die frage „wer sagt, dass alles immer im rahmen bleiben muss?“ ist falsch. sie müsste eigentlich lauten, „wer sagt, dass alles immer im gleichen rahmen bleiben muss?“ warum nicht mal nen anderen rahmen benutzen?
ich wollte mal psychologie studieren. ein berater am arbeitsamt aachen hat mir das ausgeredet. er sagte, als psychologe landet man grösstenteils bei kirchlichen einrichtungen als arbeitgeber. das war mir als berufsperspektive dann doch zu bedrückend (auch wenn es, wei ich heute weiss, durchaus ganz OKaye alternativen dazu gibt).
einer der gründe dafür, dass ich froh bin kein journalist zu sein, ist, dass ich nicht für verlage arbeiten muss. wenn ich will kann ich das dennoch tun, bin aber finanziell nicht drauf angewiesen. was für eine bedrückende vorstellung: wenn der kühlschrank leer ist und die einzige möglichkeit wäre für eins der käseblätter aus dem springer-verlag arbeiten zu müssen um den kühlschrank zu füllen.
anders und positiver gesagt: die freiheit schreiben zu können was und wann und wie ich will, ziehe ich der alternative vor, vom schreiben leben zu können.
andere gründe, warum ich mich weigere mich journalist nennen zu lassen sind, dass ich mich den regeln des journalismus eher ungern unterwerfe: so zu schreiben, dass es jeder versteht (immer den erklärbären mimen und so tun als ob man bescheid wüsste), so zu tun als sei man objektiv und ausgewogen und überhaupt, wer möchte einer berufsgruppe zugeordnet werden, die sogar noch nach den bankern zur unbeliebtesten berufsgruppe der republik gehört?
Journalismus sollte immer relevante Fakten vorurteilsfrei so präsentieren, dass sie auch konsumierbar sind – kurzweilig statt langweilig, konzentriert statt ausufernd. Das setzt voraus, dass Journalisten einerseits dem Leser oder Zuschauer ermöglichen, sich ein Bild zu machen und zu eigenen Schlüssen zu kommen, andererseits ist aber kein Journalist objektiv. Heute haben wir als erste Journalistengeneration die Möglichkeit, wirklich beides gleichzeitig zu tun: Wir können alle Fakten vorurteilsfrei als Originaldokumente präsentieren und parallel dazu unsere Geschichte, die dramatische Essenz der Fakten, präsentieren. Das macht uns freier, weil es uns überprüfbar macht. Wir müssen nicht mehr Objektivität vorgaukeln, die es nicht geben kann, wenn wir deutlich machen, was unsere Bewertungskriterien sind.
lauter tolle zitate, warum journalismus doch etwas tolles sein kann, ich komme aus dem vollzitieren gar nicht mehr raus:
Wir arbeiten nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern gefälligst auch in der Öffentlichkeit. Unser Beruf ist es, Geheimnisse zu verhindern. Wir glauben daran, dass Informationen frei verfügbar sein müssen. Wer glaubt, man könne Journalismus hinter Redaktionsmauern produzieren und nur auftauchen, um den geneigten Lesern seine Meisterwerke hinzuwerfen, dem wünsche ich viel Erfolg in einem anderen Beruf. Die Definition von jedem Beruf ist es, dass meine Arbeit jemand fremdem nutzt, deshalb werde ich dafür bezahlt. Aber natürlich kann und muss man es nicht jedem zu jeder Zeit recht machen. Man muss allerdings begründen können, warum man etwas wie tut – und man muss es auch öffentlich begründen.
besonders freut mich, dass michalis pantelouris mich diese woche über amazon (quasi) geflattert hat. statt ihn mit einem geschenk zurückzuflattern, mache ich ihm ein kompliment: er ist der typ der mich künftig daran hindert einem jungen menschen davon abzuraten den beruf des journalisten zu wählen, sollte sich mal einer finden, der mich fragt ob es denn was tauge journalist zu werden.
danke.
