in zu­kunft oh­ne mich

felix schwenzel

weil ich ge­ra­de ein paar alte re­zen­sio­nen von mir durch­ge­gan­gen bin und (wie­der) such­ma­schi­nen-zu­gäng­lich ge­macht habe, bin ich auch wie­der über da­vid fos­ter wal­lace „schreck­lich amü­sant“ und mei­ne re­zen­si­on dazu ge­stol­pert.


ich fand das buch da­mals (vor 15 jah­ren) ziem­lich amü­sant, aber vor al­lem fand ich, dass es ei­nem lan­gen blog­bei­trag äh­nel­te. weil es 1996 er­schien konn­te da­vid fos­ter wal­lace den text noch nicht mit links ver­öf­fent­li­chen und nut­ze statt­des­sen fuss­no­ten. sehr vie­le. im buch hat er auch sehr vie­le klu­ge sa­chen über wer­bung ge­sagt und über­haupt kann ich das buch rund­her­aus emp­feh­len.

das mit den fuss­no­ten und der wer­be-schel­te blieb mir aber gar nicht in er­in­ne­rung. nach dem le­sen ent­schied ich mich, nie­mals an ei­ner kreuz­fahrt teil­zu­neh­men. das war das was mir von „schreck­lich amü­sant“ in er­in­ne­rung blieb, dass kreuz­fahr­ten wohl nichts für mich sei­en.

al­ler­dings hat sich mir ir­gend­wann die ge­le­gen­heit für eine kur­ze kreuz­fahrt er­ge­ben, die ich dann auch nach län­ge­rem be­den­ken wahr­nahm. manch­mal sind selbst­ge­mach­te er­fah­run­gen bes­ser als an­ge­le­se­ne er­fah­run­gen.

von der kreuz­fahrt blieb mir in er­in­ne­rung, dass die­se schif­fe zwar rie­sig wir­ken und auch sind, aber nach ei­ner wei­le auf­ent­halt dar­in al­les sehr klein und über­sicht­lich wirkt. das liegt auch dar­an, dass ei­nem als nor­ma­len pas­sa­gier der zu­gang zu 80 pro­zent des schif­fes ver­wehrt bleibt. die öf­fent­li­chen räu­me schlän­geln sich über ein paar decks, die un­te­ren decks, der le­bens­raum der rie­si­gen crew, die ka­bi­nen selbst (bis auf eine) sind off-li­mits. um so fas­zi­nie­ren­der ist es, wenn man mal ei­nen blick auf die off-li­mits-be­rei­che er­hascht, zum bei­spiel bei land­gän­gen, bei de­nen man auch durch die funk­tio­na­len be­rei­che des schiffs ge­lei­tet wird. da sieht man dann plötz­lich das rohe schiff, den stahl, den brand­schutz ohne plüsch, tep­pich und deko.

ich war auch über­rascht über die ruhe der rie­si­gen ma­schi­ne. man hört und spürt nichts vom an­trieb und auch alle ab­läu­fe an bord schei­nen in je­der hin­sicht rei­bungs­los und vi­bra­ti­ons­arm. al­les was das schiff ei­gent­lich am lau­fen hält, die gan­ze in­fra­struk­tur, das uhr­werk, wird aus­ge­blen­det — so dass man nur den plüsch wahr­nimmt.

so ein schiff ist das ge­naue ge­gen­teil ei­ner mo­der­nen gross­stadt, die ihre in­ne­rei­en, ihre in­frat­struk­tur, den lärm in den mit­tel­punkt stellt. das rohe, raue und stän­di­ge knir­schen und vi­brie­ren ma­chen städ­te zu ei­nem fea­ture, kreuz­fahrt­schif­fe op­ti­mie­ren so ein stadt­bild im fried­rich merz’schen sin­ne. al­les was ir­ri­tie­ren könn­te, oder emp­find­sa­men, hell­häu­ti­gen men­schen un­be­ha­gen ver­ur­sa­chen könn­te, wird aus­ge­blen­det. die dun­kel­häu­ti­ge­ren men­schen sind alle freund­lich und ser­vil, al­les ist ge­fe­dert, kon­trol­liert und fühlt sich si­cher an.

das kann man sich mal an­gu­cken und sich von die­ser kon­stru­ier­ten welt fas­zi­nie­ren und ein­lul­len las­sen. das ist so­wohl amü­sant als auch in­ter­es­sant, aber noch­mal muss ich das nicht ma­chen, in zu­kunft also auch ohne mich.

foto vom heck eines schiff auf das kielwasser, das sich als helle spur durch die graublaue ostsee zieht

ost­see