spiel it, till you make it
als ich vor einer weile nicht einschlafen konnte hatte ich die idee mir den kindergarten und hort in den ich als kind ging zu visualisieren. also mir die raumaufteilung, die architektur, die lage der „klassenräume“ und die aussenflächen vorzustellen.
die visualisierung klappte ziemlich gut, das mit dem einschlafen nicht. die erinnerungen und gedanken an den kindergarten/hort waren durchaus positiv, aber offensichtlich auch ein bisschen aufregend. jeder raum, den ich mir visuelisierte, weckte zahlreiche erinnerungen. immerhin hatte ich dort ungefähr sechs jahre meines lebens verbracht, und das in einem alter das enorm prägt.
statt meine kindergartenzeit als einschlafhilfe zu benutzten, dachte ich in den folgenden wochen öfter tagsüber an diese zeit. als wir kürzlich über ostern bei meinem eltern zu besuch waren, ergriff ich die gelegenheit einen abstecher nach aachen in den preuswald zu machen.
es zeigte sich, dass meine erinnerungen ziemlich präzise waren und sich in den letzten 45 jahren nicht viel verändert hatte. die grundschule hatte einen erweitterungsbau vorne dran gesetzt bekommen, der kindergarten sah exakt aus wie damals. der preuswald hatte sich in den letzten 60 jahren natürlich verändert, aber vor allem, naja, wie soll man sagen — sozio-kulturell? diese „momentaufnahme“ zu 50 jahren preuswald zeichnet das ganz schön nach.
ich schreibe den text aber eigentlich aus einem ganz anderen grund. ich bilde mir ein, vor ein paar tagen einen zusammenhang bemerkt zu haben zwischen dem was wir damals im kindergarten gemacht haben und dem was william shatner und seine crew in den paramount studios in los angeles taten.
damals im hort spielten wir nämlich gelegentlich „raumschiff enterprise“. in einem nebenraum zu unserem gemeinschaftraum gab es einen kleineren raum mit einer tafel. das war unsere brücke. auf die tafel malten wir sternen-konstellationen, bzw. kartierten unseren kurs durch die galaxie. unser raumschiff hatte keine transporter, deshalb landeten wir es auf den planeten die wir ansteuerten. nach der landung öffneten wir die luken (fenster), sprangen auf die planetenoberfläche und erforschten den planeten. ich erinnere mich nicht mehr wie viele planeten wir erforschten und wie sorgfältig wir dabei vorgingen, aber ich erinnere mich, dass wir uns gelegentlich sorgen machten, ob die atmosphäre ausreichend sauerstoff enthielt.
in der rückschau oder aus erwachsenen-augen wirkt unser enterprise-spiel natürlich ein bisschen albern. aber für uns war genau das real, was wir uns als real vorstellten. erwachsene konnten wir wegen der technologie die wir nutzten (phantasie) nicht an unserer illusion teilhaben lassen.
was william shatner und seine crew auf einer soundstage in mitten von sperrholz-kulissen in los angeles tat, war im prinzip auch ein bisschen albern. man vergisst das ja manchmal, aber william shatner spielte auch nur „raumschiff enterprise“. mit weniger phantasie, dafür mit etwas mehr kreativität, ohne unbefangenheit, dafür mit professionalität und stoischer gelassenheit — weil irgendwie muss man in los angeles ja seinen lebensunterhalt verdienen.
unser „raumschiff enterprise“ spiel war darauf ausgerichtet in unseren köpfen real zu werden. wir konnten ausgedachtes einfach — widdewidde wie sie mir gefällt — zur realität werden lassen.
die fernsehversion war darauf ausgerichtet in den köpfen von zuschauern real zu werden. die fernseh-crew musste ihr ausgedachtes mühsam, mit viel trickkisten-arbeit, zur realität werden lassen.
aber „raumschiff enterprise“ haben wir alle eben nur gespielt.
ich muss aber natürlich zugeben, dass das hollywood spiel im endergebnis sehr inspirierend war. uns kindern reichte es schon ein oder zwei folgen oder einfach dem magischen vorspann der serie zu sehen, um das ganze dann in eigenregie zu übernehmen.

um das „raumschiff enterprise“ spiel vor der kamera für erwachsene in ansätzen real — und nicht all zu albern — wirken zu lassen, brauchte man damals wie heute eine grosse anzahl psychotricks („storytelling“) und viele arbeitsaufwendige griffe in diverse trickkisten („special effects“).
mir scheint jedenfalls, das wir die allgegewärtigkeit von spielen in unserer welt kräftig unterschätzen. wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, ist vieles was wir als unsere identität ansehen eigentlich ein nach-spielen. nachspielen von verhaltensweisen anderer, die wir als vorbilder sehen. das ist weder schlecht noch unpraktikabel — es funktioniert recht zuverlässig, wie die volksweisheit „spiel it till you make it“ zeigt.
aber unglücklicherweise braucht erwachsenen-spiel fast immer special effects oder tiefe griffe in trickkisten. um zu spielen, man sei ein rennfahrer müssen erwachsene sich teure ps-boliden kaufen, während kindern ein stuhl oder irgendwas rundes was man als lenkrad benutzen kann ausreicht. wenn erwachsene erfolgreiche fernsehköche spielen, brauchen sie instagram-taugliches anrichten und teures kamera-equipment, kindern reicht eine schaufel, etwas sand, wasser und ein paar förmchen.
was wir für realität halten, ist oft nur besser ausgestattetes spiel.
ich habe diesen text über die letzten fünf tage geschrieben, während ich eine covid-infektion ausschwitzte. es kann also sein, dass ich mich hier und da etwas über die grenzen der logik hinweg halluziniert habe.
nachtrag: dieses foto entstand damals zu meiner aktiven „raumschiff enterprise“-zeit.