andrea schrul: „Bei dem ersten Film, den ich produzierte, handelte es sich um einen 10-minütigen Kurzfilm über das Leben einer Toilettenpapierrolle.“
fonsi: „Aber die Lösung des Mülls ist nicht die bessere Finanzierung des Abfalls, sondern ein besseres, müllfreies Angebot.“
merlix: „Der Sohn hat einen Luftballon geschenkt bekommen, groß, orange und ziemlich großartig, zumindest aus seiner Sicht. Stolz sitzt er im Buggy und hält ihn in der Hand, während ich mit ihm durch die Stadt schiebe. Er hält ihn gelegentlich hoch und erklärt den Menschen, die uns entgegenkommen und die es ja vielleicht nicht wissen: »Ballum!«“ [hab ich schon gesagt, dass merlix langsam zu meinem liebingsblogger wird? achja.]
malte welding stellt fest: „Markus Majowski hat in den letzten Jahren also festgestellt, dass während der Regierungszeit von Angela Merkel Deutschland einfach schöner geworden ist.“ [mit videos]
diese sogenannte „kostenlos-kultur“ nimmt ja langsam überhand. gestern habe ich im gedruckten tagesspiegel gelesen ohne etwas dafür zu bezahlen.
ich fand den artikel „Die Ideen der anderen“ von jens mühling aber trotzdem sehr gut. muss man ja auch mal sagen, bei all dem müll der hin und wieder im tagesspiegel steht.
hubert burda hat in seiner eigenschaft als VDZ-präsident eine rede gehalten und meint die zeitschriften- und zeitungsverleger würden „schleichend enteignet“.
detlef borcherts fasst es auf heise.de folgendermassen zusammen: „Verleger fordern Schutz vor und Geld von Suchmaschinen.“
ich würde das was hubert burda sagt eher als höchst bizarre und vor allem bigotte pfründenkeilerei bezeichnen. hubert burda fordert:
Suchmaschinen, aber auch Provider und andere Anbieter profitieren überproportional von unseren teuer erstellten Inhalten. Doch wer die Leistung anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen.
da stellt sich natürlich die frage, zahlt focus für eingebettete youtube videos? und an wen? zahlt burda für benutzergenerierte inhalte, kommentare, fotos und videos?
bei live.focus.de kann jedermann fotos und videos hochladen. die fotos und videos werden dann von focus in werbung eingebettet gezeigt. zahlt burda für die kommerzielle nutzung der kreativen leistung der nutzer? in den AGBs von tomorrow-focus steht:
Mit dem Hochladen von Fotos, Videos oder Texten räumt der Nutzer der TOMORROW FOCUS Portal GmbHunentgeltlichdas Recht ein, die Materialien zeitlich unbegrenzt zu speichern, öffentlich zugänglich zu machen, zum Download anzubieten und in Online- und Printmedien zur Bewerbung des Angebots zu nutzen.
[in den AGBs findet man auch ein deppenapostroph: „6.4 Die AGB’s zur Nutzung von SHOPSHOP finden Sie hier.“]
erinnert mich an den guten alten lehrsatz von kommunistischen kadern: „alle sind gleich, aber einige sind gleicher“ (und sollen dafür auch mehr geld und privilegien bekommen). die proleten brauchen kein geld zu bekommen wenn sie so doof sind ihre aufwändig erstellten inhalte kostenlos ins netz stellen, die edlen verleger aber, wenn sie ihre „teuer erstellten“ inhalte nicht anders als kostenlos und mit hilfe von suchmaschinen an den mann bringen können, sollen fürstlich entlohnt werden. ich frage mich ob hubert burda bei seinem vortrag rot geworden ist.
na gut. mal angenommen hubert burda wäre ein anständiger kerl und würde seine journalisten und content-lieferanten anständig entlohnen. was verdient google denn mit der kommerziellen nutzung von zeitungsinhalten? google-news, über das sich verleger immer besonders gerne aufregen ist bisher noch werbefrei. bei der google-suche selbst, verdient google kräftig mit eingebetteten anzeigen. das ist selbstverständlich legitim, denn google bietet eine leistung die von suchenden und gefundenen hoch geschätzt wird. diejenigen die suchen schenken den google-ergebnissen eine hohe aufmerksamkeit, weil google gute suchergebnisse bietet. diese aufmerksamkeit verwandelt google über anzeigen in geld. die verleger und anderen content-produzenten schätzen den traffic den google bringt. wenn ich mich recht erinnere sind das beispielsweise beim focus über 50% aller besucher. das ist bares geld wert, das focus beispielsweise auch mit google-anzeigen monetarisiert. die verleger investieren sogar geld in suchmaschinen-optimierung, um bei google weit oben gefunden zu werden.
