leistungsschutzrecht pro und contra und zusammengefasst
arnd haller, justiziar von google nord und zentraleuropa, schrieb vor ein paar tagen zehn gründe gegen ein press-leistungsschutzrecht auf. kai biermann, resortleiter digital bei zeit online, fasste die zehn gründe zusammen — wie ich fand teilweise falsch oder ungenau. kai biermann hat auch nicht alles verstanden, was arnd haller schrieb, mir geht es da genauso, wenn ich versuche die gründe für das leistungsschutzrecht zu verstehen. was haller schrob fand ich hingegen ganz gut verständlich, wenn auch nicht so brilliant wie das was google der FTC kürzlich zu einem ähnlichen thema schrob.
nichts desto trotz, hier meine ergänzungen zu kai biermanns zusammenfassung
1. Ihr Verlage übertreibt, was Eure Verluste durch das Netz angeht.
nein. haller schreibt, dass die verlage die verluste im printgeschäft übertreiben, dass sich die behauptung, die nutzer wollen für inhalte nicht zahlen, nicht halten lässt und dass es den verlagen insgesamt wirtschalftlich gut geht.
2. Ihr müsst Euren Kram ja nicht ins Netz stellen. Aber wenn Ihr es tut, “ist es geradezu abwegig, dafür andere zur Kasse zu bitten”.
ja, abwegig ist das in der tat, aber er schreibt auch, dass verlage froh sein können, für die infrastruktur die suchmaschinen und soziale netzwerke zur verfügung stellen, nicht zahlen zu müssen.
3. Es gibt keine Gesetzeslücke sondern höchstens ein paar Probleme bei der Verfolgung von Kopisten.
was genau sind denn „kopisten“? was machen die und wie hindert das leistungsschutzrecht sie an der ausübung ihrer tätigkeit?
das urheberrecht solle bei der einführung eines leistungsschutzrechtes nicht angetastet werden, wiederholt zumindest christoph keese unermüdlich. im umkehrschluss bedeuten die aussagen von keese oder den verlagen: „Es gibt keine Gesetzeslücke sondern höchstens ein paar Probleme beim geld verdienen mit kostenlosen inhalten.“ von kopisten oder einer verschärfung beim urheberrecht redet soch keiner. oder hab ich jetzt was falsch verstanden?
4. Ein Leistungsschutzrecht käme alle viel zu teuer zu stehen, alles würde mehr kosten.
stimmt, das sagt er und es ist wohl auch sachlich richtig. denn etwas was jemandem profite beschert kostet andere nunmal etwas. aber mit der zusammenfassung bin ich trotzdem nicht einverstanden. der gedanke, den haller über seine drei absätze von grund 4 ausbreitet, dass ein leistungsschutzrecht weiten teilen der deutschen wirtschaft schaden könnte, fehlt.
5. Eure schönen Texte wären weg und nicht im Netz mehr zu finden.
die zusammenfassung hört sich an, als ob haller drohen würde. die drohung finde ich aber in hallers text weder in, noch zwischen den zeilen.
6. Ein Leistungsschutzrecht hilft Journalisten und Journalismus nicht, es macht nur Konzerne reicher.
sehr gute zusammenfassung! allerdings benutzt haller die worte „journalist“ oder „journalisten“ in diesem absatz nicht ein einziges mal.
7. Ein Leistungsschutzrecht braucht Reichweite, damit es Geld bringt. Mehr Reichweite kostenloser Inhalte aber verschlimmert nur Euer Problem, dass Ihr damit nichts verdient.
(Den Punkt verstehe ich nicht, denn wirkt das Recht, werden viele die Inhalte eben nicht mehr nehmen, damit sie nicht zahlen müssen. Die Reichweite sinkt. Entweder hat der Chefjustiziar hier einen Denkfehler gemacht, oder ich bin zu blöd.)
