spotify connect und airplay lautsprecher für 100 euro

felix schwenzel, , in artikel    

nachdem wir uns vor ein paar monaten einen neuen receiver von yamaha gekauft haben, hatten wir auch einen mussiccast-lautsprecher dazu gekauft, der regulär 229 euro kostet. die yamaha-lautsprecher haben zwar „multiroom“-fähigkeiten, man kann also die gleiche musik in mehreren räumen spielen, aber sie sind mono und die beifahrferin fand den klang so schlecht, dass sie das teil eigentlich zurückgeben wollte. weil das kind den lautsprecher ok fand, haben wir ihn dann doch behalten, aber das kind durfte ihn nach seinem auszug mitnehmen. das ding funktioniert auch standalone als airplay und spotify-connect-lautsprecher.

jetzt wollte die beifahrerin die musiklücke im kinderzimmer schliessen und neue lautsprecher kaufen. die yamaha-musiccast-lautsprecher waren ihr aber zu teuer und zu mono. die können zwar auch stereo, aber dann müsste man zwei kaufen und ist ruckzuck fast 500 euro los. also entschieden wir uns wegen guter rezensionen für ein paar „dumme“ — genauer: unvernetzte — aktivlautsprecher für 40 euro. ich dachte mir, dass ich mir meinen ersten raspberry-pi kaufe und irgendwas bastle, um die lautsprecher zu vernetzen.

die lautsprecher kamen ein paar tage vor dem raspi und hörten sich für 40 euro wirklich gut an. nur das iphone manuell anzustöpseln zum musikhören fühlte sich enorm unpraktisch und hinterwälderisch an. als der raspberry endlich da war, installierte ich das komplettpaket pimusicbox drauf. das ist wirklich einfach: image downloaden, auf eine SD-karte kopieren, in den raspi stecken, erst mit ethernetkabel booten und dann die wichtigsten einstellungen über eine webseite konfigurieren. wenn der pi danach neu bootet, verbindet er sich per wlan und wird von rechnern und telefonen als airplay-lautsprecher erkannt. über eine weboberfläche kann man auch playlisten erstellen, lokal auf dem pi vorhandene musik abspielen oder von netzlaufwerken musik abspielen. es gibt auch eine spotify-integration, die aber eher umständlich über die weboberfläche gesteuert werden will.

in zeiten von spotify-connect will das aber eigentlich keiner, also wir zumindest nicht. wenn der spotify-client auf dem telefon oder dem rechner läuft, will die beifahrerin den lautsprecher am liebsten per spotify-connect ansteuern, vor allem weil sie meint, dass über airplay immer wieder ruckler (alle 1-2 stunden) zu bemerken wären. spotify-connect können der yamaha-receiver und der echo dot in der küche auch und es fühlt sich an, wie das perfekte, reibungslose bedienkonzept.

richtig befriedigende lösungen spotify-connect auf den pi zu bringen gibt’s nicht so viele. wenn man das thema googelt, schlagen viele vor, einen linux-spotify-client auf dem pi zu installieren, komplett mit x-windows und gedöns. andere lösungen wollen einen spotify-API-key, den spotify aber nicht mehr rausrückt. dann fand ich irgendwo einen hinweis auf librespot, einen reverse engineerten spotify-connect-client. die kompilierung von librespot schien mir aber ein ticken zu schwer, weshalb ich froh war einen hinweis auf den fork von @herrernst zu finden, der vorkompilierte binärdatein von librespot zum download anbietet.

einfach runterladen, auspacken und starten:

./librespot --name musikkind --cache /tmp

damit taucht der raspberry-pi-lautsprecher schon als spotify-connect lautsprecher in der spotify-app auf.

damit waren 80% der arbeit an einem abend erledigt: der pi hatte ein betriebsystem, lief rund und war mit dem wlan verbunden, ohne dass ich auch nur eine zeile in die kommandozeile schreiben musste, die lautsprecher waren per airplay und spotify-connect erreichbar und alles klang gut.

na gut ein bisschen musste ich doch in der kommandozeile rumwerkeln, weil airplay nicht auf anhieb funktionierte. ich folgte dieser anweisung um das problem zu beheben und deaktivierte den firewall von pimusicbox indem ich die erste (bzw. zweite) zeile der datei /etc/network/if-up.d/iptables:iptables-restore auskommentierte.

die restlichen 20% arbeit, librespot automatisch zu starten und am laufen zu halten, hielten mich dann die folgenden zwei wochen auf trab.

* * *

die pimusicbox startet die konfigurierten dienste, wie bei linux üblich, über init-daemons und sorgt mit einen monit-server-dienst daür, das ein paar der beim booten gestartetet prozesse überwacht und im zweifel neu gestartet werden. für librespot habe ich mir das startscript erstmal selbst zusammengestöpselt und dabei ist das rausgekommen:

/etc/init.d/librespot

#!/bin/sh
#
# librespot daemon start/stop script.
#
# Written by Alexei Vladishev <alexei.vladishev@zabbix.com>.
# changed by ix
#
### BEGIN INIT INFO
# Provides: librespot
# Required-Start: $network $remote_fs
# Required-Stop: $network $remote_fs
# Should-Start: $named alsa-utils avahi dbus pulseaudio
# Should-Stop: $named alsa-utils avahi dbus pulseaudio
# Default-Start: 2 3 4 5
# Default-Stop: 0 1 6
# Short-Description: librespot server
### END INIT INFO
#
NAME=librespot
PATH=/bin:/usr/bin:/sbin:/usr/sbin:/opt/:/usr/bin
DAEMON=/usr/bin/${NAME}
DESC="librespot server daemon"
PIDFILE=/var/run/$NAME.pid
#
# Define LSB log_* functions.
. /lib/lsb/init-functions
#
test -f $DAEMON || exit 0
set -e
case "$1" in
start)
echo "Starting $DESC: $NAME"
#start-stop-daemon --oknodo --start --make-pidfile --pidfile $PIDFILE --exec $DAEMON -- --name musikkind --cache /tmp --onstart /root/librespot_play.py --onstop /root/librespot_stop.py #> /dev/null 2>&1 &
start-stop-daemon --oknodo --start --make-pidfile --pidfile $PIDFILE --exec $DAEMON -- --name musikkind --cache /tmp > /dev/null 2>&1 &
;;
stop)
echo "Stopping $DESC: $NAME"
start-stop-daemon --oknodo --stop --pidfile $PIDFILE --exec $DAEMON -- --name musikkind --cache /tmp > /dev/null 2>&1 &
;;
restart|force-reload)
$0 stop
sleep 3
$0 start
;;
status)
status_of_proc "$DAEMON" "$NAME" && exit 0 || exit $?
;;
*)
N=/etc/init.d/$NAME
echo "Usage: $N {start|stop|restart|force-reload}" >&2
exit 1
;;
esac
exit 0

damit lässt sich dann /usr/bin/librespot (dahin habe ich die ausführbare binärdatei verschieben) starten, stoppen und abfragen:
/etc/init.d/librespot start
/etc/init.d/librespot stop
/etc/init.d/librespot status

damit monit sich um den dienst kümmert habe ich noch diese kleine monit-startdatei in /etc/monit/conf.d/librespot gelegt:


check process librespot with pidfile /var/run/librespot.pid
      start program = "/etc/init.d/librespot start"
      stop program = "/etc/init.d/librespot stop"
      restart program = "/etc/init.d/librespot restart"

damit librespot direkt nach dem startvorgang startet (und nicht erst wenn monit den dienst startet), habe ich diese letzte zeile in der datei /opt/musicbox/startup.sh hinzugefügt:

/etc/init.d/librespot start

* * *

oben habe ich es auskommentiert, aber ich nutze noch eine option von librespot um den abspielstatus in meinem home-assistant anzuzeigen. gibt man librespot die startoptionen --onstart und --onstop mit, kann es zum start und stop des playbacks eine datei ausführen. ich lasse librespot je zwei kleine python-scripte ausführen, die den status per mqtt veröffentlichen, was ich dann im home-assitant anzeigen lassen kann. in /root/librespot_play.py steht:


#!/usr/bin/env python
import paho.mqtt.publish as publish
import sys
 
def publish_message(topic, message):
print("Publishing to MQTT topic: " + topic)
print("Message: " + message)
auth = {
'username' : 'xxx',
'password' : 'xxx'
}
publish.single(topic, message, hostname="192.168.1.57", port=xxx, auth=auth)
 
if __name__ == '__main__':
publish_message("musikkind/librespot/status", "play")

/root/librespot_stop.py unterscheidet sich lediglich im payload der mqtt-nachricht. das python-script funktioniert natürlich nur, wenn man die entsprechenden abhängigkeiten vorher installiert, also mindestens python und paho-mqtt.

* * *

librespot funktioniert eigentlich ganz gut. manchmal, nach längerem leerlauf stürzt das programm aber ab, vermutlich weil eine der verbindungen zu spotify abgebrochen ist und das programm sich lieber panisch abbricht, als die verbindung neu aufzubauen. das fängt dann aber monit ab, das den librespot-prozess wieder neustartet, in der standardeinstallung allerdings unter umständen erst nach zwei minuten, weil der prüfzyklus von monit standardmässig auf zwei minuten gestellt ist. das lässt sich aber in /etc/monit/monitrc anpassen, indem man set daemon 30 statt set daemon 120 einträgt.

dazu kommt, dass spotify das reverse-engineerte librespot wohl nicht mehr so gerne sieht und immer wieder sperrt oder änderungen an der (undokumentierten) API vornimmt. @plietar bessert librespot zwar immer schnell nach, aber bei den letzten änderungen ist @herrenst mit seinen binaries nicht immer nachgekommen.

zuerst habe ich versucht librespot selbst auf dem pi zu kompilieren, bin aber daran gescheitert die entsprechenden abhängigkieten (hunderte von megabyte) zu installieren, bzw. zum laufen zu bringen. ich habe mit raspotify von @dtcooper aber einen einfachen weg gefunden, librespot selbst zu kompilieren: per docker auf dem mac. nachdem docker installiert ist, reicht es folgendes in der kommandozeile auszuführen und ein bisschen zu warten:


git clone --recursive https://github.com/dtcooper/raspotify
cd raspotify
./build_raspotify.sh

am ende spuckt das script eine .deb-datei aus, die man auf dem pi instalieren kann: einfach in /tmp kopieren und auf dem pi folgendes in der kommandozeile ausführen (je nachdem wie die .deb-datei benannt ist):


cd /tmp
sudo dpkg -i raspotify_0.4~librespot-6f24e3b-1_armhf.deb
rm raspotify_0.4~librespot-6f24e3b-1_armhf.deb

damit landet librespot in /usr/bin, also da wo das start-script die datei auch erwartet.

den letzten librespot-fix von gestern habe ich einfach in raspotify/librespot/src/connection/mod.rs selbst gepatcht und dann alles neu kompiliert. bis jetzt funktioniert es.

* * *

tl;dr: statt knapp 500 euro auszugeben, habe ix einfach sehr günstige, dumme, unvernetzte [-werbelink] aktivlautsprecher mit einem [-werbelink] raspbery pi vernetzt und damit nur knapp 100 euro ausgegeben und viel bastelvergnügen gehabt.

unsere zweit-„anlage“

Spielen lernen von China (t3n 48)

felix schwenzel, , in artikel    

Wenn ich die Vielfalt, Kreativität und enorme Produktivität sehe, die von China aus den Weltmarkt seit Jahrzehnten überschwemmt, frage ich mich, was wir, die uns ja immer noch als Exportweltmeister sehen, von China lernen können.

Der wirtschaftliche Erfolg Chinas ist, trotz vieler innenpolitischen Probleme, unbestritten. Vor allem produziert China nicht mehr nur billigen Tand, Plastikspielzeug oder mittelgut gemachte Kopien westlicher Produkte, sondern China hat sich auch zu einem der wichtigsten Produzenten von hochwertigen elektronischen Geräten gemausert. Auf einem dieser Produkte tippe ich diese Kolumne, während mir eine Ikea-Lampe Made in China gedimmtes Licht spendet. Viele westliche Hersteller lassen ihre Geräte nicht mehr nur wegen der niedrigen Lohnkosten in China fertigen, sondern in zunehmenden Maße auch, weil chinesische Hersteller mittlerweile fast die Einzigen sind, die entsprechende Mengen in der geforderten Qualität liefern können. Auch in Sachen Originalität und Innovation kann China mithalten. So sind zum Beispiel die E-Zigaretten, aus denen immer mehr Menschen mit Nikotin versetzten Diskonebel inhalieren, eine chinesische Erfindung.

Wenn ich hingegen Nachrichten lese, frage ich mich, was wir alles lieber nicht von China lernen sollten. China ist eben nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern nach Ansicht vieler eine autoritäre Diktatur. Der Grossteil der Bevölkerung lebt nach wie vor in bitterer Armut, Korruption ist alltäglich, politische Dissidenten werden verfolgt, das Internet zensiert. Es gibt viele Dinge, die China richtig macht, aber eben auch viele, die westlichen und demokratischen Werten zuwider laufen und die wir keinesfalls opfern sollten, um dem wirtschaftlichen Erfolg Chinas nachzueifern.