wo genau ist das problem? es gibt kein probem, die verleger wollen einfach nur mehr geld.
wie absurd diese forderung ist, erkennt man wenn man google mit einem kiosk vergleicht. in einem kiosk liegen hunderte zeitungen und zeitschriften aus („unsere teuer erstellten Inhalte“). das kiosk macht diese inhalte zugänglich und verkauft die medienerzeugnisse. die verleger gestehen dem kiosk sogar zu, einen teil des erlöses zu behalten. wenn ein kiosk nun ein besonders lukratives geschäftsmodell gefunden hat, zum beispiel indem neben den verlagserzeugnissen auch lotto-scheine, kaffee, belegte brötchen oder selbstgemachtes pesto verkauft werden, sollten die verleger dann auch an diesen erlösen beteiligt werden? schliesslich sind es doch die „teuer erstellten Inhalte“ die die menschenmassen in das kiosk treiben. oder?
Dazu zählen: das Recht, im Netz von den Suchmaschinen nach objektiven, nachvollziehbaren Kriterien gefunden zu werden. Das Recht, an den Erlösen der Suchmaschinen fair und zu überprüfbaren Konditionen zu partizipieren.
warum also eine „partizipation“ an den erlösen der suchmaschinen? warum sollen nur die verleger und nicht die lotto-gesellschaften, bäcker, kaffeeröster oder basilikum-bauern von den suchmaschinen entlohnt werden? jetzt kommt das killer-argument von burda: weil es sich bei zeitungen und zeitschriften um ein „Kulturgut“ handelt, das „bewahrt“ werden müsse. wohlgemerkt, burda meint nicht die kulturschaffenden, die autoren, die künstler, die fotografen, die blogger, die kommentatoren, die musiker, die youtube-video-ersteller die eines bosonderen schutzes und einer vergütung bedürfen, sondern es geht hubert burda um „die Rechte jener“, „die die Werke der Autoren vermitteln.“
interessant ist, dass burda eigentlich ein direkter konkurrent von google ist. 2001 hat burda eine „einzigartige findmaschine“ namens netguide angekündigt, die meines wissens ebenso einzigartig und grandios gescheitert ist. und jochen wegener hat ein projekt in der schublade, dass wie google-news funktionieren soll und google-news „attackieren“ soll. ich habe jochen wegner gefragt, ob bei diesem dienst eine vergütung der news-quellen geplant ist. ich erwarte keine antwort, wohl aber, dass burda hier, ebenso wie google das angeblich tut, keinen pfennig für die kommerzielle ausnutzung von „teuer erstellten“ inhalten anderer zahlen wird.
…tja, was fordert [hubert burda]? Staatshilfen? Nein, ein Gesetz. Ein hübsches kleines Gesetz extra für die Verlage, damit die ihren, uh, verantwortungsvollen Journalismus (welches seiner Magazin meint Dr. Burda hier: Focus, Bunte, Frau im Trend? Super-Illu?) weiter wirtschaftlich betreiben können.
[nachtrag 01.07.2009]
nachrichten.de bietet laut jochen wegner „jedem“ an, sich gegen revenue-share, also gegen beteiligung an den umsätzen, an nachrichten.de zu beteiligen. immerhin.
[nachtrag 02.07.2009]
anja seeliger erklärt im im perlentacuher ein bisschen genauer was das „erweiterte leistungsschutzrecht“ das burda fordert eigentlich bedeutet.:
Ein Leistungsschutzrecht für Verlage bedeutet, dass Verlage künftig auch ohne Einverständnis ihrer Autoren - ja sogar gegen den Willen ihrer Autoren - Zitate aus Artikeln in ihren Zeitungen schützen und damit kostenpflichtig machen können. […] Gegründet werden soll eine „Verwertungsgesellschaft der Verlage. Eine Gema für Onlinetexte, die im Netz nach illegaler Nutzung fahndet - und fällige Gebühren eintreibt“. Nicht für die Verbreitung ganzer Texte, das ist heute schon illegal, sondern für Zitate!
