entweder ist bei turi das zeitkontinuum kaputt oder man ist zu blöd in den kalender zu gucken: kress.de schreibt „Georg Pagenstedt (Foto) übernimmt ab 1. Juni 2009 bei EliteMedianet als kaufmännischer Geschäftsführer und COO die Verantwortung für Operations und alle kaufmännischen Bereiche.“ turi2 macht daraus „Der Ex-CEO von wallstreet:online führt ab sofort die Geschäfte beim ElitePartner-Betreiber EliteMedianet.“
06:30 uhr wecker klingelt, frau steht widerwillig auf um das kind zu schmieren und butterbrote zu wecken. herrlich: ich hab urlaub und schlafe weiter.
06:45 uhr wache wieder auf, weil die frau in der küche flucht.
08:57 uhr chef ruft an.
09:20 uhr denke darüber nach, dass urlaub früher auch mal anders gewesen ist.
11:00 uhr mache feierabend, schneide einen kohlrabi in stifte und esse den kohlrabi mit einem käsebrot.
13:45 uhr mein tomtom lotst mich die 1,2 kilometer von der ubahn zum „kampnagel“. bin jetzt auf der #next09. nico lumma steht vor dem eingang und isst döner.
13:54 uhr in sechs minuten spricht jeff jarvis. ich bestelle noch schnell einen milchkaffee.
14:02 uhr bekomme einen sieben minuten lang gezapften, aber sehr leckeren milchkaffee serviert, trinke ihn hastig aus und frage mich zu „track 1“ durch, wo jeff jarvis bereits seit 8 minuten redet. jeff jarvis erzählt interessante sachen und beschimpft sich selbst als „heuchler“. leider habe ich alles was er erzählt schon vor tagen und wochen im netz gelesen oder gehört. trotzdem ist er ein sehr angenehmer redner, ich muss sogar ein paar mal lachen. am ende nimmt er fragen entgegen und läuft mit dem mikrofon durch den saal zu den fragestellern. jeff jarvis errinnert mich, wenn er läuft, an eine giraffe. wenn giraffen schnell laufen, sehen sie aus als liefen sie in zeitlupe. jeff jarvis auch.
14:55 uhr stehe auf, rufe laut „was für ein liebloser scheiss!“ und stampfe empört aus der keynote „Capitalism 2.0“ hinaus — leider nur in meiner phantasie. in der realität lausche ich weiter, beobachte wie sich umair haque ungeschickt — aber betont lässig — mit prezi abmüht. um 15:03 uhr halte ich es wirklich nicht mehr aus und schleiche leise zu meinem zweiten milchkaffee.
15:10 uhr wlan! es gibt funktionierenedes wlan! die entdeckung des tages. schreibe meinem chef eine email.
16:20 uhr sehe die letzten 10 minuten von andrew keens vortrag [foto]. bin sofort inspiriert und beschliesse die debattenkultur in deutschland neu zu beleben.
16:25 uhr ich spüre, dass der kohlrabi extrem flatulenz-steigernd wirkt.
16:30 uhr sehe mir 30 minuten werbung für t-mobile, simyo und irgendeinem angeblichen „think-tank“ an [foto davon]. im publikum rumort es, weil raimund schmolze es nichtmal ansatzweise peinlich ist einem zahlenden publikum eine wahrscheinlich von seinem 13jährigen sohn erstellte powerpoint-präsentation zu zeigen und mit dummdreister telekom-werbung zuzuschwallen. das kam nicht gut an, knüwer fands sogar imageschädigend. frage mich erstens ob das image von t-mobile oder der telekom noch weiter zu schädigen ist, zweitens warum ich nicht aufstehen konnte sondern fasziniert auf den peinlichen werbemüll auf der bühne starren musste und drittens, was ich gefühlt hätte, wenn ich mehrere hundert euro für die veranstaltung gezahlt hätte.
am ender der diskussion wirds nochmal lustig als raimund schmolze behauptet, t-mobile blockiere skype, weil man die übertragungsqualität des dienstes nicht garantieren könnten. der halbe saal lacht.
17:10 uhr bier? gibts erst ab 19 uhr. ist ja wie zuhause hier!
17:46 uhr rufe meine oma an.
18:30 uhr twitterlesung. noch hat keiner gelacht, obwohl schon seit 15 minuten vorgelesen wird.
19:05 uhr spreche mit einem gut vernetzen arbeitslosen.
19:20 uhr mich spricht jemand an, dem ich mal im internet ans bein gepinkelt habe. merke: leuten im internet ans bein pinkeln ist der ultimative persönlichkeitstest aus dem sich sehr angenehme bekanntschaften entwickeln können. oder abmahnungen.
19:30 uhr auf dem klo zwei business-kasper. der eine so: „hast du nicht noch ein meeting heute abend?“ der andere: „ja. ich muss kellnern.“
19:40 uhr der typ der am nachmittag auf der bühne als simyo-gründer vorgestellt wurde hat ein iphone. frage mich ob er es geknackt hat und mit ner simyo-SIM benutzt, es in italien gekauft hat oder ob er telekom-kunde ist.
19:55 uhr spreche mit jemandem der bald arbeitslos ist und esse blumen mit dressing.
20:15 uhr sinniere darüber wie ich die debattenkultur in deutschland neu beleben soll. die domain wäre noch frei: reaktionaeres.net.
