harald martenstein über charlotte roche

felix schwenzel, , in wirres.net    

harald martenstein hat charlotte roches neues buch gelesen und den auftakt ihrer lesetour besucht und darüber im tagesspiegel über fast die ganze seite drei geschrieben. ich habe zuerst gar nicht gemerkt, dass martenstein der autor des textes war, weil der text keinerlei sarkasmus, ironie oder andere für mich erkennbare martenstein-stilmittel enthielt. der text liest sich über die erste spalte wie eine klare, schnörkellose reportage. bis martenstein am ende der ersten spalte irre subjektiv wird:

Charmanter und unschuldiger kann man ein lustiges Sexbuch vermutlich nicht vorlesen.

Insgesamt ist „Schoßgebete“ von den Literaturkritikern sehr positiv aufgenommen worden, was man ruhig als ein gutes Zeichen für den Zustand der deutschen Literaturkritik verstehen darf.

Aber die Sprache passt sehr gut zur Protagonistin und zum Stoff, sie hat Witz und Kraft, vielleicht ist es ja genau die richtige Sprache.

zuerst dachte ich, dass der text wahrscheinlich von einer frau verfasst wurde. so viel sympathie, empathie und hemmungslose gutfindung traute ich einem mann nicht zu. aber über den autor dachte ich gar nicht bewusst nach, bis ich diesen absatz las:

Die Weltsicht von „Schoßgebete“ ist nicht weit entfernt von der Weltsicht des französischen Autors Michel Houellebecq. Wie Houellebecq hat Roche unter der Trennung der Eltern und der Libertinage der Mutter gelitten. […] Allerdings hasst Houellebecq seine Mutter, die ihn verlassen hat, um sich selbst zu verwirklichen. Roche hasst nicht. Sie ist weniger hart, weniger entschieden. Houellebecq schreibt über eine Gesellschaft, die er verachtet, Roche schreibt über eine Frau, die leidet.

beim letzten satz bekam ich eine empathie-gänsehaut und musste zm erstenmal auf die autorenzeile schauen. und war überrascht martenstein dort zu finden, weil er ja gar keine frau ist.

was ich eigentlich sagen wollte: ganz, ganz grossartiger text von harald martenstein über charlotte roche, ihre lesetour und ihr buch. danach kann man sich zwar nicht entscheiden wen man toller finden soll, roche oder martenstein, aber das ist auch irgendwie egal. weil man ja beide gleichtoll finden kann.