Bar­geld nervt …

felix schwenzel in artikel

Ei­gent­lich funk­tio­niert Bar­geld ja ganz gut. Aus­ser an Fahr­kar­ten­au­to­ma­ten, die of­fen­bar alle an ei­ner Art Bar­geld-All­er­gie lei­den. Und wenn man mit gros­sen Schei­nen be­zah­len will, funk­tio­niert Bar­geld auch nicht so gut. Ach ja, im Netz kann man auch nicht mit Bar­geld be­zah­len. Die Ban­ken und der Ein­zel­han­del fin­den Bar­geld üb­ri­gens auch doof. Die Ban­ken spre­chen da­von, dass Bar­geld jähr­lich um die 12 Mil­li­ar­den Euro Kos­ten ver­ur­sacht: Ban­ken müs­sen Geld­au­to­ma­ten auf­stel­len und be­fül­len, das Bar­geld muss trans­por­tiert und ver­si­chert wer­den.

Ge­nau be­trach­tet nervt Bar­geld ei­gent­lich to­tal. Aber die meis­ten Al­ter­na­ti­ven zu Bar­geld ner­ven eben auch. In Deutsch­land kommt die EC-Kar­te wohl ei­ner all­ge­mei­nen Bar­geld­al­ter­na­ti­ve am nächs­ten. Mit der kann ich in fast al­len Su­per­märk­ten oder Tank­stel­len be­zah­len, in man­chen Re­stau­rants, aber da­für in den meis­ten klei­ne­ren Lä­den oder im Netz nicht. Mit Kre­dit­kar­te kann ich fast über­all im Netz be­zah­len, aber da­für will kaum ein Ein­zel­händ­ler in Deutsch­land Zah­lun­gen da­mit ent­ge­gen neh­men.

In Ber­lin ha­ben wir uns auch mit der Flug­ha­fen­si­tua­ti­on ab­ge­fun­den, war­um sol­len wir uns nicht auch mit ei­nem ba­by­lo­ni­schen Zah­lungs­ge­wirr ab­fin­den? So weit ist die­ser Ver­gleich üb­ri­gens nicht her­ge­holt: der Aus­bau des Flug­ha­fen Schö­ne­feld wur­de vor knapp 20 Jah­ren be­schlos­sen. Ge­nau­so lan­ge ver­such­ten Han­del, Ban­ken, Mo­bil­funk­un­ter­neh­men und ver­schie­de­ne Start­ups be­die­nungs­freund­li­che, al­ter­na­ti­ve Zah­lungs­sys­te­me in Deutsch­land zu eta­blie­ren. Die Ge­schich­te die­ser Bar­geld­al­ter­na­ti­ven lässt sich ge­nau­so prä­gnant zu­sam­men­fas­sen wie die Ge­schich­te des Ber­lin-Bran­den­bur­ger Flug­ha­fens: zwei Jahr­zehn­te Murks, Zu­stän­dig­keits­ge­r­an­gel und In­trans­pa­renz.

Nach der An­kün­di­gung von Ap­ple künf­tig in die­sem Markt mit­mi­schen zu wol­len, scheint end­lich ein biss­chen Be­we­gung in die ver­schla­ge­ne ver­schla­fe­ne Bran­che ge­kom­men zu sein: In Ber­lin star­te­te vor ein paar Mo­na­ten eine Kam­pa­gne des mpass-Kon­sor­ti­ums mit dem wit­zi­gen Na­men zahl ein­fach mo­bil. Da die Men­schen an den trag­ba­ren Bild­schir­men of­fen­bar bis jetzt nichts von der Ar­beit des 2008 von O₂ und Vo­da­fone ge­grün­de­ten Han­dy­be­zahl­dienst mit­be­kom­men ha­ben, scheint das Jahr 2015, in dem mit Ap­ple der ers­te ernst­zu­neh­men­de Kon­ku­rent in Er­schei­nung tritt, wohl der rich­ti­ge Zeit­punkt zu sein, um den Ste­alth-Mo­dus zu ver­las­sen.