Wenn es aber tatsächlich etwas gäbe, was wir von China lernen können, dann wäre es neben einer hemmungslosen Kopier- und Experimentierfreude, die Liebe zum nutzlosen Tand. Der heilige Ernst, der viele unserer Projekte bestimmt, würde durch eine eher spielerische, kindisch-neugierige Herangehensweise einiges an neuen, kreativen und produktiven Energien freisetzen.

Die Liebe der Chinesen zum nutzlosen Tand ist vor allem auf Onlinemärkten wie alibaba.com und in den Märkten in Huaqiangbei (in der Nähe von Hongkong) zu bestaunen. Die Märkte erstrecken sich über viele Stadtviertel und sind zum bersten gefüllt mit elektronischer Markenware, Fälschungen und eben mehr oder weniger originellen Variationen von nützlichem und unnützen Zeug.

Kaia Dekker hat kürzlich darüber geschrieben, was man in den Märkten von Huaqiangbei alles bekommt. Ihr Mann Jesse Vincent hatte die Idee ein paar Kunden anzubieten, ihnen für 50 Dollar eine Kiste mit „nutzlosem, erstaunlichem Mist“ zu schicken, den er in den Märkten von Huaqiangbei kaufen würde. Für jeweils 30 Dollar wollte er Gadgets für 25 Kisten kaufen, den Rest kalkulierte er für den Versand und einen möglichen, kleinen Profit.

Obwohl die Händler in den Märkten natürlich am ehesten auf Käufer von grossen Stückzahlen aus sind, waren die Preise die Jesse Vincent angeboten bekam frappierend. Die völlig bekloppten, Silikon-beschichteten USB-Lämpchen, die ich für fünf Euro auch schon in deutschen Elektronikmärkten gesehen habe und die derzeit bei Amazon für um die drei Euro angeboten werden, kaufte er für elf US Cent pro Stück. Kleine USB-Ventilatoren, die man für fluffigere Selfies ans Handy stecken kann, kaufte er für 45 US Cent. Der Preis bei Amazon für ähnliche Ventilatoren liegt um die fünf Euro.

Ich mag dieses unnütze Zeug wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum ich (immer noch) Überraschungseier mag: Einerseits bewundere ich den Gestaltungswillen und die In­ge­ni­o­si­tät der Konstrukteure und andererseits inspiriert mich nutzloses Zeug, doch noch einen Nutzen oder eine Verwendung dafür zu finden.

Am meisten mag ich an diesem nutzlosen Zeug aber die Tatsache, dass es das überhaupt gibt, dass es Menschen gibt, die es wagen nutzlose Sachen in riesigen Stückzahlen zu produzieren. Aus dieser Haltung spricht die Zuversicht, dass es viele andere Menschen gibt, die ihr kindliches Gemüt behalten haben, aber vor allem die Zuversicht, dass sich aus nutzloser Spielerei, aus dem Experimentieren, dem Kopieren, doch irgendwann Chancen ergeben etwas Wertvolles, Nützliches, Neues zu schaffen — oder zumindest Profit und einen Haufen neues Wissen angesammelt zu haben.

Innovation ist eine direkte Folge von scheinbar nutzloser Spielerei. Daran sollte uns China jeden Tag erinnern.

(auf t3n.de lesen)

mein vortrag auf der #rp17

felix schwenzel, , in artikel    

weiter unten die schriftfassung meines #rp17 vortrags, hier die videofassung.

youtube-video
youtube

was mich sehr freut ist das viele positive feedback. für christian de vries war es einer der besten vorträge der republica und in ein paar top-listen, tauchte mein vortrag auch auf (eins, zwei, drei, vier). anke tröder hat’s gefallen, auch wenn sie mir immer noch die häfte meiner folien wegnehmen möchte. frederik fischer nannte meinen vortrag „niveauvolle Unterhaltung“, für jolle lahr-eigen hab ich’s nach elisabeth wehling auf ihren „persönlichen zweiten Rang“ geschafft, bei joel.lu habe ich etwas berührt.

* * *

update: die kunst des liebens

mir ist das alles ein bisschen peinlich.

ich hasse pathos und ich hasse vortragstitel, die keinen ironischen ausweg anbieten. dieser vortragstitel ist so pathetisch, dass er beinahe platzt vor ironischer ausweglosigkeit.

katia, meine frau, meint, ich müsse mich vorab dafür entschuldigen, dass der vortrag so pathetisch und ernst sei.

der witz ist: das ist kein witz.

angefangen habe ich (2010) hier auf der republica mit mildem sarkasmus. ich habe mich — doppeldeutig natürlich — gefragt, warum das internet scheisse ist. der vortrag lässt sich sehr kurz zusammenfassen: weil die welt scheisse ist.

dem gedanken bin ich dann 2013 weiter nachgegangen, als ich mir „10 vorschläge um die welt zu verbessern“ aus der nase zog.

die kunst des liebens

im prinzip habe ich mir diese frage jetzt, vier jahre später, erneut gestellt. nur dass ich diesmal in erich fromms büchern und nicht im internet nach antworten und lösungsansätzen gesucht habe.

weil das motto der republica dieses jahr nun mal liebe ist, habe ich mich erinnert, dass ich als sechzehn/siebzehn-jähriger, erich fromms buch, die kunst des liebens, unglaublich toll fand. und dass ich es doch eigentlich nochmal lesen und hier davon erzählen könnte.

ix, so um 1987

das schlimme und gleichzeitig gute ist: ich fand’s wieder toll. toll, weil es wirklich ein grandioses buch ist und weil ich merkte, wie sehr mich die frühe lektüre dieses buches geprägt hat. oder andersrum, wie sehr dieses buch beim wiederlesen meine vorstellungen vom leben bestätigte.

ich kann hier nichts ironisch brechen, keinen sarkasmus ausstreuen — sondern nur aufrichtig schwärmen.

das einzige was mir einfällt um einmal kurz aus der pathos- und ernsthaftigkeitfalle herauszukommen, ist ein katzenvideo zu zeigen.

youtube-video
youtube

aber auch dieses katzenvideo ändert nichts daran, dass ich hier stehe und sagen muss: erich fromms bücher sind wunderbar und obwohl sie ziemlich alt sind, sind sie zeitlos und auf den punkt. erich fromm ist mein held. und ich stehe hier, um zu versuchen euch anzustecken.

ich habe nicht alle, aber viele von fromms büchern und aufsätzen gelesen. ich glaube, dass in fromms büchern viele ansätze zum umgang mit gesellschaftskrisen oder weltproblemen stehen, also ansätze die welt zu verbessern. weil fromm psychoanalytiker war, findet man in seinen büchern — natürlich — auch wege zu einem glücklicheren, erfüllterem leben.

ich könnte das was ich gelesen habe jetzt hier zusammenfassen, also ein verkacktes schulreferat halten, aber das brauche ich nicht, das hat die wikipedia schon (ziemlich gut) gemacht.

ich versuche das ganz anders zu machen. statt wiederzugeben, was fromm geschrieben hat, gebe ich das wieder, was ich (vermeintlich) verstanden habe. ich gebe die rosinen wieder, die ich mir aus fromms werk herausgepickt habe.

ich mache mir sein werk einfach zu eigen.

ix mache mir fromm zu eigen

fromm selbst sagt übrigens, dass ideen erst dann eine Wirkung auf den Menschen ausüben, wenn sie von dem, der sie lehrt, auch gelebt werden.

fromm hat das getan, er war dem menschen extrem zugewandt, engagierte sich in der politik und der friedensbewegung und lebte das, was er schrieb und vortrug, auch selbst.

ich wäre gerne humanist. ob ich einer bin oder zu werden vermag, kann ich nicht beurteilen. erst recht nicht, ob ich das was ich hier gleich erzähle auch verkörpere oder lebe. ich würde das gerne so sehen, ich glaube in der rückschau, seit ich fromm zum ersten mal gelesen habe, dass ich mir immer mühe gegeben habe freundlich zu sein, an das gute im menschen geglaubt zu haben, niemanden in meinem umfeld unterdrückt oder an seinem inneren wachstum gehindert zu haben.
leider weicht die selbstwahrnehmung oft von der fremdwahrnehmung ab.

aber die diskrepanzen zu finden, überlasse ich gerne euch. wobei ich für solches feedback offenbar gut funktionierende wahrnehmungsfilter habe.
ich habe geschlagene 7 jahren gebraucht, bis vorletzte woche, als ich nach bildern für diesen vortrag suchte, um endlich zu erfahren, dass andreas schaefer mich für den welt-grössten schnorrer hält.

der welt grösste schnorrer muss es ja wissen

glaubwürdigkeit beiseite — ich fang jetzt mal an, bei adam und eva.

adam und eva
peter wenzel: adam und eva im irdischen paradies

die allegorie von der vertreibung aus dem paradies wurde vor vielen jahren von einem unbekannten, aber ganz klugen autorenkollektiv geschrieben.
sie ist eine allegorie auf die entwicklung der menschheit und des menschen.

embryonen

so wie die entwicklung eines embryos unsere evolutionäre entwicklungsgeschichte nacherzählt, zeigt uns die allegorie von der vertreibung aus dem paradies die psychische entwicklungsgeschichte des menschen auf. sie versinnbildlicht den kern und die existenziellen probleme des menschen. oder positiv ausgedrückt: die geschichte beschreibt die grundbedingung der menschlichen existenz: einerseits gehören wir (eindeutig) zur natur, andererseits sind wir, im gegenteil zu vielen tieren, mit vernunft und erkenntnisfähigkeit ausgestattet.

„life is absurd“

wir sind fähig die absurdität unserer situation zu erkennen, irgendwann, irgendwo, an einem zufälligen ort in die welt geworfen zu werden.

treehugger
CC BY 3.0 Jcesare at English Wikipedia

die geschichte zeigt den zentralen widerspruch der menschheit auf: wir erkennen, dass wir der natur angehören, vermögen diese zugerhörigkeit aber nicht mehr zu spüren, weil unser verstand, unsere erkenntnisfähigkeit, unser bewusstsein uns aus dem paradies ausschliessen. nicht gott hat uns aus dem paradies geworfen, unser verstand tut es.

das ist mein lieblingssatz aus dem erich-fromm-wikipedia-artikel. ein satz, wie ein französischer spielfilm:

Das größte Problem des Menschen ist seine reine Existenz.

auf psychologischer ebene passiert uns allen genau das, was adam und eva passiert ist: am anfang sind wir eins mit allem, genaugenommen, sind wir tatsächlich nur eins; ein einzeller.

wenn wir dann, viel zu früh, aus dem mutterleib gedrückt werden (hier versinnbildlicht von amy schumer), …

… viel früher als die meisten tierarten, die sich im mutterleib viel weiter entwickeln dürfen, liegen wir völlig hilflos und abhängig von der mutter, der flasche oder einer sich kümmernden person in der welt.

aber wir sind, auch wenn es etwas kälter und trockener geworden ist, immer noch im paradies. wir erkennen noch wochenlang keinen unterschied zwischen uns und der mutter, bzw. unserer bezugsperson. brust, flasche, daumen, alles eins, alles ist ich, alles meins.

aber irgendwann merken wir, dass wir gar nicht eins mit der mutter sind und wenn wir noch mehr vom erkennnisapfelbrei gegessen haben, merken wir, dass wir uns irgendwie trennen müssen von der mutter, dem vater oder den bezugspersonen — und selbst jemand werden müssen.

und das ist, wo die ganzen probleme anfangen. bei uns allen. nicht nur bei woody allen.

woody allen beim therapeuten

da kann man sich drüber lustig machen, wie woody allen, meist in gewissem masse selbstkritisch oder wie generationen von karikaturisten.

aber der kern all unserer probleme, lässt sich mit dieser einen allegorie umschreiben, damit, dass wir nach wegen zurück ins paradies, nach wegen zum glück, zur einheit mit mutter und vater oder anderen menschen suchen.

fromm geht noch weiter, er sagt, dass dieses bedürfnis zu einheit der trieb ist, der uns im inneren antreibt. freud, sagt fromm, dachte dieser drive sei der sexualtrieb. fromm meint, das sei ein freudscher fehler.

die bibel umschreibt diesen antrieb mit der vertreibung aus dem paradies und der hoffnung da irgendwann wieder reingelassen zu werden. märchen erzählen die hoffnung auf erlösung als suche nach dem glück und hollywood hat auch grossen gefallen an erlösungsgeschichten, meist erzählt als die suche und die genese des einen, des auserwählten, der wieder alles in harmonie zu bringen vermag.