[nachtrag 08.05.2011]
dave winer fügt einen ganz interessanten aspekt zur guten alten wer-ist-eigentlich-journalist (und-wer-nicht)-diskussion hinzu: insider und outsider benutzer:
If you want to know if a product works as advertised, people outside the circle are trustworthy. They might not be right, but at least they have no reason not to tell you what they think. People inside the circle are telling you a special version of the truth. This means they might tell you a product works when it doesn't.
ich habe noch im im ohr, wie thomas knüwer kürzlich versuchte katharina borchert auf einem podium zu grillen, weil er (und viele andere, ix auch) meinte, das spiegel online zusehend „boulevardisiere“.
abgesehen davon, dass das natürlich stimmt (ix habe eben ausversehen diese heisse-luft-meldung gelesen und mich danach, wie immer, gefragt, ob sich die redaktion für so einen müll nicht auch immer ein bisschen schämt), stelle ich mir gerade eine ganz andere frage:
stellen diejenigen die sich darüber beschweren, dass auf spiegel online viel heisse-luft-boulevard-müll erscheint, nicht auch ihre medienkompetenz in frage? genau die medienkompetenz mit der sie sonst nicht müde werden sich zu brüsten? so nach dem motto: es gibt keine informationsüberflutung, sondern nur schlechte persönliche filter?
leute die über twitter lästern, weil da so viel müll drin stehe, bekommen stets den altklugen satz um die ohren geschleudert, dass sie ihre timeline nicht im griff hätten und eben müll sehen, weil sie nicht ordentlich filtern könnten. leute die im internet vornehmlich müll sehen, bekommen zu hören, keine ahnung zu haben wo die perlen liegen, bzw. unfähig zu sein moderne (web-) werkzeuge zu nutzen.
und dann jammern genau diese spackos (mich eingeschlossen) darüber, dass neben dem unbestritten guten und tiefgründigen und nicht boulevardesquen inhalten auch müll unter der topleveldomain spiegel.de steht?
warum rufen wir ständig in die wüste, dass das netz heterogen und vielseitig sein muss — und es eben nur auf die richtigen persönlichen filter ankomme — jammern aber wenn spiegel-online ebenso heterogen wie das netz ist und die gesamte bandbreite von müll- zum „qualitäts“-journalismus bietet?
spass beiseite, das bild habe ix natürlich manipuliert. aber sigmar gabriel fordert nach der erschiessung eines terroristen in pakistan (der kein telefon und kein internet benutzte), dass die regierung einen gesetzentwurf zur einführung der vorratsdatenspeicherung in deutschland vorlege (siehe auch udo vetter zum gleichen thema). bei der vorratsdatenspeicherung sollen sämtliche telekommunikationsdaten aller deutschen erfasst und für einige monate verdachtsunabhängig gespeichert werden. dass mit so einer gewaltigen datensammlung nicht nur die bewegungsdaten aller bürger rekonstruierbar sind, haben malte spitz und die redaktion der zeit kürzlich eindruckvoll demonstriert.
dazu kommt, dass aus dem gleichen grund warum marmeladenbrote nach einem sturz immer auf die marmeladenseite fallen, fallen grosse datensammlungen auch immer gerne in die hände der hacker-spackeria. oder schlimmer noch: in die hände der polizei oder der geheimdienste.
effektiv fordert die SPD die aufgabe von bürgerrechten und der sicherheit des bürgers vor dem staat. weil terroristen die bürgerliche, freiheitliche ordung gefährden.
es ist traurig der SPD dabei zuzusehen, wie sie sich auf das wählerstimmen- und irrsins-niveau der FDP katapultiert.
gerade nach ca. 900 minuten alle 5 DVDs „taken“ aus der DVDthek fertiggeguckt. das gucken — und durch die gegend fahren in letzter zeit — haben mich übrigens auch in letzter zeit zum grossen teil davon abgehlaten ins internet zu schreiben. „taken“ war feinster, erdgebundener, grosse geschichten erzählender science fiction (fast) ohne kaboom und special effects-gedöns.