Wer jetzt al­ler­dings glaubt dass das mpass-Kon­sor­ti­um, bei dem seit ein paar Jah­ren auch die Te­le­kom mit­mischt, in den letz­ten sie­ben Jah­ren ein über­zeu­gen­des Kon­zept oder kun­den­freund­li­ches Zah­lungs­ab­wick­lungs­sys­tem ent­wi­ckelt hät­te, der irrt. Man hat es mit ei­ni­ger Kraft­an­stren­gung zwar ge­schafft ein paar tau­send Zah­lungs­ter­mi­nals zu mo­der­ni­sie­ren und NFC-fä­hig zu ma­chen und zu­dem ein paar gros­se Han­dels­ket­ten über­zeugt mit­zu­ma­chen, aber zu ein­fach woll­te man es po­ten­zi­el­len Kun­den dann doch nicht ma­chen.

Um „ein­fach mo­bil“, also mit dem Mo­bil­te­le­fon, be­zah­len zu kön­nen, muss ich mir näm­lich nicht nur ei­nen RFC-Chip aufs Han­dy kle­ben, son­dern auch ein neu­es Kon­to und eine neue Kre­dit­kar­te bei ei­ner bri­ti­schen Bank (Wire­card) be­an­tra­gen. Das um­fasst eine Schufa-Ab­fra­ge und das Aus­fül­len vie­ler For­mu­la­re mit an­schlies­sen­den mehr­stu­fi­gen und lang­wie­ri­gen Le­gi­ti­mie­rungs­ver­fah­ren. Und das, ob­wohl mein Mo­bil­funk­an­bie­ter, der mir das mo­bi­le Be­zahl­ver­fah­ren an­bie­tet, alle die­se Da­ten von mir vor­lie­gen hat und al­les über mei­ne Bo­ni­tät weiss.

An der zahl ein­fach mo­bil-Ak­ti­on ist — aus­ser dem Be­zahl­vor­gang selbst — nichts ein­fach. Es ist kom­pli­ziert und lang­wie­rig Gut­ha­ben auf mein mpass-Kon­to ein­zu­zah­len, die App die mpass mir emp­fiehlt um Ak­zep­tanz­stel­len zu fin­den spricht nur eng­lisch und sucht be­vor­zugt in den USA.

Das bar­geld­lo­se Be­zah­len von Be­trä­gen un­ter 25 Euro fühlt sich aber tat­säch­lich sen­sa­tio­nell fu­tu­ris­tisch und kin­der­leicht an (Zah­lun­gen über 25 Euro müs­sen bei mpass mit ei­ner PIN au­to­ri­siert wer­den) — am liebs­ten wür­de ich künf­tig über­all mit mei­nem Te­le­fon­auf­kle­ber be­zah­len. Ein wei­te­rer Licht­blick: die meis­ten der auf­ge­rüs­te­ten RFC-fä­hi­gen Be­zahl­ter­mi­nals sind im Prin­zip mit den Be­zahl­sys­te­men be­lie­bi­ger An­bie­ter — zum Bei­spiel Ap­ple-Pay — kom­pa­ti­bel. Und seit das EU-Par­la­ment die Trans­ak­ti­ons­kos­ten für Kar­ten­bu­chun­gen ge­de­ckelt hat, wächst die Ak­zep­tanz bar­geld­lo­ser Be­zahl­ver­fah­ren auch bei Ein­zel­händ­lern.

Da­mit ist theo­re­tisch der Weg für neue Bar­geld­al­ter­na­ti­ven frei ge­räumt. Dem Wett­be­werb um das am we­nigs­ten ner­vi­ge Ge­samt­an­ge­bot bei der Zah­lungs­ab­wick­lung steht fast nichts mehr im Wege — aus­ser dem of­fen­sicht­li­chen Un­wil­len der Ban­ken oder Mo­bil­funk­an­bie­ter ein­fa­che, kun­den­ori­en­tier­te Lö­sun­gen an­zu­bie­ten. Die­ses letz­te Puz­zle­teil auf­zu­he­ben über­lässt man dann wahr­schein­lich (wie­der mal) Ap­ple.