eigentlich ist es doch einfach: haller, oder genauer die gegner des leistungsschutzrechts, fürchten, dass die reichweite der angebote durch das leistungsschutzrecht sinken würde. die verleger fürchten das offenbar nicht, sondern behaupten noch dazu, überhaupt nur mit dem leistungsschutzrecht ihre angebote finanzieren zu können. den denkfehler sieht haller bei den verlegern, die glauben behaupten journalismus im netz nur mit reichenweitenstarken, kostenlosen angeboten und einem leistungsschutzrecht finanzieren zu können.
8. Ihr macht Eure Kunden zu Kriminellen.
sehr gute zusammenfassung!
9. Die einzigen, die wirklich etwas daran verdienen werden, sind die Anwälte, die das seltsame Recht klären und ausfechten müssen.
sehr gute zusammenfassung!
10. Es nutzt nur den Konzernen. (Hatten wir schon bei 6., steht aber noch mal da.) Und Ihr verbaut Euch die Chance auf neue Geschäftsmodelle – die Ihr dringend braucht.
man kanns auch anders zusammenfassen: ein grossteil der journalisten, denen das neue gesetz angeblich nutzen soll, leht das leitungsschutzrecht aus den gleichen gründen wir die anderen gegner ab: das leistungsschutzrecht ist wettbewerbshemmend, wirkt konzentrationsfördernd (hihi) und kommt einer kapitulation der grossen verlage vor den kräften eines freien, unregulierten marktes gleich.
und jetzt wüsste ich noch gerne wie kai biermann zu einem presse-leistungsschutzrecht steht.
wie ich oben schrieb, dass was robert schweizer, rechtsvorstand bei burda, über die gründe für das leistungsschutzrecht schrieb, kann ich nicht in allen punkten nachvollziehen. aber zusammenfassen will ich es dennoch:
1. sinn und zweck des leistungsschutzrechtes ist die unternehmerischen risiken von verlagen abzupuffern und ihnen einnahmen zu garantieren, egal wie verantwortungslos sie unternehmerisch oder journalistisch handeln.
2. die verleger beanspruchen das „ausschließliche Recht“, Presseerzeugnisse oder Teile daraus zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben
3. „ausschliesslich“ soll allerdings nur im gesetz stehen, bedeutet aber gar nicht „ausschliesslich“, sondern was ganz anderes.
4. „Das Leistungsschutzrecht der Presseverlage schützt […] die unternehmerischen Leistungen der Verlage“ — etwas was die letzten 50 jahre völlig ungeschützt der welt ausgesetzt war und zu furchtbaren zuständen im verlagswesen geführt haben muss.
5. ohne verlage sind journalisten arme würstchen.
6. das leistungsschutzrecht dient keinesfalls ausschliesslich dazu, den verlagen viel geld zu verschaffen. das ist lediglich eine sachliche konsequenz des leistungsschutzrechtes.
7. die verlage haben im internet alles richtig gemacht und sind völlig unschuldig an ihrem unternehmerischen scheitern im internet.
8. es geht nicht ums geld, sondern darum mit der technik schritt zu halten — das geht nur mit einem leistungsschutzrecht und dem geld was damit verdient werden kann.
9. werbung in presseerzeugnissen ist scheisse total unseriös. mit dem leistungsschutzrecht können wir unabhängig von werbung werden und trotzdem weiter riesige werbeeinahmen einehmen, sobald der werbemarkt wieder anzieht.
10. wir schaffen es nicht unsere inhalte im internet zu geld zu machen, also soll ein gesetz die menschen dazu zwingen uns das geld einfach zu geben.
11. qualitätsjourmnalismus und die demokratie ist nur mit geldstrotzenden verlagen am leben zu erhalten.
12. wer nur liest muss nichts bezahlen. alle anderen schon.
13. wir sind nicht zu blöd geschäftmodelle im internet zu finden. wir haben doch das leistungsschutzrecht gefunden!
14. die ordnung der welt ist nur mit dem leistungsschutzrecht zu erhalten. alles andere führt zum ende der welt.
[nachtrag 10:45h]
ich hatte helmut hartung, der das interview geführt hat, mit robert schweizer, dem burda rechtsvorstand verwechselt, der interviewt wurde. ist oben jetzt korrigiert.
