wired.de: Moritz von Laffert über WIRED condé-nast deutschland chef moritz von laffert (sinngemäss): erste frage: „wir scheissen auf marktforschung. die deutsche ausgabe von wired ist ein sprung ins kalte wasser, open beta.“ zweite frage: „die markforschung zeigt ...“
Wir können mehr Multimedialität bieten: Videoporträts, verschiedene Ebenen bei Infografiken, Zoomeffekte, Akustik. [...] Wir haben an Stellen, bei denen es passte, einige kleine schöne Dinge eingebaut wie funkelnde Sterne oder Vogelgezwitscher. Das verändert nicht die Welt, soll aber ein leichtes Schmunzeln auslösen und schafft eine emotionale Nähe.
christian stöcker hat vor ungefähr zwei jahren einen vielbeachteten artikel über die generation C64 vs. ursula von der leyen geschrieben. ich habe ihn damals auch beachtet und gelobt. spätestens seit dem generation C64-Artikel bin ich bekennender stöcker-fan.
im prinzip hat christian stöcker seinen artikel von damals mit einer ordentlichen einführung über sechs oder sieben kapitel versehen und am ende den bogen aufgespannt um seine kernthese an aktuellen beispielen zu illustrieren. die kernthese, die essenz des buches steht bereits im zwei jahre alten spigel-online-artikel, nämlich: die dinge die wir heute im internet beobachten können, sind alle mehr oder weniger eine direkte folge der hacker- und cracker-kultur die rund um den C64 entstanden ist.
Gleichzeitig leben in diesem Land an die 20 Millionen Menschen zwischen 15 und 35 (um mal eine willkürliche Grenze für die Angehörigen der Generation C64 zu ziehen), in deren Leben digitale Technologie eine zentrale, eine vor allem selbstverständliche Rolle spielt. Für die das Internet nicht "der Cyberspace" ist, sondern ein normaler Teil ihres Alltags, ebenso wie Telefone für die Generationen davor.
in seinem buch steht auf seite 264:
Gleichzeitig leben in diesem Land mehr als 20 Millionen Menschen, die jünger sind als 35 oder 40 (um mal eine willkürliche Grenze für die Angehörigen der Generation C64 und der nachfolgenden Generationen zu ziehen), in deren Leben digitale Technologie eine zentrale, eine vor allem selbstverständliche Rolle spielt. Für die das Internet nicht »der Cyberspace« ist, sondern ein normaler Teil ihres Alltags, ebenso wie Telefone für die Generationen davor. Die Computerspiele seit ihrer Jugend kennen und deshalb nicht für gefährliche Amoktrainer halten. Die wissen, was ein Browser ist.
das was stöcker über seine jugend, also unsere jugend, bzw. die jugend der menschen um die 40 schreibt liest sich gut und füllte mir beim lesen so manche gedächnislücke. teilweise wurde ich sehr nostalgisch und stellte mal wieder erschütert fest, wie ähnlich die lebensläufe von mittelstandkindern im westen der bundesrepublik verliefen. eine generation der erlebnis-klone.
und stöcker zieht kluge schlüsse, bzw. erklärt schlüssig wie sich hacker- und cracker-ethik, kinderzimmer-disketten-kopiererei (die man heute raubkopiererei nennt) vermischten und haltungen schufen die wir heute im internet beobachten können. er spannt den bogen von crackern, die ohne kommerzielle interessen den kopierschutz von spielen entfernten, zur heutigen demo- und open-source-szene, von john perry barlow, zu julian assange und zensursula-protesten, vom C64-kopierprogramm „fastcopy“ zur piratebay.
