rp19, erster tag

felix schwenzel in artikel

ich war re­la­tiv früh auf dem re­pu­bli­ca ge­län­de, das sich ge­fühlt mitt­ler­wei­le über die hal­be stadt er­streckt. auf dem hof jens scholz ge­troff­fen, der sich frag­te, war­um sich über­haupt je­mand die rede des bun­des­prä­si­den­ten an­schau­en wol­le. dar­auf hat­te ich auch kei­ne ant­wort, ver­ab­schie­de­te mich und ging los, um mir den bun­des­prä­si­den­ten an­zu­se­hen. der ein­gang zur büh­ne 1 war ab­ge­sperrt, da­vor eine ziem­lich gros­se men­schen­trau­be. weil ich mich mitt­ler­wei­le ger­ne an lan­gen schlan­gen an­stel­le war­te­te ich. es zeig­te sich, dass ich zwar für mei­ne ver­hält­nis­se früh war, aber die gros­se hal­le mitt­ler­wei­le voll war. die men­schen­trau­be in der ich war­te­te wur­de dann zur live­über­tra­gung am lok­schup­pen im park des tech­nik­mu­se­ums ge­lei­tet. die be­stuh­lung dort be­stand aus (be­reits be­leg­ten) lie­ge­stüh­len und bier­bän­ken, aber die idee, mir ver­an­stal­tun­gen der re­pu­bli­ca im park an­zu­se­hen ge­fiel mir.

die rede von stein­mei­er war dann ein sehr gute mit­tel­mäs­si­ge rede. man merk­te, dass er und sei­ne re­den­schrei­berïn­nen sich mit der ma­te­rie be­schäf­tigt hat­ten, er sag­te nichts doo­fes, war ent­spannt, wich auch mal vom ma­nu­skript ab, aber eu­pho­ri­sie­rend oder mit­reis­send war an sei­ner rede nichts. da­für gab’s so­li­den, pa­thos­frei­en und ver­nünf­ti­gen ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus und eine freund­li­che auf­for­de­rung die kon­sruk­ti­ven de­bat­ten der letz­ten jah­re fort­zu­set­zen. hän­gen blieb ein tes­ti­mo­ni­al satz, der die tro­cke­ne sprö­dig­keit der rede stein­mei­ers ganz gut sub­sum­miert: „nicht etwa die di­gi­ta­li­sie­rung der de­mo­kra­tie, son­dern die de­mo­kra­ti­sie­rung des di­gi­ta­len ist aus mei­ner sicht die drän­gens­te auf­ga­be.“

no­tiert habe ich mir auch, dass stein­mei­er mein­te, dass es in der po­li­tik um ver­bun­den­heit gehe, und eben nicht nur um ver­net­zung. jetzt wo ich das nach­träg­lich in mei­nen no­ti­zen lese, regt es mich fast ein biss­chen auf, weil es ein fal­scher ge­gen­satz ist, wenn man ver­netzt und ver­bun­den als un­ter­schied­li­che ka­te­go­rien dar­s­telt, wenn ver­net­zung doch ei­gent­lich eine vor­aus­set­zung für ver­bun­den­heit und ge­mein­sam­keit ist

