das häss­li­che ent­lein

felix schwenzel in notiert

foto von einem jungen schwan am westhafenkanal

heu­te beim mor­gen­spa­zier­gang ein häss­li­ches ent­lein ge­se­hen und fo­to­gra­fiert. weil die bei­fah­re­rin, als ich ihr das bild eben zeig­te, die an­spie­lung nicht ver­stand, hab ich noch­mal das mär­chen von hans chris­ti­an an­der­sen raus­ge­sucht. das pro­jekt gu­ten­berg hat „das häss­li­che jun­ge ent­lein“ ver­öf­fent­licht (mär­chen und über­set­zung sind ge­mein­frei) und ich habe es noch­mal ge­le­sen. mir ge­fällt schon der an­fang:

»Ach, wie groß ist die Welt!« sag­ten alle Jun­gen. Jetzt hat­ten sie frei­lich ganz an­ders Platz, als da sie noch drin­nen im Ei la­gen. »Meint ihr, das sei die gan­ze Welt?« sag­te die Mut­ter. »O nein, sie er­streckt sich noch weit über die an­de­re Sei­te des Gar­tens hin, ja bis an den Zaun des Pfar­rers; dort bin ich frei­lich noch nie ge­we­sen!«

und spä­ter:

»Aber es ist herr­lich, auf dem Was­ser zu schwim­men!« sag­te das Ent­lein, »herr­lich, un­ter­zu­tau­chen und das Was­ser über dem Kopf zu­sam­men­schla­gen zu las­sen.«

»Ja, das muß wirk­lich ein gro­ßes Ver­gnü­gen sein!« sag­te die Hen­ne spöt­tisch. »Bist du denn ver­rückt ge­wor­den? Fra­ge ein­mal die Kat­ze; sie ist die klügs­te, die ich ken­ne, ob es ihr so an­ge­nehm vor­kommt, auf dem Was­ser zu schwim­men oder un­ter­zu­tau­chen! Von mir selbst will ich gar nicht re­den, oder fra­ge un­se­re Herr­schaft, die alte Frau, sie ist die klügs­te auf der gan­zen Welt. Meinst du, sie hät­te Lust, zu schwim­men oder sich das Was­ser über dem Kopf zu­sam­men­schla­gen zu las­sen?«

»Ihr ver­steht mich nicht«, sag­te das Ent­lein.

»Wenn wir dich nicht ver­ste­hen, wer soll dich dann ver­ste­hen? Du wirst doch nicht klü­ger sein wol­len als die Kat­ze und die Frau, von mir selbst gar nicht zu re­den. Zie­re dich nicht, mein Kind, son­dern dan­ke dei­nem Schöp­fer für all das Gute, das man dir er­wie­sen hat. Hat man dich nicht in eine war­me Stu­be und in ei­nen Fa­mi­li­en­kreis auf­ge­nom­men, von dem du et­was ler­nen kannst? Aber du bist ein Fa­sel­hans, und es ist kei­ne Freu­de, mit dir um­zu­ge­hen. Du kannst mir glau­ben, denn ich mei­ne es gut mit dir. Ich tad­le dich of­fen, und dar­an er­kennt man sei­ne wirk­li­chen Freun­de. Gib dir nur recht Mühe, daß du Eier le­gen oder schnur­ren oder Fun­ken sprü­hen lernst.«

»Ich den­ke, ich will in die wei­te Welt hin­aus«, sag­te das Ent­lein.

am ende, zum plot­twist, wird das gan­ze sehr viel we­ni­ger sub­til und drif­tet ins pa­the­tisch-plat­te ab. aber die ge­schich­te selbst ge­fällt mir wei­ter­hin. sehr.


auf dem weg zum häss­li­chen ent­lein, beim mor­gen­spa­zier­gang, wur­dem wir auch von drei er­wach­se­nen schwä­nen über­flo­gen. ich hät­te das gar nicht ge­merkt, weil sie so lei­se über uns hin­weg se­gel­ten. fri­da sah sie al­ler­dings und lenk­te mei­nen blick nach oben. das war schon ein be­ein­dru­cken­des bild. drei er­wach­se­ne schwä­ne, de­nen man ihr nicht un­er­heb­li­ches ge­wicht von 11-13 kilo an­sieht, glei­te­ten laut­los über uns hin­weg. das fand ich fast so be­ein­dru­ckend wie frü­her am kurt schu­ma­cher platz, wo man bis vor ein paar jah­ren rie­si­ge blech­do­sen — nicht ganz so laut­los — über sich hin­weg­se­geln se­hen konn­te.

Photo by felix schwenzel in Kurt-Schumacher-Platz. Keine Fotobeschreibung verfügbar..

die bru­ta­li­tät die­ser blech­do­sen ist im­mer wie­der fas­zi­nie­rend.

ursprünglich veröffentlicht am 09.09.2017

und ein aus­ge­wach­se­nen­es häss­li­ches ent­lein ha­ben wir auf dem weg, im was­ser na­tür­lich auch ge­se­hen.

schwan af dem westhafenkanal

und wo ich ge­ra­de beim häss­li­chen bin, das ei­gent­lich sehr schön ist, die goer­de­ler-steg-fuss­gän­ger­brü­cke ge­fällt mir kon­struk­tiv und vi­su­ell sehr. ab­ge­se­hen da­von, dass sie auch sehr prak­tisch ist um den west­ha­fen­ka­nal zu über­que­ren.