antiwerbung
wer zweimal fickt, dem glaubt man nicht
es ist jeder hinsicht unsäglich dumm, was alice schwarzer kürzlich an jörg kachelmann gerichtet gesagt hat:
Vielleicht geht Ihnen aufgrund Ihrer Sexualpraktiken aber auch alles durcheinander.
dieser satz ist nicht nur dumm und arrogant, sondern auch menschenverachtend. welche sexualpraktik wäre es denn nach alice schwarzers meinung, die menschen dazu bringt nicht alles durcheinanderzubringen oder mit der man vermeiden könnte, von ihr als potenzieller verbrecher gesehen zu werden? monogame heterosexualität ohne analsex? monogame homosexualität ausschliesslich mit schmusesex? penisloser geschlechtsverkehr ohne sexspielzeug? missionarstellungssex? enthaltsamkeit? onanie? oder könnte sie die sexualpraktiken meinen, die uns die kirchen empfehlen?
und wer ist schwarzer, dass sie die zurechnungsfähigkeit, vernunft, schuld, gewaltbereitschaft oder den charakter eines menschen mit irgendeiner sexualpraktik, von der sie wahrscheinlich nur vom hörensagen aus publikationen mit seite-1-arsch-und-titten-mädchen erfahren hat, in verbindung bringen kann? die päpstin? die ethikbauftragte der deutschland AG?
was würde schwarzer sagen, wenn man ihr ihren eigenen satz vorhalten würde? „faschistIn“? „schwulenhasserIn“? „pascha“?
vor allem, welche sexualpraktik meint sie überhaupt? promiskuität? macht promiskuität tatsächlich unzurechnungsfähig? sind menschen mit mehr als einem sexualpartner, unfähig moralische kategorien zu werten und zu erkennen?
genauso unsäglich und dumm wie schwarzers geschwätz, finde ich übrigens einen satz aus julia seeligers kommentar zum thema. statt schwarzer zu empfehlen ihr bild-zeitungs-abo zu kündigen, sagt sie:
Es ist Zeit, dass Schwarzer als Feministin Nummer eins abtritt.
erstens frage ich mich wann genau sich alice schwarzer zur „Feministin Nummer eins“ erklärt hat oder wann und wo sie für sich den ersten platz unter den feministinnen beansprucht hat. da schwarzer von einem amt, dass sie nicht innehat oder dass ihr gelegentlich von der deppenfraktion angehängt wird, nicht zurücktreten kann, kann man seeligers satz nur folgendermassen lesen: „die schwarzer soll endlich die schnauze zu feministischen themen halten oder zumindest aus der öffentlichkeit verschwinden.“
dieser spruch ist mindestens genauso arrogant, überheblich und autoritär in seiner haltung, wie das gerede von schwarzer selbst.
[nachtrag 06.08.2010]
„promiskurität“ mit „promiskuität“ ersetzt und heuet beim arzt im wartezimmer eine lange geschichte über kachelmann im stern gelesen. dort stand unter anderem, einiges über kachelmann sexualpraktiken. wahrscheinlich stands so auch in einigen anderen schundblättern, die ihre ersten seiten oder andere inhalte mit nackten frauen schmücken. hatte ich vorher nicht mitbekommen und vielleicht sind kachelmann sexualpraktiken dann auch gegenstand des gerichtsverfahrens. kachelmann wegen seiner sexualpraktiken die zurechnungsfähigkeit abzusprechen finde ich nach wie vor unterirdisch. aber mir ist aufgefallen, dass ich für die behauptung diese haltung schwarzers sei menschenverachtend keine argumente geliefert habe. passender wäre wohl das verbohrt, ideologisch oder katholisch zu nennen. in wahrheit ist es wohl einfach nur selbstüberschätzung, intoleranz und arroganz.
felix schwenzel schreibt rote zahlen
geiseln der rechtschreibkorrektur
ein bisschen musste ich schon lachen, als ich am montag im gedruckten tagesspiegel folgendes las:
Jahrhundertelang war sie eine der Geiseln der Menschheit, inspirierte aber auch die Kunst: die Syphilis.

