id3
ich wollte eigentlich kein eigenes auto, nachdem wir 2020 den „dienstwagen“ zurückgegeben haben, den mir mein damaliger arbeitgeber zur verfügung gestellt hatte. ich war ich sehr zufrieden mit den carsharing angeboten in berlin. insbesondere standen damals überall in berlin elektro-leihwagen von VW rum und nach meiner überschlägigen rechnung waren die gelegenheitsfahrten im carsharing auf jeden fall billiger als ein eigenes auto, das 98% seiner zeit auf der strasse rumstehend verbringt.
aber die beifahrerin setzte sich durch und deshalb kauften wir uns vor etwas mehr als zwei jahren einen ID3. einen neuwagen hatte ich mir bis dahin noch nie gekauft und es war erstaunlich kompliziert verkäufer zu finden, die einem so ein ding auch wirklich verkaufen wollten. wir hatten uns für einen ID3 entschieden, in der günstigsten ausstattung und in standard grau. damals gabs noch grosszügige staatliche förderung, am ende haben wir, wenn ich mich recht erinnere, 30 tausend euro gezahlt. mit der basic variante kommt ein 45 kWh akku und schnellladen geht mit bis zu 50 kW/h. nach heutigen standards ist das klein und wenig, aber wir haben uns mit dem auto, dem akku und dem laden eigentlich ganz gut eingegrooved.
anfangs bin ich lange strecken gerne auch mal ein bisschen schneller gefahren, eine unangenehme gewohnheit aus dem verbrenner-zeitalter. die erfahrung, viel ausprobieren und die physik zeigt, dass die beste mischung aus effizienz und reisgeschwindigkeit bei unsrer konfiguration 120 km/h reisgeschwindigkeit sind. unser letzte reise von berlin zu meinen eltern nach heinsberg zeigt das ganz gut. wir sind am mittwoch vor dem osterwochenende losgefahren und google prognostizierte bei der abfahrt eine reisedauer von 7 stunden für die 630 km. das navigationssystem meiner wahl, der better route planner (weiter unten mehr dazu), prognostizierte 90 minuten ladestopps. wir sind dann am ende mit 9 stunden reisezeit bei meinen eltern angekommen, was aber angesichts des teilweise zähfliessenden verkehrs und einem ordentlichen stau total OK war.

die kennzahlen im abgebildeten home assistant dashboard stammen nicht vom bordcomputer und sind nur indirekt aus den VW-API daten berechnet. mit till steinbachs WeConnect MQTT kann ich zwar alle möglichen daten auslesen, aber zur berechnung des verbrauchs und der kilometerleistung, standen vor zwei jahren eigentlich nur der SOC, also der aktuelle ladestand, die ladeleistung und die geschätzte reichweite zur verfügung. die odometer-daten oder die parkposition standen damals noch nicht über die API zur verfügung. deshalb habe ich mir vor zwei jahren bei ali-express einen sehr günstigen GPS tracker gekauft um den jeweiligen kilometerstand (nährungsweise) zu berechnen und natürlich auch die position als datum in home assistant zur verfügung zu haben. das GPS steckt im zigarettenanzünder im kofferraum des ID3 und sendet alle paar sekunden ein datenpaket an meine lokale traccar-instanz. von dort stehen die daten home assiatnt zur verfügung und ich kann alle möglichen weiteren daten ableiten. den kilometerstand berechnet traccar freundlicherweise bereits sehr akkurat aus den GPS daten.
für den 630 kilometre trip berechnete der bordcomputer allerdings einen verbrauch von 15,7 kwh/100km — was ich für ziemlich effizient halte. damit haben wir es bequem mit drei ladestopps nach heinsberg geschafft.

natürlich sind wir mit 100% SOC losgefahren, damit konnten wir 2 stunden durchfahren um dann 24 minuten zu laden und endlich die vorbereiteten snacks aus dem kofferraum holen und essen. der rhythmus, 30 minuten laden, andertalb stunden fahren ist meiner meinung nach perfekt für entspanntes fahren. dazu hatten wir auch enormes glück. der grösste stau auf unserer strecke fing genau da an, wo der (bessere) routenplaner einen stopp für uns vorgesehen hatte. während des ladens sah ich die LKW-karavane auf der autobahn, während ich ein nickerchen hielt, lud und die beifahrerin und der hund gassi gingen. nach dem nickerchen sah ich mich auf google maps um und sah, dass es theoretisch die möglichkeit gab, von der raststätte abzufahren, statt wieder auf die autobahn.

also sind wir neben der autobahn hergefahren, was nebenbei auch noch landschaftlich total romantisch war. ich glaube wir waren gerade im westerwald.

