„Sie kön­nen gern 50 in­tel­li­gen­te Frau­en vor­schla­gen“ — frank dah­l­mann

felix schwenzel

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ju­lia mnsk hat auf face­book die brand­eins ge­fragt, war­um in den letz­ten hef­ten so we­ni­ge frau­en vor­kom­men.

Noch den Ti­tel­mann im Kopf be­mer­ke ich al­ler­dings dann, dass mich noch wei­te­re Her­ren an­starr­ten. In mei­ner Woh­nung an­ge­kom­men, sah ich noch mehr. Und noch mehr. Und noch mehr. Und frag­te mich, was ei­gent­lich mit den Da­men pas­siert ist. Bis auf Ga­brie­le Fi­scher fand ich ge­nau drei Por­traits (und na­tür­lich die Dame im kur­zen Schwar­zen hin­ten drauf). Mei­ne wei­te­re Re­cher­che trieb mich durch äl­te­re Aus­ga­ben, wo die Quo­te noch schlech­ter aus­sah. Im letz­ten Heft, bei­spiels­wei­se, gab es bis auf die Wer­be­dar­stel­lun­gen kei­ne ein­zi­ge Frau.

die ant­wort der brand­eins hat auf face­book der on­line re­dak­teur frank dah­l­mann über­nom­men:

Lie­be Frau Mnsk, wir sind kein Quo­ten­ma­ga­zin, wir su­chen nicht nach Män­nern oder Frau­en, wir su­chen nach dem in­ter­es­san­tes­ten Ge­sprächs­part­ner. Nur dar­auf kommt es an. Wenn wir also vie­le Män­ner im Ma­ga­zin ha­ben, dann ist das ein Spie­gel­bild un­se­rer Ge­sell­schaft. Nun aber krampf­haft Frau­en ins Heft zu he­ben, er­scheint mir nicht die rich­ti­ge Lö­sung. Schö­ne Grü­ße, Frank Dah­l­mann

die an­ge­mes­sens­te ant­wort dar­auf dürf­te die von anna luz de león sein:

Um HIM­MELS WIL­LEN. Gute Bes­se­rung @brand­eins.

— Anna Luz de León (@ber­lin­mit­te­mom) 4. Juli 2014

was mich aber beim ers­ten le­sen von frank dah­l­manns ant­wort wun­der­te, ist der grös­sen­wahn­sin­ni­ge an­spruch, den frank dah­l­mann in sei­ne ant­wort rein for­mu­liert hat: die brand­eins zei­ge in ih­rem heft ein spie­gel­bild der ge­sell­schaft.

wer sol­che sa­chen be­haup­tet, hat es sich ent­we­der in sei­ner fil­ter­bla­se so ge­müt­lich ge­macht, dass er zu müde ge­wor­den ist auf­zu­ste­hen um auch nur ein biss­chen über sei­ne tel­ler­rän­der zu bli­cken oder er hat es mit ernst­haf­ten wahr­neh­mungs­stö­run­gen zu tun. die vor­stel­lung, die man sich in ei­ner re­dak­ti­on von der welt macht, mit dem spie­gel­bild der ge­sell­schaft zu ver­wech­seln, lässt aber viel­leicht auch auf ein eli­tä­res selbst­bild schlies­sen: welt ist, was wir bei der brand­eins wahr­neh­men.

die­sen ein­druck ver­stärk­te frank dah­l­mann dann in ei­nem spä­te­ren kom­men­tar:

Lie­be Alle, of­fen­bar rich­tet sich die Ver­är­ge­rung ge­gen die Be­grif­fe "Quo­te" und "Spie­gel der Ge­sell­schaft". Das war si­cher un­glück­lich for­mu­liert und wenn ich da­mit je­man­den ver­letzt habe, dann bit­te ich gern um Ent­schul­di­gung. Aber die Her­an­ge­hens­wei­se an ein The­ma ist nun mal so.
Wir sa­gen in den The­men­kon­fe­ren­zen nie: Lass uns mal eine Ge­schich­te über Per­son x ma­chen. Wel­ches The­ma könn­ten wir dazu brin­gen?
Son­dern: Lass uns über die­ses The­ma schrei­ben. Wel­che Per­son könn­te dazu die bes­ten Aus­sa­gen tref­fen?