„he’s the one“

das bedürfnis zu einheit zu finden, die absurdität unserer existenz irgendwie aufzulösen, ist auch die grundlage des humanismus. der humanismus geht davon aus, dass die menschen eine einheit sind, weil die grundbedingung, das grundproblem für alle gleich ist.

daraus leitet sich dann auch der absatz eins ab oder der zweite satz der amerikanischen unabhängigkeitserklärung.

wie die unabhängigkeitserklärung, betont der humanismus, dass der mensch nicht nur das recht hat, sondern fähig ist sich weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen, sein glück zu finden und vernünftig und friedlich zu handeln.

hört sich ein bisschen wie ein glaubensbekenntnis an — und ist es wohl auch.

diese idee vom humanismus, von der gemeinsamen wurzel und dem allen menschen gemeinsamen bedürfnis nach (wieder) vereinigung oder einheit, durchzieht alle bücher von erich fromm.

sollte mich jemand fragen, wie ich in einem satz fromms bücher und aufsätze zusammenfassen würde, der satz lautete:

um zu glücklicheren, zufriedeneren menschen zu werden, müssen wir an unseren fähigkeiten zu liebe, solidarität, vernunft, mut und glauben (zum beispiel an das gute im menschen oder den nächsten) arbeiten, mit betonung auf arbeit.

denn obwohl diese fähigkeiten in uns allen angelegt sind, sind sie zum teil verschüttet und wachsen nicht unbedingt von alleine.

fromm drückt das so aus: der mensch brauche sein leben lang um sich selbst zur geburt zu bringen, das führe zu „wohl-sein“ (well-being) und habe die freude am leben als begleiter.

zitat fromm:

Nur in dem Maße, in dem der Mensch seinen Hass, seine Unwissenheit, seine Gier und seine Selbstsucht überwindet und er in seiner Fähigkeit zu Liebe, Solidarität, Vernunft und Mut wächst, kann er dieses Ziel erreichen.

als ich am montag hier carolin emke sah, sprach sie sehr eindrücklich von solidarität — und was das praktisch bedeutet:

wer gedemütigt und verletzt wird, wer verachtet und angegriffen wird, soll sich nicht selbst wehren müssen müssen. es braucht andere, die einstehen für die würde jeder einzelnen person. es braucht andere die widersprechen, die die nicht gemeint sind, die sich aber gemeint fühlen.

eine gesellschaft in der alle nur sich selbst retten und schützen wollen ist keine. das ist neoliberalistisches spektakel.

das hätte auch ein zitat aus einem von erich fromms büchern sein können.

anders als fromm, möchte emke diese solidarität, oder den respekt für anders lebende menschen aber nicht zur liebe zählen, sie sagte:

wir brauchen keine liebe, uns reicht schon respekt

damit hat sie natürlich recht, aber fromm auch, für den solidarität, respekt, mut, vernunft teil von liebe sind.

das konzept der liebe nach fromm ist nichts was einem passiert, oder einfach nur erwidert wird oder sich auf partnerschaften beschränkt, es ist viel mehr eine auffassung vom leben, eine aktivität:

Liebe ist eine ständige Herausforderung, sie ist kein Ruheplatz, sondern bedeutet, sich zu bewegen, zu wachsen, zusammenzuarbeiten.

fromm differenziert die unterschiedlichen ausprägungen der liebe in seinen büchern super sorgfältig, zwischen erotischer, mütterlicher, väterlicher, brüderlicher oder selbstliebe.

der liebe zu gott widmet er das längste kapitel, stutzt sie aber eher auf toleranz und einen glauben an das gute im menschen und der welt zusammen.

all diese formen der liebe bedingen einander und haben so ausdifferenziert kaum noch etwas mit dem begriff der liebe zu tun, den wir im alltag benutzen.

hmm. das ist jetzt doch ein bisschen ein schulreferat geworden.

* * *

zur auflockerung — aber auch für friedemann karig — baue ich jetzt ein f-wort ein.

liebe > ficken

liebe ist — nach fromm — sehr viel mehr, sehr viel weitreichender, als nur erotische liebe.

vor zwei wochen habe ich im spiegel (wie carolin emke) ein interview mit der literatur-nobelpreisträgerin toni morrison gelesen. eine der fragen an morrison bezog sich auf die dokumentation „i am not your negro“ über den schriftsteller james baldwin. darin habe baldwin gesagt, dass die amerikaner gern dummheit und unreife mit aufrichtigkeit verwechselten — der spiegel fragte morrison, ob trump ein treffendes beispiel „für diese fast 40 jahre alte analyse“ sei.

narziss

abgesehen davon, dass ich glaube, dass reife oder menschlichkeit keineswegs einen hohen intelligenzquotienten voraussetzten, und ich heute gar nicht über den narzisten trump reden will, blieb ich am begriff der reife hängen, von dem fromm ebenfalls in allen möglichen schattierungen spricht.

ich versuchte eine quelle für das zitat von baldwin zu finden — und fand, statt eines zitats, vortragsgold. seitenweise zitate, die ich eine stunde lang vorlesen könnte.

ich wollte aber zuerst auf dieses zitat hinweisen.

The place in which I'll fit will not exist until I make it.

baldwin sagt, dass es den ort, an den man passt, erst dann gibt, wenn man ihn sich selbst macht. damit sagt er eigentlich das gleiche wie fromm, wenn er davon redet, dass wir uns das leben lang zur geburt bringen müssten; glück und zufriedenheit, die überwindung von angst und traurigkeit wachsen aus uns selbst — wenn wir dran arbeiten.

You write in order to change the world ... if you alter, even by a millimeter, the way people look at reality, then you can change it.

hier sagt baldwin, dass wir schreiben um die welt zu verändern und wenn wir es schaffen, die art, wie die leute die realität wahrnehmen, auch nur einen millimeter zu verschieben, dass wir sie dann auch ändern können.

dieses zitat gefällt mir einerseits, weil es eine super überleitung zu meinem nächsten themenblock ist, aber auch, weil es das wiedergibt, worüber viele andere (und ich) in den letzten jahren auf der republica geredet haben:

wenn wir die wahrnehmung der welt durch geschichten, narrative oder das was wir tun auch nur einen millimeter bewegen können, dann können wir auch die welt verändern.

der entscheidende punkt ist — meiner meinung nach: die welt verändert sich seit jahrhunderten, im grossen und ganzen, millimeterweise, zum guten. wir sehen das allerdings nicht immer ganz klar, weil die bewegung zum guten, zum besseren, überdeckt wird von schwingungen.

sonnenwinkel 1-2 märz

das sind die schwingungen der sonne am ersten und zweiten märz. (natürlich schwingt die sonne nicht — es ist nur unsere wahrnehmung vom sonnenwinkel)

anfang märz sind die nächte länger als die tage. viel mehr sieht man nicht.

sonnenwinkel erste märz-woche

das ist die erste märz-woche. wenn man genau hinsieht, sieht man bereits eine tendenz, aber noch sehr undeutlich.

sonnenwinkel 1-15. märz

wenn man die zeit vom ersten zum 15. märz ansieht, ist die tendenz zu längeren tagen deutlich sichtbar.

sonnenwinkel märz

und erst recht, wenn man den ganzen monat betrachtet. dann sieht man deutlich die tendenz zu längeren tagen.

politisch ist das ganz ähnlich. da geht es auf und ab, zwischen den polen.

politische schwingungen

mal sind progressivere kräfte am hebel, mal sind es konservierende, eher rückwärtsgewandte, gestrige kräfte.

gedämpfte politische schwingungen

aber, zumindet in demokratischen gesellschaften, sind die auf-und-ab-bewegungen gedämpft, durch institutionelle oder gesellschaftliche widerstände.

politische richgtung der welt

und wenn man die augen zukneift (oder meinen selbstgemalten graphen glauben schenken will) kann man auch hier eine tendenz beobachten. gesellschaftlich bewegen wir uns nach vorne, in richtung von fortschrittlichen ideen von gerechtigkeit, gleichberechtigung und toleranz.

klassischer 50er jahre witz
klassische 50er jahre werbung
klassische 50er jahre werbung

50er-jahre-witze oder -werbung funktioniert heute nicht mehr, egal ob der gag brachial oder subtil ist.

es gibt zwar immer noch viele menschen, die sich eine zeit zurückwünschen, in der solche anzeigen normal waren. aber gesellschaftlich, insgesamt, haben wir uns in den letzten 60, 70 jahren weit weg von solchen witzen bewegt.

transparent

im fernsehen sehen wir stattdesen trans-menschen in hauptrollen, in nebenrollen, portraitiert als ganz normale menschen — nicht als freaks.

mindestens ein schwules päärchen ist seit acht jahren in der sehr erfolgreichen familien comedy-serie modern family zu sehen, die auf dem zum disney-konzern gehörenden US-sender ABC läuft.

noch vor 20 jahren, erzürnte das coming out von ellen de generes in ihrer damaligen, sehr erfolgreichen ABC sitcom ellen, so viele zuschauer, dass die serie wegen einbrechender zuschauerzahlen schliesslich eingestellt wurde.

axe on ellen

natürlich gibt es nach wie vor teils erbitterten widerstand und parzielle radikalisierungen gegen solchen gesellschaftlichen wandel, aber ich glaube die richtung stimmt, auch wenn auf fortschritte immer wieder eine regression folgt, oder wir manchmal denken, schon weiter gewesen zu sein.

fromm fand das übrigens auch, in den siebziger jahren hat er in haben oder sein geschrieben, dass es sich beim „Zusammenbruch der patriarchalischen Herrschaft über die Frauen und der Herrschaft der Eltern über die Kinder […] um historische Veränderungen handelt, die kaum reversibel erscheinen“.

er nannte die revolution „der Frauen und der Kinder sowie die sexuelle Revolution“ siegreich, auch wenn sie sich noch im anfangsstadium befänden, denn:

Ihre Forderungen wurden bereits vom Bewusstsein der Mehrheit akzeptiert, und die alten Ideologien werden mit jedem Tag lächerlicher.

ich schliesse aus dem was fromm sagt und was ich beobachte: ideen, gesellschaftsnormen von minderheiten können sich in der breite der gesellschaft durchsetzen — wenn sie humanistisch geprägt sind.

was wir zur zeit, quasi live, beobachten können sind weitere gesellschaftstransformationen, vor allem bemühungen um eine transformation der sprache zu mehr achtsamkeit. zum beispiel achtsamkeit darauf, andere menschen nicht zu verletzen oder sie auch sprachlich anständig zu behandeln.

auch hier gibt es erbitterten widerstand, den wir täglich bis hinein in unsere filterblasen beobachten können. wobei widerstand gegen sprachveränderung — egal ob nach rechts oder links — der bei weiten unintelligenteste vorstellbare widerstand ist. sprache verändert sich einfach, unaufhaltsam — weil sie lebt.

aber sie lebt natürlich nur, weil wir — wir alle — sie ständig mit leben füttern und sie benutzen.

läuft

und weil wir und immer neue generationen, leben, uns weiterenwickeln, wachsen, uns verändern — und sprechen — können wir die sprache mit leben füllen.

widerstand verändert sprache nicht. sprache verändert sich, wenn sie mit leben gefüllt wird. wir müssen aber darauf achten, dass sie nicht mit negativ, destruktiv, unmenschlich geprägtem haltungen gefüllt wird. und das können wir, indem wir positiv gegensteuern. mit einer einfachen, menschenfreundlichen sprache, die wir einfach immer benutzen — und auf sie achten.

im zusammenhang mit sprache wurde auf dieser republica auch viel über hass geredet. für den psychologen fromm ist hass ein symptom.

hass = mangel an selbstliebe

hass, sagt fromm, sei auf einen mangel an selbstliebe zurückzuführen.

ich finde es leuchtet ein und ich hätte gerne ein pumuckl-zitat gezeigt, das beweist, dass fromm hier recht hat. ich habe aber keins gefunden und muss (wieder) james baldwin zitieren, der hat das nämlich genau so gesagt, also muss es stimmen:

Hatred is always self hatred, and there is something suicidal about it.
— james baldwin

selbstsucht ? selbstliebe

fromm weist darauf hin, dass selbstsucht und selbstliebe nicht das gleiche seien:

Der Selbstsüchtige liebt sich selbst nicht zu sehr, sondern zu wenig: tatsächlich hasst er sich.

Dieser Mangel an Freude über sich selbst und an liebevollem Interesse an der eigenen Person […], gibt ihm ein Gefühl der Leere und Enttäuschung. Er kann deshalb nur unglücklich und eifrig darauf bedacht sein, dem Leben die Befriedigung gewaltsam zu entreissen, die er sich selbst verbaut hat.

fromms antwort auf die frage, woher der hass kommt, nämlich durch mangel an selbstliebe, ist ähnlich unbefriedigend und unpraktisch wie die antwort auf „die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ von douglas adams.

