mensch. für den planeten ist der mensch eine art juckreiz, nicht viel mehr. die natur braucht uns nicht und der mensch stört die natur auch nicht übermässig. der biologe jonas salk soll das einmal so ausgedrückt haben:
If all the insects were to disappear from the earth, within 50 years all life on earth would end. If all human beings disappeared from the earth, within 50 years all forms of life would flourish.
trotzdem, bis auf diese beiden denkfehler, dass er selbst nicht auch dumm sein könnte und dass der mensch den planeten zerstören könnte, hat thilo baum natürlich in allem was er sagt, und noch nicht gelöscht hat, recht. egozentrik, oder genauer anthropozentrik ist ein klassisches menschheitsproblem.
ken robinson ist übrigens gar nicht dumm, aber dafür von berufs wegen anthropozentrisch. aus dieser grandiosen TED-präsentation habe ich auch das zitat von jonas salk. der vortrag von ken robinson ist übrigens extrem philanthrop und kommt trotz aller kritik an uns menschen ohne das wort dummheit aus.
louis ck bei jon stewart und wie er zum angeblichen „rape apologist“ wurde, über blogger und komiker und frauen und männer. brutaler humor, aber ich musste lachen.
grossartig. ronald mallett erklärt, dass die spezielle relativitätstheorie zeitreisen in die zukunft erlaubt, und die allgemeine relativitätstheorie zeitreisen in die vergangenheit erlaubt.
obwohl mir fussball unglaublich egal ist, liest sich die beschreibungen des fifa-korruptionsnetzes von jens weinreich ziemlich spannend.
Andererseits ist der Wunsch, gesund sterben zu wollen, ein eigentlicher Witz. Das Witzigste daran ist, niemand lacht darüber. Es ist nämlich gar nicht möglich, gesund zu sterben. Noch ist nie ein gesunder Mensch gestorben. Selbst wer vom Blitz getroffen wird, ist während der Zeit des Ein- und Austritts des Blitzes für einen kurzen Moment krank. Die Wahnvorstellung, gesund sterben zu wollen, ist aber bloß eine logische Folge unseres allgemeinen Gesundheitswahns.
ich glaube unsere vorstellung von natur und „natürlichkeit“ ist insgesamt gehörig aus dem gleichgewicht geraten. die natur, die biologie ist dem menschen nicht wohlgesonnen, wir haben uns lediglich ein paar resistenzen zugelegt, damit wir mit einigen natürlichen giften einigermassen umgehen können. die natur, wie sie uns derzeit gegenübersteht, und wir, sind das produkt einer langen entwicklung. aber diese entwicklung ist keinesfalls beendet. das was die gentechnik tut, macht die natur nach wie vor: erbgut verändern, mutieren, rekombinieren. in bakterien, viren passiert das was wir evolution oder gentechnik nennen weiterhin in rasender geschwindigkeit. aber das geht in viele köpfe nicht rein. dass sich das HIV-virus natürlich entwickeln könnte, wollen viele menschen nicht wahrhaben. so etwas grausames kann doch nicht aus der „mutter natur“ entstammen, da müssen doch irgendwelche durchgeknallten wissenschaftler ihre finger im spiel gehabt haben. kamen seuchen früher durch hexen, zauberer oder teufelisches wirken zusammen, stammen sie heute aus laboratorien oder geheimen regierungsprogrammen. dass die natur einfach (nach wie vor) grösstenteils tödlich für die meisten lebensformen ist, darauf kommt fast niemand.
There are lots of reasons to be heartened by Louis' actions and by his success: He is validating new business models that could spread. He is demonstrating his trust in his audience. He is protecting his audience while making the relationship more direct. He is not being greedy. But it seems to me that Louis is demonstrating one more point that is especially important. Louis C.K. won the Internet by reminding us that the Internet offers us a chance for a moral do-over.
was wir von louis ck lernen können: leute respektvoll behandeln, führt zu respektvollen reaktionen. nicht ausschliesslich, aber grösstenteils. und das ist doch was.
