„milde adipositas“

felix schwenzel in semaglutid

seitdem ich denken kann — und ei­gent­lich auch schon davor — machen andere mein gewicht zum thema. das hat sich bis heute nicht geändert. in der rückschau ist das schon ein bisschen irre. der kräftige, aber im vergleich ranke und schlanke felix, den ich auf alten bildern sehe, war — genau wie der über fünf­zig­jäh­ri­ge felix — jemand der sich von seinen liebsten und anderen anhören durfte, dass er etwas zu viel wiege. diese be­wer­tun­gen von dritten haben si­cher­lich zum grossen teil damit zu tun, dass sich diese menschen sorgen um mich gemacht haben oder machen oder me­di­zi­ni­sches fach­per­so­nal waren.

„kräftig“, wie man so schön sagt, war ich al­ler­dings von anfang an. es gab keinen zau­ber­trank-vorfall, ich kam schon mit einem bäuchlein, als „brocken“ wie mein vater immer sagte, auf die welt (foto von mir ca. ein jahr nach diesem ereignis).

meiner schwester erging das nicht anders, bei ihr führte das aber zu emo­tio­na­le­ren ab­wehr­re­ak­tio­nen und anderen ra­tio­na­li­sie­run­gen als bei mir. meine ab­wehr­re­ak­ti­on war in erster linie ignoranz und resilienz. im grossen und ganzen habe ich immer gegessen was ich essen wollte und habe nicht gross­ar­tig auf meine ernährung geachtet. das einzige worauf immer achtete, war auf meine art mass zu halten oder ansätze von gier zu un­ter­drü­cken. das ist ein bisschen so wie ich mit alkohol umgehe: ich trinke gerne und re­gel­mäs­sig, aber al­ler­sel­tens­tens bis gar nicht im übermass. leider vertrage ich alkohol ganz gut, weshalb ich auch nicht behaupten kann wenig zu trinken.

aber ich kann mich nicht daran erinnern in den letzten 10 jahren wirklich mal besoffen gewesen zu sein.

als ich vor 10 oder 12 jahren mal eine sinus di­ver­ti­ku­li­tis hatte, erklärte mir eine ärztin in der not­auf­nah­me, dass meine di­ver­ti­ku­li­tis auch damit zu­sam­men­hän­gen könnte, dass ich mich zu fleisch­reich und bal­last­stoff­arm ernähre. „afrikaner“, erzählte sie mir, nähmen ein viel­fa­ches an bal­last­stof­fen zu sich und hätten ent­spre­chend auch vielfache mengen stuhlgang und besser trai­nier­te darmwände. ich nahm das zum anlass meine ernährung erst zögerlich und später kon­se­quen­ter vom schnell­frass auf selbst­ge­koch­tes mit viel gemüse, viel getreide, mehr vollkorn um­zu­stel­len. selber lecker und gut zu kochen, mit viel frischem zutaten, viel gemüse, wenig hoch­ver­ar­bei­te­tem ist eine tolle sache, schmeckt gut, macht glücklich, aber nicht unbedingt schlank.

ich hatte in dern ver­gan­ge­nen 20 jahren auch phasen, in denen ich auf meine ka­lo­rien­ein­nah­me etwas achtete. zuletzt muss das so um unsere hochzeit gewesen sein, vor 16 jahren. da gab ich in einem jah­res­end­fra­ge­bo­gen an, so um die 10 kilo weniger als im vorjahr zu wiegen. ich glaube in der zeit ging ich auch in fit­ness­stu­dio und der ansaz zur ge­wichts­re­duk­ti­on war einfach etwas weniger, besser, „bewusster“ zu essen und zu trinken.

leider reichen die ge­wichts­auf­zeich­nun­gen meiner health app nicht so weit zurück. aber man sieht, wenn ich 2008 relativ wenig wog, wog ich 2017 wieder relativ viel. oder kurz gesagt, wenn mich die er­in­ne­rung nicht trübt, schwang mein gewicht in den letzten 20 jahren zwischen 120 und 110 kilo, mög­li­cher­wei­se mit einem relativen tiefst­wert von etwas unter 110 so um das jahr 2008 herum.

die zahlen in der tabelle sind das was die health app mir als jah­res­mit­tel aus­ge­rech­net hat.

gewicht über die jahre (2017–2025)
jahr gewicht in kg
2017 120
'18 119
'19 121
'20 110
'21 106
'22 107
'23 111
'24 111
'25 112

2022 habe ich mit dem ba­cken an­ge­fan­gen. das hat, wie man der ta­bel­le ent­neh­men kann, 4 kilo ge­wicht ge­kos­tet. selbst­ge­ba­cken ist ein­fach zu le­cker. was man der ta­bel­le aber auch ent­neh­men kann, dass ich über die letz­ten 5 jah­re mein ge­wicht re­la­tiv sta­bil hal­ten konn­te. das wird ja an­geb­lich im al­ter (von dem ich viel habe), im­mer schwe­rer. die re­gel­mäs­si­gen mor­gen­spa­zier­gän­ge (be­we­gung) hel­fen da­bei si­cher­lich auch.

nur mit dem ab­neh­men klappt es nicht.