„taken“ ist genau das, was guten science fiction ausmacht: es geht in der geschichte um menschlichkeit, um das was menschlichkeit ausmacht. nicht um kaboom oder laser-kanonen oder teleportation. genau das was star trek so grossartig machte. science fiction als leicht abgehobene allegorie auf das was uns menschen ausmacht. geschichten von menschen denen das konkrete, quasi die weltlichkeit entzogen wurde und die wie fabeln parabelhaft in einer anderen welt erzählt werden — so dass wir uns selbst mit und aus der distanz selbst beobachten können. und daraus über unsere menschlichkeit lernen können.
hört sich irre pathetisch an, passt aber. „taken“ war auch, insbesondere am ende, irre pathetisch, lieferte aber eine befriedigende und weise auflösung all des mystery-mülls und stereotypen-gedöns das viereinhalb DVDs lang für die aufrechterhaltung des spannungsbogens verklickert wurde.
sehenswerter science fiction, der zwar nicht mehr ganz frisch ist (2002), aber sauber umngesetzt und produziert.
am ende sagt die erzählerin (und hauptperson) unter anderem:
„but what i do know is this — life, all life, is about asking questions, not about knowing answers. […] we have to keep asking questions, wanting to understand. even when we know we’ll never find the answers, we have to keep on asking the questions.“
gutes schlusswort.
(ich bin übrigens nicht sonderlich gut darin fragen zu fragen, aber fragen stellen kann ich ganz gut )
die halbwertszeit vom neuen logo an der frisch bezogenen hauptstadt-repräsentanz von scholz und freunden in berlin lag etwa bei vier wochen. jetzt isses kaputt.
ich kann mich übrigens nicht entscheiden ob ich die beschriftung total bescheuert oder extrem hell finden soll. einerseits mag ich die retro-pixeligkeit die im kontrast zur hochauflösenden und aalglatten fassade steht, andererseits frage ich mich, was gegen ein normales schild spricht. immerhin — und das kann man heutzutage ja gar nicht genug loben — haben die werbefuzzis auf eine (technisch durchaus mögliche) animation oder blinkeffekte verzichtet.
trotzdem. ich finde das extrem vielsagend. ein logo an schweinesausackteuren werbe-hauptquartier dass der stadt entgegenruft: „technik können wir nicht so gut.“
[nachtrag 03.05.2011, 10:00]
es blinkt nicht, aber es verändert sich. heute heisst scholz und freunde „daniels & friends“. warum auch immer.
die kaputte zeile funktioniert wieder (deutet auf nen software-fehler oder fehlbedienung hin). in echt sieht das logo-dings übrigens besser aus als auf dem foto. dafür leuchtet der rechte schenkel des „N“ von „daniel“ ziemlich stark durch eine darüberligende glasfuge (erkennt man auch nicht auf dem foto).
kai biermann ist mein persönlicher heribert prantl. und auch wenn das den eindruck erweckt, ich bewege mich in einer echokammer, sein jüngster text ist ein schulbuchbeispiel, wie man sich mit schwachsinnigen berichten von verfilzten politischen organen auseinanderzusetzen hat. so.
martin z. schröder wurde neben einer handvoll anderer designer von der welt am sonntag gebeten, einen vorschlag für das redesign des FDP-logos zu machen.
sein entwurf (in der schrift „walbaum“ aus der goethezeit) ist total OK, aber seine erklärungen dazu grandios:
Die FDP darf ruhig etwas pathetischer sprechen und mutiger das Ansehen der Freiheit verteidigen, denn es droht unter die schweren Räder allgemeinen Wohlstandes zu geraten, wie ihn auch Diktatoren als das einzig wahre Glück aller in Aussicht stellen, während sie die Macht der eigenen Kaste meinen.
[…]
Mir fällt nur auf, wenn ich die anderen Entwürfe und überhaupt alle deutschen Parteizeichnen sehe, daß die halbfette bis fette Serifenlose offenbar als zeitgemäß gilt.
Das ist auch sicherlich so, denn die sozialistische Idee (Überwachen und Versorgen) geistert kräftig wie nie zuvor durch alle Parteien, und wenn die Serifenlose einer Idee zuzuordnen ist, dann eben der Moderne und ihren Vorstellungen von Gleichheit, die als Ideologie des 20. Jahrhunderts immer Gleichförmigkeit und nicht Eröffnung gleicher Möglichkeiten bedeutet hat, was ohnehin in einer offenen Gesellschaft nur im Ansatz erreichbar ist. Die Serifenlose und die Pinselschriften sind die Werbemittel moderner Ideologen. Lautstärke siegt. Eine Partei, die sich den Liberalismus auf die Fahne zu schreiben vorgibt, sollte sich auch in ihrer Bild- und Zeichensprache der Aufklärung zuwenden. Einfach etwas intelligenter aussehen. (alles lesen)
einen blick auf die anderen entwürfe kann man hier werfen.