I subscribed. Twice, actually. At 99 cents a week ($39.99 a year), it was supposed to be a painless addition to my vast set of digital subscriptions. Strangely, it never succeeded in becoming part of my reading habits.
das problem mit the daily: es ist zu gewöhnlich. es ist weder noch. weder besonders aktuell, noch visuell spannend, noch besonders in die tiefe gehend. ich glaube ein magazin das visuell knallt, ausserordenlich unterhaltsam oder erhellend (oder beides) ist und 99 cent pro woche kostete, könnte funktionieren. aber 08/15 und paywall funktioniert nicht.
am sonntag waren die queen mary 2 und die queen elisabeth gemeinsam in hamburg, wahrscheinlich günstig tanken oder so. ich bekomme das manchmal mit, weil unser schlafzimmer einen blick auf den hafen erlaubt und ich manchmal von meinem laptop aufstehe wenn ich länger als 5 minuten nebelhorngetute höre. nebelhörner können bedeuten, dass ein schiffsführer keine ausreichende sicht hat, dass eine schiffskollision bevorsteht oder dass ein eitles, fettes kreuzfahrtschiff in den hafen ein- oder ausfährt. alles drei sehe ich mir gerne aus dem fenster an, obwohl es bisher jedesmal ein kreuzfahrtschiff war. nebel hab ich bisher auch nur einmal in hamburg erlebt.
eigentlich wollten wir am sonntag kirschen pflücken gehen. da mein telefon aber von hoher regenwahrscheinlichkeit ausging (die aber nicht wirklich eintraf), sind wir dann in die deichtorhallen gegangen. dort gab es freien eintritt zum horizon field von antony gormley und schlaich bergermann und partner. das horizon field ist eine fussballfeld grosse plattform die siebeneinhalb meter hoch in einer der deichtorhallen an acht seilen aufgehängt ist.
wenn man bereit ist, sich die schuhe auszuziehen, kann man das feld betreten. ich fand das ziemlich unangenehm, weil nicht nur die plattform selbst schwang, sondern auch der boden extrem federte und sich anfühlte wie eine leichte lattenkonstruktion. ich habe zwar grosses vertrauen in bauingenieure, aber leichtbau ist meine sache nicht. ich mags massiv, zumindest wenn ich drauf rumlaufen soll.
auf der plattform verliess mich dann doch das vertrauen in die bauingenieure, als ich die halter sah, mit denen die seile an der dachkonstruktion angeflanscht waren. objektiv sicher zu unrecht, subjektiv aber, wie ich finde, total nachvollziehbar.
nach dem horizon field sind wir dann durch die speicherstadt nach hause gelaufen. dort lag am ende einer fussgängerzone, die mich ein bisschen an main street in disneyland erinnerte, die queen mary 2.
die speicherstadt war höllisch voll, am baumwall stauten sich autos und menschenmassen beim versuch die speicherstadt wieder zu verlassen. die beifahrerin bemerkte mehrfach sehr genervt, dass es keine gute idee war, durch die speicherstadt nach hause zu gehen. glücklicherweise war es diesmal ihre eigene idee.
am sonntag abend war ich dann relativ früh erschöpft und schlief ausnahmsweise mal so gegen halb elf ein. ich muss montags ja früh raus um den sechs-uhr-zug nach berlin zu nehmen. aus meiner ersten tiefschlafphase riss mich dann aber das kind, so gegen halb zwölf: das kind hatte seinen schlüssel vergessen und rief an, um sich die türe öffnen zu lassen.
ich schlief relativ flott wieder ein — bis mich so gegen ein uhr ein schrecklicher operetten-alptraum aus dem schlaf scheuchte. nur die operetten-musik hörte nicht auf als ich die augen aufschlug. es hörte sich an, als hielte andrew llyod webber einen voll aufgedrehten musical-blaster vor unser (geöffnetes) schlafzimmerfenster. tatsächlich hatte man wohl so eine art abschiedsfeier an den landungsbrücken für die queen mary 2 vorbereitet und dachte, das schiff würde sich freuen, wenn es zur ausfahrt aus hamburg mit etwas gespreizter, kitschiger operetten- oder musicalmusik beschallt würde. um ein uhr nachts! sonntags! mitten in der stadt! voll aufgedreht!