Der C64 und das um ihn herum wuchernde Ökosystem installierten in unseren Köpfen ein Gefühl von nahezu unbegrenzter Machbarkeit, der Kalte Krieg, die drohende Umweltkatastrophe eines von nahezu absoluter Ohnmacht. Vieles von dem, was den heute 30- bis 40-Jährigen von den Älteren vorgeworfen wird – politische Apathie, ein Mangel an gesellschaftspolitischen Visionen, eine laxe Einstellung zum Urheberrecht und nicht zuletzt die Bereitschaft, sich technologischen Wandel ohne Rücksicht auf Geschäftsmodelle, gesellschaftliche Konventionen oder rechtliche Fragen zunutze zu machen – sind mittelbare oder unmittelbare Folgen dieser paradoxen Kombination aus Ohnmacht und grenzenlosen Möglichkeiten.
die beiden ersten kapitel in denen stöcker seine schlüsse vorbereitet hat er jetzt auch stark gekürzt auf spiegel online veröffentlicht. das liest sich alles sehr gut und beim lesen kommt man aus dem kopfnicken kaum raus.
man liest das und fühlt sich gebauchpinselt. wir waren schon tolle checker damals — und sind es heute im internet immer noch! wobei diese eher unkritische eigenbauchpinselei natürlich auch problematisch ist: wer soll das bitte lesen, ausser leute die jetzt um die 40 sind und damals ihren eltern mit der platten lüge damit hausaufgaben zu machen einen homecomputer aus dem bauch geleiert haben? deren eltern vielleicht, die jetzt von ihren kindern stöckers buch zu weihnachten geschenkt bekommen, damit sie mit 20 jahren verspätung erfahren, was sich damals im kinderzimmer wirklich abgespielt hat?
stöcker hat ein buch geschrieben, dass bei den angehörigen der generation C64 offene türen einrennt und sie bauchpinselt und für den rest der welt den erklärbär macht. wenn der rest der welt sich denn dafür interessieren würde. beim lesen fühlte ich mich wie ein heisses messer, dass durch butter schneidet. hängengeblieben ist nicht viel, ausser ein bisschen fett, ein paar vorgefertigte argumente die künftige diskussionen etwas schmieren und aufladen könnten.
das buch hat mir ausserordenlich gut gefallen — und das ist auch ein bisschen das problem. am ende sagt man „ja“ und vermisst das was wirklich gute bücher in einem hinterlassen: ein kleines inspirations-pflänzchen das man weiter hegen und pflegen und grossziehen kann.
immerhin habe ich jetzt ein weihnachtsgeschenk für meine eltern.
der umschlag sieht aus, als hätte christian stöcker ihn höchstpersönlich gezeichnet — mit dem mund. auf dem umschlag fand ich dann nach einigem suchen auch den urheber der gräslichen illustration (ein krakelig gezeichneter tisch mit einem fernseher, einer datasette, einem joystick und einem c64): www.buero-jorge-schmidt.de
bevor ich den link in meinen browser eingab, schloss ich eine wette mit mir selbst ab. wetten das die büro jorge-schmidt-site eine voll-flash-site ist? in der tat, vollflash es war. nachdem ich den flash-blocker deaktiviert hatte: musik. gräslich. immerhin, wenn man in der flashdatei ein bisschen rumklickt rettet das büro jorge-schmidt seinen ruf ein bisschen: die haben nicht nur scheussliche buchumschläge gestaltet, sondern auch ein paar ganz ansehnliche.
mathias richel hat mich gebeten eine „blattkritik“ zu seinem projekt das-ist-sozialdemokratisch.de zu schreiben. ich schätze matthias richel. nicht nur weil er mich mal kurzzeitig so gut fand, dass er mir einen job verschaffte (bei watchberlin.de), sondern weil ich weiss, das er eine furchtbar ehrliche und aufrichtige haut ist und sich für das was er für richtig hält einsetzt. zumindest privat.
und mathias kann ordentlich trommeln. leute die ihm auf twitter, facebook, per RSS oder sonstwo folgen oder abonniert haben, konnten der erwähnung seines projekts das-ist-sozialdemokratisch.de nicht entgehen. leider interessiert mich sozialdemokratie oder sozialdemokratische werbung nicht allzusehr, ausser es gibt schnittchen, bier oder was unterhaltsames drüber zu schreiben. deshalb hatte ich bisher davon abgesehen, mir die seite näher anzusehen.
was ich meine mit aufrichtiger haut und engagement für dinge die er für richtig hält, sieht man in diesem video-interview. in dem interview erklärt mathias die einfache idee der plattform, warum er es macht und dass er glaubt, eine plattform ins netz zu stellen auf der leute ihre meinung äussern können, führe zu partizipation oder besser noch zu impulsen, die die partei voranbringen können.
