vergessene selbstverpflichtung
vor langer, langer zeit (1997) haben sich verschiedene interessenverbände aus dem bereich der fotografie und des journalismus darauf geeinigt, wie man manipulierte, gephotoshoppte oder nachträglich veränderte (manipulierte) bilder kennzeichnen wolle:
Memorandum
zur Kennzeichnungspflicht manipulierter Fotos
Jedes dokumentarisch - publizistische Foto, das nach der Belichtung verändert wird, muß mit dem Zeichen [M] kenntlich gemacht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Manipulation durch den Fotografen oder durch den Nutzer des Fotos erfolgt.
so wurde das damals auf der webseite des „bundesverband professioneller bildanbieter“ veröffentlicht (archivlink). die url bvpa.org/m.html funktioniert schon lange nicht mehr, der bvpa.org hat das irgendwann auf diese url umgezogen: bvpa.org/bvpa-initiative-memorandum-zur-kennzeichnungspflicht-manipulierter-fotos. bemerkenswerter weise fehlt in der neueren version dieser absatz aus dem original „memorandum“:
Nach Pressekampagnen haben sich bisher folgende Publikationen bereit erklärt, manipulierte Fotos zukünftig mit dem Symbol [M] zu kennzeichnen: stern · Süddeutsche Zeitung · Brigitte · Handelsblatt · Heilbronner Stimme · taz · Autoforum · Comopolitan · Das Sonntagsblatt · Amica · Fit for Fun · Max · Cinema · TV Spielfilm · Bellevue · Der Tagesspiegel. Die Initiative im Grundsatz begrüßt haben: GEO · DER SPIEGEL · DIE WOCHE · Frankfurter Rundschau · DIE ZEIT.

wer sich jetzt wundert und fragt: „[M]? nie gesehen, nie gehört“, dem kann ich sagen: das memorandum scheint ein rohrkrepierer, bzw. eher ein obliviorandum gewesen zu sein. dieser artikel von maria jansen vom april 2000 legt nahe, dass die verleger das im detail zu kompliziert fanden:
Die Verlegerverbände BDZV und VDZ konnten sich bislang nicht zur Unterstützung des Memorandums durchringen. »Wir konnten uns in der verbandsinternen Diskussion nicht auf eine verbindliche Definition einigen, wo die kennzeichnungspflichtige Manipulation anfängt«, erinnert sich VDZ-Jurist Arthur Waldenberger an Diskussionen im Verlegerkreis. Einen Leserschutz »im Sinne der Glaubwürdigkeit der Printmedien in Abgrenzung zu anderen Medien« erachte der VDZ zwar für wünschenswert. Doch eine Verbandsempfehlung habe er nicht aussprechen können. »Wir haben es den Mitgliedern jedoch freigestellt, sich dem Memorandum anzuschließen.«
Der BDZV hingegen lehnt die [M]-Kennzeichnung bislang als inakzeptabel ab. Angeblich befürchten die Zeitungsverleger, dass eine Vielzahl von Fotos unter die Kennzeichnungspflicht fallen würde, da sehr häufig Details verändert würden, was zu einer Verunsicherung der Leser führen könnte. Außerdem sähen sich die Zeitungen nicht in der Lage, ihren Lesern den Sinn der Kennzeichnung zu erklären.
und tatsächlich wird das ja wirklich ganz schnell sehr philosophisch. eigentlich müsste jedes bild aus einem modernen smartphone heutzutage mit einem [m] gekennzeichnet werden, weil die geräte nach der belichtung heftig am bild rumoptimnieren (HDR, entrauschen, tiefenunschärfe, belichtungs- und farbkorrektur, nachschärfung, siehe auch diesen artikel zu „computational photography“).
wer hätte gedacht, dass uns fotoapparate eines tages vor philosophische dilemmata stellen würden, bzw. dass wir (und die verleger) plötzlich vor ontologischen grundsatzfragen stehen: „was ist ein foto?“
zu einem pragmatischem ansatz konnte man sich bis heute offensichtlich weder in verlegerkreisen, noch in den „wichtigsten“ interessenverbände im bereich der fotografie und des journalismus durchringen. und jetzt steht das problem, wegen KI dringender denn je wieder an der tür.
als ich vor 20 jahren zum ersten mal von diesem memorandum gehört habe, entschloss ich mich manipulierte fotos konsequent in der bildunterschrift mit einem [m] zu kennzeichnen. ganz unphilosophisch, immer dann, wenn ich das bild absichtsvoll manipuliert habe. natürlich habe ich das im laufe der jahre auch wieder vergessen, aber hiermit möchte ich mich selbst daran erinnern, manipulierte bilder (einigermassen) gut sichtbar mit [m] zu kennzeichnen. mit ki bildern sollte das genausoleicht gehen: [ki]
theoretisch wäre so eine kennzeichnung auch perfekt für maschinenlesbares gedöns. json-ld kann das wohl nicht — zeigt zumidnest oberfächliche recherche. lizenzinformationen kann man mit json-ld auszeichnen, hinweise auf ki-generierte inhalte sollen wohl in den IPTC metadaten von fotos untergebracht werden. stand jetzt ist jedenfalls bei chatgpt, dass bilder die es genereriert nicht von chatgpt mit diesen metadaten versehen werden. auch hier sind diejenigen die solche bilder verwenden in der selbstverpflichtung.
nachträglich gesehen ist es auch sehr praktisch, dass ich manipulierte bilder über die jahre nicht nur in der bildunterschrift kennzeichnete, sondern meistens auch so verschlagwortete: [m]
so hab ich heute wieder einige, teils sehr kindische, mainpulationen wiedergefunden.

anus|ˈānəs|
noun Anatomy & Zoology
the opening at the end of the alimentary canal through which solid waste matter leaves the body.
ORIGIN late Middle English : from Latin, originally ‘a ring.’
(New Oxford American Dictionary)
Anus [lat.] m. Gen. - Mz. Ani After
(Knaurs Rechtschreibung)