immerhin hielt sich das schiff selbst zurück und trötete nur eine minute statt der üblichen fünf auf seinen neblhörnern rum. als die musik und das getröte vorbei war, konnte man deutlich hören, wie ungefähr vier leute heftig applaudierten und „bravo“ riefen. ich vermute das waren olaf scholz und der leiter des hamburger ordnungsamts mit ihren frauen.
als ich einschlief, dachte ich noch kurz, hoffentlich schicken die heute nacht nicht noch ne kunstfliegerstaffel über den hafen. war dann aber ruhig.
[Die] Kommentatoren [der Welt] finden auch einfach nicht zu einer Linie. So kommentierte Die Weltvor zwei Monaten noch:
Religionsdebatte: Muslime müssen Freiheit zur Provokation hinnehmen - Provokationen gegenüber Autoritäten sind unverzichtbar für eine lebendige Gesellschaft und Kultur. Ohne Provokation gibt es kein neues Denken. Deshalb darf es auch keine Ausnahme für Muslime geben.
Wenn's aber an den Papst geht, dann ist das schon irgendwie was ganz anderes:
Wer sich über die Reaktion des Vatikans auf das Titelbild der "Titanic" mokiert, verkennt die religiösen Gefühle von Millionen Gläubigen. Sie müssen sich nicht im Namen der Toleranz verhöhnen lassen.
Stimmt, verhöhnen lassen müssen sich nur die Millionen Gläubige, die an den falschen Gott glauben. Die sind es ja schließlich, die ein neues Denken brauchen.
"Wissen Sie, ich bin eine gläubige Christin. Das gibt mir Halt." antwortet Frau K. auf meine Frage, wie sie im Alter ihr Leben lebt. Frau K. ist 81 Jahre alt und war 45 Jahre lang berufstätig: "Als kaufmännische Angestellte." Sie fühlt sich fit, auch wenn sie kein Fahrrad mehr fahren kann: "Ich bin mein Leben lang Fahrrad gefahren, heute geht das nicht mehr. Ich fahre aber noch Auto." sagt sie und schlägt vor, dass ich sie neben ihrem Auto fotografiere.
Ins Rollen kam die Geschichte als Gwenda Paschulke, Lehrerin an der Peter-Lustig-Grundschule den verhängnisvollen Aufruf am Schwarzen Brett bemerkte. “Der kleine Paul hat einfach jeden zu seiner Geburtstagsparty eingeladen", erklärt die Pädagogin gegenüber dem Hamburger Gutenachtblatt. “Doch statt jedem seiner engsten Freunde eine handgeschriebene persönliche Einladung zu übergeben -- so wie wir es im Medienkunde-Unterricht auch geübt haben -- hat er die Einladung einfach ans Schwarze Brett gehängt", sagt Frau Paschulke sichtlich betroffen.
Noisy Typer is a free piece of software which plays typewriter sounds as you type. It runs in the background and works with all applications ( email, web, word etc ). Key sounds include: letter keys, spacebar, backspace, carriage return and scroll up and down.
download hier.
ich bin eigentlich froh darüber, dass es fast keine geräte mehr gibt, die bei der benutzung geräusche von sich geben müssen. selbst musik blasen sich die meisten leute heutzutage direkt ins ohr, statt in die öffentlichkeit. theoretisch könnte die welt so ruhig sein.