42

vielleicht stellen wir die fragen nach den gründen der probleme der welt nicht differenziert genug?
oder vielleicht suchen wir die antworten an der falschen stellen?

meine schlussfolgerung aus dem was fromm schreibt und sagt ist jedenfalls, dass wir bei der lösung der probleme der welt nicht ausschliesslich bei „den anderen“ anfangen sollten — und können — sondern bei uns selbst. bei unserer eigenen fähigkeit zu lieben, das leben zu lieben, uns selbst zu lieben, andere zu lieben.

oder weniger pathetisch ausgedrückt, wir sollten uns, unser leben, unsere haltung zur welt darauf prüfen, ob da nicht auch sehr viel von dem was wir in der welt verabscheuen, das wogegen wir kämpfen oder kämpfen wollen, ob davon nicht auch ganz viel in uns selbst steckt.

fromm formuliert in haben oder sein eine relativ radikale gesellschaftskritik, die ich nicht ganz so super finde und die sich, ganz grob so zusammenfassen lässt:

haben > sein

unsere heutige konsumgesellschaft betont das haben mehr als das sein. fromm sagt, die schwäche unserer gesellschaft sei, dass sie keine ideale mehr biete, keine vision mehr kennt — ausser der des mehr-haben-wollens. wir leben laut fromm in einem gesellschaftlichen experiment zur beantwortung der frage, ob vergnügen und konsum eine befriedigende lösung des menschlichen existenzproblems sein könnte.

er meint, dieses experiment sei bereits gescheitert.

unser wirtschaftsystem werde nicht mehr durch die frage bestimmt „Was ist gut für den Menschen“, sondern durch die frage „Was ist gut für das Wachstum des Systems?“

und diese haltungen des gesellschaftsystems wirken (natürlich) auf uns (alle) ein, auf unsere eigene haltung, auf unser denken. wir spielen mit und verdrängen die eigentliche frage: was ist gut für uns?

gesellschaft ? ich

vor allem aber stellen wir unser wachstum ein, unsere reifungsprozesse.

diese kritik ist nicht neu, neil postman hat unserer konsumorientierten mediengesellschaft kindliche regression, ein steckenbleiben im infantilen attestiert. ich bin eigentlich kein grosser freund der postman’schen mediengesellschaftskritik, auch wenn da was dran ist.

gesellschaft ? (ich)

ich möchte es eher umgekehrt betrachten, optimistisch, konstruktiv: wenn wir es schaffen uns von gesellschaftlichen zwängen zu befreien, angstfreie persönlichkeiten zu werden, die nicht nur der herde folgen, sondern selbst, autonom denken, sich von zwängen und ängsten befreien, dann können wir auf die gesellschaft zurückwirken, dank der modernen massenmedien sogar effektiver als je zuvor.

gesellschaft ? ich

wenn wir mut fassen, schaffen wir es, nicht nur zeichen zu setzen und seifenblasen zu blasen, sondern auch starke, beeindruckende bilder zu schaffen.

nazi und pfadfinderin

ich habe es oben gesagt, gesellschaftlicher wandel wird oft von minderheiten eingeleitet und immer dann mit besonders grosser, anhaltender wirkung, wenn der angestossene wandel eben nicht destruktiv, sondern human, menschlich, friedlich — eben humanistisch — ist.

das konzept ist natürlich nicht neu und viele humanistische projekte die sich liebe oder brüderlichkeit auf die fahnen schrieben, sind in grausame, menschenfeindliche ideologien gemündet.

ich glaube (trotzdem) wir können weltprobleme durch haltung verschieben.

haltung + humanismus = wandel

* * *

vorleben ist effektiver als predigen.

vorbilder funktionieren hervorragend um die konsumgesellschaft auf umdrehungen zu halten. prominente, influencer, vorbilder haben sich als so wirksam erwiesen, dass die konsumindustrie ihnen das geld wahllos in den arsch bläst.

george clooney
sachsen quelle
actimel
sixtus

dass minderheiten — oder einzelne — oder prominente — ganze gesellschaftsschichten berühren können ist aber kein reines phänomen der modernen kosumgesellschaft. das gab es zum beispiel im bereich der mode schon seit hunderten — tausenden jahren.

roccoco
roccoco

irgendwann muss irgendwer angefangen habe sich weisse perücken oder gigantische hüte aufzusetzen, einer oder eine, die den mut hatte, aus der gruppe auszuscheren.

schulterpolster

irgendwer, oder irgendeine gruppe, muss in den achtzigern damit angefangen haben, sich schulterpolster unter die klamotten zu stecken.
und plötzlich hat sich nicht nur einer lächerlich gemacht, sondern so gut wie alle.

ich wiederhole mich: ich glaube die gesellschaft lässt sich viel besser durch vorbildliches verhalten beeinflussen, zum guten (und schlechten) verschieben, als durch das predigen. dieses prinzip kennt jeder der schonmal mit kindern zu tun gehabt hat: kinder machen nie das was man ihnen sagt, sondern das was sie wollen und sie ahmen das nach, was man ihnen vorlebt.

Children have never been very good at listening to their elders, but they have never failed to imitate them.
- james baldwin

wir können veränderung nicht verordnen, veränderung muss wachsen, am besten aus sich selber heraus, ohne zwang und nicht aus gehorsam. das funktioniert durch vorbilder und einsicht.

I can't believe what you say, because I see what you do.
- james baldwin

ich glaube, wenn wir, wir alle, daran arbeiten uns zu verbessern, zu uns finden, selbstständiger denken, uns ent-täuschen, von illusionen oder rationalisierungen frei machen, desto wirksamere vorbilder können wir werden.

wortwolke self-tracking

selbstoptimierung ist momentan ja durchaus im trend, wir zählen kalorien, schritte, treppenstufen, trainingseinheiten, tauschen schminktipps, nicht immer, aber meistens um anderen zu gefallen.

das kann auch daran liegen, dass wir noch keine wege gefunden haben, die richtigen metriken zu erfassen.

wie misst man eine wachsende persönlichkeit, wertschätzung, menschlichkeit, hilfsbereitschaft, freundlichkeit, demut, selbstlosigkeit, wohltätigkeit, humanität? wo sind die apps für sowas?

woody allen beim therapeuten

oder andersrum gefragt. warum wirkt es auf uns immer noch latent schwächlich, kränklich oder irritierend, wenn menschen kompetente hilfe in anspruch nehmen, um tiefsitzende, verschüttete probleme anzugehen und an ihrer fähigkeit arbeiten, sich selbst und andere besser zu lieben?

unsere helden und stars sind die, die an ihrem äusseren arbeiten, nicht die, die an ihrer beziehungsfähigekeit und menschlichkeit arbeiten.

an seinen menschlichen qualitäten zu arbeiten, ist nichts anderes als — meinetwegen — skifahren zu lernen. so wie skifahren, ist die ständige arbeit an sich selbst anstrengend, aber beides führt zu besserer lebensqualität.

* * *

ich möchte noch einen satz von carolin emke in meinem sinne zurechtbiegen. sie hat am montag darüber gesprochen, dass man sich gesellschaftliche mehrheiten erarbeiten könne. sie sagte:

das geht nicht schnell. das ist mühsam. das verlangt womöglich auch, immer wieder, selbstkritik und das überarbeiten der eigenen konzepte und ideen. aber ganau darin besteht politisches handeln.

in meinen worten würde ich das so sagen: die reise nach innen, im sinne fromms, ist auch politisch. sie ist vielleicht auch eine der vorraussetzungen für politisches handeln.

der deutsche lao-tse, meister eckhart, sagt:

Die Menschen sollen nicht so viel nachdenken, was sie tun sollen; sie sollen vielmehr bedenken, was sie sind.

wir sollten einfach mehr nachdenken. nicht dass wir nicht denken würden, aber wir denken eventuell zu oft einfach nur mit, als selbst, eigen, aktiv zu denken.

unsere freizeitaktivitäten sind oft passiv geprägt: wir lassen soziale medien oder fernsehserien an uns vorbeiströmen, reagieren und liken. als fortgeschritten gilt schon wer ins theater geht und dort akkustisch, mit den händen liked — oder im ledersessel ein buch liest oder sich sehenswürdigkeiten auf reisen ansieht. aber eigentlich sind diese freizeitaktivitäten vor allem freizeit-passivitäten. wir konsumieren vor allem.

freizeit-passivitäten

erich fromm, der jude war, sich aber vom glauben löste, sang in haben oder sein ein loblied auf den sabbat. wie der christliche sonntag, sei der sabbat ein tag der ruhe, aber „im Sinne der Wiederherstellung vollständiger Harmonie zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur.“

am sabbat dürfe nichts zerstört und nichts aufgebaut werden; der Sabbat sei „ein Tag des Waffenstillstandes im Kampf des Menschen mit der Natur“.

„Der moderne Sonntag“, sagt fromm, sei dagegen „ein Tag des Vergnügens, des Konsums und des Weglaufens von sich selbst.“

vielleicht sollten wir probieren, einen tag in der woche zu uns selbst zu kommen. einen tag pro woche lang nicht versuchen, vor uns selbst wegzulaufen oder uns abzulenken, sondern nachzudenken oder an uns zu arbeiten, an unseren fähigkeiten, an unseren ängsten.

ich bin ein grosser fan von fernsehserien. ich zähle die fernsehserienfolgen die ich gucke mit diesem kleinen tool und sehe daran, dass ich vor allem zu viel fernsehe (im schnitt 37 fernsehserienfolgen pro monat).

mein watched.li

anfang letzten jahres habe ich das damit rationalisiert, dass ich so viel gucke um viel im blog rezensieren zu können. ab dem sommer war mir das dann aber egal, und ich habe einfach so weitergeguckt.

als ich kürzlich mit meiner schwester und ihren kindern bei meinen eltern war, erkannte ich eine parallele; ich stellte mal wieder fest, dass fernsehen, neben schnullern, auf handgeräten strömendes ganz besonders, wirklich das beste mittel zum abstellen von kinderlärm ist.

im amerikanischen heissen schnuller übrigens doppeldeutig pacifier. friedensstifter.

pacifier — der Friedensstifter | die Friedensstifterin Pl.: die Friedensstifter, die Friedensstifterinnen
pacifier (Amer.) — der Schnuller  Pl.: die Schnuller
pacifier — Mittel zur Beruhigung

mir fiel auf: das gilt für erwachsene genauso! wir beruhigen uns mit dem fernsehen. es ist das beste mittel vor uns selbst (und anderen) wegzulaufen.

um zu zeigen, was ich meine, lässt sich dieses zitat von james baldwin wunderbar profanisieren:

People can cry much easier than they can change.
— james baldwin

wir weinen lieber inspiriert durch gut gemachte erzählungen, statt (schmerzhaft) an unserer eigenen erzählung zu arbeiten.

unser motto scheint zu sein: lieber fernsehen, als introspektieren.

allerdings: ich mag es nicht, wenn mir andere sagen, dass ich medien falsch oder zu hochdosiert oder ineffizient oder gar krankhaft konsumiere. deshalb: ignoriert was ich gerade gesagt habe, das soll keine kritik an eurem social- oder streaming-medien-verhalten sein. macht was ihr wollt.

aber mir fällt auf: wenn man einen schritt zurücktritt und sich selbst beobachtet, dass einem dann durchaus sachen auffallen, die man ändern könnte. oder müsste.

ganz allgemein: ich will nicht sagen dass wir etwas falsch machen, zu viel dies, zu wenig das — zumindest nicht pauschal.

ich will nicht sagen aktionismus, politisches engagement seien falsch.

was ich betonen will ist, dass wir versuchen sollten zu wachsen, uns besser kennenzulernen, uns zu ent-täuschen, von gesellschaftlich anerkannten denkschemata frei zu machen und selbstständiger zu denken. wir sollten versuchen uns von unseren rationalisierungen und ängsten freier zu machen, verdrängtes aufarbeiten und ganzere menschen zu werden.

wir sind schon OK, da glaube ich fest dran, mit ausschlägen nach oben und unten, rechts und links, aber wir haben potenzial, sehr viel potenzial, in uns selbst. und wenn wir das heben können, können wir auch besser anderen helfen ihre potenziale zu erkennen und zum einsatz zu bringen .

ich finde potenzial zu haben, zu entdecken oder gar zu heben, ist das tollste auf der welt. aber dafür müssen wir nicht nur antworten suchen, sondern vor allem — fragen.

ein letztes mal möchte ich ein zitat von james baldwin für meine zwecke misbrauchen.
wir sollten versuchen fragen frei zu legen, die von den antworten verdeckt werden.