immerhin — und das kann man gar nicht genug loben, hat der tagesspiegel es für die online-version korrigiert.
wir plagieren dazs
toll, häagen-dazs wirbt jetzt mit dem mcdonalds-claim „ich liebe es“. na gut ein bisschen abgewandelt, trotzdem abgenudelt.

demnächst wirbt dann die bäckerinnung mit „ich liebe brot“, bastian sick mit „ich liebe dem“, rocco siffredi mit „ich liebe die“ und beate uhse mit „wir lieben liebesmittel“. oder so.
[nachtrag 20:30h]
so gehts natürlich auch.
charles peugeot arbeitet für citroën
sachen gibts:

charles peugeot appointed as citroën UK sales director.
[via top gear s15e05]
vpn

heute habe ich bei patrick wollny gelesen, wie er sich seinen „Fernseh/Filmtraum“ erfüllte: mit einem VPN. ein VPN-zugang mit dem sich das blödsinnige GEO-Blocking umgehen lässt, dass uns innovationen beschert hat wie youtubes fehlermeldung „This Video is not available in your country“ oder die sperrung des streamings von „the it-crowd“, wenn man ausserhalb von grossbritanien lebt.
patrick wollny hat das umgehen des geo-blockings mit dem kostenpflichtigen service blackvpn.com erreicht, also hab ich das auch mal ausprobiert:
mit dem referral-Code von patrick wollny (PVMYKHR) kostet das „global package“ mit dem man sich anonymisiert als brite, amerikaner oder europäer ausgeben kann für drei monate nur 10 euro (regulär 10 euro pro monat). nachdem vor einer weile ich mit dem kostenlosen (werbefinanzierten) dienst „hotspot shield“ keine so guten erfahrungen gemacht habe (zu langsam, unvollständige integration) hab ich mir also mal das „global package“ von blackvpn besorgt, es konfiguriert (einfach) und getestet. und ich muss sagen, ich bin begeistert, es funktioniert durch die fritzbox sogar mit mehreren individuellen vpn-tunneln von verschiedenen rechnern.
hulu funktioniert, der bbc iplayer und channel4 funktionieren ruckelfrei und zuverlässig. alles anonym (blackvpn fertigt keine logfiles an), sicher (mein provider sieht nicht mehr auf welchen seiten ich surfe) und eben ohne blockwarte die einem sagen, man komme aus der falschen region.
als ich eben beim abendbrot begeistert davon erzählte was man jetzt plötzlich alles sehen könne und wie toll das funktioniere, sagte das kind nur trocken: „VPN? bei mir inner schule haben das schon alle“.
naja. jetzt haben wir es eben auch. und ich kanns nur empfehlen.
[hier gibts ne liste von weiteren VPN-diensten]
[nachtrag 31.07.2010]
ich habe jetzt auch einen eigenen referal-code mit dem man blackvpn billiger bekommt (und ich kostenlose blackvpn-zeit wenn sich menschen dadrüber anmelden): PVUVGHT
lügen heisst jetzt „PR“
derwesten schrob (und zitiert damit ein bild-interview mit rainer schaller):
Zu den erwarteten Besucherzahlen von bis 1,4 Millionen sagte Schaller, solche Zahlen vorab seien Schätzungen. Auf so einer langen Veranstaltung „kommen und gehen Menschen“. Fakt sei, dass bis 14.00 Uhr nur 105 000 Menschen mit der Bahn gekommen seien. Und Luftbilder bewiesen, dass der Platz zum Zeitpunkt der Tragödie nur zu 75 Prozent gefüllt gewesen sei. Auf die Frage, ob die hohen Zahlen also nur PR und nicht die echte Teilnehmerzahl gewesen sei, sagte Schaller: „Das kann ich nicht verneinen.“
daran sieht man, dass es eine ganz hervorragende idee ist solcherlei lügen-PR zu machen, denn jetzt geniesst rainer schaller als loveparade-veranstalter natürlich grösstmögliches vertrauen, wenn er sachen sagt wie:
Alle Auflagen, die wir bisher geprüft haben, haben wir zu 100 Prozent erfüllt.
[nachtrag 9:55h]
erst jetzt gesehen, dass derwesten sich bei den schaller-ziaten bei der bild-zeitung bedient hat.
rügen

alles was ich bis vor kurzem über rügen wusste, war geprägt von diesem bild von caspar david friedrich.
nach unserem urlaub auf rügen weiss ich, dass die wirklichkeit, wie so oft, ganz anders aussieht:

na gut. das war polemisch. rügen ist an vielen ecken noch viel schöner als caspar david friedrich es darstellte. wie zum beispiel hier, auf der halbinsel mönchgut.

oder hier, im nationalpark jasmund, an der rügens kreidefelsen steilküste langsam aber sicher abbröckelt.

die kreidefelsen und bäume, die sich caspar david friedrich zum vorbild für sein (höchstwahrscheinlich) konstruiertes bild nahm, dürften schon lange in die ostsee gefallen sein. so hiess es in diversen reiseführern, dass die wissower klinken friedrichs vorbild gewesen sein könnten, dabei existierten sie zu caspar david friedrichs zeiten noch gar nicht, sondern erst später durch das küstenbröckeln entstanden. 2005 sind dann auch die eigentlichen wissower klinken ins meer gestürzt.
die rügener kreidefelsen kann man auf dreierlei art betrachten, von oben, über einen wanderweg durch den nationalpark jasmund, von unten, vom strand aus oder vom meer aus. wir haben sie von oben und vom meer aus betrachtet.