wie? schon wieder vorbei? so würde in etwa mein republica fazit lauten, wenn mich jemand fragen würde.
ansonsten habe ich es am freitag nicht geschafft mir auch nur eine session anzusehen. erst habe ich ausversehen ausgeschlafen, nachdem ich am vorabend noch länger an meinem vortrag geschraubt habe und ins internet geschrieben habe, dann habe ich morgens beim kaffee über 10 jahre bloggen nachgedacht (ja, wir haben unser panel vorbereitet) und plötzlich war es schon halb zwölf. im friedrichstadtpalast wollte ich mich, den laptop und die handys noch kurz aufladen und neustarten, habe mich dann aber nach langem zögern überzeugen lassen wieder etwas in eine kamera zu sagen („herr schwenzel, wollen Sie …“ — „OK!“).
danach war ich völlig durchgeschwitzt, hab ein bier getrunken, mich in den kleinen saal in der kalkscheune gesetzt und zuerst zugehört, dann gesprochen, dann im grossen saal weiter gesprochen, noch ein bier getrunken und bin dann schräg gegenüber von @snapitup zurück nach hamburg gefahren.
ansonsten hab ich mich gewundert, wie viele neue follower man bekommen kann, wenn man auf ner konferenz rumläuft und mich sehr über die vielen komplimente und das echtzeit-feedback gefreut (heute hab ich drin gebadet).
ausserdem ist mir aufgefallen, dass ausser bloggern kaum noch jemand über längere texte über die republica schreibt. die journalisten haben sich diesmal nicht sonderlich echauffiert, wahrscheinlich weil alle dazu verdonnert wurden mit videokameras leute zu interviewen. und wenn mal ein journalist was geschrieben hat, dann über die „digitale gesellschaft“. aber noch gibts ja ein paar blogger: die kaltmamsell und das nuf über den dritten tag.
[nachtrag 16.04.2011, 23:56h]
aus unerfindlichen gründen habe ich es in die überschrift von thomas knüwers republica-rückschau geschafft.
Anke Gröner, Felix Schwenzel, Jörg Kantel, Don Dahlmann – vor fünf Jahren waren das Namen, die ich nur aus dem Digitalen kannte. 2007 saß ich ebenfalls in der Berliner Kalkscheune. Es war eine Dienstreise, von der das gedruckte Handelsblatt am Ende nichts hatte.
erstmals kennengelernt, so anfassmässig, habe ich thomas knüwer nicht auf der republica 2007, sondern auf der ersten next-konferenz, die war im mai 2006.
an die next06 hab ich zwei entscheidende erinnerungen: johnny an der gitarre und thomas knüwer und lyssa auf der tanzfläche.
abschlussparty next 10 years 12.05.2006
wenn man das bild genau betrachtet, könnte man das gefühl bekommen: in den letzten fünf jahren hat sich nicht so arg viel verändert.
[nachtrag 17.04.2011, 21:35h] jens scholz blickt auch lesenswert zurück. stefan rosinski fand die republica eine „äußerst polemische veranstaltung“. er erklärt das mit buzzwords wie „hegel“ (2 mal), „gesellschaft“ (24 mal), „fundamental“ (4 mal in kombinationen, unter anderem: „Fundamentalkritik“, „Fundamentalbegriffe“, „Fundamentalcodierungen“) und „gemeinschaftsbildung“ (3 mal). inhaltlich ein ganz guter, anregender text, leider total verquast und intellektualisierend ausgedrückt.