ich glaube mathias richel alles was er sagt. ich glaube, dass er glaubt auf diese weise für impulse zu sorgen. aber ich glaube nicht, dass das so funktioniert. schlimmer noch, ich sehe nirgendwo, dass das funktioniert. die kommentare die ich beim überfliegen der site sah, zeichnen sich vor allem durch kunstvoll ziselierten platitüden, worthülsen und traditionsbeschwörung aus. impulse oder anregende beiträge habe ich keine gesehen. die am besten bewerteten beiträge beiträge die dann auf den themenseiten stehen oder am besten bewertet sind hören sich dann in etwa so an:
ganz schlimm auch die redaktionellen beiträge im zugehörigen blog. dort darf „Franz Walter über [den] Zustand und [die] Entwicklung der fast 150-jährigen Sozialdemokratie“ referieren. komplett unlesbares geseier.
wo bleibt die empörung? wo bleibt die haltung? oder andersrum gefragt, ist besinnung auf tration und brauchtum eine haltung?
die intention vom mathias richel ist ehrbar, aber das ergebnis ist ähnlich weltbewegend und mit einem ähnlichen veränderungspotenzial versehen, wie der bild leserbeirat.
mir kommt die ganze sache ein bisschen so vor wie eine aktion von dampflokomotiv-freunden, die eine plattform ins netz stellen um herauszufinden, wie man dampflokomotiven rauchfrei gestalten könnte: eure besten ideen zur rauchvermeidung werden wir im dampflokomotiv-präsidium diskutieren!
wie gesagt. die intention ist nobel. mitglieder, nicht-mitglieder und sympatisanten um ihre meinung fragen und versuchen das in den meinungsbildungsprozess einzubauen zeigt guten willen. das problem ist: es gibt kaum noch SPD-sympathisanten und die SPD ist so ein irre unsympatischer verein, für den normale menschen nichtmal bei freizeitüberschuss energie investieren würden. wenn die SPD erfolge bei wahlen feiert, dann nicht als SPD sondern dank des image der jeweiligen kandidaten. wowereit wirds in berlin reissen, nicht die SPD. in mecklenburg-vorpommern hats nicht die SPD gesiegt, sondern erwin sellering. der letzte SPD-kanzler hat die wahl nicht wegen seines parteibuchs gewonnen, sondern trotz seines parteibuchs.
ich glaube politik ist der entertainment-industrie gar nicht mal so unähnlich. man kann das publikum nicht bitten witze einzureichen und die dann die publikumswitze auf der bühne vortragen. die witze muss man schon selbst mitbringen. und damit jemand lacht, muss man auch ein bisschen könnerschaft mitbringen und eigensinn.
und wem auf der bühne ehrlichkeit, aufrichtigkeit oder eine haltung fehlt, der wird halt rausgebuht. ich weiss, es ist vergebene liebesmüh, aber ich wünsche mir eine SPD in der aufrichtige und nicht karrieregeile menschen an der spitze stehen. aufrichtge menschen mit einer haltung, mit überzeugungen für die sie einstehen und streiten. menschen mit sachverstand und anstand.
unanständig und unvergesslich fand fand ich beispielsweise die abgefuckte haltung von 26 sozialdemokraten, unter anderem andrea nahles, die meinten der vorratsdatenspeicherung im bundestag „mit bauchschmerzen“ zustimmen zu müssen, weil das verfassungsgericht das eh wieder zum grossen teil kassieren würde. solche wählerverarschenden aktionen sind sozialdemokratisch (und christdemokratisch und liberal und auch grün) und genau der grund, warum es mir scheissegal ist, was die sozialdemokraten in ihre programme schreiben. wenns hart auf hart kommt, wird wieder aufs parteiprogramm geschissen und machterhaltende fraktionsdisziplin und in reihe stehen geübt.
mir will nicht einfallen was sozialdemokratisch ist, wohl aber, was sozialdemokratisch war. solche regierunsgerklärungen zum beispiel, anstand, gerechtigkeitssinn, bescheidenheit, transparenz, uneitelkeit. und darf ich mir auch was wünschen? humor, selbtkritik, menschlichkeit (ja ich gucke sie an, frank-walther steinmeier).