da­nach sprach nan­ji­ra sam­bu­li und der platz um die live­über­tra­gung lich­te­te sich. im­mer­hin, so sah man es im live­stream, blieb stein­mei­er noch im pu­bli­kum sit­zen und hör­te nan­ji­ra sam­bu­li grin­send zu. ich hör­te ihr eher fas­zi­niert zu, weil ihr eng­lisch so prä­zi­se war und sie mich an emi­lia clar­ke er­in­ner­te. ober­fläch­lich hör­te sich nan­ji­ra sam­bu­li rede im ers­ten teil leicht al­ge­mein­plat­zig an, aber wenn man kon­zen­triert zu­hör­te und sich auf ihre be­ob­ach­tun­gen ein­liess, hat­ten sie et­was au­gen­öff­nen­des; näm­lich dass wir un­se­re hal­tung zur di­gi­ta­li­sie­rung, zu den ver­wer­fun­gen der di­gi­ta­li­sie­rung oder wem wir ex­per­ti­se in die­sen fel­dern zu­ord­nen, gründ­lich über­den­ken müs­sen. al­go­rith­men nann­te sie „mer­chants of con­ve­ni­ence“ und auch wenn es ei­gent­lich eine selbst­ver­ständ­lich­keit sein soll­te, ist es gut dass sie es noch­mal so deut­lich sag­te: tech­no­lo­gie (und re­gie­run­gen) müs­sen der ge­sell­schaft die­nen. die­ser grund­sätz­li­che­re, tie­fe­re blick auf die di­gi­ta­li­sie­rung, die di­gi­ta­li­sier­te ge­sell­schaft und die me­cha­ni­ken da­hin­ter, wäre et­was ge­we­sen, was die rede des bun­des­prä­si­den­ten gut statt mit­tel­gut ge­macht hät­te. so war es aber auch gut, weil es zeig­te, dass wir die ge­stal­tung der di­gi­ta­li­sie­rung (und ih­rer de­mo­kra­ti­sie­rung) we­der al­ten weis­sen män­nern, noch ih­ren jün­ge­ren weis­sen re­den­schrei­berïn­nen und erst recht nicht jün­ge­ren ame­ri­ka­ni­schen CEOs al­lein über­las­sen dürf­fen.

spä­ter, auf büh­ne 4 sag­te sina ka­ma­la kauf­mann, auf ei­nem von ge­ral­di­ne de bas­ti­on mo­de­rier­ten pa­nel (sinn­ge­mäss), dass sie über­haupt nicht ein­se­he, war­um sie sich von al­ten weis­sen män­nern auf büh­ne eins rat­schlä­ge für die zu­kunft ge­ben las­sen soll­te. de bas­ti­on, die den bun­des­prä­si­den­ten vor­her mit an­mo­de­riert hat­te, ja,-aber!-te das ele­gant, in­dem sie dar­auf hin­wies, dass nach dem al­ten weis­sen mann eine jun­ge, schwar­ze afri­ka­ne­rin ge­re­det hät­te und da­bei die hälf­te des pu­bli­kums den saal ver­liess.

um 12:30 fiel mir auf der büh­ne 3 zum ers­te mal auf, dass die re­pu­bli­ca sich die­ses mal mit se­mi­ko­lon statt dop­pel­punkt schreibt, was mir, wie über­haupt die gan­ze #rp19-ge­stel­tung, sehr ge­fiel.

ich mag das sem;ko­lon. pic.twit­ter.com/teiz­SLy­c­qd

fe­lix schwen­zel (@di­plix06.05.2019 11:28

was mich dann aber lang­weil­te war das pa­nel. chris­toph kee­se re­fe­rier­te dort über die ge­nia­le on­line-sra­te­gie des sprin­ger ver­lags, dass sich die bal­ken bo­gen. der mo­de­ra­tor ralf gla­ser war im har­mo­nie­mo­dus und mach­te kei­ne an­stal­ten kee­ses weih­rauch zu stop­pen oder zu we­nigs­ten ein biss­chen zu fä­cheln. auch su­san­ne hahn be­weih­räu­cher­te le­dig­lich ih­ren ar­beit­ge­ber daim­ler, wenn auch et­was we­ni­ger aus­la­dend als der busi­ness kas­per kee­se. nach 15 mi­nu­ten ver­liess ich das pa­nel, weil ich die hoff­nung, dass es noch kon­tro­vers wer­den wür­de oder dass er­kennt­nis­ge­winn ab­fal­len wür­de auf­gab. was ich hät­te mit­neh­men kön­nen, aber lie­ber lie­gen liess: wir müs­sen die busi­ness-stra­te­gien aus dem si­li­con val­ley ko­pie­ren.