[nachtrag 18.04.2011, 21:20h] don dahlmann erklärt was die republica nicht ist, nie war und gar nicht sein soll, linkt unter anderem auf dieses sehr lesenswerte resümee von thomas euler und dieses resümee fand ich auch lesenswert, hab aber vergessen wo und wie ich es gefunden habe.
na gut, einer noch, und das nicht nur, weil @misscaro sagt, ich gehörte nächstes jahr auf „die größte bühne der re:publica“, sondern weil der text so schön euphorisch und wahr ist. auch ne art schlusswort unter die #rp11.
nachdem der erste tag der republica nicht so knorke war (im gegenteil zum abend), war der zweite tag extrem knorke. um 10, nachdem ich die fahrverbotszone die die nato aussenminister über berlin verhängt hatten überwunden hatte, sah ich till kreutzer mit seinem vortrag über die reform des urheberrechts (das urheberrecht an die gegebenheiten anpassen, nicht die alten gesetze mit aller gewalt und macht gegen die anforderungen der wirklichkeit durchboxen). kreutzer erinnerte mich an eine schlankere und deutschere variante von cory doctorow, konnte sich aber nicht entscheiden, ob er das publikum duzen oder siezen wollte.
danach sah ich jens scholz, carolin buchheim, bov bjerg, konstantin klein und maike hank über vergangene shitstörmchen im blogdings plaudern. an einer stelle habe ich mich kurz an der diskussion beteiligt, als jens nicht einfallen wollte, wie man „retweeten“ und „liken“ früher nannte. die antwort ist einfach: „verlinken“.
ganz grandios war dann gunter dueck. dueck ist ein verrückter mathematiker von grosser weisheit und mit einer leisen fistelstimme. selten habe ich einen gleichzeitig so amüsanten und inspirierenden vortrag gesehen wie heute. sobald der vortrag online ist, werde ich ihn mir noch zwei bis dreimal ansehen. letztes jahr hat mich ja der analytische und scharfe verstand von peter kruse umgehauen, dieses jahr war es duecks leise, breite und tief einsickernde analyse von dem was das internet eigentlich aus unserer gesellschaft macht, die mich beeindruckten.
leider war das anschliessende panel mit gunter dueck dnach in der kalkscheune hoffnungslos überlaufen. auf dem weg vom friedrichstadtpalast zur kalkscheune, überholten uns mehrere leute im laufschritt, um noch einen platz zu ergattern. vergeblich.
zwischendrinn hab ich ole reissmann drei ode vier fragen vor einer speigel-online-kamera beantwortet und danach das gefühl gehabt mich um kopf und kragen geredet zu haben, vor allem weil ein witz den ix riss, auch als ein peinliches kriechen in den spon-arsch gedeutet werden könnte.
sehr angenehm danach philip banse, der mehrere blogger einzeln in gespräche verwickelte. das war ein sehr angenehmes und ruhiges format, dass ich gerne auf jeder weiteren republica sehen möchte. besonders beeindruckend fand ich den auftritt von julia probst die gehörlos ist und ohne gebärden-dolmetscherin auftrat (insider-witz für die, die das interview gesehen haben). julia probst ist genauso augenöffnend wie christiane link und beide sind gründe dafür, dass ich das blogdings und das twitterdings ud das internet so gerne mag.
später am abend habe ich noch einen blick in dieses newshype-dings geworfen und gesehen, dass da noch sehr, sehr, sehr viel arbeit drin steckt. dankenswerterweise habe ich nach meinem beleidigte-leberwurst-tweet schon am mittwoch eine karte mit drei einladungscodes in die hand gedrückt bekommen. wer einen der beiden übrigen einladungscodes haben möchte kan mir eine email schicken, wer zuerst kommt, wird zuerst bedient.
[nachtrag 15.04.2011] lesenswert: das nuf und christiane link über den zweiten republica-tag.
irgendwie habe ich es dieses jahr geschafft, am ersten republica-tag vor 10 uhr vor ort zu sein. deshalb konnte ich erstmals seit jahren die begrüssung der republica-organisatoren sehen und ein grusswort an die „respublica“ (oder so) von einem esa-astronauten mit von der schwerelosigkeit leicht aufgedunsenem kopf bestaunen. auffällig war im friedrichstadt-palast die neue, riesige, brilliante video-projektion und dass fast alle vorträge die ich sah unerträglich waren.
die keynote von philipp schäfer war mir zu bass- und speichellastig und öde. der vortrag von christian friege war genau wie der von mitchell baker so glattgeschliffen und durchwirkt von marketing-lingo, dass ich bei beiden in null komma nix abschwiff und meine aufmerksamkeit (vergeblich) dem versuch ins netz zu kommen widmete. der frisur von baker widmete ich auch noch ein wenig aufmerksamkeit, verlor dann dann aber ziemlich flott mein interesse, um mich mit dem durch den netzmangel (kein wlan, kein funknetz, kein gar nix) impotentisierten cloud-handy „htc incedible“ zu beschäftigen, dass mir von simyo für 4 wochen zur verfügung gestellt wurde.