technisch ist die seite übrigens auch nicht optimal. ich mag zwar die tatsache, dass mathias richel und dennis morhardt die seite auf waordpress-basis zusammengeschraubt haben und auf flash-gedöns verzichtet haben, aber dass einzelne kommentare keine erkennbaren permalinks haben (die gibts, aber leider nur versteckt), das viele nutzerbilder nicht auf anhieb angezeigt werden und dass die benutzerführung sehr gewöhnungsbedürftig ist, trübt das vergnügen. immerhin: die seite sieht gutgemacht aus, hübsche icons und gut lesbare schrift.
facebook.com/der-spiegel: Die SPIEGEL-Kantine zieht um die spiegel-kantine lag bisher auf strassen-niveau. quasi von jedem passanten einsehbar und (ich glaube) auch betretbar. ein grossartiges, durchgeknalltes, aber geerdetes stück innenarchitektur aus den sechziger jahren.
jetzt ist die kantine umgezogen, zusammen mit dem spiegel, in ein neues hochhaus in der hamburger hafencity. die kantine sieht man immer noch vom bürgersteig aus, allerdings in luftiger höhe, im zehnten oder zwölten stock. da hängt sie schaufensterartig und leuchtet auffällig rot vor sich hin. (nachtrag: die original kantine ist ins museum gewandert, die neue kantine orientiert sich aber an der gestaltung der alten.)
ein paar etagen über der kantine, ganz oben: eine ganze etage spiegel online. ja die online-redaktion trohnt über der print-redaktion.
für mich sieht das so aus, als verliere der spiegel und insbesondere spiegel online die bodenhaftung. ich hoffe ich irre mich. vielleicht hat ja nur die kantine die bodenhaftung verloren.
Eine Demokratie, die sich darauf beschränkt, Rauchverbote in Gaststätten zu erlassen oder die Helmpflicht von Radfahrern zu diskutieren, also dem gegenseitigen Gängelungsverhalten der Bürger nachzugeben, aber die eine große Macht, die alle gängelt, nicht beherrschen kann, ist das Papier nicht wert, auf dem ihre Verfassung gedruckt wird.
raul.de: Zwischen Sorgenkind und Superkrüppel einer der besten, klügsten, verständlichsten und aufrichtigsten texte über behinderungen und unseren umgang damit von raúl krauthausen. an dieser stelle sollte es eigentlich bei jedem „klick“ machen:
Denn nach Ansicht der modernen Disability Studies ist “Behinderung" das Produkt von abwehrenden Gefühlen, welche beim Anblick ungewöhnlicher Körper ausgelöst werden. Dieser die Behinderung zuschreibende Blick derjenigen, die sich dadurch selbst als “normal" definieren können, produziert auch die “Unheimlichkeit" der Behinderung. Damit wird die übliche Perspektive umgekehrt: Behinderung wird zum sozialen Abwehrkonstrukt, mit welchem dem Unwohlsein über die Fragilität des eigenen Körpers etwas entgegengesetzt werden soll.
taz.de: Ein Mann gibt Stoff stefan niggemeier über martin reinl. da kommen zwei zusammen, die den flausch lieben.
man kann von den piraten ja halten was man will, aber deren plakate sind mit abstand die besten im berliner wahlkampf. picklige, dicke, hässliche, normale und immer junge menschen, mit meistens gar nicht so doofen sprüchen drunter.
damit heben sie sich angenehm ab von den nullaussage-plakaten, die die verzweifelten versuche zeigen, die fotos von dicken, pickligen, hässlichen, normalen und fast immer alten menschen die für die etablierten parteien kandidieren, mit photoshop, perspektiv- und fotografentricks aufzuhübschen, zu glätten oder sympathisch und engagiert wirken zu lassen.
dieses plakat, auf dem steht „warum häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen“ ist schon fast ein klassiker.
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"Sie hält Zeitungen aus dem Hause A. Springer für etwas Böses. Das finden wir komisch" schreibt @weltkompakt heute über C. Roche. Wie elend!