auch hier legt frank dah­l­mann nahe, dass die ant­wort der re­dak­ti­ons­kon­fe­renz auf die fra­ge „Wel­che Per­son könn­te dazu die bes­ten Aus­sa­gen tref­fen?“ die rea­li­tät ab­bil­det. wenn der re­dak­ti­on, dem au­tor oder den ge­sprächs­part­nern der re­dak­teu­re kei­ne frau­en ein­fal­len, dann gibt es sie auch nicht.

wäre frank dah­l­mann ein DJ, wür­de er mög­li­cher­wei­se auch nicht ver­ste­hen, war­um sich leu­te dar­über be­schwe­ren, dass er im­mer nur coun­try-mu­sik spie­len wür­de:

Wir spie­len jede Mu­sik die wir in­ter­es­sant fin­den. Nur dar­auf kommt es an. Dass wir nur Coun­try­mu­sik spie­len ist ein Spie­gel­bild der Mu­sik­sze­ne. Jetzt auch noch krampf­haft Wes­tern­mu­sik ab­zu­spie­len, er­scheint mir nicht die rich­ti­ge Lö­sung zu sein.


das trau­ri­ge an der hal­tung, die frank dah­l­mann in die­sem face­book-strang zu ver­tei­di­gen ver­sucht, ist ne­ben der merk­be­freit­heit, (mal wie­der) die jour­na­lis­ti­sche hal­tung: näm­lich kei­ne (so is­ses halt). oder ge­nau­er eine re­si­gnier­te (uns fiel nix ein) oder eine we­nig neu­gie­ri­ge (den jan­sen ha­ben wir doch schon so oft ge­habt, wer weiss ob die leh­mann über­haupt was taugt?).

es kann na­tür­lich auch sein, dass frank dah­l­mann das ei­ge­ne heft nicht ge­le­sen oder ver­stan­den hat. im ak­tu­el­len heft geht es näm­lich um „neu-den­ken“ und „al­ter­na­ti­ven“. ga­brie­le fi­scher ruft in ih­rem edi­to­ri­al zum zwei­fel am alt­her­ge­brach­ten auf:

Wer zwei­felt, muss su­chen, strei­ten, neu den­ken, Kom­pro­mis­se schlie­ßen, schei­tern, wie­der neu den­ken.

wolf lot­ter be­klagt „fun­da­men­ta­lis­mus“:

[Die] Rea­li­tät zeigt uns, dass Wirt­schaft, Ge­sell­schaft und Or­ga­ni­sa­ti­on umso bes­ser funk­tio­nie­ren, je mehr sie sich auf Kom­ple­xi­tät, Viel­falt und da­mit auf Al­ter­na­ti­ven ein­las­sen. Wer et­was an­de­res wis­sen will, als er schon kennt, ist in der Wis­sens­ge­sell­schaft schlicht im Vor­teil.

ich weiss nicht ob der jour­na­list frank dah­l­mann nur nicht glück­lich for­mu­lie­ren kann, oder ob es wirk­lich sei­ner hal­tung ent­spricht, wenn er auf freund­li­che kri­tik und den hin­weis auf man­geln­de viel­falt ant­wor­tet: viel­falt in­ter­es­siert uns nicht. un­se­re the­men­kon­fe­ren­zen lie­fern das op­ti­ma­le er­geb­nis, wir su­chen nicht viel­falt, son­dern qua­li­tät. wir sind uns sehr si­cher, dass un­se­re qua­li­täts­mass­stä­be op­ti­mal und aus­ge­wo­gen sind, vie­len dank für ihre an­re­gung frau mnsk, aber ihre idee ist quatsch. schö­ne grüs­se, du­dilum.