johannes beetlebum kretschamars vortrag über die geschichte der comics war super sympathisch und interessant, den darauf folgenden vortrag von jürgen ertelt musste ich dann aber verlassen, weil mich die präsentationstechnik kirre machte. soll aber noch gut gewesen sein, der vortrag, inhaltlich, versicherte mir später mathias richel, dem ix das sogar glaube.
danach hab ix mit dem weltentümmler und dem schockwellenreiter über die alten zeiten geplaudert, mich danch pudern lassen und mit sascha lobo im fernsehen (so ab minute 34) über die zukunft des internets geplaudert. vorgestellt wurde ich im frensehen als der mann mit den komischen haaren.
danach mit christian stöcker und seiner literatur-agentin geplaudert und erfahren dass stöcker ein buch über das internet geschrieben hat, auf das ich mich sehr freue und von dem ich ein rezensionsexemplar bekommen werde. das freut mich doppelt, weil ich mich nicht traue in selbst gekaufte bücher zu kritzeln und mit text-markern rumzumarkieren, in rezensionsexemplare aber schon und ausserdem fest damit rechne, dass christian stöckers buch lesenswert sein wird.
meiner beinahe ständigen begleitung sagte ich im vorfeld von sascha lobos 19-uhr-vortrag noch halb im scherz, dass sascha den friedrichstadtpalast füllen würde, was dann auch tatsächlich der fall war. sascha sprach vor vollem haus — und das zu recht. ix hab tränen gelacht und knie nieder vor saschas fähigkeit, das publikum gleichzeitig zu beschimpfen und zu amüsieren.
danach hatte google zu einem umtrunk in den spiegelsaal von clärchens ballhaus geladen. die veranstaltung fühlte sich beinahe wie eine kurzversion der republica nummer eins an, war gut gefüllt und füllte auch alle anwesenden gut ab. es war faszinierend die kommunikationsmaschine stefan keuchel bei der arbeit zu beobachten und ix habe den restabend sehr nett plaudernd rumgebracht.
danach leicht angetrunken und euphorisiert meine eindrücke von ersten tag der republica aufgeschrieben, statt meinen vortrag fertigzuschreiben. obwohl die eindrücke heute und die gespräche mit christoph kappes, sascha lobo, johnny und tanja haeusler und mathias richel erkenntnisreicher waren und meinem vortrag möglicherweise besser taten, als stumpfes vorm bildschirm sitzen und vor sich hinschreiben.
erkenntnis des tages: die republica ist gar nicht so digital wie sie scheint und viel körperlicher, verbaler und offliniger als man so denken mag.
extrem phrasiges interview mit silvana koch-mehrin im tagesspiegel. laut gedrucktem tagesspiegel führte antje sirleschtov das gespräch, laut www.tagesspiegel.de antje sirleschtov und matthias schlegel. auch egal. bemerkenswert fand ix die vaselinigen antworten von silvana koch-mehrin. auf die frage ob westerwelles rückzug als parteivorsitzender die probleme der FDP löse, antwortet sie:
Nein, die Diskussion auf die Person des Vorsitzenden zu begrenzen, greift zu kurz. Es muss in der Partei eine weit reichende inhaltliche und personelle Erneuerung geben.
kurz darauf auf die frage ob alle führungsmitglieder (gemeint sind natürlich die der FDP) ihre posten zur verfügung stellen müssten:
Das werden wir im Zusammenhang diskutieren müssen. Wichtig ist, dass die Diskussionsphase jetzt rasch beendet wird. Wir können uns keine Unklarheiten über mehrere Wochen hinweg erlauben. Deshalb muss es jetzt ein schlüssiges Konzept geben, das am kommenden Montag mit den Vertretern aller Landesverbände besprochen wird.