Der Zweck der Kunst (des Liebens) ist es, die Fragen frei zu legen, die von den Antworten verdeckt w

drei nächte mit der schlafnuss

felix schwenzel, , in artikel    

der erste eindruck nach einem tag und einer nacht mit der sen.se-schlafnuss hat sich nach drei tagen verfestigt. die sleeppeanut ist ein solider temperatur- und bewegungssensor, den man sich ins bett legt und der daraus rückschlüsse auf das schlafverhalten ableitet und noch grosses entwicklungspotenzial hat. über die API lassen sich die werte auslesen, die die schlafnuss per bluetooth low energy über die handy app nach hause funkt. ich kann den batteriezustand auslesen, die temperatur und registrierte bewegungen. aus diesen daten — und der tageszeit — leitet sen.se dann schlafdaten ab. leider funktioniert das nicht für mittagsschläfe. bettzeiten vor den abendstunden werden für die schlafauswertung komplett ignoriert.

was den schlafalgorithmus zudem komplett durcheinander bringt: wenn man sich in den abendstunden einmal kurz ins bett legt, zum lesen oder fernsehgucken, dann wieder ein paar stunden aufsteht und später wieder hinlegt. am abend des ersten april habe ich mich beispielsweise um 22 uhr für 20 minuten hingelegt und bin dann erst gegen zwei uhr morgens wieder ins bett.

nacht vom 1. zum 2. april

in der zeit, die ich in der küche verbracht habe, sah sen.se zwei tiefschlaf- und zwei halbschlafphasen und macht aus sechs stunden nachtruhe einfach neun.

auch heute nacht hat der sen.se-algorithmus meine einschlafzeit falsch eingeschätzt. ich bin zwar in der tat um 22:48 uhr ins bett gegangen, aber nach 10 minuten eingeschlafen, nicht erst nach über einer stunde.

nacht vom 3. zum 4. april

korrekt verzeichnet ist meine aufstehzeit. weil ich über die API die temperatur und den bewegungsmelder auslese, kann ich die nachtauswertung des sen.se-algorithmus mit den sensordaten vergleichen. so wie es aussieht, werden phasen, in denen ich mich wenig oder nicht bewege als tiefschlafphasen gewertet und andere bewegungen, je nach intensität als wach-, halb- oder leichtschlaf. die auswertung der bewegungen ist recht detailiert, sen.se erfasst die anzahl der bewegungen pro 5 minuten-interval und deren intensität. ich lese lediglich das vorhandensein von bewegungen aus und habe mir so über meine heimautomatisierungssoftware eine art bett-bewegungsmelder gebaut.

per api ausgelesene bewegungsdaten der schlafnuss

aus dem temperaturverlauf der schlafnuss, lässt sich dann hervorragend (im homeassistant) ein bett-anwesenheitssensor bauen. sobald die temperatur der schlafnuss ca. 5° über der raumtemperatur liegt, kann ich davon ausgehen, dass mein bett besetzt ist. damit liessen sich dann automatisierungen bauen, fielen mir welche ein.

per api ausgelesene temperaturdaten der schlafnuss

* * *

mir gefällt, dass sich die sensordaten der schlafnuss relativ unproblematisch über die API auslesen lassen, auch wenn sie aus technischen gründen immer erst leicht verzögert vorliegen. die schlafnuss muss sie erst an die handyapp funken, die app muss vom handy rechenzeit zugewiesen bekommen und dann die daten nachhause funken. dort kann ich sie dann per API auslesen und entsprechend mit 2-10 minuten verzögerung agieren. erstaunlich erscheint mir die funkreichweite der schlafnuss. von meinem bett zur küche sind es ungefähr 10 meter und zwei wände dazwischen. trotzdem schafft es die handy-app regelmässig die daten der schlafnuss über diese distanz zu erfassen, ohne dass das handy direkt neben der schlafnuss liegen muss.

wirklich enttäuschend hingegen ist der weckmechanismus. immerhin ist die weckfunktion eins der hauptmarketingelemente von sen.se. so steht auf der verpackung „smart wake up alarm clock“. der wecker ist per app einerseits umständlich zu bedienen und relativ unflexibel, wenn man mal schnell die weckzeit anpassen will. ausserdem ist der wecker strunzdumm: obwohl das system weiss, dass ich um 4:48 uhr aufgestanden bin, plärrte die nuss um 6 uhr (die eingestellte weckzeit) im bett los. noch dümmer: die app schafft es nicht, sich dem handy als wecker vorzustellen und damit die stummschaltung des handys zu umgehen. ich habe (natürlich) mein handy stets stummgeschaltet, was aber zumindest den eingebauten ios-wecker nicht stört. der plärrt genau dann so laut los, wie ich es vorher eingestellt habe, egal ob das gerät stummgeschaltet ist oder nicht. die sen.se app geht davon aus, dass mich eine stumme benachrichtigung auf dem sperrbildschirm wecken würde, wenn ich nicht möchte dass die schlafnuss zur weckzeit fiept. hier besteht eindeutiger nachbesserungsbedarf und sen.se sollte vor allem nochmal kräftig überlegen, ob es wirklich „smart“ ist, leute zu wecken zu versuchen, von denen man weiss, dass sie wach sind.

auch im senseboard, dem dashboard auf dem sen.se die sensordaten aller registrierten peanuts anzeigt, herrscht noch starker nachbesserungsbedarf. derzeit präsentiert sich mir das senseboard nämlich so:

leeres senseboard

um die daten meiner nuss zu sehen, muss ich jedes mal auf „mein erstes gerät hinzufügen“ klicken und mich über die „sleep“ anwendung zu meiner „bereits installierten“ schlafnuss durchklicken. möchte ich im senseboard einstelliungen an der schlafnuss vornehmen, antwortet sen.se mit 404 (einstellungen in der app funktionieren).

einstellungen nicht gefunden: 404

auch wenn der weckmechanismus noch strunzdumm unausgereift ist, das webportal erst halbfertig, die schlafauswertungen fehlerhaft und hochspekulativ sind, bereue ich nicht 30 euro für die sen.se sleeppeanut ausgegeben zu haben. es ist ein ausgefeiltes stück technik, das präzise sensordaten per BLE über grosse distanzen funken kann und aus dem sich nützliche daten gewinnen lassen. über kurz oder lang wird es mir sicher gelingen die daten direkt auszulesen und an echtzeitdaten zu kommen. ich überlege auch ernsthaft eine zweite schlafnuss zu kaufen, um sie der beifahrerin ins bett zu legen.

schlafnuss

felix schwenzel, , in artikel    

sen.se stellt peanuts her, oder wie sie selbst sagen: smarte sensoren in form von kleinen nüssen. volker weber hat eine nuss zum temperaturmessen und ist relativ angetan von ihr: „This is all I ever wanted from IoT: simple, one-purpose devices that don't cost a fortune.“

ich kann mit den temperaturnüssen nichts anfangen. meine temperatursensoren sind um ein vielfaches günstiger als die 30 euro nüsse und sprechen ohne allzu viele verrenkungen mit meiner wohnung. allerdings legt sen.se grossen wert darauf, mich regelmässig über ihre produkte zu informieren. jede woche bekomme ich werbemails aus frankreich, die alte oder neue nüsse anpreisen. vor ein paar monaten wurde in einer dieser werbemails eine nuss angekündigt, die schlafphasen aufzeichnen können sollte. meine rückfrage, ob so eine nuss als rezensionsexemplar verfügbar wäre wurde komplett ignoriert. ein paar wochen später, versprach eine der sen.se-werbemails, dass die sleep peanuts jetzt zur vorabbestellung zur verfügung stünden. für 30 euro bestellte ich mir so eine sleeppeanut, gestern kam sie an.

die verpackung war nicht besonders frustfrei, aber immerhin ohne werkzeug zu öffnen.

schlafnussverpackung

obwohl die schlafnuss dafür gedacht ist, sie unter dem laken, auf schulterhöhe auf die matraze zu legen, wurde ein ominöser clip mitgeliefert um sich die nuss ans revers heften zu können. klebestreifen lagen der packung auch bei. ich habe die nuss nach der paarung mit dem telefon, bzw. der sensepeanut-app einfach unters laken ins bett gelegt.

die einrichtung der schlafnuss war erstaunlich unspektakulär, ein bisschen hakelig war die einstellung des weckers in der app, die benutzerschnittstelle hat apple mit seinem ios-wecker und der schlafzeit-app um längen besser hinbekommen. diese app habe ich in den letzten monaten aus zwei gründen sehr gerne benutzt: mit ihr lässt sich der wecker nicht nur nach der weckzeit einstellen, sondern auch nach der schlafzeit. ich brauche ungefähr sechs stunden schlaf pro nacht und sollte ich mal später als üblich ins bett gehen, konnte ich meine weckzeit einfach visuell, ohne rechnerrei verstellen (eine anmerkung dazu weiter unten). ausserdem lieferte die apple-app einen wunderbaren weckton mit: vogelgezwittscher. mich weckte das über monate zuverlässig auf, die beifahrerin nicht ein einziges mal.

klingeltöne bringt auch die sensepeanut-app mit, probehören kann man die allerdings nur in voller lautstärke. zum probehören ignoriert die sensepeanut-app den lautstärkenregler, was ich völlig bescheuert finde. die peanut selbst kann auch geräusche machen, was aber keine sonderlich gute idee ist, weil der piepton, den die nuss von sich gibt äusserst jämmerlich und billig klingt, in etwa so nervig wie eine elektronische grusskarte.

leider wirkt auch die nuss selbst ein bisschen billig. sieht sie auf den hochglanz-produktfotos edel mattiert, fast silikonbeschichtet, aus, wirkt sie bei licht betrachtet wie aus billigem spritzguss.

schlafnuss

aber wie sie aussieht ist mir letztlich auch egal, schliesslich liegt sie unter meinem laken und ich muss sie fast nie sehen.

gestern abend bin ich dann, relativ gespannt, um halb zwölf ins bett gegangen. die standardeinstellungen fürs wochenende verzichten auf eine weckung, ich bin trotzdem um kurz vor sechs aufgewacht. auch wenn ich wusste, dass ich gegen zwölf uhr eingeschlafen bin und um kurz vor sechs aufgewacht bin, wollte ich gleich nachsehen was die app zu meinem schlaf meinte. die app bat mich um geduld, weil sie „meine nacht“ erst auswerten wolle.

ein paar minuten später, in meinem „senseboard“, war die auswertung dann abgeschlossen. das ergebnis der messung fand ich respektabel. ohne jede kalibrierung oder grossartige konfiguration, hat die schlafnuss erfasst, dass ich um halb zwölf ins bett gegangen bin und um kurz vor sechs aufgewacht und -gestanden bin. bei der einschlafzeit möchte ich widersprechen, die nuss meint ich hätte eine stunde gebraucht einzuschlafen, ich meine, dass ich nach ca. 20 bis maximal 30 minuten eingeschlafen bin. mal schauen ob sich das noch justiert.

schlafnussboard

ansonsten schenke ich den messergebnissen erstmal glauben. zumindest die letzte tiefschlafphase müsste hinkommen, denn ich erinnere mich, vor dem aufwachen heftig geträumt zu haben. das kommt mit der anzeige also hin, sofern ich mich korrekt erinnere, dass REM-schlafphasen tatsächlich tiefschlafphasen sind (nachgelesen: sind sie nicht. aber vielleicht passt es ja trotzdem, weil ich aus der tiefschlafpahse gegen 05:20 kommend über eine REM-phase langsam aufwachte).

ich bin jetzt auf die messergebnisse der nächsten nächte gespannt und was die app mit meinen mittagsschläfen anfängt. so wie die funktion der schlafnuss verkauft wird und nach dem was ich meine beobachtet zu haben, funktioniert die auswertung meiner nacht serverseits. dass heisst, die messwerte der nuss werden über die app an die sen.se-server übermittelt und die berechnen die kurven und phasen auf ihrem server, bevor sie die ergebnisse wieder an die app und das dashboard senseboard senden. auch wenn dieser ansatz meine schlafdaten auf einem fremden server irgendwo im JWD speichert, bsteht die hoffnung, dass die auswertungsalgoritmen lernfähig sind und in der folge immer bessere daten liefern. für den ersten schuss finde ich die daten, wie gesagt, schon mal ganz passabel.

mich beunruhigt die externe datenspeicherung nicht all zu sehr, was mich aber wirklich stört, ist dass die sen.se-app die schlafdaten (noch?) nicht an die ios-health-app weitergibt. dort könnte ich sie zumindest langfristig speichern und nicht nur solange die firma aktiv ist. die macher der firma haben nämlich bereits einmal eine ihrer kreationen links liegen lassen. die gründer von sen.se, waren auch mal an violet beteiligt, der firma die den nabatztag gebaut, vermarktet und in der cloud betrieben hat. als sie ihre firma aufgaben, bzw. verkauften, hörten auch die smarten nabatztag-hasen auf zu funktionieren, weil sie ihren lebenssaft aus der cloud bezogen.

auch die schlafnuss bezieht ihren lebenssaft aus der cloud. die nuss selbst scheint lediglich eine sammlung einfacher sensoren (temperatur und bewegung) zu sein, die ihre messergebnisse per bluetooth BLE (via telefon-app) in die cloud schicken. gleichzeitig scheint mir das an sich auch sehr smart, denn hardwaremässig scheinen die nüsse, die sen.se verkauft, alle mehr oder weniger gleich zu sein. sowohl die sleep-, als auch die thermo- und die guardpeanut sind hardwaremässig gleich: temperatur- und/oder bewegungssensoren. die intelligenz steckt in software. ebenso wird die angekündigte medpeanut in der hardware nichts anderes sein als ein bewegungssensor, dessen erinnerungsfunktion komplett in der cloud werkelt und die app als kommunikationshub und schnittstelle zum benutzer und der hardware nutzt.

ich halte 30 euro für die meisten sen.se nüsse für überteuert, aber für die schlafnuss gerechtfertigt. ich habe viel und lange überlegt, wie ich selbst sensoren bauen könnte, mit denen ich die besetzung meines/unserer betten messen könnte. so richtig gute, elegante und vorl allem kabellose lösungen sind mir nicht eingefallen. vor allem aber möchte ich zum schlafen kein armband anziehen oder einen clip anstecken. die lösung der sleeppeanut hingegen ist so wie ich mir das vorstelle: ins bett legen (die nuss, aber auch mich selbst) und an nichts anderes denken müssen — ausser den batteriewechsel nach 3-4 monaten (wobei ich hoffe, dass die app mich daran erinnern wird). insofern finde ich die 30 euro, zumindest für die schlafnuss, angemessen.

in der ersten nacht habe ich die nuss übrigens nicht gespürt. ich hoffe das bleibt so und dass ich keine prinz-auf-der-erdnuss-sensibilität entwickle.