Seitdem gibt es dort alles was Foodblogs mitunter so charmant und sympathisch macht: unscharfe Handy-Fotos von schlecht beleuchteten Tellergerichten, deutlich mit Leidenschaft formulierte Texte ohne größere Lektoratsanstrengungen, dazwischen ein bisschen Hinweis auf das eigene Schaffen und Herr Siebeck hat sogar auch schon ein paar KommentatorInnen jener Art, die er im Januar noch schmähte
rob janoff) das zeigt, dass ein gutes logo vom designer nicht mit bedeutung aufgeladen werden muss. die bedeutung wird später, je nach zeit und umständen, von dritten auf das logo projeziert.
Ich weiß manchmal zwar, wohin ich will, aber ich weiß die Adresse nicht. "Flughafen Frankfurt, Terminal 2". Gib das mal in einem TomTom ein. Und dann bitte einmal in Google Maps.
odem.org: Fefe ist ja ein ganz toller Leaker ... die ad hominem argumenattionsmuster machen das was alvar freude und felix von leitner sich so an den kopf schreiben ganz unterhaltsam, aber auch ziemlich frustrierend. ein bisschen kommt man sich vor als ob helmut schmidt sich mit erich von däniken streiten würde und irgendwann finge schmidt an von däniken an den haaren zu ziehen und auf den kopp zu hauen. erstmal ganz unterhaltsam, aber auch ziemlich frustrierend.
faz.net: Google und andere: Über Irland Gewinne in Steueroasen schleusen von gesellschaftlicher verantwortung in den ländern in denen firmen wie google, facebook oder apple agieren keine spur: milliarden von dollar schleusen diese firmen (legal) am fiskus vorbei. und dann unterstützt google mit ein paar alibi-milliönchen ein forschungszentrum für internet und gesellschaft . milliarden kassieren (google: »Wir sind es unseren Aktionären schuldig, eine steuereffiziente Struktur aufzusetzen.«) und der gesellschaft ein bisschen abgestandenes wurstwasser öffentlichkeitswirksam als grosse geste zurückgeben. statt „Don't be evil“ wirds zeit für ein realistischeres motto wie „Wir lieben — Wir lieben doch alle — alle Menschen — wir lieben doch — Wir setzten uns doch dafür ein.“
kottke.org: How the US killed bin Laden jason kotke verlinkt einen artikel von nicholas schmidle im new yorker, in dem schmidle quasi aus der ego-shooter-perspektive die ermordung von bin laden beschreibt.
ich bin mir immer nicht sicher was ich von solchen geschichten halten soll. liest sich einerseits gut weg, ist spannend, fast packend erzählt -- eben als ob schmidle dabeigewesen wäre. war er aber nicht und auch keiner mit dem er er gesprochen hat. näher als an vorgesetzte die die einsatznachbesprechungen mit den navy-seals durchführten, kam er nicht ran. tertiärquellen erzählt aus der primärperspektive.
christian sickendieck liefert die besten argumente dafür, künftig nur noch der blog zu sagen:
Es hieß schon immer das Blog. Jörg Kantel und andere haben schon gebloggt, als andere noch keinen Rechner hatten, die heute der Blog rufen. Es hieß immer das Blog — und ich bin der Meinung, dass die Leute, die das Bloggen im deutschsprachigen Internet etabliert haben, den Respekt verdient haben, dass man ihre Meinung akzeptiert.
abgesehen von der wahnwitzigen satzkonstruktion, die einem auffällt, wenn man sich den letzten satz mal auf der zunge zergehen lässt — wie schlimm muss es um einen stehen, wenn man sich der argumentationsmuster verstockter rentner, ultrakonservativer holzköpfe und der doofen bedient? wobei das argumenattionsmuster kein einziges argument enthält, sondern lediglich eine nicht weiter begründete behauptung und eine aufforderung:
das war schon immer so!
das alte muss respektiert werden!
wenn man dieses argumentationsmuster gelten lassen würde, könnte man das internet auch gleich ganz abschalten und wieder in tontäfelchen ritzen. aus respekt vor den alten römern oder johannes gutenberg.
