„re­al is­sues“

felix schwenzel in artikel

be­ein­dru­cken­der auf­tritt von ber­nie san­ders bei co­nan o’bri­en, nicht nur we­gen san­ders und den din­gen die er sag­te, son­dern weil co­nan o’bri­en (zeit­wei­lig) un­ge­wöhn­lich ernst war und die rich­ti­gen fra­gen stell­te.

was san­ders sag­te, mach­te mich nach­denk­lich und wühl­te mich auf meh­re­ren ebe­nen auf. ei­ner­seits, weil ich im som­mer durch­aus ein ge­spal­te­nes ver­hält­nis zu san­ders hat­te und ihn, in­spi­riert durch mein me­di­en­me­nü nicht für den ge­eig­ne­ten kan­di­da­ten hielt. die me­di­en die ich lese, wur­den nicht müde, san­ders als po­pu­lis­ten oder so­zia­lis­ten zu be­zeich­nen, den man we­der ernst neh­men kön­ne und der erst recht kei­ne chan­ce ha­ben wür­de ge­wählt zu wer­den, weil er so weit links ste­he. mich ha­ben die­se ver­glei­che im­mer ge­stört, die trump und san­ders in den glei­chen po­pu­lis­ten­topf war­fen, weil ich san­ders durch­aus als ver­nünf­tig und ver­ant­wor­tungs­voll emp­fand.

trotz­dem blieb bei mir hän­gen: dass es un­vor­stell­bar wäre, dass san­ders sich ge­gen ei­nen re­pu­bli­ka­ner durch­set­zen kön­nen wür­de und dass das nur die eta­blier­te­re, mo­de­ra­te­re und main­strea­mi­ge­re hil­la­ry clin­ton kön­ne. der un­glaub­li­che rück­halt von san­ders bei jun­gen men­schen, sei­ne sor­ge um die wach­sen­de ein­kom­mens­un­gleich­heit und gros­se so­zi­al be­nach­tei­lig­te und mit sor­ge in die zu­kunft bli­cken­de be­völ­ke­rungs­schich­ten, wur­den von den me­di­en, die ich lese und in an­sät­zen ernst neh­me, als nicht wahl­ent­schei­dend dar­ge­stellt. die sta­bi­li­tät und kon­ti­nui­tät, für die clin­ton stün­de, hin­ge­gen schon.

heu­te snd wir alle klü­ger. die un­zu­frie­den­heit mit dem eta­blier­ten, teil­wei­se ver­filz­ten und ge­lähm­ten sys­tem war wohl auch wahl­ent­schei­dend und clin­ton scheint es nicht ge­schafft zu ha­ben, die­ses mo­ment im lin­ken spek­trum zu mo­bi­li­sie­ren.

wes­halb mich der auf­tritt von san­ders eben­falls auf­rühr­te war sei­ne me­di­en­kri­tik. ei­gent­lich bin ich kein gros­ser fan von pau­scha­ler me­di­en­kri­tik oder der hal­tung, „die me­di­en“ sei­en schuld an trump, ge­nau­so wie ich es däm­lich fin­de, san­ders als po­pu­lis­ten zu be­zeich­nen oder san­ders zu­sam­men mit trump in den dem­ago­gen-ei­mer zu wer­fen. aber san­ders me­di­en­kri­tik hat­te sub­stanz, die mich zu­min­dest nach­denk­lich mach­te. zu recht kri­ti­siert er, dass die me­di­en sich auf leicht ver­dau­li­che, sen­sa­ti­ons­hei­schen­de aspek­te kon­zen­trie­ren wür­den, weil die ga­ran­tiert le­ser- oder zu­schau­er­inter­es­se ge­ne­rie­ren wür­den. die „real is­sue“, die the­men die un­se­re zu­kunft, den fort­be­stand un­se­rer de­mo­kra­ti­schen ge­sell­schaf­ten be­tref­fen, wer­den ger­ne igno­riert oder in die rand­spal­ten ge­drängt.