an­mer­kung: das ist der text mei­ner ko­lum­ne im (ge­druck­ten) t3n-ma­ga­zin num­mer 41. in ein paar wo­chen kommt die neue aus­ga­be, mit ei­ner neu­en ko­lum­ne von mir. die taucht dann bei die­ser aus­ga­be auch erst­mals on­line auf t3n.de auf.

weil ich für die ko­lum­ne be­zahlt wer­de, ent­hält sie auch gross- und klein­schrei­bung.

vor­he­ri­ge ko­lum­nen:


die­sen text habe ich aus re­dak­tio­nel­len grün­den aus der ko­lum­ne raus­kür­zen müs­sen. weil ich ihn re­la­tiv wit­zig — und im­mer noch ak­tu­ell und in­for­ma­tiv fin­de, hän­ge ich ihn hier an.


Nach­dem ich von der zahl-ein­fach-mo­bil.de-Web­sei­te, die von der Be­ra­tungs­fir­ma GS1 Ger­ma­ny GmbH be­trie­ben wird, zu der von O₂, der Te­le­kom und Vo­da­fone be­trie­be­nen Web­sei­te mpass.de ge­lei­tet wur­de, sehe ich zu­nächst, dass mpass.de — trotz des Ap­ple-Weck­rufs — sehr stief­müt­ter­lich ge­pflegt wird. Im Im­pres­sum der Web­sei­te ist noch René Ober­mann als Ver­tre­tungs­be­rech­tig­ter der Te­le­kom auf­ge­führt, ob­wohl der be­reits vor knapp an­der­t­alb Jah­ren sei­nen Pos­ten bei der Te­le­kom ver­las­sen hat.

Mein Klick auf „Jetzt an­mel­den“ führt noch­mal wei­ter zu ei­ner Web­sei­te, die von der in Wales an­säs­si­gen Fir­ma Wire­card Card So­lu­ti­ons Li­mi­t­ed be­trie­ben wird. Weil O₂ le­dig­lich als Ver­mitt­ler und nicht als An­bie­ter auf­tritt, muss ich mich — auch als O₂-Kun­de — dort mehr­fach „le­gi­ti­mie­ren“.

Zu­nächst be­kom­me ich eine PIN-Num­mer aufs Han­dy ge­schickt, da­nach eine PIN (per 1-Cent-Über­wei­sung) auf mein Kon­to. Nach 4 Ta­gen — so­lan­ge dau­er­te die Über­wei­sung aus Wales — bin ich so halb le­gi­ti­miert. Ein wei­te­rer Schritt („mpass plus“) steht noch aus, ist aber of­fen­bar für das Geld­nach­la­den per Last­schrift­ver­fah­ren zwin­gend er­for­der­lich.

5 Tage nach mei­ner An­mel­dung trifft der er­staun­lich di­cke NFC-Sti­cker bei mir ein und auch mei­ne Über­wei­sung von 25 Euro wur­de mir nach 5 Ta­gen auf mei­nem mpass-Kon­to gut­ge­schrie­ben.

In ein paar Su­per­markt­ket­ten und Tank­stel­len kann ich jetzt nach knapp ei­ner Wo­che Vor­be­rei­tungs­zeit „ein­fach be­zah­len“. Ich ent­schei­de mich un­se­ren Wo­chen­end­ein­kauf bei Aldi mit mei­nem neu­en Han­dy­auf­kle­ber zu be­zah­len. Wo­hin ich am Be­zahl­ter­mi­nal mein Han­dy hal­ten soll ist lei­der nicht er­kenn­bar. Die Kas­sie­re­rin weiss es auch nicht. Ich be­we­ge mein Te­le­fon be­schwö­rend um alle Sei­ten des Be­zahl-Ter­mi­nals, drü­cke mein Han­dy ge­gen das Dis­play und die Sei­ten des Ter­mi­nals — nichts pas­siert. Nach­dem die ers­ten Räus­pe­rer aus der War­te­schlan­ge hin­ter mir zu hö­ren sind und ich schon mei­ne EC-Kar­te zü­cken will, piepst das Ter­mi­nal dann doch noch und gibt mei­ne Zah­lung frei. Ein­fach!