mit anderen worten, die „weit reichende“ inhaltliche und personelle erneuerung ist so weitreichend, dass sie bereits am kommenden montag besprochen werden soll. diskussionen darüber hinaus, meint koch-mehrin, könne sich die FDP nicht erlauben. andererseits soll dann aber nach abschluss der diskussionsphase doch viel diskutiert werden:
Wir müssen über viele Themen neu diskutieren. Zum Beispiel über das Bildungsthema. Der Bildungsföderalismus schafft es offensichtlich nicht, Lösungen zu schaffen, die der praktischen Lebenswirklichkeit entsprechen. Darüber werden wir in den nächsten Monaten sprechen und uns positionieren.
hm. jetzt fordert sie doch unklarheiten (= diskussionen) über mehrere wochen hinweg. offenbar sind diskussionen und unklarheiten dann OK, solange es nicht um personen geht. mit inhaltlichen unklarheiten kann die FDP aus silvana-kochs sicht offenbar gut leben. auch gut zu wissen: lösungen die der praktischen lebenswirklichkeit entsprechen, hatte die FDP bisher nicht im angebot, die müssen erst in der diskussion gefunden werden.
die schönste stelle im interview finde ich ihre antwort auf die frage, ob westerwelle ein guter aussenminister sei:
Ganz eindeutig: Ja. Guido Westerwelle spielt in dieser komplizierten Weltlage eine gute Rolle.
guido westerwelle spielt eine rolle? er spielt aussenminister nur? faszinierende sichtweise. vielleicht sollten bundesparteitage der FDP künftig bundescastings genannt werden?
ganz im sinne von diesen politik-konzept als darstellende kunst, antwortet koch-mehrin auf die frage, welche fehler die FDP in den letzten 18 monaten gemacht habe:
Es wurde viel zu wenig deutlich, welche Ziele die FDP in dieser Koalition verfolgt und welche sie auch durchsetzen will. In der Frage der Steuerpolitik hat sich die FDP zu lange auf die Senkung der Steuern fokussiert, obwohl die Haushaltslage einen solchen Schritt nicht möglich gemacht hat. Das realistischere Ziel einer Steuervereinfachung ist dabei aus dem Blick geraten. Das war für uns ein Problem, weil wir den Wählern nicht das Gefühl vermitteln konnten, dass wir unsere Wahlversprechen auch durchsetzen können. Ein Problem war auch, dass wir zu wenige Ministerien haben, mit denen wir mit liberalen Themen positiv sichtbar werden.
es wurde nicht deutlich welche ziele die FDP verfolgt? klar, koch-mehrin versucht im ersten satz die probleme der FDP zu kommunikations- bzw. darstellungsproblemen umdeuten. nur: wenn etwas zu „wenig deutlich“ wird, liegt das natürlich nicht nur an den darstellern, sondern oft auch am drehbuch. möglicherweise ist das hauptproblem aber auch, dass überhaupt niemandem klar ist, welche ziele die FDP verfolgt oder durchsetzen will.
eindrucksvoll finde ich koch mehrins phrasensalat zum thema wahlversprechen: wir konnten unsere wahlversprechen nicht durchsetzen (normal), realistische ziele konnten wir auch nicht durchsetzen (mist), das schlimmste aber: die wähler haben das gemerkt.
sivana koch-mehrin hat die lösung der probleme der FDP parat: irgendwas nun wieder mit frischen gesichern stärker deutlich machen. ganz einfach.
Twitter schaltet iPhone-Werbeleiste wieder ab: Die von Nutzern inbrünstig gehasste "Dick Bar", benannt nach Twitter-Chef Dick Costolo, hatte zu Spott und Protesten unzähliger iPhone-Besitzer geführt.
das wort „dickbar“ wurde von john gruber geprägt, allerdings war sein ursprünglicher gedanke nicht dick costolo sondern:
For what it’s worth, I was only thinking “dick as in dick move”; that it works on two levels, as a reference to Costolo, is a happy coincidence.