ein ge­dan­ke der mir in den sinn kam, war eine par­al­le­le zur wer­bung. gros­se agen­tu­ren sau­gen die ta­len­tier­tes­ten und bes­ten jun­gen köp­fe ein, um für gröss­ten­teils tri­via­len scheiss ma­ni­pu­la­ti­ve wer­bung zu bau­en. die gan­ze krea­ti­ve en­er­gie, der ge­stal­tungs­wil­len gan­zer ge­ne­ra­tio­nen, fliesst in die kon­su­men­ten­er­re­gung, statt in die (po­li­ti­sche) ge­stal­tung un­se­res zu­sam­men­le­bens und ge­rech­te or­ga­ni­sa­ti­on un­se­rer ge­sell­schaf­ten. ge­nau­so fliesst die en­er­gie gan­zer jour­na­lis­ten-jahr­gän­ge in die auf­ar­bei­tung von skan­däl­chen, aus­rut­schern, die auf­ar­bei­tung von pri­vat- und in­tim­kram von po­li­ti­kern oder an­de­ren pro­mi­nen­ten, statt in die kon­struk­ti­ve auf­ar­bei­tung der kri­sen und her­aus­for­de­run­gen, de­nen wir uns ge­gen­über­se­hen.

auch des­halb habe ich mich vor ein paar mo­na­ten da­für ent­schie­den, per­spec­ti­ve dai­ly zu un­ter­stüt­zen, die sich zu­min­dest vor­ge­nom­men ha­ben, die­sen miss­stand kon­struk­tiv und wort­reich an­zu­ge­hen. aber hier ist das pro­blem: ob­wohl ich abon­nent und un­ter­stüt­zer von per­spec­ti­ve dai­ly bin, lese ich dort kaum. die the­men und ar­ti­kel schaf­fen es kaum über mei­nen tel­le­r­and, wenn ich mal ei­nen ar­ti­kel lese lang­wei­le ich mich oft oder ver­mis­se sub­stanz. im­mer­hin: beim auf­ruf der start­sei­te lä­chel­te mich die­ser ar­ti­kel an, der in etwa das glei­che the­ma hat, wie das was ich hier zu be­han­deln ver­su­che. noch nicht ge­le­sen, aber im­mer­hin mei­ne auf­merk­sam­keit ge­won­nen und auf mei­ner le­se­lis­te ge­lan­det:

per­spec­ti­ve-dai­ly.de: Für das Volk, ge­gen den Po­pu­lis­mus

es ist eine elen­e­de zwick­müh­le: vie­le me­di­en kön­nen es sich aus ver­schie­de­nen grün­den nicht leis­ten sub­stan­zi­ell über die „real is­sue“, die wich­ti­gen the­men zu schrei­ben, ent­we­der weil sie nicht die mit­tel ha­ben, oder wis­sen, dass sich die­se art ar­ti­kel nie­mals re­fi­nan­zie­ren wird. ent­ste­hen sol­che ar­ti­kel, ist es schwer sie an den mann und die frau zu brin­gen, weil sie sich nicht so leicht und emo­tinal kon­su­mie­ren las­sen. das meta-, tra­la­la- und em­pö­rungs­ge­döns lässt sich ein­fa­cher her­stel­len und spült (drin­gend be­nö­tig­tes) geld in die kas­sen.

so oder so, ich glau­be es gibt durch­aus wege ab­seits des plat­ten po­pu­lis­mus, ab­seits der aus­ge­latsch­ten me­di­en­pfa­de, ge­gen den wahn­sinn zu steu­ern, den trump und sei­ne kum­pels uns auf der welt­büh­ne vor­spie­len. auf mich hat­te der auf­tritt von san­ders je­den­falls eine in­spi­rie­ren­de wir­kung. ich, wir, alle, de­nen die par­la­men­ta­ri­sche de­mo­kra­tie am her­zen liegt, müs­sen — und kön­nen — et­was tun um das irr­sin­ni­ge und hoh­le ge­gen­sei­ti­ge auf­schau­keln von po­li­tik und me­di­en auf­zu­bre­chen. sei es durch die (fi­nan­zi­el­le) un­ter­stüt­zung von ent­spre­chen­den me­di­en­an­ge­bo­ten oder durch die ak­ti­ve be­set­zung von klaf­fen­den lü­cken, wie es chris­toph kap­pes hier vor­schlägt. es ist mög­lich die wirk­lich drän­gen­den the­men an­zu­pa­cken, sicht­bar zu ma­chen, zu dis­ku­tie­ren und lö­sun­gen zu fin­den. der ruck und der druck sind da.

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le­se­tipp: sa­scha lobo rollt das the­ma me­di­en­kri­tik von ei­ner an­de­ren sei­te auf.