da­nach wur­de ich kurz in den schluss­ak­kord von mi­ka­el col­ville-an­der­sens vor­trag ge­spült, des­sen vor­trags­stil mir ein biss­chen zu jung für sein al­ter war, aber ne­ben dem zu häu­fi­gen „it’s cool man, yeah, cool“ wirk­lich gut und sub­stan­zi­ell war. de­fi­ni­tiv ein kan­di­dat für spä­te­res you­tube-nach­gu­cken. hän­gen blieb aber schon aus dem schluss­ak­kord ei­ni­ges: wenn man vie­le, sehr viel und gute da­ten hat, las­sen sich rad­we­ge und au­to­freie zo­nen auch ge­gen rechts­po­pu­lis­ten und rechts­pu­bli­zis­ten wie po­s­ch­ard durch­set­zen. städ­te, ak­ti­vis­mus in und da­ten aus städ­ten kön­nen und wer­den ei­nen ur­ba­nen wan­del zu mehr kli­ma­schutz vor­an­trei­ben.

da­nach habe ich mich erst­mal, im sin­ne von chris­toph kee­se, mit dem ers­ten bier selbst dis­rup­tiert. dan­kens­wer­ter wei­se gibt es die­ses jahr auf der re­pu­bli­ca nicht nur ekel-bier, son­dern auch wei­zen­bier. mit die­sem bier habe ich mich dann zu ei­nem mei­ner lieb­lings­netz­men­schen kos­mar (der vor zehn jah­ren schon mal ge­peakt hat) und herrn braun ge­stellt. da­bei stan­den noch ein an­de­rer bri­te und tim pritl­ove, die aber le­dig­lich über den krieg re­de­ten. kos­mar und ich wur­den dann noch fo­to­gra­fiert.

da­nach habe ich mir mads pan­kow (ja, aus ber­lin) an­ge­se­hen, wie er mit sei­nem lap­top kämpf­te und über ar­beit als si­mu­la­ti­on sprach. das war in­ter­es­sant, stei­le the­sen ge­spickt und in­spi­rie­rend, aber auch ein biss­chen frus­trie­rend, weil er re­la­tiv schlüs­sig nach­wies, dass die ar­beit von vie­len men­schen ei­gent­lich über­flüs­sig ist. wenns ich mich ir­gend­wann mal zu eu­pho­risch oder zu­frie­den er­wi­sche, goog­le ich ein­fach bull­shit jobs und lese mir alle such­ergeb­nis­se durch.

als ich die büh­ne 4 ver­liess, wur­de ich auf die büh­ne eins ge­spült, auf der mar­kus be­cke­dahl ge­ra­de das letz­te jahr netz­po­li­tik zu­sam­men­fass­te, stein­mei­er zi­tier­te und den bo­den für sein streit­ge­spräch mit axel voss heu­te früh be­rei­te­te. ich glau­be ich muss mich jetzt spu­ten mit der zu­sam­men­fas­sung des ers­ten #rp19-ta­ges, weil das ge­spräch mit voss live wahr­schein­lich amü­san­ter ist, als aus der you­tube-kon­ser­ve.

nach dem (sehr gu­ten) mi­t­a­gessen dann mit don dah­l­mann ge­lau­dert und ge­merkt, wel­chen enor­men re­de­be­darf ich ei­gent­lich bei dem the­ma, dass ich die­ses jahr für die #rp19 ein­rei­chen hät­te wol­len, habe. den vor­ge­zo­ge­nen call for pa­pers hat­te ich die­ses jahr ver­passt, mei­ne bit­te um nach­no­mi­nie­rung habe ich dann aber aus ir­gend­wel­chen grün­den bis in den märz auf­ge­scho­ben, wo ich mir dann dach­te, dass eine re­pu­bli­ca ohne vor­trag von mir doch auch ent­span­nend wäre (für mich). hät­te ich mich be­wor­ben, hät­te ich näm­lich über mei­ne er­kennt­nis­se zur heim­au­to­ma­ti­sie­rung ge­spro­chen, ein feld in dem ich seit über zwei jah­ren in­ten­siv for­sche und von dem ich glau­be, dass es nicht nur enor­men spass macht, son­dern auch po­li­tisch und ge­sell­schaft­lich so vie­le rle­van­te fra­gen auf­wirft, dass ich zum ers­ten mal wirk­lich eine stun­de (statt im­mer nur ei­ner hal­ben stun­de) dar­über spre­chen kann. nächs­tes jahr dann.

