Ge­kom­men um zu blei­ben (t3n 50)

felix schwenzel in artikel

Die War­nun­gen vor dem Bit­co­in sind zahl­reich. Der we­gen Wert­pa­pier­be­trü­ge­rei­en und Geld­wä­sche ver­ur­teil­te Jor­dan „The Wolf of Wall Street“ Bel­fort meint bei­spiels­wei­se, dass Kryp­to­wäh­run­gen ein Tum­mel­platz für Be­trü­ger und Nep­per sei­en. Der Hype um Kryp­to­wäh­run­gen und In­iti­al Coin Of­fe­rings (ICOs) sei „der größ­te Be­trug al­ler Zei­ten“.

In das glei­che Horn bläst Ja­mie Di­mon, dem Chef von J.P. Mor­gan. Er fin­det der Bit­co­in sei rei­ner „Be­trug“ und der Han­del da­mit „dumm“.

Der Vor­stand ei­ner Bank, die die Süd­deut­sche Zei­tung vor ei­nem Jahr als „die ge­fähr­lichs­te Bank für die Fi­nanz­wirt­schaft“ be­zeich­ne­te und ein ver­ur­teil­ter Schaum­schlä­ger war­nen vor Gier und Be­trug; es zeigt sich ein­mal mehr, dass die schärfs­ten Kri­ti­ker der El­che oft sel­ber wel­che sind.

Al­ler­dings kann Kri­tik an El­chen durch­aus le­gi­tim sein, auch wenn sie von Ex-El­chen kommt. Selbst wenn man sich nur ober­fläch­lich mit dem Ge­sche­hen um Kryp­to­wäh­run­gen be­schäf­tigt, er­kennt man, dass es in den Bit­co­in­märk­ten an du­bio­sen An­bie­tern, win­di­gen An­ge­bo­ten und vor al­lem schlech­tem Rat wim­melt. Der Witz ist, da­mit un­ter­schei­det sich der Markt der Kryp­to­wäh­run­gen nicht vom üb­ri­gen glo­ba­len Fi­nanz­markt, der zwar stär­ker re­gu­liert und kon­trol­liert wird, aber eben­so ein Spiel­feld für ein­zel­ne oder in­sti­tu­tio­nel­le Be­trü­ger und halb­sei­de­ne Ak­teu­re bie­tet.

Ganz all­ge­mein dürf­te es ein gu­ter Rat sein, Geld nicht in An­la­gen oder Sys­te­me zu in­ves­tie­ren, die man nicht ganz ver­steht, auch — oder ge­ra­de — wenn er von El­chen kommt. Und ein be­son­ders gu­ter Rat dürf­te es sein ge­ra­de dann Zu­rück­hal­tung zu üben, wenn ei­nem plötz­lich ganz vie­le Ex­per­ten rie­si­ge Ren­di­ten in Aus­sicht stel­len, sei es über Fonts­be­tei­li­gun­gen, Ak­ti­en­käu­fe oder eben Geld­an­la­ge in Bit­co­ins.

Trotz­dem lohnt sich mei­ner Mei­nung nach ein ge­naue­rer Blick auf Kryp­to­wäh­run­gen und vor al­lem die da­hin­ter­lie­gen­de Tech­no­lo­gie der Block­chain. Das Po­ten­zi­al die­ser Tech­no­lo­gie ist fas­zi­nie­rend, weil sie, wie das hin­ter dem In­ter­net ste­hen­de TCP/IP-Pro­to­koll, ein ent­schei­den­des Ver­spre­chen gibt: De­zen­tra­li­tät.