Hintergrund [...] ist ein Streit mit dem Universal-Konzern, von dem man sich rechtlich und finanziell übervorteilt fühlt. Dieser Streit führte dazu, dass es einen beträchtlichen Teil des Def-Leppard-Schaffens nicht auf iTunes und anderen Bezahlportalen zu kaufen gibt. Schließlich sah die Band nur mehr einen einzigen Weg, den Downloadmarkt nicht komplett Filehostern zu überlassen (von denen sie kein Geld bekommt): Sie muss die Leistungsschutzrechte von Universal umgehen, indem sie alte Stücke neu einspielt.
wenn man 4 staffeln breaking bad in 10 minuten sieht, könnte man denken, dass das alles ziemlich bescheuert und abstrus ist. ist es aber nicht. obwohl, andererseits dann wieder doch.
das video ist ziemlich witzig, aber nur mit proxy und altersverifikations-kack zu sehen. interessant, dass man solche gema-gesperrten videos per GIF auch befreien kann — von den youtoube/GEMA/jugendschutz-restriktionen, aber eben auch von der musik.
[nachtrag 15.07.2012] das video gibts auch bei vimeo ( danke ).
Schon, aber laut eigenen Angaben von Nespresso werden derzeit 12300 Nespresso-Espressi pro Minute getrunken. Bei verarbeiteten 1,1 Gramm Aluminium pro Kapsel, kommt man damit auf 13,5 Kilo in der Minute, 811 Kilo in der Stunde und 19 Tonnen am Tag. Man schätzt jährlich entstehen durch Nespresso ca. 6000 Tonnen Metallabfall. Das entspricht einem Schrotthaufen, der entsteht, wenn man den Eifelturm zersägt!
ungefähr drei millionen autos wurden 2011 in deutschland neu zugelassen. in einem auto sind im schnitt 140 kilogramm aluminium verbaut. das wären 420.000 tonnen aluminium die jahr für jahr in autos verbaut werden.
ich habe kein auto, aber wenn ich die in einem auto verbaute alu-menge in nespresso verbrauchen wollte, müsste ich über 10 jahre lang jeden tag 35 kapseln nespresso trinken. das würde dann 140 kilogramm alu-müll erzeugen.
die nespresso-geschichte und die rechenbeispiele gegen nespresso die philipp weber hier aufschrob kann man übrigens genauso schlüssig mit in flaschen abgefülltem wasser machen. philipp weber:
Ich frage den Verkäufer, was so eine Stange mit Kapseln kostet. „10 Kapseln ungefähr 3,50 Euro!“ Ich überschlage im Kopf: Das heißt also 35 Cent pro Stück. Bei circa 6 Gramm Kaffee pro Kapsel. Das sind... Ich rufe begeistert aus: „Krass, das sind ja nur 60 Euro pro Kilo Kaffee!“ Er strahlt mich an. Ironie versteht er auch nicht.
ein kasten apollinaris silence kostet ungefähr 14 euro. das macht pro liter 1,55 €. ein liter leitungswasser kostet in hamburg 0,00376 €. für 100 liter apollinaris silence zahlt man also 155 euro, für 100 liter leitungswasser 38 cent. selbst bei aldi zahlt man für 100 liter flaschenwasser noch zwischen 13 und 42 euro, also mindestens 12,62 euro mehr als aus der leitung. ich mein ja nur.
tolle fotos aus dem 80er-jahre ost-berlin von seiichi furuya, der in den achtziger jahren aus japan in die DDR zog. den text dazu habe ich bei diesem satz aufgehört zu lesen:
Aus dem Reich der aufgehenden Sonne ins Land des untergehenden Sozialismus: In den achtziger Jahren zog Seiichi Furuya in die DDR.
titanic-chefredakteur leo fischer im european-interview:
[Aus den Vorhaltungen, wir würden uns keine Mohammed-Kritik trauen] spricht der Wunsch, dass Satirikern Gewalt angetan wird und gute Satire nur dann entsteht, wenn es zu Gewalttaten kommt. Meine Kollege Oliver Nagel hat bereits festgestellt, dass es immer darum geht, das Fremde zu schmähen und verächtlich zu machen. Am besten Ausländer. Am besten Muslime: Irgendetwas, was weit weg ist. Da etabliert sich der deutsche Humorkonsens - und darauf wollen wir uns bei „Titanic“ grundsätzlich nicht einlassen. Wir analysieren deutsche Verhältnisse.