oben auf den kreidefelsen rumzuklettern ist ein bisschen unheimlich, da die felsen teilweise sehr hoch sind und selbst der relativ frisch angelegte wanderweg teilweise opfer der erosion geworden ist.

die küste um den nationalpark jasmund wird übrigens durchaus absichtlich nicht vor der erosion beschützt. es gibt keinerlei küstenschutzmassnahmen, wie wellenbrecher, vor den kreidefelsen. das ist schön anzusehen, aber auch ein bisschen morbide.
prora
prora ist auch ein bisschen morbide. ein mehrere kilometer langer, unvollendeter bau, der den nazis zur volkserholung dienen sollte und der nach dem krieg teilweise gesprengt, teilweise leer stehen gelassen wurde und später der NVA als kaserne diente. oben im norden bröckeln die ruinen als rohbauten vor sich hin, weiter südlich, in dem teil der der NVA als kaserne diente, wird der bau als diskothek, zum softeisverkauf und als musuem genutzt.


über prora und das „NVA-museum“ (oder die „KulturKunststatt Prora“) kann man sich furchtbar aufregen oder einfach reingehen und sich beständig an den kopf fassen.
das museum besticht vor allem durch seine völlig ungeniert zur schau gestellte piefig- und spiessigkeit, aber auch völlige hilflosigkeit und hang zum absurden. dieses bild fasst die absurdität und spiessigkeit auf das treffenste zusammen:

auch die originalgetreu nachgestellten NVA manschafts- und gäste-quartiere stürzten mich vor überbordender DDR-spiessigkeit beinahe in depression:


genauso wie die zahlreichen kopfsteingepflasterten landstrassen auf rügen, die dauercamper auf den campingplätzen und die sächselnden urlauber, weckte das NVA-, KDF und dings-museum mit seinen DDR-gardinen und -tapeten unfassbar viele assoziationen an meine DDR-besuche in den siebziger- und achtziger jahren. das einzige was neben der einlullenden spiessigkeit noch fehlte war der geruch von brennender braunkohle.
besonders beeindruckend fand ich die völlige konzeptlosigkeit des musseums. einerseits wird prora und seine geschichte scheinbar neutral und authentisch dokumentiert und erhalten (ein raum rekonstruiert sogar das aussehen der geplanten KDF-urlauberzimmer, selbst die gästetoiletten unterscheiden sich durch nichts ausser den amaturen von den NVA-austellungstoiletten), andererseits sind mehrere räume vollgestellt mit hunderten antiker nähmaschinen, schreibmaschinen oder ausgestopften tieren. warum und wozu (um es mal turiesque auszudrücken): unklar.
völlig unklar auch, warum nachgestellte manöver- oder kriegsszenen mit blutigen spielzeugsoldaten in einem museums-„modellbauzirkel“ mit 11 oder 12jährigen kindern im modell nachgebaut und in einem eigenen raum ausgestellt werden.

obwohl völlig unklar ist es dann doch nicht, in der werbebroschüre des „förderkreises binz jugend aktiv“ schreibt der kursleiter:
Die Teilnehmer/innen lernen so auf spielerische Art den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen und Farben, entwickeln handwerkliches Geschick und trainieren ihre Ausdauer und Konzentration auf spielerische Art und Weise und haben nach Fertigstellung ein Erfolgserlebnis.
das mit dem umgang mit den farben muss allerdings noch geübt werden:

essen
auf rügen gibt es an jeder ecke einen discounter und an jeder zweiten ecke einen fischstand, der selbstgeräucherten fisch verkauft. in der hochsaison haben sowohl die rügener discounter, als auch die räucherfischverkäufer jeden tag in der woche geöffnet. das hatte zur folge, dass wir jeden mittag geräucherten fisch assen (das kind möchte übrigens „nie wieder“ fisch essen) und fast jeden abend in alufolie gewickelte und auf holzkohle gelegte kartoffeln, die wir jeden tag mit einem kräuterquark eines anderen discounters (und salat, gemüse und gelegentlich fleisch) kombiniert verspeisten. zum nachtisch gabs fast immer wassermelone.
das hört sich jetzt unglaubwürdig an, aber selbstzubereitetes essen auf dem campingplatz schmeckt ungefähr 20mal besser als anderswo.
und den besten räucherfisch gibts in vitt (qype review).
lupo
erstaunlich was alles in einen lupo passt. drei personen, ein viermann-zelt, ein viermann schlauchboot, ein tisch, zwei luftmatrazen, drei decken und kopfkissen, eine komplette bad und küchenausstattung, ein grill, zwei taschenlampen, sechs stühle, ein wasserkocher, ein kühlschrank, drei reisetaschen, ein laptop, drei handys, zwei ipods, ein navigationssystem, ein sonnenschirm, drei bastmatten, ein ventilator, drei wäscheleinen, ein handfeger, eine spülschüssel, zwei öllampen, sechs paar schuhe, sechs bücher. was keinen platz mehr hatte waren: ein liter milch und drei kilo holzkohle.


strände
rügen hat unglaublich viele strände. alle riechen ein bisschen unangenehm, was an der derzeit stark mit algen belasteten ostsee liegen kann oder an meinem mundgeruch. manche strände muten beinahe karibisch an (zum beispiel westlich vom kap arkona), manche (wie die an den ostseebädern binz, baabe oder göhren) wie überlaufene nordsee- oder sylt-strände und manche wie steinbrüche. manche strände wirken wie das ufer des gartenteichs bei meinen eltern, andere wie die an einem baggersee, andere wirken entrückt und überzeichnet wie strände aus dem spiel „myst“.









[die fotos mit einigermassen realistischen farben hat die beifahrein mit einer richtigen kamera gemacht, die mit den verwaschenen, stichigen farben habe ich mit meinem palm pre gemacht. falls sich jemand wundert.]
datuw und uhrzeit
meta
so ähnlich war es bei mir und der beifahrerin auch
relevanz ist firlefanz

ganz im ernst, lokalblättchen lesen (hier ostsee-zeitung) macht spaß. alles sehr, sehr entschleunigt.
endlich urlaub!
volksparteien im internet
interessanter vortrag des grünen öffentlichkeitsarbeiters robert heinrich über soziale netzwerke „als Seismograph, die Macht der vernetzten Unterstützer, wachsende Wechselstimmung und charismatische Mobilisierung“ auf carta:
Parteien waren eigentlich immer schon dezentrale Kommunikationsnetzwerke. Ein Parteivorsitzender wusste nie, was sein Mitglied am Wahlkampfstand wirklich erzählt. Den immer wieder genannten “Kontrollverlust” gibt es also schon immer, im Netz setzt er sich jetzt fort. Der Unterschied ist, dass er im Netz besser kontrollierbar, also sichtbarer ist, als im “Offline-Leben”.
erinnert mich ein bisschen an das, was ich vor einem monat gesagt habe.
das leben in vollen zügen geniessen