das eigentlich erschreckende ist aber die nähe der grossen verlage zum staat:
Hubert Burda behauptet, all diese Maßnahmen seien unumgänglich, um den „Qualitätsjournalismus“ und damit die Demokratie zu schützen. Aber nicht der „Qualitätsjournalismus“ ist wichtig für die Demokratie, sondern die Existenz einer freien Presse. Die Presse ist aber nur frei, wenn sie von staatlichen Einflüssen unabhängig bleibt. Doch genau das lehnen Zeitungsverleger jetzt ab: Sie rufen nach dem Staat.
und vor allem, ist sat1 ein programmierer? wurde sabine christiansen objektorientiert programmiert? wie wurde sie compiliert? was sind die features?
eines kann ich aus eigener erfahrung sagen: programmieren ist kein zuckerschlecken. ich habe gestern abend versucht es zu lernen und bin grandios gescheitert.
diesen screenshot habe ich eben von der valess.de-site gemacht:
wenn man auf diesen link [link entfernt] klickt, kann man genau diese seite (bis jetzt, samstag 27. juni 2009) auch im original sehen. das geht, weil der valess-server eine sicherheitslücke hat.
stephan janosch hat diese krasse sicherheitslücke auf dem valess.de-server für einen derben scherz ausgenutzt und der valess-site ein rezept für soylent green-burger untergeschoben [link entfernt, screenshot hinzugefügt].
eine ähnliche sicherheitslücke hat spreeblick vor einer weile bei spiegel-online entdeckt. aus „sicherheitsgründen“ und auf bitten von spiegel-online ist dort der link und die dokumentation der sicherheitslücke entfernt worden. abgemahnt wurde spreeblick deshab nicht.
beim bundesamt für sicherheit in der informationstechnik (BSI) kann man eine studie runterladen [via] die ziemlich detailiert auf das thema „data validation“ eingeht. „data validation“ bedeutet, dass man alle eingaben die eine webapplikation entgegennimmt auf schadcode oder mögliche manipulationsversuche prüfen sollte.
Alle Daten, die von außen in die Anwendung gelangen, sind zu validieren und zu filtern. Neben den offensichtlichen Eingabedaten in Form-Variablen existieren eine Reihe weiterer Quellen. Ebenso sind Ausgaben an den Browser zu filtern, wenn dies nicht bereits durch die Inputfilterung mit abgedeckt ist. [zitat BSI-studie websec.pdf]
„data validation“ ist beispielsweise der grund, warum man in blogkommentaren nur ein kleine menge HTML-tags benutzen darf. die meisten HTML-tags werden ausgefiltert, vor allem alles, was mit javascript zu tun hat. wenn die webapplikation javascript nicht sauber ausfiltert, ist das schadpotenzial sehr hoch, vor allem für besucher der site.
genug des langweiligen technikgebrabbels. stephan janosch hat post von den anwälten von campina, bzw. valess B.V. bekommen. die anwälte meinen, dass der screenshot auf stephan janoschs blog, sowie der manipulierte link „die absoluten Rechte“ ihrer „Mandschaft“ verletzten, „namentlich den guten Ruf des Unternehmens, den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb, die Namensrechte sowie gegebenenfalls bestehende Geschmacksmusterrechte.“
die weit offen klaffende sicherheitslücke des valess-servers für einen derben scherz auszunutzen, diesen scherz (und die sicherheitslücke) zu dokumentieren sei nicht von der meinungsfreiheit gedeckt, meinen die anwälte.
da ich weiss, dass die veröffentlichung meiner meinung über die technische kompetenz der valess-anwälte und die technischischen fähigkeiten der valess-website-verantwortlichen definitiv nicht von der meinungsfreiheit gedeckt sind, sehe ich an dieser stelle von einer meinungsäusserung ab. klar ist zumindest, dass der gute ruf derjenigen die die site erstellt und technisch zu verantworten haben, unter beschuss geraten könnte.
ich finde es höchst bemerkenswert, dass „valess“, statt zügig die sicherheitslücke zu stopfen (die lücke besteht bei der veröffentlichung dieses artikels nach wie vor), erstmal die anwälte losschickt, die ihr klassisches repertoire auffahren:
abmahnung zum wochenende verschicken, frist bis montag setzen
einstweilieg verfügung nach dem ablauf der frist ankündigen
finanzielle konsequenzen ankündigen, bzw. mögliche „schadensersatz“-forderungen am rande erwähnen
extra-dicke geschütze auffahren und urheberrechtsverletzung und persönlichkeitsrechtsverletzung geltend machen
erschreckt habe ich eben festgestellt, dass es tatsächlich möglich ist, auf dem valess-server über die URL [http://www.valess.de/rezepte.aspx?Keyword=] javascript-code auszuführen. technisch ist es damit ohne weiteres möglich valess.de-besuchern damit schadcode unterzujubeln oder zur preisgabe von persönlichen daten oder passwörtern zu verleiten.
ich frage mich, ob die valess-anwälte ähnlich reagieren, wenn sie mal ausversehen die türe zu ihre kanzlei offen gelassen haben sollten und sie jemand darauf hinweist und ein foto davon veröffentlicht. erst mal zuschlagen, statt kurz zu reden oder besser: jemanden fragen der sich mit sowas auskennt?