„dick move“ kann man wohl am ehesten mit „extrem arschiges verhalten“ übersetzen, „dickbar“ könnte man also mit „arschige leiste“ oder besser „arschleiste“ übersetzen.
ansonsten hat turi2 natürlich vollkommen recht.
konrad lischka schreibt im spiegel online über die autobiographie von microsoft co-gründer paul allen. einen langen vorabdruck, äh, eine vorabveröffentlichung davon gibts bei vanity fair online.
lischkas deutsche paraphrasierung und interpretation kann man guten gewissens, wie die deutsche synchronisierung von fernsehserien, ignorieren. zumal lischka mit möglichen falschen eindrücken jongliert, die man eh nur bekommt, wenn man über die biographie liest, statt das original zu lesen. lischka:
Obwohl man den Eindruck gewinnen könnte, es gehe Allen darum, Bill Gates' Schattenseiten zu beschreiben, ist sein eigentliches Anliegen wohl eher ein anderes: Der 58-Jährige […] will der Öffentlichkeit seine eigenen Qualitäten präsentieren.
also als ich die auszüge las, bekam ich erstmals einen eindruck von gates lichtseiten. erstmals sah ich, das es nicht, wie ich bisher vorurteilte, fortüne war, die für bill gates erfolg massgeblich war, sondern vor allem sein geschick und seine hartnäckigkeit. und dass jemand eine biographie schreibt um seine eignen qualitäten zu präsentieren ist ja nun auch keine wirklich bemerkenswerte erkenntnis, sondern eine ziemlich flache plattitüde.
wenn aaron sorkin das drehbuch schrübe, könnte man die geschichte ohne weiters zu einem ziemlich spannenden film machen.
ich habe ihn mal getroffen (und kurz drüber geschrieben) und damals beschlossen im alter so offen, neugierig, unprätentiös und munter zu werden wie er. obwohl: anfangen könnt ich ja schon jetzt mal damit.
das was thilo baum, autor von büchern wie „komm zum punkt“ und anbieter von beratungsmassnahmen zur klaren kommunikation, hier schreibt, hätte man auch in vier absätzen sagen können. aber thilo baum zieht es vor in weiteren sechs zähen absätzen seine thesen aus den vorherigen vier absätzen zu wiederholen und seiner wut wortreich und überflüssig ausdruck zu verleihen.
da haben sich die strategen in den USA was dolles ausgedacht: ein neues vereinfachtes logo. auf den deutschen pappbechern ist es bereits überall zu sehen.
was die strategen aber wohl nicht bedacht haben, ist die deutsche eigenart kaffee aus keramik zu trinken. auf der keramik ist und bleibt jetzt das alte logo eingebrannt. dumm gelaufen.
apropos prnzlauer berg. ich schlaf hier ja nur zwei nächte die woche, lauf auf dem weg zur arbeit (in mitte) kurz zum balzac und zur u-bahn, wundere mich manchmal über die mengen junger eltern und kinder(wagen) und bekomme von den besserverdienenden, grün wählenden latte-macciato-spiesser-eltern mit SUV, funktionskleidung und teilweise sehr offensichtlichen schäbischen wurzeln nicht viel mit. ausser dass ich ab und zu @kosmar auf dem weg zum kindergarten treffe. aber der ist natürlich kein spiesser und hat bestimmt auch kein auto und schon gar keinen SUV.
jedenfalls, was am prenzlauer berg wirklich und vor allem in doppelter hinsicht widerlich ist, sind nicht die vielen läden mit (holz-) spielzeug oder selbstgenähten handtaschen oder umstandskleidern, sondern die funktionskleidungsläden, in denen sich die zugezogenen ureinwohner des prenzlauer bergs ihre schlimm-praktischen alltagsleidung besorgen. dass sich einer der ausstatter für alle „die gern draußen sind“ auch noch „der aussteiger“ nennt ist deshalb so erschütternd, weil sich diejenigen die dort ihre funktionskleidung kaufen wahrscheinlich auch mit ihren eigentumswohnungen so fühlen.
ganz schlimm ist allerdings, dass sich der angebliche „reise-wander-expeditionsbedarf“ tatsächlich als aussenterassen- und spielplatzbank-ausstatter entlarvt und eine zweigstelle für „kids“ („junge entdecker“) aufmacht. irre, ne? aussteiger-kids. reise-, wander- und expeditions-kids.
[möglicherweise macht mich aber auch nur das wort „kids“ ein bisschen aggressiv (und nicht die funktionskleidung). wobei natürlich leute die north-face-anoracks tragen oder fleece-oberteile, ihre kinder auch gerne „kids“ nennen.]
jetzt ist es nur noch eine frage der zeit, bis im prenzlauer berg eine bäckerei mit dem namen „german backery“ aufmacht.