ent­schär­fen­des dep­pen­sprech

felix schwenzel

ich soll­te mich ja ei­gent­lich nicht dar­über be­schwe­ren, dass die in vie­len blogs die spra­che zu­neh­mend ver­roht. ich ver­rüh­re sie ja selbst ganz ger­ne.

trotz­dem: dar­über dass so­bald ir­gend­wer un­er­wünsch­te wer­bung oder blö­des zeug in sei­nem kom­men­tar­be­reich löscht ir­gend­ein depp „zen­sur“ schreit habe ich mich schon öf­ter auf­ge­regt. zen­sur ist und bleibt für mich der ver­such „ei­nes Staa­tes, ei­ner ein­fluss­rei­chen Or­ga­ni­sa­ti­on oder ei­nes Sys­tem­trä­gers, um durch Me­di­en ver­mit­tel­te In­hal­te zu kon­trol­lie­ren“. dazu ge­hö­ren ab­mah­nun­gen, dro­hun­gen oder ein­schüch­te­rung, aber ganz si­cher nicht das lö­schen von kom­men­ta­ren oder der blöd­sinn den flickr un­ter der fah­ne des ju­gend­schut­zes ver­an­stal­tet. das wort zen­sur wird durch in­fla­tio­nä­ren ge­brauch völ­lig aus­ge­wa­schen. dazu könn­te man sei­ten­wei­se brand­schrif­ten ver­fas­sen und den leu­ten die bei je­dem furz zen­sur schrei­en müss­te man die dann um die oh­ren hau­en.

um die oh­ren hau­en soll­te man ro­bert ba­sic auch sei­nen ge­brauch des be­griffs „in­for­ma­tio­nel­le selbst­be­stim­mung“: erst schreibt er es falsch (in­for­mell! in­for­mell!) und dann be­nutzt er es auch noch für die um­schrei­bung von frei­em zu­gang zu in­for­ma­tio­nen:

Sie­he auch Frank Helm­schrotts Ar­gu­ment we­gen “in­for­mel­ler Selbsbe­stim­mung” der Nut­zer: Folg­lich ist das Aus­sper­ren von Goog­le für mich gleich­zu­setz­ten mit der Aus­gren­zung ei­nes gro­ßen Be­nut­zer­krei­ses. (quel­le)

dass die jus­tiz­mi­nis­te­rin bri­git­te zy­pris kei­ne ah­nung hat (oder zu­min­dest­so tut) was in­for­ma­tio­nel­le selbst­be­stim­mung ist kann ich ja noch ver­ste­hen. sie hat po­li­ti­sche grün­de und weiss auch nicht was ein brow­ser ist. ro­bert ba­sics grün­de sind sprach­schlam­pi­ge. in­for­ma­tio­nel­le selbst­be­stim­mung ist und bleibt:

Im deut­schen Recht be­zeich­net die In­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung das Recht des Ein­zel­nen, grund­sätz­lich selbst über die Preis­ga­be und Ver­wen­dung sei­ner per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten zu be­stim­men. (quel­le)

dass die wor­te „zen­sur“, „in­for­ma­tio­nel­le selbst­be­stim­mung“ oder mei­net­we­gen auch „vor­rats­da­ten­spei­che­rung“ oder „on­line durch­su­chung“ sper­rig und im prin­zip un­be­nutz­bar sind und dass man für sie drin­gend grif­fi­ge­re, dras­ti­sche­re und be­nutz­ba­re­re syn­ony­me fin­den soll­te, ist viel­leicht ein in­ter­es­san­ter ne­ben­an­spekt, aber kein grund sie der­mas­sen zu ent­stel­len.

viel­leicht fin­det sich hier ei­ner der grün­de war­um die dis­kus­si­on über vor­rats­da­ten­spei­che­rung, on­line­durch­su­chun­gen, ab­mah­nun­gen und was weiss ich noch al­lem sich so we­nig in der brei­ten öf­fent­li­chen dis­kus­si­on wie­der­fin­den. aus­er „sta­si2.0“ ist mir kein grif­fi­ger slo­gan be­kannt der die pro­ble­me und her­aus­for­de­run­gen der in­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft (und dem was die hilf­lo­se, in­kom­pen­tente po­li­ti­sche klas­se ge­ra­de dar­aus macht) zu­sam­men­fasst und bild­lich be­schreibt.

viel­leicht soll­ten wir uns nicht die bü­ro­kra­ti­sche spra­che der po­li­tik auf­drü­cken las­sen und statt von „vor­rats­da­ten­spei­che­rung“ oder „in­for­ma­tio­nel­ler selbst­be­stim­mung“ eben (mehr) von ent­mün­dig­tem bür­gern, über­wa­chungs­wahn und ma­xi­mal in­kom­pe­ten­ten und fei­gen po­li­ti­kern re­den. neue wor­te braucht das land. wenn wir es nicht auf eine for­mel brin­gen kön­nen, wer soll es sonst tun?