[nachtrag 28.06.2009]
je länger ich darüber nachdenke, desto unverständlicher wird es für mich, dass campina dieses problem juristisch, statt technisch zu lösen versucht. eigentlich ist es erschreckend, dass ein unternehmen, das lebensmittel mit enormen technischem aufwand produziert, bei einem technischen problem so reagiert.
die valess-site ist so programmiert, dass sie es erlaubt beliebige inhalte anzuzeigen und wenn es jemand tut geht man gegen den vor? für mich ist das vergleichbar mit einer hausverwaltung, die feueralarm-melder ohne glasscheiben in einem kindergarten montiert und dann gegen die kinder vorgeht, die die alarm-knöpfe drücken. natürlich könnte man eine palette mit bierkästen offen und ungesichert auf einem volksfest lagern, statt in einem gesicherten lager. aber könnte es nicht sein, dass man sich dann lächerlich macht, wenn man juristisch gegen den scherzbold vorgeht, der eine haftnotiz mit der aufschrift „freibier“ dran klebt? natürlich brauchen kuhweiden nicht unbedingt zäune zu haben, aber ist es dann klug juristisch gegen die weggelaufenen kühe vorzugehen?
der von campina beauftragte jurist hat eines ganz richtig erkannt, es geht um „den guten Ruf des Unternehmens“, denn gerade unternehmen aus dem lebensmittelbereich sind darauf angewiesen, dass die konsumenten ihnen vertrauen. konsumenten vertrauen ihren produktionsabläufen, der qualitätskontrolle und dass die produkte unter optimalen und besten hygienischen bedingungen entstehen und dass bei technischen problemen oder problemen mit den rohwaren kompetent und sachkundig — und nicht juristisch — reagiert wird. fehler und fehleinschätzungen können vorkommen, aber als konsument möchte ich mich, gerade wenn es um lebensmittel geht, darauf verlassen können, dass adequat reagiert wird.
bei campina habe ich derzeit noch nichteinmal das gefühl, dass das problem als ein hausgemachtes erkannt wurde.
Seit Montag stehe ich in mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt mit den Anwälten von Campina. Zusammenfassend ist deren Wunsch, dass im Originalartikel jeglicher Bezug zu Campina verschwindet und die Sache in einem Vergleich endet. Ich brauch nix unterschreiben und nix zahlen. Eine Dokumentation des Vorgangs hier auf dem Blog muss nicht unterbleiben. Der Umgangston ist freundlich und entspannt.
die sache mit der abmahnung, bzw. unterlassungserklärung scheint sich in einen vergleich aufgelöst zu haben. die sicherheitslücke besteht aber offenbar weiter. was ich jetzt erstaunlicher finden soll, weiss ich noch nicht.
[nachtrag 01.07.2009]
die lücke auf dem valess-server scheint geschlossen worden zu sein.
keine ahnung was die überschrift bedeutet, aber trotzdem ein lesenswerter artikel über politiker und ihre wahlkampfbücher von moritz schuller:
Angela Merkel, der Entwicklung wieder einmal einen Schritt voraus, hat darauf verzichtet, im Wahljahr ein eigenes Buch zu verfassen. Stattdessen hat Merkels Lieblingsfotografin Laurence Chaperon einen Bildband mit unendlich vielen Merkel-Bildern herausgegeben, dazu ein paar anbiedernde Texte über Merkel. Ihr Beitrag zum Genre ist damit ein qualitativer Schritt: Ein Politikerbuch, das man gar nicht lesen kann – und das doch ihr gesamtes politisches Programm abbildet.
apropos rhetorik. hier ist ein full-quote (sorry! bitte nicht die unterzeichner vom heidelberger appell vorbeischicken!) von martin recke vom fischmarkt.de:
Wer verstehen will, warum Gesetze wie dasZensursula-Gesetzauch gegen den Widerstand von über 130.000 Unterzeichnern derPetition gegen Internetsperrenbeschlossen werden, der hat in dieser Woche zwei Verständnishilfen bekommen. Am Montag stellte sichDirk Hillbrecht, immerhin der Vorsitzende der Piratenpartei, einer Diskussion mit dem alten CDU-Fuchs Rupert Scholz. Undbekam kräftig Prügel.