oliver nagel fasst die titanic-kacka-pipi-papst-geschichte nochmal zusammen:
Seit Religion in Deutschland weniger Selbstzweck als vielmehr Rüstzeug gegen den bösbösen Islam geworden ist, kommt auch regelmäßig der Anwurf: Das müsste mal einer mit Mohammed machen! Das traut ihr euch nicht, ihr Feiglinge! So im aktuellen Fall etwa von Bild-Wagner, SpOn-Fleischhauer und Kai “Penisverlängerung” Diekmann. Ob das stimmt, kann man ganz leicht hier, hier, hier, hier, hier und hier überprüfen. — Nein, ich schreibs lieber explizit hin: Es stimmt nicht. Titanic macht Witze über alles, was der Redaktion relevant scheint.
10. Bildungsoffensive. ¶ Jeder zehnte Obdachlose hat einen Hochschulabschluss, Tendenz steigend, schließlich können längst Tausende Akademiker ihre Miete nicht mehr bezahlen.[18.2.2012, SZ]
via @michpant, der das eine „grossartige Arbeit von Peter Praschl zur Krise in Griechenland“ nannte. auf jeden fall viel arbeit. und viel uff.
patrick radden keefe, der auch die grossartige reportage „How a Mexican Drug Cartel Makes Its Billions“ in der nytimes schrob (links vom 19.06.2012), schreibt über die erstaunliche ähnlichkeit der serie breaking bad mit den tatsächlichen verhältnissen im drogengeschäft:
This may be the scariest aspect of “Breaking Bad," and of the drug trade itself: the more ghoulish and extreme the show becomes, the more it seems to traffic not in realism but in horror, and the more accurately it captures the reality of the cartels and their business.
At $2,000 a pop, the costumes supplied by Ralph Lauren to America's Olympic athletes are not cheap. But apparently, Mr Lauren and co still couldn't afford to pay American workers to sew them -- they were made in China.
gestern haben wir, die beifahrerin, das kind und ich, eine kostenlose probebox von kochzauber.de mit drei mahlzeiten für 4 personen bekommen. die kiste wurde um neun uhr abends geliefert und neben den zutaten für die drei mahlzeiten war ein achtseitiges heftchen mit drei rezepten für die dreierbox und zwei weiteren für die fünferbox dabei. normalerweise kostet diese box 64 euro.
abgesehen von den rezepten selbst, ist das rezeptheftchen prall mit adjektivschwangerem sprachmüll gefüllt:
Jetzt ist Beeren-Saison: Ob süß oder sauer — hier ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Besonders in den Monaten Juli und August verführen uns Beeren verschiedenster Arten in den Genusshimmel.
Damit Sie weder beim Einkauf, noch bei der Rezepteplanung ins Schwitzen kommen, haben wir auch diese Woche raffinierte Leckereien für Sie zusammengestellt.
das mit dem sprachmüll im rezeptbuch ist eigentlich egal, da die rezepte gut, knapp und nachvollziehbar geschrieben sind. das erste, dass ich heute mittag ausprobierte, blitzpfannkuchen (aus dem backofen) mit zuccini-tomaten-sauce, hat OK geschmeckt und war in weniger als den angegebenen 30 minuten zubereitet. die vier portionen haben wir mit leichtigkeit zu dritt weggeputzt und niemand klagte nach dem essen über durchfall.
Unsere Kochprofis, Ernährungswissenschaftler und -psychologen entwickeln ständig neue Rezepte, die Sie einfach und schnell zu Hause nachkochen können. Kochen Sie mit Ihrem Partner, Ihren Kindern oder der gesamten Familie. Unsere Rezepte eignen sich ideal für Haushalte mit zwei oder vier Personen. Nie war gesunde Ernährung so einfach und hat zugleich die wertvolle Familienzeit wieder in den Mittelpunkt gerückt.
die haben ernährungspsychologen bei kochzauber, die rezepte entwickeln? oder rücken die psychologen unsere wertvolle „Familienzeit“ wieder in den mittelpunkt? warum stellt man bei kochzauber eigentlich keine sprachprofis ein?