da­nach habe ich vor der büh­ne eins ei­nen in­ten­si­ven mit­tags­schlaf ge­macht, wäh­rend sy­bil­le krä­mer re­de­te. ich hof­fe sehr, dass mich da­bei nie­mand fo­to­gra­fiert hat, aber der schlaf war sehr er­hol­sam und der vor­trag von sy­bil­le krä­mer war auch nicht schlecht — so­weit ich das be­ur­tei­len kann.

da­nach war ich da­für im pa­nel De­sig­ning To­mor­rows - Sci­ence Fic­tion as a Me­thod re­la­tiv hell­wach. das pa­nel war her­vor­ra­gend von ge­ral­di­ne de bas­ti­on mo­de­riert, die tech­nik sponn auch hier ein biss­chen, aber ich habe ei­ni­ges zur spä­te­ren ver­tie­fung mit­ge­nom­men: die four fu­tures me­thod als werk­zeug zum vor­aus­se­hen oder ima­gi­nie­ren von zu­kunfts­sze­na­ri­en will ich un­be­dingt noch­mal nach­le­sen, das buch von sina ka­ma­la kauf­mann will ich un­be­dingt le­sen und das kon­zept des mad­home (statt smar­thome) wer­de ich ir­gend­wann auch auf mi­chel­le chris­ten­sens web­site (oder an­ders­wo) zur ver­tie­fung fin­den.

aber rich­tig in­ter­es­sant wur­de es ei­gent­lich erst nach den kur­zen im­puls-prä­sen­ta­tio­nen und fra­gen in klei­ner run­de, als die dis­kus­si­on ge­öff­net wur­de und mein ge­heim­tipp aus 2018, den ich mir schon da­mals auf eine grös­se­re büh­ne ge­wünscht habe, eden ku­per­mintz, auf die büh­ne kam. er fass­te mal eben, ganz non­cha­lant die es­senz von sci­ence fic­tion zu­sam­men und zwar so gut, dass ich das jetzt nicht ad-hoc selbst wie­der zu­sam­men­be­kom­me. aber sein auf­tritt im pa­nel er­in­ner­te mich dann dar­an, dass er auch noch ei­nen vor­trag hal­ten wür­de, und zwar um vier­tel nach sie­ben auf büh­ne acht: hea­vy me­tal und kli­ma­wan­del (mein ti­tel). wie auch im letz­ten jahr war sein vor­trag herr­lich un­kon­ven­tio­nell, mit herz und viel weit­her­ho­len. hän­gen ge­blie­ben ist: hea­vy me­tal is „in your face“, kon­fron­ta­tiv, dis­har­mo­nisch und läuft nicht weg. aus­ser­dem hat­te er die bes­te, ra­tio­na­le pa­nik­ma­che im an­ge­bot: die welt wird nicht un­ter­ge­hen, aber vie­le tei­le der welt wer­den es. das the­ma ra­tio­na­le pa­nik­ma­che war am ers­ten tag so­wie­so das vor­herr­schen­de the­ma, sa­scha lobo be­liess es in sei­nem vor­trag auch nicht bei ei­nem „tut was, ver­dammt“ wie in den letz­ten drei jah­ren, son­dern wies auch dar­auf hin, dass er sich spä­er nicht von sei­nen en­keln vor­wer­fen las­sen wür­de wol­len, da­mals (heu­te) kei­ne or­dent­li­che pa­nik­ma­che ver­brei­tet zu ha­ben. und auch sa­scha lobo über­liess es nach ei­nem eher zä­hen an­fang, ei­nem fu­rio­sen mit­tel- und end-drit­tel, ei­ner jun­gen frau das ei­gent­li­che the­ma der re­pu­bli­ca zu set­zen:

Ac­ti­vism works.

So act.

Gre­ta Thun­berg (@Gre­ta­T­hun­berg29.04.2019 7:13


bild von der prebulica
bundespräsident liveübertragung ins aussengelände des technikmuseums
das ist ein laptop der re;publica 19.
from smarthome to madhome
das ende
google ohne internetverbindung