Heute nun druckt die Zeit ein Gespräch zwischen Ursula „Zensursula“ von der Leyen höchstselbst und Franziska Heine, der Initiatorin jener Petition. Sie war der ministeriellen Rhetorik nicht gewachsen. Und ging sang- und klanglos unter.
Es hilft nichts: Recht zu haben (oder das wenigstens zu meinen) und die vermeintlich besseren Argumente genügt nicht. Piraten und Petenten müssen auch rhetorisch auf Augenhöhe mit Politikern diskutieren können. Wenn sie aus der Nische herauswollen. Beim derzeitigen Zustand ihrer politischen Rhetorik ist sonst kein Blumentopf zu holen.
das seh ich anders. die diskussion mit dirk hillbrecht habe ich nicht gesehen, neige aber dazu mich dem urteil vom surfguard anzuschliessen:
Ich würde sagen, die Piratenpartei hat gestern Senge bekommen, aber ihre Kogge wurde keineswegs versenkt. Und beim nächsten Mal weiß man etwas genauer, wo der Feind steht und dass er sich nicht scheut, unfair zu kämpfen.
das interview mit franziska heine habe ich gelesen und würde auch hier sagen, dass unfair gekämpft wurde, heine aber durchaus die wichtigsten argumente vorbringen konnte und sich anständig geschlagen hat. nagut. ein wichtiges argument fehlte, nämlich die frage nach der gewaltenteilung, bzw. warum für das internet anderes recht gelten soll, als für die anderen „räume“. warum das BKA eine geheime sperrliste erstellen soll, die nicht in jedem einzelfall von einem richter geprüft wird, hätte ich schon gerne gefragt.
Die Technik der Zugangssperren führt dazu, dass wir jetzt erstmals systematisch kinderpornografische Websites identifizieren. Das stärkt auch den Kampf um das Schließen der Quellen, den wir über Ländergrenzen hinweg mit Interpol und Europol führen.
wenn das so stimmt ist das eine bankrotterklärung für das BKA. das BKA bekämpfte bisher den kindesmissbrauch unsystematisch? was spricht dagegen bereits jetzt eine systematische liste mit illegalen inhalten zu führen und über die landesgrenzen hinweg zu koordinieren? von der leyen legt nochmal nach:
Durch die systematische Suche, durch den internationalen Austausch und die Erstellung einer Datenbank, die die Inhalte der Seiten analysiert und vergleicht, ist die polizeiliche Arbeit der Täterverfolgung viel effizienter und systematischer.
was genau spricht denn dagegen auch ohne das gesetz zur sperrung von seiten systematisch zu suchen und eine datenbank die inhalte im internet analysiert und vergleicht aufzubauen? entweder das ist ein scheinargument oder das BKA liegt organisatorisch völlig am boden — oder von der leyen lügt.
heine hat darauf meiner meinung nach richtig geantwortet:
Das Hauptproblem bleibt - die mangelhafte Ausstattung der zuständigen Beamten. Wenn Inhalte gemeldet werden, passiert wochen- und monatelang gar nichts.
auf die frage, ob es stimmt, dass die politik „die Argumente gegen die Netzsperren nicht wahrnimmt“, sagt von der leyen „Nein, im Gegenteil. Der Prozess ist ausgesprochen positiv.“ zwei absätze später sagt sie das gegenteil: „[Ich hoffe sehr], dass Menschen wie Franziska Heine konkrete Vorschläge machen, wie sie ihre Kompetenz einbringen wollen, damit die Kinderpornografie im Internet auf allen Ebenen bekämpft werden kann.“ da hat sie wohl ein paar argumente odervorschläge nicht wahrgenommen. was natürlich auch ein rhetorischer trick ist, der versucht die schuld an der mangelnden bekämpfung von kindesmissbrauch den kritikern ihrer massnahmen in die schuhe zu schieben. später sagt sie:
Es darf keinen Bereich geben, in dem andere Regeln gelten als sonst im Alltag.
so isses. im alltag kommt es immer schlecht an, wenn man mit falschen zahlen oder fragwürdigen umfragen argumentiert, wenn man das leid anderer für eigene zwecke instrumentalisiert, wenn man lügt oder aus einer position der stärke andere zu zugeständnissen oder zur unterzeichnung von fragwürdigen verträgen zwingt oder wenn man menschen die andere ansichten über die beste lösung haben mit rhetorischen pirouetten in die nähe von kinderschändern rückt.