an anderer stelle werden die „Kochprofis, Ernährungswissenschaftler und -psychologen“, die die rezepte entwickeln, „Rezeptwichtel“ genannt:
Die Rezeptwichtel: Unsere Ernährungsberater und Profi-Köche sind dafür zuständig, innovative, leckere Rezepte zu entwickeln, die beim Nachkochen Freude bereiten und gleichzeitig ein gesunder Gaumenschmaus sind.
ein floskelparadies. nur die fragen die mich wirklich interessieren, sind auf der kochzauber.de-seite nicht herauszufinden:
woher kommen die produkte genau?
tragen die produkte bio-siegel?
wer sind die lieferanten? wer liefert gemüse, wer das fleisch?
wie wird die kühlkette während des transports beispielsweise von hackfleisch eingehalten? gut wulksfelde, von denen wir uns vor einiger zeit regelmässig haben beliefern lassen, verzichtete beispielsweise auf die auslieferung von hackfleisch im sommer. kochzauber nicht. hat kochzauber kühlwagen? liefert es besonders schnell aus dem kühlhaus? (wenn der transport wie auf der seite angegeben immer mittwochs ab 17 uhr stattfindet, ist unser hackfleisch immerhin 4 stunden unterwegs gewesen.)
woher kommen die rezepte? jetzt mal ehrlich?
warum gibts keine fotos vom team, wie sieht ein „ernährungspsychologe“ aus?
was passiert mit dem lieferkarton? nimmt der fahrer den bei der nächsten lieferung wieder mit, soll er in den müll? auf der kochzauberseite steht dazu nichts.
stattdessen phrasen:
Die Einkäufer: Unser Einkaufs-Team setzt sich mit vollem Engagement dafür ein, dass unserer Zutaten höchsten Ansprüchen gerecht werden. Biologische Erzeugung, regionale Herkunft und saisonale Trends garantieren höchste Qualität und exquisiten Geschmack.
auch an den waren selbst sind keine hinweise auf die herkunft oder die erzeuger zu finden (ausnahme: die markenprodukte. auf den fleischverpackungen stehen die grosshändlernamen).
dass das auch anders geht, zeigt, wieder mal, gut wulksfelde: zu jedem lebensmittel (mehr oder weniger) genaue angaben woher es kommt.
andererseits gab es an den lebensmitteln von kochzauber.de nichts auszusetzen. selbst der knoblauch war OK, auch wenn es witzigerweise nur zwei einzelne fucking zehen gab.
ich hatte schon so eine ahnung als ich das angebot bekam, eine kostenlose kiste zu testen: der spass ist teuer. malte prien von deutsche startups hat sich mal die mühe gemacht die kosten von diversen lieferdiensten wie kochzauber durchzurechnen. er kommt auf materialkosten von ungefähr 40% des kistenpreises. nach meiner rechnung sind lebensmittel im wert von ca. 27 euro in der 64-euro-kiste drin, also auch um die 40% (rewe-preise). mit bio-avocados und -zucchinis, knapp 30 euro. allerdings sind die lebensmittel von kochzauber mit sicherheit nicht „bio“ oder aus „kontrolliert ökologischem anbau“. für uns ist das, für ein bisschen komfort und ein paar rezepte, einen ticken zu teuer. 37 euro pro woche für die portionierung, lieferung und rezeptur von lebensmitteln ist einfach zuviel. zumal ich das einkaufen von lebensmitteln, nicht erst seit ich regelmässig zum wochenmarkt gehe, sehr gerne mache. durch das internet, diese unglaubliche rezeptmaschine, in die man ein paar zutaten eingeben kann und manchmal tolle rezepte ausgeworfen bekommt, bringen mir starre rezeptvorschläge nicht so irre viel komfortzuwachs. wegen des wochenmarkts haben wir schon vor ein paar jahren unsere wulksfelder gemüsekiste aufgegeben. der wochenmarkt ist unterm strich einfach günstiger, direkter, flexibler und erlebnisreicher.