in den letz­ten jah­ren sind die stim­men um mich her­um, die mich dazu drän­gen ab­zu­neh­men, wie­der lau­ter ge­wor­den. lau­ter fast als in mei­ner ju­gend. mein va­ter scherzt seit 40 jah­ren kon­ti­nu­ier­lich, dass ich eine mil­de adi­po­si­tas hät­te, aber die bei­fah­re­rin und mei­ne mut­ter ha­ben ihre sor­gen um mei­ne ge­sund­heit in den letz­ten jah­ren ste­tig es­ka­liert. das hängt vor al­lem da­mit zu­sam­men, dass mei­ne sie­ben jah­re jün­ge­re schwes­ter vor ein paar jah­ren dar­an ge­stor­ben ist, dass ihr herz zu schla­gen auf­ge­hört hat. es ist nicht aus­zu­schlies­sen, dass ihre „mil­de adi­po­si­tas“ dar­an be­tei­ligt ge­we­sen ist.

na­tür­lich lässt mich die wach­sen­de sor­ge um mich nicht ganz kalt. ich bin zwar ganz froh, dass ich mein ge­wicht über die letz­ten jah­re ohne ver­zicht, nur mit ein biss­chen acht­sam­keit und mühe beim ko­chen hal­ten konn­te. aber um wirk­lich ge­wicht zu ver­lie­ren müss­te ich wohl ver­zicht üben. im ge­gen­teil zu ge­duld, die ich ger­ne, je­den tag und auch über jah­re hin­weg übe, bin ich si­cher dass ich ver­zicht we­der ger­ne, je­den tag und schon gar nicht über jah­re hin­weg üben kann — und will.

heu­te war ich bei mei­ner haus­ärz­tin. gros­ses blut­bild und ge­sund­heits check-up. die blut­wer­te sei­en bom­big. of­fen­sicht­lich bin ich so ge­sund wie ich mich füh­le. auch wenn ichs in der pra­xis nicht the­ma­ti­siert habe, aber mein stuhl­gang ist seit jah­ren pünkt­lich und er­freu­lich, ich schla­fe we­nig aber gut, aus­ser an wo­chen­en­den, an de­nen ich ca. 12 stun­den schla­fe. ich bin seit jah­ren er­käl­rungs­frei (aus­ser in den letz­ten drei mo­na­ten, da hat­te ich ne­ben ei­ner re­pu­bli­ca co­ro­na-er­käl­tung auch noch eine re­gu­lä­re, drei­tä­gi­ge er­käl­tung).

die haus­ärz­tin hat mir auf mein drän­gen ein re­zept für eine nied­rig do­sier­te ab­nehmsprit­ze mit­ge­ge­ben. das war zwar ori­gi­nal nicht mein wunsch, son­dern der der bei­fah­re­rin, die, wie ge­sagt, in sor­ge um mich ist. aber nach 6 mo­na­ten kon­tem­pla­ti­on gin­gen mir heu­te in der haus­arzt­pra­xis zwei lich­ter auf, wie und war­um ich das mit der ab­nehmsprit­ze viel­leicht doch in­ter­es­sant fin­den könn­te: als ex­pe­ri­ment und als blog-con­tent.

was geht in mir vor, wenn mein ap­pe­tit ge­zü­gelt wird, kann ich die­se er­fah­rung spä­ter dann re­kre­ieren? wird mein ap­pe­tit über­haupt ge­zü­gelt, oder wird mir ein­fach nur übel? ge­wöh­ne ich mich an klei­ne­re por­tio­nen? fühlt sich ver­zicht mit dem me­di­ka­ment nicht wie ver­zicht an und wenn ja, kann ich das ir­gend­wie in mei­nen all­tag ein­bau­en? was pas­siert wenn ich die sprit­ze nicht jede wo­che neh­me, son­dern nur alle zwei wo­chen? wie fühlt sich ap­pe­tit­lo­sig­keit an, kann ich mich mit dem ge­fühl ver­traut ma­chen, es spä­ter si­mu­lie­ren oder mir ein­re­den? geht der jojo los, wenn ich mich drei wo­chen nicht sprit­ze? wel­che do­sis reicht lang­fris­tig, falls mei­ne vor­stel­lung, dass ich mei­nen kopf me­di­ka­men­tös um­sor­tie­ren könn­te nicht zu­trifft und ich das zeug bis ans le­bens­en­de oder ir­gend­ei­ne, ir­gend­wann na­tür­lich auf­tre­ten­de ap­pe­tit­lo­sig­keit neh­men muss?

weil ich weiss, dass mei­ne no­ti­zen lieb­los und un­voll­stän­dig wer­den, wenn ich sie nur für mich pri­vat fest­hal­te, hege ich die hoff­nung, wenn ich über das ex­pe­ri­ment öf­fent­lich ins in­ter­net schrei­be, dass ich mir mehr mühe gebe und (hof­fent­lich) sorg­fäl­ti­ger re­flek­tie­re. ich könn­te mir tech­ni­sche lö­sun­gen ein­fal­len las­sen, mein ge­wicht di­rekt von mei­ner es­phome-waa­ge ins in­ter­net zu über­tra­gen und wei­ter mit der chartscss bi­blio­thek ex­pe­ri­men­tie­ren.

bild einer packung ozempic abnehmspritzenpens

noch habe ich mir kei­ne sprit­ze ge­setzt. die idee und die auf­re­gung dar­über zu blog­gen und die­sen ar­ti­kel zu schrei­ben, hat dazu ge­führt dass ich ver­ges­sen habe zu es­sen und mög­li­cher­wei­se hat eine pa­ckung oz­em­pic im kühl­schrank be­reits eine ap­pe­tit­hem­men­de pla­ze­bo-wir­kung auf mich.

jetzt also als trig­ger­war­nung, dass the­ma ab­nehmsprit­ze wird in den nächs­ten wo­chen öf­ter hier auf­tau­chen.