warum eigentlich gelten die normalen anstandregeln in der politik nicht? warum gilt derjenige, der am besten taktiert, rhetorisch am elegantesten lügt oder agitiert und sich bei seinen schweinereien nicht erwischen lässt, als guter politiker und nicht derjenige der nicht auf tricks, rhetorisches stroh- und störfeuer angewiesen ist, sondern auf die kraft seiner argumente vertraut? warum zielt die politik fast immer auf die diskreditierung ihrer gegner ab, statt sie mit argumenten niederzuringen? wenn die deutsche politik etwas von barak obama lernen kann, dann wie er zumindest den eindruck erwecken konnte, die wahl mit argumenten und nicht mit diskreditierung seines gegners gewinnen zu wollen.
und das gefiel mir an franziska heines antworten. sie liess sich nicht darauf ein, die nebelkerzen-rhetorik mit eigenen nebelkerzen zu kontern, sie sprang nicht auf von der leyens arrogant-provokante tantchen-rhetorik an („was sind 130tausend, verglichen mit 40 millionen internetnutzern?“, „sie müssen halt ihre kompetenzen einbringen!“, „protest mit einem mausklick ist ja einfach, sie müssen mehrheiten überzeugen!“). sie argumentierte einfach, verständlich und nicht rhetorisch aufgeblasen. ich für meinen teil habe die schnauze gestrichen voll genug von dem unerträglichen politikersprech, dass niemals schwächen oder fehler eingesteht, das immer selbstlobend und selbstverliebt klingt, stets pauschalisiert und komischerweise genau dann als brilliant gilt, wenn es möglichst unverständlich ist.
[nachtrag]
sehe gerade, das torsten kleinz bereits das idiotische pseudo-argument von ursula von der leyen auseinandergenommen hat.
die CDU-politikerin martina krogmann hat ja vor einer weile gesagt:
Uns geht es um die pornographischen Inhalte in Ländern in denen Kinderpornographie eben nicht geächtet ist und auch nicht konsequent bestraft wird und deshalb auch nicht gelöscht wird. [...] weil wir eben für Dinge, die auf einem Server beispielsweise in Kasachstan liegen, da haben wir keinen Zugriff drauf.
dass das nicht stimmt, hat jörg-olaf schäfers bereits geklärt (wobei man sich fragen kann ob ahnungsloses rummeinen gleichzusetzen ist mit lügen oder desinformieren).
was aber auch interessant ist, dass in kasachstan neben der androhung von drakonischen strafen für regierungskritische meinungsäusserungen, auch das argument „kinderpornographie“ für die sperrung von webseiten herhalten muss. die regierungspropaganda behauptet, dass man die verbreitung von kinderpornographie, „extremistische literatur“ und anderem „ungeeigneten material“ verhindern wolle. erstaunlich eigentlich, dass die bundesregierung sich rhetorisch auf das niveau der kasachischen regierung begibt.
Wo sind die alle? Wo ist die selbsternannte “geistige Elite”? Habe ich die Kolumnen in den Tageszeitungen verpasst? Die Artikel in den Magazinen überblättert? Den Fernseher aus gehabt, als man sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die weitere Einmischung des Staates ins eigene Leben verbeten hat?
es gibt immer vermeintlich gute gründe böses zu tun:
rock and roll musik verbieten, um die jugend zu schützen.
nutella mit dem finger essen, um hungerattacken zu bekämpfen.
musikfans in grund und boden klagen, um „die kreativen“ zu schützen.
anti-personen-minen bauen, um deutsche arbeitsplätze zu schaffen.
atombomben über zwei japanischen städten abwerfen um einen krieg zu beenden.
belgrad bombardieren, um die serben davon abzubringen, albaner zu vertreiben und das Kosovo „ethnisch zu säubern“.
einen korrupten und folternden monarchen zu unterstützen und eine demokratisch gewählte regierung zu stürzen, um für stabilität im nahen osten zu sorgen.
terror-verdächtige foltern, um menschen zu retten.
zur denunziation aufrufen, um die nation zu retten.
