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Offener Brief
Herrn Stefan Weis
Direktion 5
Leiter der Direktion
Friesenstr. 16
10965 BerlinBehandlung von Flüchtlingen in Kreuzberg
Sehr geehrter Herr Weis,
wir wenden uns erneut an Sie, weil wir mit Ihnen und einigen Ihrer Kollegen in einem sehr guten Austausch standen und daher den Eindruck gewonnen hatten, dass Sie unsere Arbeit für die Flüchtlinge in und um den Görlitzer Park unterstützen.
Bantabaa hat unter anderem zum Ziel, Flüchtlingen rund um den Görlitzer Park eine Alternative zum Drogenverkauf zu eröffnen. Wir bieten Sprachkurse, Rechtsberatung und Unternehmungen zur Integration. Soweit es angesichts der schwierigen Rechtslage möglich ist, vermitteln wir Jobs und Praktikas. Wir planen den Verkauf von Kuchen und Getränken im Park, hier warten wir nur noch auf die notwendigen Genehmigungen. Flüchtlinge backen, kochen, putzen, bauen, schreiben, malen, musizieren und reparieren. Es gibt viele Möglichkeiten und erste Erfolge haben sich eingestellt. Umso mehr leiden wir unter dem Umgang der Polizei mit den Flüchtlingen hier in Kreuzberg. Dieser ist in keiner Weise mehr akzeptabel:
Jeder mit schwarzer Hautfarbe, der sich in Kreuzberg aufhält, wird systematisch kontrolliert und ihm Geld, Fahrrad sowie teilweise auch Handys, Kleidungsstücke usw. abgenommen. Auch Menschen, die keine Drogen bei sich haben und von denen wir mit Gewissheit sagen können, dass sie nicht dealen, sind betroffen. Die Kontrollen finden nachweislich ohne jeden Anhaltspunkt statt.
Für einen der Flüchtlinge hatten wir Spenden gesammelt, damit er sich Fußballschuhe kaufen kann, nachdem wir ihn an einen Fußballverein vermitteln konnten. Nach dem Deutschkurs in unseren Vereinsräumen hat er sich auf dem Weg zu einem Sportladen gemacht, als er in eine Kontrolle kam und ihm das Geld ohne Quittung weggenommen wurde. Er hat lediglich einen handgeschriebenen Zettel erhalten, aus dem nicht ersichtlich ist, wer das Geld genommen hat. Seine Identität wurde im Übrigen auch nicht aufgenommen. Offensichtlich ging es allein um das Geld.
In einem weiteren Fall hatten wir vormittags eine Veranstaltung in unseren Vereinsräumen. Eine Abgeordnete des Deutschen Bundestages war zu Besuch, um sich bei den Flüchtlingen über ihre Situation zu erkundigen. Kurze Zeit später - wir hatten gerade den Gast verabschiedet - versuchte die Polizei mit Gewalt in unsere Vereinsräume einzudringen. Angeblich hielte sich jemand in den Räumen auf, der gerade beim Dealen beobachtet worden wäre. Trotz mehrerer Zeugen, die bestätigen konnten, dass der Betroffene die ganze Zeit an unserer Veranstaltung teilgenommen hat, und der Unterstützung eines Anwaltes, beharrten die Beamten auf Zugang zu unseren Räumen. Wir haben das zur Deeskalation der Situation gestattet und der Beamte bestätigte, dass es ein Irrtum sei und es sich nicht um denjenigen handeln würde, der beim Dealen beobachtet worden sei. Das hat die Polizei jedoch nicht davon abgehalten, den Betroffenen beim Verlassen unserer Räume – als wir schon nicht mehr anwesend waren – festzunehmen und ihm Geld, Fahrrad und Schuhe abzunehmen.
Ein anderer Flüchtling wohnt auf unsere Vermittlung in einer WG in der Falckensteinstraße. Beim Einkaufen bei Kaisers wurde er aus dem Laden abgeführt, zu Lidl in die Wrangelstraße gebracht und ihm dort sein Einkaufsgeld abgenommen. Er kam von zu hause und wollte für das Abendessen einkaufen. Der Betroffene ist Asylbewerber, hat eine Arbeitsstelle und wartet nur auf die Zustimmung des Arbeitsamtes.
Wir könnten noch zahlreiche Beispiele anführen. Besonders erschreckend ist, dass immer häufiger Geld ohne Protokoll abgenommen wird. Die Flüchtlinge wehren sich nicht, weil sie froh sind, wenn sie davon kommen.
Uns ist bewusst, dass es einen hohen politischen Druck gibt, den Görlitzer Park „zu säubern“. Dennoch leben wir in einem Rechtsstaat, auch die Polizei ist an Recht und Gesetz gebunden. Die von uns betreuten Flüchtlinge wissen, was Diktatur und Polizeiwillkür bedeutet. Die Polizei sollte daher gerade gegenüber diesen Flüchtlingen eine besondere Sensibilität an den Tag legen. Personen, bei denen keine Verdacht auf eine Straftat besteht, dürfen nicht willkürlich durchsucht und aufgehalten werden, nur weil sie schwarz sind. Dass diesen Menschen zudem Geld, Fahrrad und Kleidung weggenommen wird, wo sie eh kaum etwas zum Leben haben, macht einen sprachlos. Es gibt viele Afrikaner in Kreuzberg, die nicht dealen und viele, die vielleicht auch einmal im Park waren, haben dies aufgegeben. Wir sollten gemeinsam diese Menschen unterstützen, statt sie wie Kriminelle zu behandeln.
Und auch die Menschen, die häufig aus Verzweiflung und mangels Arbeitsalternative Drogen verkaufen, verdienen einen respektvollen Umgang. Statt ihnen zu helfen und ihnen eine Möglichkeit zu geben, in Deutschland Geld zu verdienen und ihre Familien in Afrika zu unterstützen, werden sie kriminalisiert, ausgegrenzt und am Ende abgeschoben.
Wir appellieren daher an Sie, diese willkürlichen Polizeikontrollen allein wegen der Hautfarbe zu unterbinden. Die entwendeten Geldbeträge, Fahrräder, Kleidungsstücke usw. sind umgehend zurückzugeben. Diese Art der Ausräuberei muss ein Ende haben.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitta Varadinek Annika Varadinek