ode an mich selbst

felix schwenzel

letz­te wo­che mitt­woch hab ich mich mit öz­gün öz­bey ge­trof­fen weil er der­zeit in ei­ner for­bil­dung zum „bi­kul­tu­rel­len cross­me­dia­len Jour­na­lis­mus“ im bil­dungs­werk kreuz­berg teil­nimmt und ger­ne ein por­trait über mich schrei­ben woll­te. er hab eine paar fra­gen zu mei­ner mo­ti­va­ti­on ins in­ter­net zu schrei­ben und er in­ter­es­sie­re sich für den men­schen, „der hin­ter Fe­lix von Schwen­zel steckt“. das hat er ge­mein­sam mit mir, ich in­ter­es­sie­re mich auch für den men­schen hin­ter mir und hat­te die hoff­nung viel­leicht et­was über mich zu er­fah­ren. so ha­ben wir uns mor­gens im bal­zac in der schön­hau­ser al­lee ge­trof­fen und drei stun­den spä­ter schick­te er mir die­sen text:

„Ich bin nicht dick, ich seh nur so aus“ 09.12.2009
Von Öz­gün Öz­bey

Ich er­kann­te ihn von wei­tem. Schon nach dem ers­ten su­chen­den Blick durch das Café fällt ei­nem der statt­li­che Mann mit der wu­sche­li­gen Lö­wen­mäh­ne und dazu pas­sen­dem Bart auf. Er sticht her­aus. Fe­lix Schwen­zel ist ei­ner der­je­ni­gen, mit de­nen al­les an­ge­fan­gen hat. 8 Uhr 30 hat­ten wir ge­sagt. Ich bin zu früh. Er auch. Passt.

Auch wenn er sich nicht un­be­dingt als Blog­ger be­ti­teln las­sen will, könn­te man ihn als Ur­ge­stein der deut­schen Blogo­sphä­re be­ti­teln. Wir­res.net nennt sich sein Blog, des­sen Logo ei­nen ka­cken­den Hund dar­stellt und in dem er über ver­schie­de­ne The­men sei­ne Mei­nung ab­lässt. Laut „Vi­ral­my­then“ ist es der zweit­äl­tes­te Blog Deutsch­lands, er­stellt im Jah­re 2000. Netz-tech­nisch ge­se­hen war das die ge­fühl­te Stein­zeit des In­ter­net-Zeit­al­ters, im Ver­gleich zu den heu­ti­gen Aus­ma­ßen, die es in­zwi­schen an­ge­nom­men hat. Von po­li­ti­schen The­men, bis hin zu per­sön­li­chen Ge­schich­ten schreibt er über al­les, was er für schreib­wür­dig emp­fin­det. Nicht un­be­dingt um sei­ne Mei­nung zu äu­ßern, son­dern „um be­stimm­te Din­ge zu sam­meln und fest­zu­hal­ten“.

Wenn ihn et­was auf­wühlt oder be­schäf­tigt, emp­fin­de er das Ge­fühl, es ver­ar­bei­ten und da­mit auch los­wer­den zu müs­sen. Auch wenn ein Blog im­mer ir­gend­wo auch jour­na­lis­tisch ist, be­zeich­net er sich selbst nicht als Jour­na­list. „Das ist mir ein zu an­ge­pass­ter Be­griff, ich möch­te mich da nicht mit ein­ord­nen, weil man von ei­nem Jour­na­lis­ten auch eine be­stimm­te Vor­ge­hens­wei­se er­war­ten wür­de“. Mit die­ser Aus­sa­ge be­grün­det er auch sei­nen Wi­der­stand, als Blog­ger ein­ge­ord­net zu wer­den. Er will so nicht ge­nannt wer­den, da er nicht der Mei­nung ist, dass er „bloggt“. „Ich bin nicht dick, ich sehe nur so aus. (Wir­res.net) ist kein Blog, es sieht nur so aus“.

Der Mann er­scheint wie ein le­ben­dig ge­wor­de­nes Pa­ra­dox­um. Ein Cha­rak­ter zwi­schen Ord­nung und An­ar­chie. Ei­ner­seits im säu­ber­li­chen An­zug, aber mit lo­cke­rem Hemd und dazu pas­sen­den Schu­hen, an­de­rer­seits ra­di­ka­ler Wild­wuchs al­ler­orts. Den­noch: Es passt. Ir­gend­wie.