Die­se Ei­gen­schaft ist ge­nau die, die das In­ter­net groß und re­le­vant ge­macht hat: In­for­ma­ti­ons­ver­mitt­lung die auch ohne zen­tra­le In­stan­zen funk­tio­niert. De­zen­tra­li­tät hat bei der In­for­ma­ti­ons­ver­mitt­lung die al­ten Gate­kee­per weg­ge­fegt und Macht­ver­schie­bun­gen ver­ur­sacht, die na­he­zu je­den Le­bens­be­reich be­rüh­ren. Das glei­che ver­spricht nun die Block­chain im Be­reich von ab­ge­si­cher­ten Trans­ak­tio­nen: Ver­bind­lich­keit ohne zen­tra­le In­stan­zen.

So wie das In­ter­net in den ers­ten Jah­ren vor al­lem ein Tum­mel­platz für Tech­nik­freaks, Nerds und Por­no­an­bie­ter war, war es im letz­ten Jahr­zehnt auch der Bit­co­in und die Block­chain. Die­se ers­ten Jah­re ha­ben ge­zeigt, dass die Tech­no­lo­gie hin­ter dem Bit­co­in grund­sätz­lich funk­tio­niert und an sich hin­rei­chend si­cher ist — und vor al­lem in­ter­es­sant ge­nug ist, um stän­dig kol­la­bo­ra­tiv wei­ter­ent­wi­ckelt und ge­forkt zu wer­den. Die­ses Po­ten­zi­al er­ken­nen auch mehr und mehr Un­ter­neh­men, auch die J.P. Mor­gan Bank, de­ren Chef ja er­klär­ter­mas­sen kein gro­ßer Fan des Bit­co­in ist. So bie­tet J.P. Mor­gan be­reits ein auf der Block­chain, bzw. Ethe­re­um ba­sie­ren­des Pro­dukt zur Ver­trags- und Trans­ak­ti­ons­ab­wick­lung an.

Die Po­ten­zia­le die sich aus der Block­chain­tech­no­lo­gie er­ge­ben sind so groß (und span­nend), dass es fahr­läs­sig wäre sich mit die­ser Tech­no­lo­gie und de­ren mög­li­chen Fol­gen nicht tief ge­hend aus­ein­an­der­zu­set­zen. Die tech­ni­schen Hin­ter­grün­de der Block­chain­tech­no­lo­gie sind kom­plex (ei­nen gu­ten Ein­stieg bie­tet die­ses Vi­deo), die ge­sell­schaft­li­chen Fol­gen dürf­ten noch kom­pli­zier­ter, ähn­lich tief­grei­fend und in wei­ten Tei­len eben­so un­vor­her­seh­bar sein, wie die, die uns das In­ter­net bis heu­te be­schert hat.

Die Block­chain pla­gen noch von vie­len Kin­der­krank­hei­ten wie Ska­lier­bar­keit und Trans­ak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit. Die nö­ti­gen tech­ni­schen An­pas­sun­gen (Forks) dürf­ten da­für sor­gen, dass Kryp­to­wäh­run­gen und an­de­re auf der Block­chain auf­bau­en­de Dienst­leis­tun­gen auf ab­seh­ba­re Zeit in­sta­bil und vo­la­til sein wer­den. Auch des­halb soll­te man sich nicht blind von der Eu­pho­rie und der Gold­grä­ber­stim­mung mit­reis­sen las­sen und mit Bit­co­ins spe­ku­lie­ren, ohne sich über die zahl­rei­chen un­ge­klär­ten Fra­gen und Ri­si­ken im kla­ren zu sein.

Aber auch wenn die ers­ten Bit­co­in­bla­sen plat­zen, Si­cher­heits­lü­cken Wal­let-Be­sit­zer pla­gen oder wenn die Block­chain­wei­ter­ent­wick­lung stockt: so wie das In­ter­net nicht mehr weg­ge­hen wird, wird auch die Block­chain blei­ben. Die Tech­no­lo­gie hin­ter dem Bit­co­in wird die Welt und die Wirt­schaft ge­nau­so tief­grei­fend ver­än­dern wie es das In­ter­net ge­tan hat. Egal ob wir das wol­len oder nicht.

(auf t3n le­sen)