und so dienen auch die rasterfahndung, das BKA-gesetz, die vorratsdatenspeicherung, der grosse lauschangriff, der „bundestrojaner“ oder der biometrische reisepass vordergründig etwas gutem, nämlich der „sicherheit“ aller bürger. es werden bürgerrechte eingeschränkt, um den eindruck zu erwecken den terrorismus entschlossen zu bekämpfen und jetzt wird eine zensurinfrastruktur aufgebaut, um den eindruck zu erwecken, etwas gegen kindesmissbrauch zu tun.
sprüche wie „datenschutz darf kein täterschutz sein“ und „das internet ist eben kein rechtsfreier raum“, die ich unlängst in der emma las [via], sind deshalb so gefährlich, weil sie suggestiv, hysterisch und unverhältnismässig sind. sie stellen ein vermeintlich grösseres wohl über die die rechte der einzelnen. eine vermeintlich „gute sache“ über die würde, die freiheit und die rechte der menschen zu stellen, ist fast immer ein kristallklares zeichen dafür, dass etwas nicht in ordnung ist und dass derjenige der soetwas fordert, zur selbstgerechtigkeit neigt.
datenschutz ist kein täterschutz, sondern ein bürgerrecht. so wie ein ordentliches gerichtsverfahren kein täterschutz ist, sondern ein verbrieftes bürgerrecht, das — soweit ich weiss — selbst die CDU-muttis und „bild“-zeitungs-freundInnen der emma nicht in frage stellen.
das internet ist kein rechtfreier raum, genausowenig wie es die emma ist. eine straftat ist und bleibt dieselbe, ob sie auf papier, in einer stadt oder im internet begangen wird und sie wird entsprechend geahndet.
die frage ist: sind wir bereit, die rechte aller menschen zu schwächen, um einige wenige straftäter einfacher, mit kürzeren prozessen oder einfacheren polizeilichen ermittlungen zu fall zu bringen? natürlich würde es unzählige kinder schützen, alle pädophilen einfach ohne prozess lebenslang einzuschliessen oder gleich zu erschiessen, aber möchte jemand in einer gesellschaft leben, in der das BKA bestimmt wer straftäter oder kinderschänder ist? oder wollen wir in einem staat leben, in dem sogar kinderschänder einen fairen prozess bekommen, in dem gerichte entscheiden was kriminell und verboten ist, statt einer polizeibehörde? möchten wir in einem staat leben, in dem das BKA entscheiden darf, was die bürger sehen und lesen dürfen und nicht die gerichte?
natürlich ist es einfacher täter zu fassen, wenn niemand geheimnisse oder eine privatshäre hat (und nichts zu verbergen hat). aber wollen wir in einem staat leben, in dem das BKA alles über die intimshäre von freaks wie alice schwarzer weiss?
so wie die frauenbewegung einmal zu recht formulierte, „mein bauch gehört mir“, gehören meine daten mir. „informationelle selbstbestimmung“ ist ein scheiss-wort, aber ein zentrales grundrecht — nicht aus einer laune heraus oder weil internetcommunitybenutzer besonders anarchisch veranlagt sind, sondern weil bürgerrechte die essenz unseres staates und unserer gemeinschaft sind. ja, noch immer. es geht nicht um freifahrscheine oder rechtsfreiheit, es geht um den schutz jedes einzelnen vor dem zugriff des staates — und um rechtsstaatlichkeit.
ja, das grundgesetz spricht von einem grundrecht auf freiheit und sicherheit. damit begründeten die letzten beiden innenminister immer wieder ihre initiativen zur stärkung des staates. allerdings ist damit eine ganz andere sicherheit gemeint als die die schily und schäuble im sinn haben. das grundgesetz meint die sicherheit der bürger vor dem staat. gesetze, die regeln denen wir uns unterwerfen sind in erster linie zum schutz der bürger vor dem staat gedacht! es wird höchste zeit, dass wir dem staat ein wenig luft ablassen und uns unsere rechte wiederholen. der staat ist kein selbstzweck, er braucht schranken. starke schranken.
frei nach benjamin franklin: politiker die uns nicht vor dem staat schützen wollen oder können, haben es nicht verdient gewählt zu werden. [original: „Those Who Sacrifice Liberty For Security Deserve Neither.“]
[eigentlich habe ich den artikel angefangen zu schreiben, als ich (via twiter) im wall street journal und bei der BBC las, dass siemens-nokia technologie für eine zensurinfrastruktur an den iran verkauft hat. siemens-nokia widerspricht diesen berichten zwar, irgendwie, aber denjenigen die nicht erkennen, dass zensurmassnahmen, mit welchem guten zweck auch immer begründet, ein grösseres übel sind, wollte ich zumindest das bejamin franklin zitat entgegenhalten.]