* * *

anmerkung zu schlafzeit-app:
obwohl ein iphone alle möglichen sensoren mitbringt und meine gewohnheiten über jahre hinweg beobachten kann, macht die schlafzeit app keinerlei anstalten auf meine gewohnheiten zu reagieren. stelle ich eine schlafzeit ein, wird diese nicht etwa automatisch verstellt, wenn das iphone bewegt wird oder benutzt wird. all die interaktionsdaten die das telefon aus meinem verhalten ablesen könnte, werden für die schlafzeit-erinnerung oder einstellung offenbar vollkommen ignoriert. ich halte das für eine weitere von 34394 verpassten chancen von apple.

motorisierter, chinesischer gong

felix schwenzel, , in artikel    

mein tageswerk.

* * *

lange geplant, endlich (so einigermassen) umgesetzt. der gong, den sich die beifahrerin zu weihnachten hat schenken lassen (hier gekauft), zu automatisieren. diesen chinesischen gong hatte sich die beifahrerin vor ein paar jahren mal geliehen und eine arbeit damit ausgestattet.

chinesischer gong, in einer arbeit von katia kelm (der beifahrerin)

damals, für die arbeit, wurde der gong, wenn ich mich recht erinner, mit einem hubmagneten betätigt. das hatte relativ viel bums. nachdem ich diesen blogeintrag gefunden hatte, wusste ich, dass ich das mit einem schrittmotor nachbauen wollen würde. erste versuche zeigten, dass der schrittmotor, zumindest wenn er mit den 5 volt eines esp8266 betrieben würde, nicht besonders viel bums hat. der schrittmotor den ich kaufte hat zwar (angeblich) ein ganz gutes drehmoment, aber es zeigte sich schnell, das der gong mit schrittmotor nur hängend funktionieren würde.

aber so, hängend, haben es die leute von senic auch gemacht. die schaltung habe ich auch mehr oder weniger von dort übernommen. neben einem esp8266 brauchte ich noch einen (hardware) schrittmotor-treiber, einen easy-driver. mit der schaltung von senic kann man einfach in einer schleife impulse an den treiber senden, jeder impuls ist dann eine bewegung nach vorne. bei meinen ersten tests zeigte sich, dass 500 schritte vorwärts (und zurück) ganz gut funktionierten. aber ich merkte auch, dass der schrittmotor-treiber sehr heiss wurde und der schrittmotor anfing leise zu singen. auf beiden systemen war ständig strom. in der dokumentation des schrittmotor-treibers stand allerdings, dass man den treiber auch abschalten könne. also habe ich die schaltung von scenig ein bisschen erweitert:

GPIO 13 — puls
GPIO 12 - richtung
GPIO 14 - an/aus (SLP)

schaltung für die schrittmotor ansteuerung

mit der an/aus schaltung wird der schrittmotor-treiber nicht mehr heiss und der motor entspannt sich ebenso. als sketch habe ich diesen sketch modifiziert, der einen schrittmotor zur gardinensteuerung antreibt und die AccelStepper-bibliothek nutzt, um den motor (etwas) sanfter anfahren zu lassen. weil ich (natürlich) keine dreieinhalb vollumdrehungen benötige um den klöppel für den gong zu schlagen, habe ich den sketch entsprechend angepasst, ebenso die erfassung der mqtt-server daten. meinen sketch habe ich als gist hochgeladen: https://gist.github.com/diplix/d85c2dd87f66da601480009df49ad4e5

die entscheidenden stellen sind die beschleunigungsdaten und die vor- und zurückbewegung:

//configure stepper
stepper.setAcceleration(4000);
stepper.setCurrentPosition(0);
stepper.setMaxSpeed(1500);
 
stepper.runToNewPosition(-200);
stepper.runToNewPosition(0);

an den werten werde ich wahrscheinlich noch drehen, aber soweit funktioniert das eigentlich ganz gut. wichtig ist: der gong-antrieb ist per mqtt ansprechbar und so auch in den home-assistant integriert. damit kann ich ihn per knopfdruck auslösen oder eben per alexa. wenn ich sage „alexa, sag küche essen ist fertig“ wird ein custom skill mit dem aufrufnamen „küche“ ausgelöst, der die home-assistant-automation essen_fertig.yaml aufruft:


alias: long gong abspielen
sequence:
  - service: mqtt.publish
    data:
      topic: "gong/Control"
      payload: "2"

für die halterung habe ich, wie üblich, improvisiert. baumarktteile statt 3d-druck. aus einem kiefernholzregalbrett ein stück ausgeschnitten, darauf mit einer metallasche den motor festgeschraubklemmt, den klöppel direkt auf die achse geklemmt, fertig. den klöppel werde ich wohl noch mit heisskleber fixieren müssen, bisher funktioniert das aber stabil.

schaltung für die schrittmotor ansteuerung

entscheidend ist natürlich die idee, den klöppel von hinten schlagen zu lassen. so kann man mit einem langen arm und einem zweiten klöppel, den gong auch immer noch per hand bedienen. und der technik-kram macht sich relativ unsichtbar.

so hängt der gong über der tür

yamaha RX-V581

felix schwenzel, , in artikel    

vor ein paar monaten gab der verstärker auf, den die beifahrerin in die ehe mitgebracht hatte. er knackte immer wieder und hatte aussetzer. zuerst wollten wir ihn reparieren lassen, ein anruf bei einer werkstatt endete mit der empfehlung, erstmal die lautsprecherkabel zu überprüfen. die kabel mit denen wir die kleinen canton-boxen angeschlossen hatten, waren wirklich nicht mehr die neuesten, also verkabelte ich die anlage neu, mit frischen lautsprecherkabeln. für eine weile lief das ganz ok, dann fing das knacken wieder an.

der verstärker, eigentlich receiver, den die beifahrerin damals gekauft hatte, war zu seiner zeit relativ hochwertig. er hatte auch aufschriften die suggerierten, er könne auch surround-sound und dolby-gedöns, sogar ein video-eingang war an dem teil. heutzutage, im zeitalter von HDMI und digital-gedöns war das alles aber ohnehin nicht mehr wirklich brauchbar. ich drängte auf eine neuanschaffung und fing an zu recherchieren.

was ich wollte waren grundsätzliche multiroom-fähigkeiten, also die möglichkeit den sound in mehrere räume zu verteilen, anschlussmöglichkeiten für den fernseher und ansatzweiser kino-sound, ohne dass wir unsere vorhandenen canton-boxen (canton plus xl, erste oder zweite generation) in rente schicken müssten. ganz wichtig auch eine funktionierende anbindung an unsere mobiltelefone, so dass man problemlos musik auf die anlage schieben könnte. mein erster blick auf das sonos-system endete in lachsalven. die preise fand ich lächerlich hoch. die rezensionen, beispielsweise des sonos playbar, waren durchwachsen, trotz des guten sonos-rufs und des stolzen preises von um die 700 bis 800 tacken. um unsere eigenen boxen weiterbenutzen zu können, hätten wir nochmal 350 euro investieren müssen.

später fiel mein blick auf den yamaha RX-V481 für knapp 350 euro. den gabs bei amazon im paket mit einem netzwerklautsprecher für um die 600 euro. das teil kann airplay, bluetooth, spotify, multiroom, HDMI und alles, was mir damals wünschenswert erschien — vor allem aber eine grundsätzliche integration in unsere hausautomatisierung. auch hier waren die amazon-rezensionen eher durchwachsen, die bedienung sei nicht so besonders gut gelungen, weder über die app, noch über die fernbedienung, die einrichtung sei hackelig. ich suchte und fand im netz seriös wirkende lobeshymnen auf das multiroomsystem von yamaha (musiccast), aber die beifahrerin blieb skeptisch.

mein lösungsansatz, der in den letzten monaten schon ein paar mal funktioniert hatte, war den hersteller, bzw. seine pressestelle anzuschreiben und um ein testgerät zu fragen, mit der option auf einen späteren kauf. die yamaha-pressestelle, ausgelagert an die public-relations-agentur RTFM (zum glück nicht WTF) entschied sich, meine anfragen (plural) komplett zu ignorieren. hätte ich mir auch denken können, dass eine agentur die das akronym für read the fuckinhg manual als namen benutzt, blogger oder online-fuzzis nicht ernstnimmt und die aufregung um dieses online-gedöns nicht verstehen will oder kann.

die presseabteilung von pioneer, die ähnliche geräte im programm haben, reagierte promt, wies aber darauf hin, dass die geräte (damals) noch nicht multiroom-fähig seien. man arbeite noch an der firmware. meine zweite nachfrage verlief dann irgendwie im sande, auch weil ich mich innerlich schon auf den kauf des yamaha-geräts eingestellt hatte und nicht mehr nachhakte.

also war der neue plan: den yamaha kaufen, angucken, und falls das gerät den WAF-test nicht bestehen würde, zurückgeben. yamaha deutschland hatte gerade eine aktion laufen, in der das bündel RX-V481-receiver und ein netzwerklautsprecher rabattiert wurden. media-markt hatte hier den besten preis, 530 euro für das paket, es war aber schwer eine filliale in berlin zu finden, die sowohl den RX-V481, als auch den WX-030 netzwerklautsprecher auf lager hatten. also ging ich mit unserem budget von 530 euro in den media-markt am alexanderplatz und fragte nach den geräten. der RX-V481 war nicht auf lager, dafür gab es den netzwerklautsprecher WX-030 als ausstellungsstück. als ersatz für den RX-V481 bot mir ein freundlicher verkäufer das nächstbessere yamaha gerät auf lager an, den RX-V581. der verkäufer zimmerte mir aus dem aktions- und einem ausstellungsstückrabatt einen ganz okayen preis zusammen: 536 euro. fast der gleiche preis wie für einen neuen netzwerklautsprecher und den RX-V481. mit der skeptischen beifahrerin musste ich dann allerdings noch 30 minuten chatten und telefonieren, um sie zu überzeugen hier zuzuschlagen: „ja, klar, wir können das gerät zurückgeben. ja der preis ist OK. ja das ausstellungstück sieht gut aus.“

(interessant übrigens, dass die verkäufer bei media-markt rabatte freihändig vergeben können, wenn sie nicht unter dem günstigsten preis von idealo.de liegen. oder andersrum gesagt: es sieht aus, als könne man bei media-markt alles zum idealo-preis bekommen, wenn man danach fragt.)

* * *

am ende durfte ich die geräte aus dem media-markt schleppen und zuhause aufbauen. unglücklicherweise dengelte ich beim aufbau als erstes eine delle in die blechhülle des neuen receivers. das verursachte grosse panik bei der beifahrerin, weil wir die kiste jetzt nicht mehr ohne weiteres zurückgeben könnten: „was machen wir denn jetzt, wenn das ding scheisse ist?“

stark schwitzend konfigurierte ich den receiver weiter, quälte mich durch die wirklich nicht besonders intuitive wlan-konfiguration und die leicht übertwältigenden lautsprecher-einstellungen. zuerst klang die kiste tatsächlich scheisse, weil ich noch das falsche soundprogramm, für 5+1 lautsprecher, ausgewählt hatte, statt für die angeschlossenen zwei lautsprecher. als das in ordnung war, hellte sich das gesicht der beifahrerin auf. obwohl unsere canton-boxen klein und alt waren, klang das, was aus dem receiver rauskam, sehr, sehr gut. voluminös, raumfüllend und klar.

ich startete den entscheidenden test, schaltete den receiver aus, lehnte mich zurück und bat die beifahrerin spotify auf ihrem handy anzumachen und über den neuen receiver abzuspielen. erstaunlicherweise klappte das auf anhieb. obwohl der receiver ausgeschaltet war, bot spotify ihn als ausgabeziel an, die beifahrerin wählte den receiver aus, der receiver schaltete sich aus dem netzwerkstand-by ein und die musik fing an zu spielen, ruckelfrei und knackfrei. die beifahrerin hatte den receiver ab jetzt ins herz geschlossen, ich auch.

eigentlich könnte ich den text hier beenden. die beifahrerin konnte endlich wieder ihre musik vom handy laut und ihren qualitätsansprüchen entsprechend anhören, ohne dass es wie bei der vorherigen airplay-lösung über ein altes apple airport-express-dings und den alten verstärker, ständig ruckelte oder knackte.

aber ich wollte ja mehr. der fernseher, die fire-tv box mit plex und netflix drauf, sollte auch mit dem teil zusammenspielen. radio natürlich auch und der netzwerklautsprecher musste auch ans netz.

der anschluss des fernsehers war eigentlich unproblematisch, das einzige problem war, dass unser fernseher dumm ist. das wollten wir damals, bei der anschaffung, auch so. als ich meinen eltern, ein paar jahre zuvor, einen angeblichen smarten fernseher von samsung zurecht konfigurierte, hatte mich das nachhaltig beeindruckt und mich schwören lassen, sowas niemals in unsere wohnung zu lassen. die angebliche smarte samsung-software war der grösste, bedienungsfeindlichste müll, den ich seit windows XP gesehen hatte. ich wollte die smartness amazon und seiner fire-tv-kiste überlassen. das funktioniert auch grundsätzlich super, mit der einschränkung, dass wir den fernseher nicht über HDMI ein und ausschalten können. der yamaha-receiver könnte das zwar, aber der fernseher ignoriert HDMI-steuerbefehle dank eingeschränktem IQ. trotzdem, der sound der über HDMI aus der fire-tv-kiste in den receiver gelangte war super. mit unbekannter magie, schaffte es der receiver aus den zwei kleinen mini-boxen einen raumfüllenden, surround-ähnlichen klang zu zaubern.

enttäusched war hingegen der klang des WX-030 netzwerklautsprechers. ich dachte zuerst, dass die kiste be den vorführungen im media-markt durchgebrannt sei, so muffelig klang der ton, der ihm entfleuchte. mit massiver runterregulierung der bässe und aufdrehen der höhen, liess sich das problem einigermassen beheben, aber die beifahrerin war nicht begeistert. die einrichtung und einbindung des netzwerklautsprechers hingegen war einfach und auch die beschickung mit musik per spotify, airplay oder bluetooth war genauso schmerzfrei und einfach wie beim receiver. das urteil, ob wir den netzwerklautsprecher zurückgeben würden, überliesen wir dem kind, in dessen zimmer wir den netzwerklautsprecher gestellt hatten.

erstaunlicherweise war das kind zufrieden mit dem klang und wir entschieden uns, die kiste zu behalten, bzw. sie dem kind beim baldigen auszug zu überlassen.