viel­leicht ist es auch zeit da­für, dass die brand­eins mal wie­der schei­tert. sich ra­di­kal neu denkt, neu er­fin­det. von be­quem­lich­keit, selbst­ver­liebt­heit und ar­ro­ganz be­freit. und wie­der mehr fra­gen stellt, als ant­wor­ten zu ge­ben und an­de­re am er­fah­rungs­schatz ih­rer re­dak­teu­re teil­ha­ben zu las­sen.


die brand­eins ist nach wie vor ein tol­les ma­ga­zin. aber ich lese kaum ei­nen ar­ti­kel, an des­sen ende ich mich nicht fra­ge: und? fehlt hier nicht noch was? wars das? tie­fer gehts nicht? zum bei­spiel die pim­mel­pa­ra­de das streit­ge­spräch zwi­schen ste­phan nol­ler und ni­co­las cla­sen, mo­de­riert von tho­mas ram­ge. vier sei­ten lang über on­line­wer­bung strei­ten — und kein ein­zi­ges mal fällt das wort ad-blo­cker? ernst­haft?


wei­te­re kom­men­ta­re aus dem ge­nann­ten face­book strang.

jean­nette gus­ko:

Für jed­we­des The­ma nur Män­ner als Ge­sprächs­part­ner zu fin­den ist nicht Spie­gel­bild der Ge­sell­schaft, son­dern Spie­gel­bild Ih­rer Re­dak­ti­on. Die Idee, dass Sie da­mit mit den „Bes­ten" spre­chen, ist ver­zerrt, denn Sie fol­gen längst ei­ner Quo­te, ei­ner Män­ner­quo­te näm­lich.

béa bes­te:

Und ich dach­te bis­lang, brand eins wür­de nicht die Ge­sell­schaft spie­geln, son­dern ihr ver­hel­fen, nach vor­ne zu den­ken. Gut, dass Frank Dah­l­mann die Po­si­tio­nie­rung auf den Punkt bringt. Eine Il­lu­si­on we­ni­ger in der Me­di­en­sze­ne.

ben­ja­min beck­mann:

Wenn der An­teil der Ar­ti­kel über/mit Be­tei­li­gung von Frau­en sich im All­ge­mei­nen also bei rund ei­nem Drit­tel be­we­gen wür­de (ger­ne auch mehr, na­tür­lich), könn­te man der Brand eins wohl kei­nen gro­ßen Vor­wurf ma­chen. Ge­ra­de mit ei­ner weib­li­chen Chef­re­dak­teu­rin ist es aber schon sehr ver­wun­der­lich, war­um im ak­tu­el­len Heft wirk­lich kaum von Frau­en die Rede ist (in nur 5 Ar­ti­keln von 24 län­ge­ren wird über­wie­gend von Frau­en be­rich­tet, in 14 stark über­wie­gend von Män­nern). Klar, Bran­chen wie Schiff­bau oder Fi­sche­rei ist es schon mit grö­ße­rem Auf­wand ver­bun­den, Frau­en zu fin­den. Aber dass der Brand-eins-Re­dak­ti­on auch für die The­men Bür­ger­li­cher Wi­der­stand ("Nah­ver­kehr"), De­mo­kra­tie ("De­mo­kra­tie sel­ber ma­chen") oder Gema ("Da ist Mu­sik drin") kei­ne ein­zi­ge Frau ein­ge­fal­len ist, ist schon selt­sam bis scha­de. Sieht halt dann lei­der echt igno­rant bis ge­wollt aus.


I was wrong, I'm sor­ry. > If I was wrong, I'm sor­ry. > If I of­fen­ded you, I'm sor­ry. > I'm sor­ry you feel of­fen­ded. > Fuck you.

— Teju Cole (@te­ju­co­le) 28. Juni 2014