nein, im ernst, wenn schon respekt, dann bitte respekt vor der dynamik, der kreativität und der unbändigkeit der sprache. sprache entwickelt sich weiter und wer meint sprache müsse genau dort verharren, wo er stehen geblieben ist, sollte zumindest wissen, dass er unter umständen wie eine zeternde, ewiggestrige oma im bus wirken könnte.
mir rutscht im gespräch auch immer wieder mal „der blog“ raus, was entweder ein zeichen für meine einsetzende verkalkung sein könnte, oder ein zeichen dafür, dass „der blog“ sich eben doch nicht so falsch anfühlt, wie es sich trotz 10 jahren gewöhnung an „das blog“ anfühlen müsste.
mit anderen worten: ich schreibe ab jetzt nur noch der blog.
Ganz im Ernst: Wie wollen wir jemals zu einer Gesellschaft gelangen, die jeden seine Kultur, Religion, Sexualität, Weltanschauung frei ausleben lässt, wenn wir es nicht mal schaffen solche Nebensächlichkeiten [wie den Artikel eines Substantivs] zu akzeptieren oder wenigstens zu ignorieren?
Und wenn dann die ersten Lieferungen der neuen Geräte kamen, rannten alle runter ins Lager und wollten die neuen Kisten als erste auspacken, anfassen, installieren, mit ihnen arbeiten. Bei uns liefen die Macintoshs liebevoll unter «Bärchen", wir fanden die alle heiß! So war es mit jeder Neuerscheinung. Und so waren auch unsere Kunden, die uns mit Bestellungen noch lange vor Verfügbarkeit zuschütteten. Wir bastelten ganz simple Anwendungsscripte in HyperCard. Dann die Revolution vom SE/30, dem ersten Deskoptmac mit Farbkarte und -screen. Der AppleShare-Dateienserver! Unser erster Server! Wir tauschten Dokumente aus über Kabel! Nix mehr via Diskette oder so! Hammer!
Manchmal bekomme ich Briefe, die so aussehen: "Sie Arsch! Sie habn dieses ding nicht genug gelobt!" Oder so: "ich wär gern der mujahedien der dir den bauch aufschlitzt!" Dann gibt es noch höfliche Varianten der Hassmail: "Mein Herzenswunsch ist es, Ihnen einen großen Kübel voll Scheisse auf Ihre Tastatur zu kippen."
So etwas hat es immer gegeben. Online aber erreicht es eine andere Qualität: Viele der Mails sind rückverfolgbar, man könnte klagen, wenn man wollte. Bei vielen erklären sich die Verfasser, die mitunter offen justitiable Dinge von sich geben, sogar mit der Veröffentlichung bereit: Sie wollen, dass ihre Verbal-Flatulenzen öffentlich lesbar werden - und zeichnen oft sogar mit vollem Namen. Als ob ihr Verhalten normal sei.
Die Reaktion der Leser fällt vernichtend aus. Lachen kann offenbar niemand über Loriots Hunde-Cartoons. Einige der erbosten Leserbriefe hat Loriot später in seinem Buch "Möpse und Menschen" veröffentlicht. In einem heißt es: "Ich sehe in den Bildern eine starke Herabsetzung des 'homo sapiens'. So weit darf es doch nicht gehen!" In einem anderen Brief steht: "Humor soll nicht zu kurz kommen, aber derartige Zeichnungen sind alles andere als belustigend. Sie sind widerlich." Ein weiterer Leser empfiehlt dem "Stern" gar, diesem "Idioten" von Zeichner doch ein "Fläschchen E 605" zu verabreichen. Das Insektizid hieß damals im Volksmund "Schwiegermuttergift".
ich weiss nicht ob das beleidigen und bescheuerte briefe schreiben online oder heutzutage „eine andere qualität“ erreicht, oder worin diese andere qualität genau liegen soll. sind hassmails derber als hassbriefe? werden heutzutage mehr hassmails als früher hassbriefe geschrieben? naja, dann wärs glaube ich eine andere quantität und keine andere qualität.
ich würde vielleicht behaupten, dass der hass, die idiotie, die dummheit vieler menschen heutzutage eine andere öffentlichkeit erreicht. aber auch das passt in diesen beispielen nicht, da sowohl patalong, als auch posmik/loriot aus emails oder briefen an die jeweilige redaktion zitieren.