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damit waren die beifahrerin und das kind zufriedengestellt, nur mich interessierte jetzt noch, was man mit dem RX-V581 in sachen automatisierung anstellen könnte. tatsächlich konnte ich das gerät problemlos in meinen home-assistant einbinden, dort wird der aktuelle status, die eingabequelle, lautstärke und was gerade spielt angezeigt.

receiversteuerung im home-assistant

der receiver lässt sich manuell oder automatisiert ein- und ausschalten, die quellen verstellen und abfragen, die lautstärke lässt sich verstellen, nur die zonen-erkennung funktioniert nicht — was aber an der implementierung der python-bibliothek lag, die mit dem yamaha kommuniziert. das was die bibliothek, die dem home-assistant zuarbeitet, nicht kann, lässt sich aber leicht per http-request erledigen. denn der yamaha-receiver lässt sich eben nicht nur per infrarotfernbedienung steuern, sondern komplett, in allen funktionen, auch per http. so konnte ich auch die kaputte zonensteuerung im homeassistant nachrüsten, hier habe ich aufgeschrieben, wie das geht.

dank der automatisierungsfähigkeiten ist es leicht den receiver mit der richtigen eingabequelle zu starten, wenn die beifahrerin beispielsweise den (das?) fire-tv startet, startet auch der receiver und wählt HDMI als eingabequelle aus. umgekehrt genauso: wird auf der fernbedienung die blueray-player-szene (aka fire-tv) gedrückt, aktiviert sich auch die fire-tv-kiste. unser wohnzimmer lässt sich jetzt auch an beiden türen per lichtschalter komplett „runterfahren“, ein tastendruck stellt die lichter aus, den verstärker und, per fernschaltsteckdose, den fernseher.

die aktuellen yamaha-receiver können alle musiccast, also synchron musik auf beliebigen (mussiccast-fähigen) netzlautsprechern musik abspielen. die meisten receiver haben zusätzlich eine interne multizonen-funktion (die, siehe oben, beim RX-V581 nicht korrekt von der automatisierungsoftware erkannt wird). die Main Zone ist bei uns das wohnzimmer, in der Zone B kann man ein lautsprecherpaar anschliessen, bei uns hängen die, durch die wand verkabelt, in der küche.

grundsätzlich ist diese funktion sehr toll: statt einen teuren (mono) netzlautsprecher, können wir hier zwei günstige (stereo) lautsprecher einfach per kabel in der küche aufhängen und vom verstärker aus mit musik beschicken. wir haben für knapp 100 euro ein paar canton-minilautsprecher in der küche aufgehängt, 200 euro günstiger als per netzwerklautsprecher.

canton plus GX-3 in der küche

etwas undurchsichtig ist allerdings die bedienung dieser zonen-fähigkeit. die app visualisiert die situation relativ klar, allerdings fällt es der beifahrerin schwer nachzuvollziehen, warum sie spotify sagen soll, musik ins wohnzimmer zu projizieren, wenn sie doch eigentlich in der küche musik hören will. die zonen-fähigkeit hat yamaha für den RX-V581 leider einen tacken zu sehr kastriert. eigentlich handelt es sich hier nicht um zonen, sondern um die aktivierung verschiedener ausgabekanäle, die gleichzeitg (leider) auch nur die selbe eingabequelle abspielen können.

yamaha musiccast-app

trotzdem kann man hier dank automatisrungsfähigkeiten drumrum arbeiten. wir haben in der küche jetzt einen knopf, der bei ausgeschaltetem receiver deutschlandradio in der küche aktiviert. läuft der receiver schon in der hauptzone, wird einfach die küchenzone mitaktiviert. ein erneuter knopfdruck deaktiviert die küchenzone. was die multizonenumsetzung von yamaha an eleganz vermissen lässt, muss man dann mit kluger automatisierung oder app-nutzung wettmachen.

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im wohnzimmer gab sich die beifahrerin nach ein paar tagen nutzung nicht mehr mit den zwei vorhandenen lautsprechern zufrieden. sie hatte schwierigkeiten in filmen und serien den dialogen zu folgen und wollte einen zusätzlichen center-lautsprecher. auch hier wollte sie wieder einen canton-lautsprecher: den CD-150 für knapp 120 euro. das teil ist klein und hört sich genauso gut an wie alle anderen canton boxen die ich in meinem leben bisher gehört habe. vor allem löste der lautsprecher aber das dialogproblem: schauspieler und sprecher waren jetzt bestens zu verstehen und zu lokalisieren. der sound der anlage wurde nochmal ein bisschen satter. irgendwann wird die beifahrerin auch satellitenboxen und einen subwoofer haben wollen (von canton), aber ich finde den sound bereits jetzt nahezu perfekt.

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werbeblock

bisher habe ich die links affiliate-/partnerlinkfrei gehalten. die folgenden links gehen alle zu als partnerlinks amazon, wir haben allerdings, wie oben erwähnt, nichts von der anlage bei amazon bestellt, sondern bei media-markt im laden und bei ebay. wir haben jetzt insgesamt für die anlage das folgende ausgegeben:

macht zusammen 761 euro für eine 3.0-anlage (drei lautsprecher, kein subwoofer) und zwei zusätzlich bespielbare räume. für den preis hätten wir bei sonos gerade mal einen playbar bekommen.

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  • grossartig am RX-V581 finde ich die fernbedienbarkeit per app, fernbedienung, heimautomatisierungssystem oder http, die app ist OK, aber das gute ist ja: die app lässt sich verbessern oder eben auch von drittherstellern besser machen. das yamaha-system ist von der fernsteuerbarkeit grundsätzlich offen.
  • mir gefällt die ausbaubarkeit und erweiterbarkeit des systems, eine gewisse zukunftsfähigkeit.
  • durch die neue anlage und die boxen in der küche bin ich von völliger spotify-ignoranz und desinteresse langsam zu einem (kleinen) spotify-fan geworden. wir sind alle drei in einem familienkonto für 15€/monat, können mehr oder weniger hören was wir wollen — und wo wir wollen. ich höre plötzlich tatsächlich (wieder) musik.
  • möglicherweise war es naiv von mir das zu erwarten, aber ich bin enttäuscht das die yamaha receiver zwar airplay können, aber nur für audio. technisch kann der receiver mit videoquellen umgehen und nach meinem verständnis steht technisch video-airplay nichts entgegen. wahrscheinlich sind es eher lizenzfragen oder dass apple keine konkurrenz zu seinem überteuerten apple-tv duldet. was weiss ich, schade ist es auf jeden fall.
  • sehr elegant und befriedigend finde ich den netzwerkstandby des yamaha. das gerät schaltet sich einfach ein, wenn es mit musik beworfen wird. das klappt zuverlässig und relativ schnell und lässt sich obendrein auch noch scripten und automatisieren.
  • spotify ist technisch faszinierend umgesetzt. lasse ich musik über meinen laptop in die küche laufen, kann ich den laptop zuklappen und spotify spielt die playlist einfach weiter ab. genauso mit dem handy. den receiver kann ich theoretisch sogar von unterwegs mit musik beschicken. tatsächlich holt sich der receiver die musik auch nicht vom handy oder dem laptop, sondern direkt von spotify.
  • der wlan-empfang des receivers ist entweder etwas schwächlich oder die empfangssituation an der stelle wo er steht ist wirklich unglücklich. gelegentlich gab es nach ein paar wochen testbetrieb nämlich doch abbrüche beim spotify-abspielen. seitdem das LAN verkabelt ist, läuft wieder alles super.
  • es gibt eine variante des RX-V481 mit DAB-radio-empfang. unser RX-V581 hat nur netzradio, aber das funktioniert super und lässt sich sogar relativ einfach konfigurieren. für notfälle oder krisensituationen haben wir immer noch ein altes UKW-radio im bad stehen. obwohl, wird das nicht auch bald abgeschaltet?

ich, wir sind super zufrieden mit dem yamaha. eigentlich würde ich 5 sterne geben, nur für die verkackte kastrierte und doof umgesetzte multizonen-funktion des RX-V581 ziehe ich dann doch einen punkt ab.

Gemeinsam ist besser als einsam (t3n 47)

felix schwenzel, , in artikel    

Es ist leicht, sich über Konzepte wie Coworking oder Coliving lustig zu machen – so wollte ich das in dieser Kolumne eigentlich auch machen. Coworking oder Coliving wirken wie fluffige, unscharfe Marketingbegriffe für Ideen, die ungefähr so alt wie die Menschheit sind. Was ist so neu an Wohngemeinschaften oder Menschen, die Wohn- und Lebensraum aus wirtschaftlichen Gründen teilen, dass man sie umbenennen sollte? Schon in der Steinzeit zeigte sich, dass Cohunting und Coliving Vorteile bieten. Menschen haben sich immer schon in Gemeinschaften zum Leben, Arbeiten oder Schutz gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen. Oft waren diese Gemeinschaften aus der Not oder wirtschaftlicher Notwendigkeit geboren, und manche dieser Zusammenschlüsse waren über Jahrhunderte hinweg sehr erfolgreich.

So bekannt einem das Konzept auch vorkommen mag – ist es nicht sensationell, dass es plötzlich möglich ist, sich spontan und für überschaubare Kosten einfach ein voll ausgestattetes Büro in jeder größeren Stadt zu mieten? Oder einen Konferenzraum? Dass man sich einfach in ein Auto am Straßenrand setzen und losfahren kann?

Die Privilegien, die sich früher erst genießen ließen, wenn man sich einer Gruppe anschloss, lassen sich jetzt auch von Einzelnen nutzen, ohne dass sie sich fest binden müssen. Der Fortschritt erlaubt plötzlich Einzelgängern, beides zu haben: die Vorteile der Selbstständigkeit und gleichzeitig die von geschlossenen Gruppen.

Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte haben vieles noch vor kurzem unmöglich scheinende alltäglich gemacht. Als Kind wünschte ich mir sehnlichst, mein Kinderzimmerdeckenlicht vom Bett aus ein- und ausschalten zu können. Um das zu erreichen, musste ich mir damals noch elaborierte Schnur- und Fadenkonstruktionen durch mein Kinderzimmer spannen, die nicht besonders zuverlässig funktionierten und nicht mal ansatzweise alltagstauglich waren. Heute kann sich jeder eine Hue-Lampe kaufen oder im Bett liegend „Alexa mach das Licht aus“ sagen. Genau betrachtet sind heute ungefähr 90 Prozent meiner Kindheitsallmachtphantasien, die damals vor allem von Phantomias-Comicgeschichten und später von James-Bond-Filmen angeheizt wurden, für fast jeden erschwinglich und umsetzbar. Technologien, die früher nur Superhelden oder Superschurken zur Verfügung standen, stehen jetzt jedem offen.

Dank der iOS Freunde-App weiß ich jederzeit, wo sich jedes Familienmitglied aufhält, in Makerspaces habe ich (nach einer kurzen Einführung) freien Zugang zu 3D-Druckern, CNC-Fräsen oder Lasercuttern, in fremden Städten kann ich mir zur Ankunft mit meinem Mobiltelefon direkten Überblick über freie Zimmer in Hotels oder bei Privatleuten verschaffen.

Waren es früher Beziehungen, Zugehörigkeit oder Vermögen, die einem Zugang zu Ressourcen verschafften, lässt sich das meiste heutzutage mittels Technologie vermitteln.