die blitzpfannkuchen (aus dem backofen) mit zuccini-tomaten-sauce waren sahen so aus:
der gebratene blumenkohl mit auberginenpüree müsste eigentlich gebackener blumenkohl mit einem klecks auberginenpüree heissen, war aber auch hervorragend zubereitet. nur die portionierung ist den ernährungsberatern und profi-köchen nicht so 100% gelungen. aufs backblech habe ich nur 1,5 blumenköhle bekommen, mit dem auberginenpüree hab ich gerade mal 3 tellerchen mit kleinen häufchen füllen können. das püree war mit der angegebenen menge limettensaft auch einen ganzen tick zu sauer. mit grösseren oder einer aubergine mehr hätte das sicher besser gepasst. dafür stimmte die zubereitungszeit auf die minute.
beim dritten rezept, der „Hähnchenbrust an fruchtiger Melonen-Salsa“, ist für meinen geschmack ein adjektiv zu viel enthalten, das rezept hört sich dafür sehr lecker an. ich erzähle es mal nach, ohne es bis jetzt gekocht zu haben:
zwei melonen würfeln, hähnchenbrüste, die vorher in gemahlenen haselnüssen gewälzt wurden, anbraten und im ofen ausgaren. zu den melonenwürfeln eine feingeschnittene schalotte, zwei klein gewürfelte avocados, limettensaft, essig, honig, olivenöl, salz und pfeffer hinzugeben.
mich dünkt es allerdings, dass die „Rezeptentwickler“ vom kochzauber lediglich rezeptsammler und -varierer sind. zumindest gibt es ein paar ähnlich lecker klingende rezepte im netz (1, 2, 3). das soll jetzt nicht haarspalterisch erscheinen, ich würde einfach gerne genauer erfahren, was bei kochzauber passiert. wie „entwickelt“ kochzauber die rezepte, kochen die wirklich alles einmal nach oder nur ein foodstylist, für die rezeptfotos? welche kochbücher, kochblogs, webseiten, fernsehköche sorgen für inspiration? kochzauber hat doch ein blog. warum nicht statt marketing- und floskelblah einfach mal die prozesse zeigen, beschreiben was die „Kochprofis“ so machen? so, dass es sich anhört als sei es von menschen geschrieben.
ich finde die idee von kochzauber, die genau betrachtet natürlich auch nicht besonders originell ist, nicht schlecht. uns ist das aber viel zu teuer und unflexibel. dazu kommt, dass mir die marketingfloskeln auf den geist gehen. der bauer auf dem wochenmarkt spricht beinahe ohne adjektive, nimmt worte wie „Genusshimmel“ nicht in den mund und fordert mich nicht auf, ihn auf facebook zu besuchen, wenn ich mich gerade mit ihm unterhalte. wer wert auf ökologische erzeugung, firlefanzlose ansprache und transparenz legt, ist mit diensten wie dem von wulksfelde besser aufgehoben. rezeptvorschläge liegen bei den gemüsekisten, die ich kenne, auch immer bei, man kann sachen die man nicht mag ausschliessen und die lieferung klappte zum beispiel bei wulksfelde auch, wenn niemand zuhause war. immerhin, das kernstück der zauberkiste, die lebensmittel und die rezepte, waren sehr in ordnung. nur das drumrum, das tralala und der preis sind ein problem. für uns.
[nachtrag 14.07.2012]
gestern mittag habe ich das letzte rezept aus der box zubereitet: die hähnchenbrust mit melonen-salsa. die beiden melonen waren extrem gut (genau der richtige reifegrad, süss, von innen duftig, von aussen ein bisschen stinkig). die avocados waren auch auf den punkt gereift. an den melonen und avocados gabs also nichst auszusetzen, aber das hühnerfleisch roch leider sehr, sehr stark nach faulen eiern, auch nach ausgiebiger spülung unter klarem wasser. der geruch verlor sich auch nach dem braten nicht ganz, immerhin war der geschmack OK. das mindesthaltbarkeitsdatum wäre erst am nächsten tag abgelaufen.