vielleicht bin ich auch zu blöd, die neue qualität von der patalong spricht zu erkennen. oder aber, es wird zeit, dass ich meine alte these die ich in vielen varianten immer wieder von mir gebe, mal stark ansteile und veinfache:
bleibt alles gleich. immer.
ich lese mal wieder mit grossem vergnügen geo epoche. diesmal über die römische republik, 500 bis 27 vor christus. facebook-revolutionen menschenaufläufe auf öffentlichen plätzen, die die politische ordnung auf den kopf stellen gab es bereits vor über zweitausend jahren. was in der aktuellen geo epoche über politik, über senatoren, volkstribune, populismus, aufwiegelung oder diktatoren steht, ist dem, was wir heute täglich in den nachrichten lesen und sehen gar nicht so unähnlich. es gab keine blogger oder journalisten im alten rom, aber sehr wohl krisenkommunikation, PR und schaufenstergesetze.
wenn man es genau anguckt, hat sich die politik in den letzten paar tausend jahren nicht grossartig verändert. das was wir als zivilisation empfinden, ist eine dünne lackschicht, die schnell abplatzt und ständig neu aufgetragen werden muss, damit die hässliche, brutale wirklichkeit nicht allzuoft durchscheint.
mir ist das nie so deutlich aufgefallen, aber die kriege mit denen die geschichtsbücher über jahrtausende vollgeschrieben wurden, über die wir lesen und manchmal über die brillianz der feldherren staunen, diese kriege waren fast ausnahmslos totale arschlochaktionen. eine gruppe menschen, eine stadt, ein land fühlt sich stark genug, zieht rüber zu einer anderen gruppe menschen, haut denen die köpfe ein oder ab und nimmt sich was denen vormals gehörte. deren land, deren besitz, deren leben. später werden solche arschlochaktionen dann gerne als geniale strategische schachzüge, aktionen zur sicherung der freiheit, der religion, der zivilisation oder sonstwas verklärt. oder steht in irgendeinem geschichtsbuch, dass die punischen kriege waschechte arschlochaktionen von ein paar grössenwahnsinnigen, erfolgstrunkenen stadtbewohnern waren, die sich so siegessicher und stark und klug und übermenschlich fühlten, wie sich heute nur noch werber fühlen?
mir fiel auf, dass wir immer wieder vergessen auf welchen schweinereien, ungerechtigkeiten, brutalitäten unsere angebliche „zivilisation“ aufbaut. die angebliche „römisch-christlich-jüdische tradition“ die von blitzblanken politikern gerne als das fundament auf dem wir stehen heraufbeschworen wird, besteht aus soviel getrocknetem blut, dass einem ganz schwindelig wird.
oder als binsenweisheit formuliert: krieg ist eine riesen-schweinerei. jeder krieg. das war früher so, das ist heute auch noch so.
ich bin der festen überzeugung, dass man für die folgenden aussagen belege und zitate aus jedem der vergangenen 30 oder 40 jahrhunderte finden könnte, wenn man nur tief genug gräbt:
„die jugend verdummt.“ — „die jugend behandelt die alten nicht mehr mit ausreichend respekt.“ — „schrifttafeln/romane/zeitungen/das radio/das fernsehen/das internet/irgendwas gaukeln scheinwelten vor, lassen menschen vereinsamen/verdummen, hetzen menschen auf, streuen hass.“ — „früher war alles besser.“
die sprüche der pessimisten sind seit jahrtausenden die gleichen. dooferweise die der optimisten auch.
anders gefragt: was, ausser einer dünnen lackschicht zivilisation, die das tier, das arschloch in uns gerade mal so verdeckt, hat sich in den letzten paar tausend jahren eigentlich substanziell verändert?
Mir, und allen anderen, für die es das Blog heißen muss, sage ich deshalb: Der Kampf ist vorbei. Das Maskulinum hat gewonnen. Auf dem Neutrum zu beharren, wird bald ebensoviel Charme haben, wie die Behauptung, dass Busen „eigentlich“ das „Tal zwischen den Brüsten“ bezeichnet.