Mir fällt es schwer, Nachteile dieser Entwicklungen zu erkennen, abgesehen vom ganz Offensichtlichen: Die meisten der Technologien oder Plattformen, die mich begeistern oder um die es in dieser Kolumne bisher ging, lösen „First World“-Probleme – die meist gar keine wirklichen Probleme sind, sondern Unbequemlichkeiten. Lichtfernschaltung, einfacher Zugang zu einem Schreibtisch, Drucker oder Kopierer, zu einer CNC-Fräse, mit der ich mir aus einer Holzplatte einen Smiley fräsen könnte – nichts davon hilft auch nur eines der großen Menschheitsprobleme zu lösen. Coworking hilft nicht bei der Armutsbekämpfung, allein wird den Klimawandel nicht aufhalten, Makerspaces stabilisieren nicht die Demokratie.

Trotzdem, auch wenn viele derzeit aus dem Boden sprießenden Orte und Plattformen lediglich Gemeinschaft simulieren, verbinden sie eben doch auch Menschen.

Auch diese losen Gemeinschaften, die uns helfen sollen, effektiver zu kooperieren und zusammenzuarbeiten, Ressourcen besser zu vermitteln und zu teilen, sind echte Gemeinschaften. Auch wenn sie sich nicht selbstorganisiert sind, sondern meist von Dritten, semiautomatisch, digital, teilweise mit kommerziellen Motiven organisiert werden, führen sie Menschen zusammen. Und obwohl sie komische, angelsächsische Marketingnamen tragen und nicht alle Probleme der Welt lösen, schaffen sie es doch Stück für Stück, uns wieder an mehr Gemeinschaftssinn heranzuführen und einen guten, alten Gedanken wieder aufzuwärmen: Gemeinsam, kooperativ und teilend sind wir weit stärker als allein.

Auf t3n.de lesen, meine andern t3n-kolumnen.

die waschmaschine ist fertig!

felix schwenzel, , in artikel    

früher sass ich manchmal stundenlang vor der waschmaschine und beobachtete den waschvorgang durch das bullauge. jetzt sitze ich manchmal stundenlang vor dem monitor und beobachte den waschvorgang durch die daten eines strommessgeräts.

gemessener waschgang

(das ist die fortsetzung von „stromverbrauch messen“)

auf dem bild sieht man die gesammelten daten der 14 euro teuren revolt SF-436 (NC-5461) strommessfunksteckdose während einer 60°-wäsche. der waschvorgang dauerte 70 minuten, begann mit ein bisschen gerödel, wahrscheinlich der pumpe, und einer 13-minütigen aufheizphase die stolze verbrauchswerte um die zwei kW zeigt. darauf folgen drei oder vier waschvorgänge, abpumpen und schleudern. nach 70 minuten ist die wäsche fertig. was man auch (schlecht) sieht: eine wäsche verbraucht in etwa 0,48 kWh, was in etwa 12 cent entspricht (siehe auch).

dieses verbrauchsprofil eignet sich prima um daraus eine anzeige von waschaktivität und eine benachrichtigung nach dem waschvorgang per home-assistant (oder anderen heimautomatisierungssystemen) zu generieren. denn auch wenn die waschmaschine im standbymodus geringe strommengen zieht, zeigt das messgerät null watt an. der waschvorgang-sensor kann also mit dem ersten anstieg des verbrauchswerts ausgelöst werden. während des waschvorgangs fällt der verbrauch gelegentlich wieder zurück auf null watt, allerdings nie länger als zwei minuten. also löst der sensor für „waschmaschine ist fertig!“ aus, wenn der verbrauch mindestens vier minuten auf null ist. das scheint ziemlich zuverlässig zu funktionieren, vor allem implizit, also ohne dass man mehr als die start-taste der waschmaschine drücken müsste. wenn die wäsche fertig ist, werden wir benachrichtigt.

ich hatte mir das eigentlich komplizierter vorgestellt, als ich vor monaten im internet las, dass eine stromverbrauchsmessung an der waschmaschine eher ungenaue werte für eine benachrichtigungsfunktion liefert. deshalb hatte ich überlegt einen reed-sensor in die tür einzubauen oder den zustand der waschmaschineneigenen „fertig“-LED auszulesen oder abzugreifen. selbst einen rüttelsensor hatte ich in betracht gezogen.

umgesetzt ist das alles mit drei komponenten. der strommessfunksteckdose, dem rfxtrx-funkempfänger und decoder und dem home-assistant, der für die einbindung der dose als sensor die pyRFXtrx-bibliothek benutzt. nachdem ich durch ein firmwareupdate dem rfxtrx das entsprechende protokoll beigebracht hatte, fehlte das entsprechende protokoll aber leider in der pyRFXtrx-bibliothek. der pfleger der bibliothe wies mich, auf meine frage ob man das nachrüsten könne, freundlich drauf hin, dass ich das selber machen könne.

tatsächlich war das dann weniger kompliziert als zuerst gedacht. die pakete die der rfxtrx in einen bytestring decodiert waren bereits in dieser bibliothek entschlüsselt und ich musste das nur noch für die python-bibliothek umformulieren. also habe ich einen pull-request gestellt und den code per github erweitert.

bei der gelegenheit muss ich auch mal, ganz allgemein, open source software und open-source-werkzeuge loben. versionsverwaltungssysteme, in diesem fall git, bzw. github sind immer noch kompliziert komplex und gewöhnungsbedürftig, aber mit der weboberfläsche von github auch ganz schön toll. wenn man erstmal hinter die kryptischen begriffe und konzepte wie commit, pull request oder das konzept von automatisierten tests gestiegen ist, macht das hinzufügen von teilen zu einem komplexen softwareprojekt genausoviel spass wie das lösen eines kreuzworträtsels. der gewinn, wenn man das rätsels gelöst hat, ist zusätzliche funktionalität für einen selbst und andere. jedenfalls habe ich nun auch einen winzigen teil zur weiterentwicklung des home assistant beigetragen.

jeder der den home-assistant und einen rfxtrx betreibt, kann jetzt für 14 euro einen strommesssensor zu seinem system hinzufügen. die benachrichtigungsfunktion im home assistant habe ich so gebaut, wie @rpitera das vorgeschlagen hat.


# input boolean
input_boolean:
  waschmaschine_status:
    name: Status Waschmaschine
    initial: off
# sensor
sensor:
  platform: template
    washer_pwrdn:
    value_template: "{{ states('sensor.revolt_1_watt') | int < 3.4 }}" # automation start automation:   - alias: 'Waschmaschine Start'     trigger:       platform: state       entity_id: sensor.washer_pwrdn       from: 'True'       to: 'False'     action:       service: input_boolean.turn_on       entity_id: input_boolean.waschmaschine_status # automation fertig   - alias: 'Waschmaschine fertig'     trigger:       platform: state       entity_id: sensor.washer_pwrdn         from: 'False'         to: 'True'         for:           minutes: 4     condition:       condition: state       entity_id: input_boolean.waschmaschine_status       state: 'on'     action:       - service: notify.notify           data:           message: 'Waschmaschine ist fertig!'       - service: shell_command.play_bike_horn       - service: input_boolean.turn_off           entity_id: input_boolean.waschmaschine_status

jetzt will ich natürlich mehr von diesen funkstrommessdingern haben, eines um zu messen was unser serverpark verbraucht, in dem der home-assistant, plex, diverse festplatten auf einem mac-mini, der dsl-router, die fritz-telefonanlage, sensoren, hubs und brücken (hue, tado) laufen. für die spülmaschine wäre das eventuell auch nett, aber da hätte ich gerne zusätzlich zur benachrichtigung eine (oder mehrere) rote LED, die die den betrieb visuell anzeigt.

* * *

am ende nochmal werbung. den revolt funkstrommesser kann man bei pearl kaufen oder bei [-werbelink] amazon. bei amazon schwanken die preise heftig, ich habe ihn dort versandkostenfrei (per prime) für 14 euro (so viel wie bei pearl) gekauft, derzeit kostet er bei anmazon knapp 17 euro. geliefert wird er in beiden fällen direkt von pearl. wenn man direkt bei pearl bestellt, muss man allerdings eventuell noch versandkosten bezahlen.

100 jahre hausautomatisierung

felix schwenzel, in artikel    

die optimale hausautomatisierung ist implizit oder gestengesteuert. das grundprinzip ist wahrscheinlich um die 100 jahr alt und in jedem kühlschrank verbaut: wenn ich die türe öffne, geht das licht an, schliesse ich die türe geht’s aus. eigenartig, dass sich dieses prinzip nur für kühlschränke durchgesetzt hat. alle anderen schränke blieben bei öffnung mehr oder weniger dunkel, bis ikea die striberg leuchte auf den markt brachte. die kann man in pax- oder anderen schränken anbringen, so dass der schrank wie ein kühlschrank funktionieren — minus der kühlung.

auch für zimmer hat sich das prinzip bisher kaum durchgesetzt. um ein zimmer zu beleuchten muss man in der regel nicht nur die tür öffnen, sondern auch noch einen schalter betätigen.

wie sehr die haustechnik den eigentlichen bedürfnissen der menschen hinterher ist, zeigt dieser uralte witz:

— wo warst du denn?
— auf dem klo. irre. ich bin zum klo, hab die tür aufgemacht und das licht ging automatisch an! automatisch!
— ach hermann, hast du wieder in den kühlschrank gepinkelt?

(sorry)

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ich habe bei uns in der wohnung mittlerweile in fast jedem raum bewegungsmelder angebracht. im flur geht (auch tagsüber) ein nachtlicht an — und bleibt so lange an, wie jemand dort ist. in der küche geht die arbeitsplattenbeleuchtung an. auf dem klo und nachts im wohnzimmer geht ebenfalls ein nachtlicht an. meine letzte grosstat war die beleuchtungsmässige aufrüstung der speisekammer zum kühlschrank. wenn die tür aufgeht, geht das licht an und 30 sekunden später wieder aus. ausser jemand bewegt sich in der kammer, dann bleibt’s an.

das bewegungsdetektieren funktioniert seit monaten zuverlässig, ausser wenn das wlan zickt. aber wenn die bewegungsmelder ausfallen sollten, gibt es als notbehelf immer noch in jedem zimmer funktionierende lichtschalter.

natürlich zählen auch wasch- oder spülmaschinen zur heimautomatisierung: schmutzige sachen rein, knopf drücken, ein, zwei stunden später saubere sachen wieder rausholen. ebenso ein klassiker der hausautomatisierung: der türsummer. dank türsummern muss ich (oder mein diener) nicht mehr runter zur haustür laufen, um sie zu öffnen (auch wenn das genaugenommen eine fernbedienung ist und keine automatisierung).

aber ganz besonders mag ich implizite automatisierungen. mein telefon fängt eine tonaufnahme an, wenn ich es im chatmodus ans ohr halte — oder es spielt eine empfangene tonaufnahme ab, wenn ich’s ans ohr halte. es gibt autos, die öffnen den kofferraum wenn ich den schlüssel in der tasche habe und einen tritt unter die stossstange andeute. manche autos öffnen die verriegelung, wenn ich mich mit dem schlüssel in der tasche nähere. im coffeemamas hat man mir eine grosse melange gemacht, wenn ich vor 10 jahren den laden betrat — ohne dass ich ein wort sagen musste. bei real öffnen sich die türen, wenn ich den laden betrete.

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gestern auf dem weg nachhause hatte ich eine idee, wie ich den kaputten dash-button durch eine implizite geste ersetzen könnte. bisher mussten wir den dash button, einen button in der home-app drücken oder mit siri kämpfen, damit der ventilator nach einem grossen geschäft anging. beim duschen geht er, dank luftfeuchtigkeitssensor, alleine an. jetzt habe ich eben ausprobiert einen bewegungsmelder hinter dem klo zu positionieren, der auf die klobürste blickt. beim kleinen geschäft schlägt der bewegungsmelder nicht aus. beim grossen, wenn man wie vorgesehen, kurz mit der klobürste wischt, geht die lüftung an. das finde ich ungefähr zweitausend mal besser als einen knopf zu drücken.

ausserdem neu: wenn die firetv-fernbedienung gedrückt wird, schaltet sich automatisch der fernseher und der verstärker ein. der verstärker wählt ausserem den richtigen eingabekanal.

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was ich eigentlich sagen möchte: ich glaube die zukunft der hausautomatisierung ist nicht sprache, sondern implizite, subtile automatisierung. ich will nicht ausschliessen, dass ich hier zu sehr von meinem befindlichkeiten ausgehe und die verallgemeinere, aber ich bin sicher, dass ich nicht der einzige bin, der jedem navigationsgerät zuerst das sprechen verbietet. ich möchte in meinem stammkaffee nicht jeden morgen das gleiche bestellen, sondern das was ich ohnehin jeden morgen zu mir nehme still serviert bekommen. sinnvolle automatisierung sollte lernen können, muster in meinem (und anderer) verhalten erkennen. wie ein guter butler.

wenn ich schon sprechen muss, möchte ich das implizite botschaften erkannt werden und sie nicht explizit ausführen müssen.

siri, es stinkt