klar ist nie etwas. schon gar nicht im iran und erst recht nicht wenn man ausserhalb des irans vor der glotze sitzt. deshalb ist kritische distanz immer vonnöten.
aber als ich eben frédéric valins text darüber las, dass im iran irgendwie alles unklar ist („Unruhen im Iran - You don’t know, Jack.“), da rollten sich meine fussnägel hoch:
es mag ja sein, dass sich sämtliche klassischen medien und blogs die ich lese irren und dass es blödsinn ist zu schreiben, dass hunderttausende auf die strasse gingen um in erster linie gegen wahlbetrug zu protestieren. wozu gerade jetzt nach der wahrscheinlichkeit fragen ob die wahl gefälscht war, wenn hunderttausende genau deshalb auf der strasse protestieren?
auch um zu lesen, dass mussawi kein reformer war, sondern aus dem „establishment“ kam und dass die lage im iran extrem unübersichtlich ist, muss man frédéric valins text nicht lesen. ich frage mich wozu man seinen text überhaupt lesen sollte, einen text der wirkt als sei er allein deshalb verfasst worden, um zu zeigen was frédéric valin alles zu recherchieren und sich anzulesen imstande ist.
statt frédéric „guck–mal-was-ich-weiss“ valin empfehle ich lieber roger „guck-mal-ich-bin-da“ cohen, der diese reportage aus teheran schrob:
Khamenei has taken a radical risk. He has factionalized himself, so losing the arbiter’s lofty garb, by aligning himself with President Mahmoud Ahmadinejad against both Mir Hussein Moussavi, the opposition leader, and Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, a founding father of the revolution.
He has taunted millions of Iranians by praising their unprecedented participation in an election many now view as a ballot-box putsch. He has ridiculed the notion that an official inquiry into the vote might yield a different result. He has tried pathos and he has tried pounding his lectern. In short, he has lost his aura. (weiterlesen …)
in der bundestagsdebatte zum gesetzentwurf der regierung für das sogenannte zugangserschwerungsgesetz zur kinderpornographie, die ich mir heute abend im kreis meiner familie live angesehen habe (selbst das 13jährige kind hat die debatte von anfang bis zum ende verfolgt!) hat die abgeordnete michaela noll sehr laut und schnell und offenbar auch sehr erregt gezetert geredet und sich beklagt, dass über dieses schöne gesetz so viel „gezetert“ und diskutiert wird. gegen ende ihrer rede hat sie ein sehr schönes neues wort erfunden, als sie über die jüngste allensbach-studie geredet hat, die irgendwas belegen soll. die aussagekraft der studie hat torsten kleinz heute bereits ein bisschen analysiert. so traurig die ganze debatte vor allem hinsichtlich der redebeiträge der SPD und CDU/CSU-fraktion war, so erheiternd empfand ich diesen neologismus:
… und nochmal den hinweis gemacht auf die allensbachstudie. 91% der menschen die sind über 16 sind dazu befragt worden, die halten das für wichtig und es gibt nur 9% der gegner und das sind die sogenannten onlinecommunitybenutzer.
mal abgesehen davon, dass die formulierungen semantisch und grammatikalisch höchst fragwürdig sind, was wahrscheinlich der aufregung geschuldet war, dieses wort ist grossartig und höchst bescheuert.
die „persönliche erklärung“ von jörg @tauss nach der abstimmung fand ich übrigens ziemlich überzeugend und aufrichtig. er zeigt, dass in der SPD nicht alles schlecht gewesen ist, aber wie diese „bundestagscommunity“ seine 5minuten rede quittierte, die immerhin die letzte seiner parlamentarischen karriere gewesen ist, fand ich peinlich. akkustisch hörte es sich an, als ob ihm am ende nur 5 abgeordnete applaudiert hätten, @343max meinte gar, dass ihm nur die FDP applaudiert hätte (spekulationen gibts dazu auch). schon erstaunlich, dass es sogar beim applaus fraktionszwang zu geben scheint und sich die SPD-abgeordenten nicht zu schade sind, geschlossen so mit einem fraktions-kollegen umzugehen.
prima artikel von kai biermann zum zensursula-gesetz. eigentlich muss doch jeder, der das liest und ansatzweise vernunftsbegabt ist, dieses gesetz als blinden und gefährlichen aktionismus erkennen. oder andersrum, hier erkennt man, „Wie ahnungslos und symbolhaft Politik manchmal handelt“. die passende illustration liefert mediengestalter.cc.