immer wenn ich solche züge sehe, frage ich mich warum die leute sich da rein quetschen, statt auf die nächste, meist völlig leere bahn zu warten, die, zumindest in berlin, fast immer genau 3 minuten später kommt. das muss diese kostenlos- sofort-kultur sein.
online-werbung
linkloser artikel von frederic filloux (ist der name echt?), vermutlich aus der printausgabe der washington post, über die scheissigkeit von online-werbung und die unfähigkeit der branche innovationen voranzutreiben: „Why is digital advertising so lousy? Industry is too smug to innovate.“
siehe auch meinen artikel zum thema vom 24.06.2010. via thomas knüwers bookmarks.
journalismu$
sehr lesenswerter artikel von jens weinreich über die finanzierung von journalismus und jens weinreich. ich weiss zwar nicht ob jens weinreich einverstanden ist, wenn ich den artikel wie folgt zusammendampfe, aber ich glaube es könnte passen:
er hat das gefühl, dass er mehr von seinen lesern zurückbekommt und dass es dem artikel besser tut, wenn er ihn in seinem blog veröffentlicht, als bei einer zeitung oder einem portal wie spiegel-online. und auch wenn es so aussieht, als verschenke er seine arbeit oder versenke sie in einem endlos tiefen brunnen, sieht er das bloggen als den (fast) einzigen weg, journalismus zu betreiben, weil er einfach viel mehr zurückbekommt, als auf dem herkömmlichen weg. mit einem entscheidenden unterschied: die finanzierung lässt sich so nicht ohne weiteres sichern. nur beim print ist das nicht anders:
Zudem, seien wir ehrlich, das ist oft genug beschrieben, man schaue sich nur hier um, die Umsätze freier Journalisten nähern sich rasant der Nullmarke, vor allem im Printgeschäft, jeder weiß das.
ob die lösung der finanzierungsfrage nun in werbung, flattr, kashingle, spenden, stiftungen oder ganz woanders liegt, können derzeit weder jens weinreich, noch sascha lobo, christoph keese, ich oder sonstwer beantworten. obwohl, ich für meinen teil habe eine vorläufige lösung gefunden. neben den 20-40 euro, die ich für gedruckten journalismus im monat ungefähr ausgebe, werde ich künftig mindestens 20-30 euro im monat per flattr für nicht gedruckten journalismus ausgeben.
dass ich in den letzten beiden monaten über flattr mehr eingenommen habe als ich ausgegeben habe, ist ein netter nebeneffekt, der aber nach meiner einschätzung keinen bestand haben muss (und wird). ich werde es sicher nicht schaffen, jeden monat 4-5 artikel zu schreiben die so kräftig geretweetet werden (oder so viel aufmerksamkeit erzeugen können), dass eine nennenswerte umwandlung von aufmerksamkeit in flattrs (oder werbeeinnahmen) stattfinden wird. abgesehen davon, dass ich mich auch durch einen vollzeit-job gegenfinanziere und mit dem schreiben kein geld verdienen muss.
aber, wie ich schon ein paar mal gesagt habe, ich sehe in flattr weniger die möglichkeit geld einzunehmen (was trotzdem ein netter nebeneffekt ist), sondern als die derzeit beste und sinnvollste möglichkeit guten journalismus zu belohnen und (mit) zu finanzieren. und mit „journalismus“ meine ich keinesfalls nur das was journalisten produzieren, sondern das was mir an geschriebenen texten unterkommt und von denen ich lerne, die mich unterhalten, auf neue sichtweisen bringen, zu neuen erkenntnissen oder auf den letzten stand bringen. oder wie jens weinreich „journalismus“ auf eine weise beschreibt, dass ich das wort erstmals seit langer zeit nicht als arroganten oder verzweifelten versuch der abgrenzung verstehe:
Journalismus heißt für mich: Dialog. Diskutieren. Lernen. Vernetzen. Fehler eingestehen und korrigieren. Quellen offenlegen, solange nicht Quellenschutz gewährleistet werden muss, weil Hinweisgeber sonst Probleme bekommen. Journalismus heißt für mich: Wissen weitergeben. Verlinken. Dokumente zur Diskussion stellen. Einordnen. Erklären. Analysieren. Kommentieren. Berichten. Recherchieren. Dranbleiben. Beißen. Oder es wenigstens versuchen.
Journalismus heißt: Den Arbeitsprozess transparent gestalten. Den Leser/Hörer/Zuschauer/Diskussionspartner/Experten mit nehmen auf die Reise und immer auch erklären, wie ein Produkt entstanden ist. Ich liebe und lebe das.
Es heißt auch, mit einer Fachkompetenz, die man sich erarbeiten kann, den Lotsen zu spielen, den Moderatoren.
mit dieser definition von journalismus, würde ich mich tatsächlich auch nicht mehr beleidigt fühlen, nannte mich mal wieder jemand „journalist“. wissen, erfahrungen, erkenntnisse weitergeben, unterhalten, berichten, einordnen, es versuchen, sich plagen. das sind die dinge, die ich auch als meine maximen für das was ich hier tue beschreiben würde. mit dem erklären und moderieren und der fachkompetenz haperts bei mir noch ein bisschen — und deshalb würde ich mich auch nach dieser definition weiterhin nicht „journalist“ nennen.
was ich aber eigentlich sagen wollte: warum reden alle darüber, ob und wie man mit flattr oder kashingle geld verdienen kann und nicht darüber was für eine grossartige, einfache, gerechte und zielgerichtete möglichkeit flattr ist, um guter arbeit anerkennung zu schenken? oder kurz gesagt: geht hin und flattert, heute vor allem jens weinreich.
aprops journalismus. frank schmiechen kann man nicht flattern, würde ich auch nicht tun, aber nachdem ich ihn heute beim bockigen zurückrudern beobachtet habe, hab ich ihm spontan für seinen schlusssatz einen tweet geschenkt.
sorry für die bescheuerte überschrift.