better route planner
die umfahrung des staus hätte uns der beter route planner (abrp) nicht vorgrschlagen. abrp hat seine stärken, aber stauumfahrung und streckenführung in ballungsräumen gehören (noch) nicht dazu. ich benutze in carplay immer beides, abrp und google maps. wirklich gut ist abrp aber in der ladstopp-planung. allerdings braucht er dafür live-daten. da ich alle nötigen live-daten im home-assistant habe, kann ich die glücklicherweise bereitstellen. im prinzip schicke ich abrp alle 30 sekunden einen curl aufruf mit einem langen json string
curl --location -sS -g --request
GET 'https://api.iternio.com/1/tlm/send
?token=xxx&api_key=xxx
&tlm={
"soc": 44,
"is_charging": 0,
"power": 0,
"utc": 1745001019,
"speed": "0",
"is_parked": 1,
"capacity": "45",
"heading": "167.0",
"elevation": "0",
"odometer": "40788.21",
"lon": "6.07955",
"est_battery_range": 121,
"lat": "51.10507"
}
beim laden sende ich noch die lade-telemetrie, allerdings ist sowohl beim laden, als auch beim fahren das problem, dass ich die daten aus der VW API nur alle 5 minuten abrufen kann. so hinkt die SOC-anzeige immer ca. 5 minuten hinterher, und manchmal auch einenticken länger, weil die datenreise ja einige zwischenstationen umfasst: auto → VW → weconnct-mqtt → home assistant → api.iternio.com
mal klemmts mit der datenverbindung, mal stürzt weconnect-mqtt ab, mal stürzt die abrp-app ab. trotzdem, dadurch, dass abrp meine ladekarten kennt und deshalb die ladestopps sowohl am für uns günstigsten (derzeit vor allem aral pulse und ionity) plant, aber eben auch die auslastung der ladepunkte und unsere reichweite beachtet, sind sowohl die prognosen als auch die streckenführung meisten otpimal. die beifahrerin hasst die abrp-app aber dennoch — und ich muss ihr im prinzip recht geben. abrp hat enorm viele bugs. den abrp-entwicklern muss man allerdings zu gute halten, dass sie fast alle bugs fixen, sich dabei aber leider immer wider neue bugs einschleichen. auch die benutzerführung ändert sich mit jedem major release, aber die API-daten-konstruktion die ich mir hier gebastelt habe ist derzeit das beste was es gibt. auch das on-board-navi von VW kann (mittlererweile) ladestopps in die reise-route einbauen, allerdings beachtet die VW app unsere ladetarife nicht. und sie stürzt genau so gerne ab, wie abrp.

nach etwas mehr als zwei jahren eauto fahren kann ich mir eine rückkehr zum verbrenner nicht mehr vorstellen. wenn ich gelegentlich doch noch verbrenner fahre, wundere ich mich wie die kisten anfangen zu schreien, wenn man aufs gas drückt. ich liebe den (manuellen tempo) limiter in kombination mit dem ein-pedal-fahren, obwohl der tempomat ein aufpreis-pflichtiges extra ist, funktioniert der limiter für mich (und auch die beifahrerin) viel besser. auf der autobahn stelle ich 120 km/h ein und alles weitere wird mit dem gaspedal geregelt. die automatische tempoerkennung ist indiskutabel, allerdings ist die info-anzeige der höchstgeschwindigkeit eine willkommene zusatz-info während der fahrt und meist besser als die von google maps oder abrp. die carplay-integration von VW ist extrem okay und funktioniert seit ein paar ios-updates auch in 99% der fälle so wie erwartet.
ich würde mir eine etwas gesprächigere und freundliche API wünschen (meine daten, lasst mich damit machen was ich will und wie ich will), ich würde mir wünschen, dass die VW-vertragswerkstätten und -händler etwas weniger verpeilt wären. am auto selbst und an der zuverlässigkeit haben wir nichts auszusetzen. das mag erstaunlich klingen, weil ja wirklich fast jeder über die touch-buttons am lenkrad meckert, die zuverlässigkeit der software beklagt und sich über die over-the-air-update-versprechen lustig macht, die VW mal vor drei jahren überoptimistisch rausposaunt hat. wens nach mir geht, bleibe ich gerne bei VW.
elektro mobilität ist ja nach wie vor grosser nerd-kram. ich habe grossen spass daran mir umständlich metriken auszulesen und weiter zu verarbeiten. aber ich mach das ja nur zum teil aus spass. der witz dahinter ist, das weder die apps von VW, noch die wenigsten apps von drittherstellern eine preis- und streckenoptimierte ladeplanungs-navigation anbieten. was ich mir da so zusammenbastel dient alles einem einzigen zweck: in einem sich extrem volatilen markt so schnell, günstig und ohne grosse umstände von a nach b zu kommen. die ladeinfrastruktur selbst ist mittlerweile kein problem mehr, obwohl sie das vor zwei jahren, aus meiner sicht, auch nicht war. das problem ist der preisdschungel, naja, und teilweise auch immer noch die zuverlässigkeit der ladesäulen.
aus all diesen gründen schaue ich mir jeden sonntag übrigens mit grossem vergnügen die abenteuer des elektrotruckers auf youtube an. einerseits finde ich das faszinierend weil man beim elektrotrucker, wie früher™ bei guten blogs, einsichten in fremde lebenswelten bekommt und andererseits sind seine erlebnisse rund um die elektromobilität, zumindest aus meiner nerd-perspektive, irre interessant und amüsant.
manchmal schaut er sich auch andere eletrofahrzeuge an und ich schau ihm dabei sehr gerne zu.