Beim Schrei­ben küm­mert er sich nicht um Satz­auf­bau, Gram­ma­tik oder Recht­schrei­bung. Groß­schrei­bung lässt er ganz weg, schreibt nur in klei­nen Buch­sta­ben. Es scheint ihm egal zu sein. Er schrei­be von der See­le weg, und ma­che sich nicht son­der­lich Ge­dan­ken dar­um, was dies bei dem Le­sen­den er­zeu­gen soll­te oder könn­te.

Doch die Rech­nung scheint auf­zu­ge­hen. Sein Blog zählt zu den er­folg­reichs­ten und meist ver­link­ten Blogs in Deutsch­land. Den­noch be­mü­he er sich, über das The­ma in ei­ner ad­äqua­ten Form zu be­rich­ten. Wenn es zum Bei­spiel über per­sön­li­che Din­ge geht oder Men­schen in sei­ner un­mit­tel­ba­ren Um­ge­bung be­trifft. Doch was auf­ge­schrie­ben wer­den muss, wird auf­ge­schrie­ben.

Ein we­nig Angst be­schlei­che ihn schon, meint er, be­son­ders wenn es um Me­di­en oder Be­trie­be geht, de­ren Hand­lungs­wei­sen er in man­chen Blog-Bei­trä­gen kri­ti­siert. „Bei der Ab­mahn­wel­le, die zur Zeit durchs Land rollt..“. Man lebt heut­zu­ta­ge halt ge­fähr­lich als Blog­ger.

Es war schon ko­misch. Ich schien ihn, schon fast per­sön­lich, zu ken­nen, da ich schon län­ge­re Zeit sei­nen Blog ge­le­sen habe. Doch von mir hat er noch nie ein Wort ge­hört. Eine ein­sei­ti­ge Freund­schaft so­zu­sa­gen. Doch die Art wie er schreibt, passt ir­gend­wie nicht zu der Art, wie er mit mir re­de­te. So ge­ord­net. Man merkt, er weiß von was er re­det, hat sich oft Ge­dan­ken dar­um ge­macht, wer er wirk­lich ist und was er tut. Sei­ne Bei­trä­ge kom­men oft sehr spon­tan und, wie er selbst meint, „hin­ge­rotzt“ rü­ber. Doch egal ob Kri­ti­ken, Link-Tipps, per­sön­li­ches oder Oden über ge­lieb­te Din­ge und Per­so­nen, hin­ter je­dem Bei­trag steckt eine Aus­sa­ge, auch wenn es „nur“ die per­sön­li­che Mei­nung ist.

Trotz all des Ruh­mes, den sein Blog ern­te­te, emp­fin­det er sich nicht als Pro­mi­nent. Im In­ter­net viel­leicht schon. „Man wird schon von an­de­ren Blog­gern er­kannt und auch ab und zu auf der Stra­ße. Aber rich­ti­ge Pro­mi­nenz ist was an­de­res“.

Ich habe ihn er­kannt. Auf den ers­ten Blick. Für mich bleibt er Pro­mi­nent und ein Pio­nier der Deut­schen Blogo­sphä­re. In­so­fern muss er sich mei­ner Mei­nung nach ein­ord­nen las­sen. Zu­min­dest von mir.

mir ge­fiel der text und mir ge­fiel der schreib­stil, der sich merk­lich und an­ge­nehm von öz­gün stil emails zu schrei­ben ab­hob und sei­nem teils über­eu­pho­ri­schen und chao­ti­schen auf­tre­ten un­ter­schied. so wirk­te er teils un­kon­zen­triert, teils ver­peilt und choa­tisch, sei­ne auf­nah­me­ge­rä­te ver­sag­ten und er konn­te sich nicht ent­schei­den ob er mich du­zen oder sie­zen soll­te. aber ta­lent zu schrei­ben, das hat er, fin­de ich. und er hat mir er­laubt sei­nen text hier zu ver­öf­fent­li­chen und freut sich si­cher über feed­back.