20:20 uhr spüre den hauch des todes und stelle die steile these auf, dass es die next10 nicht geben wird. sehe peter kabel und michael trautmann rumstehen. mir wird kalt.
20:40 uhr neben mir sagt jemand, das web sei tot. ich frage mich: was ist eigentlich zum web noch nicht gesagt worden? interessiert sich da noch jemand für? braucht man in einer phase der konsolidierung konferenzen?
21:00 uhr esse noch mehr blumen mit dressing.
22:00 uhr sehe, dass ich nicht der einzige bin der sich langweilt und dass die webfuzzis besseres zu tun haben als auf einer party rumzustehen. fernsehen gucken im hotelzimmer zum beispiel. irre wie leer der laden schon ist.
22:30 uhr gehe sehr zufrieden und ziemlich nüchtern nachhause.
mittwoch, 18:30h am mittwoch abend im zug habe ich mir angesehen, wie katrin bauerfeind mit harald schmidt plauderte. fremgeschämt habe ich mich auch ein bisschen, aber nicht so doll wie herr schader. eigentlich hab ich mich auch weniger für frau bauerfeind geschämt, sondern für harald schmidt. der sah fast so ungepflegt aus wie ix!
aber harald schmidt hat was schönes gesagt. naja, zitiert. auf die frage von katrin bauerfeind (oder vielleicht auch eine ganz andere frage), was ihn und feuerstein verbinden würde, antwortete er, das feuerstein mal gesagt habe, dass das was er und schmidt gemeinsam hätten der hass auf die menschheit und die liebe zu ihrem publikum sei. misanthropen finde ich übrigens total doof, ausser sie sind unglaublich witzig.
mittwoch, 21:00h am hamburger hauptbahnhof fiel mir mal wieder auf, dass die stimmung auf dem bahnhofs-vorplatz dort exakt wie in einem casino in las vegas ist. exakt:
es läuft immer klassische musik im hintergrund
egal ob tag oder nacht, egal ob morgens oder abends, die leute saufen und rauchen ständig
fast alle tragen shorts und andere unvorteilhafte kleidung
es sind nirgendwo kinder zu sehen
es geht um geld
freitag, ca. 14:00h ich habe ein langzeit-experiment zu meiner gestörten selbstwahrnehmung erfolgreich abgeschlossen. die beifahrerin liebt es brot auf meiner lieblingsarbeitsfläche in der küche zu schneiden. oder besser, seitdem wir ausschliesslich vollkornbrot essen, zu sägen. die sägespäne lässt sie dann gerne liegen, was auch vollkommen verständlich ist, denn so ein frisch gesägtes brot will ja sofort verspeist werden. trotzdem stört mich das immer ein bisschen und ich sauge die späne, so wie ich das in meiner schreinerausbildung gelernt habe, weg. denn die berufsgenossenschaften verbieten schon seit vielen jahren das kehren von sägespänen und verlangen den einsatz von staubsaugern für solche zwecke. arbeitsplatzsicherheit und lungenschutz, oder so.
mein versuchsaufbau war recht einfach: nachdem ich die sägespäe der beifahrerin weggesaugt hatte, sägte ich mir selbst ein paar scheiben brot ab und liess die späne liegen. zu meiner sehr grossen verwunderung störten mich meine selbstgemachten sägespäne ganze drei tage lang nicht die bohne.
samstag, 20:00h am samstag ist die festplatte in meinem macbook verstorben. dankenswerterweise haben festplatten ja heute einen mechanismus eingebaut, mit dem sie vermelden können, dass sie sterben. s.m.a.r.t heisst das — und ob die abkürzung absichtsvoll mit „SM“ anfängt vermag ich nicht zu beurteilen. freundlicherweise hält apple einem solchen technischen kleinkram vom leib, so dass der tod der platte mich überraschte und völlig ohne vorwarnung kam. tick, tick, tick, waren ihre letzten worte.
aber vielleicht ist dieses ständige erneuern, die endlichkeit, verletzbarkeit und die sterblichkeit von technik ja auch etwas gutes. die antroposophen sind ja grosse fans von natürlichen zyklen und rhytmus. im frühjahr blüht alles auf, lebt den sommer hindurch um im winter wieder abzusterben. weniger pathetisch ausgedrückt: meine neue festplatte ist doppelt so schnell und dreimal so gross wie die alte und viel geiler! ich habe mich auch dagegen entschieden meine alten daten unterzupflügen und neue auszusäen und den den alten stand der festplatte mit einem backup von letzter woche komplett rekonstruiert, timemachine sei dank, mal wieder. man musses ja auch nicht übertreiben, mit der erdverbundenheit.
sonntag, 12:00h überhaupt. kaum gewöhnt man sich daran, dass technik fragil ist und sich zur entropie sehnt, überrascht sie einen. der akku meines macbooks stemmt sich gegen den trend und will einfach keine kapazität verlieren. 99% prozent restkapazität nach 22 monaten. das ist eigentlich ein wunder, ähnlich wie blut das aus den augen einer gips-madonna fliesst.
montag, 6:00h im zug hab ich mir eine folge „einsatz in vier wänden spezial“ angeguckt. peinlich aber wahr, mir kamen die tränen. danach hab ich einfach weitergeheult, als ich diese bilder sah [via].
danach wollte ich eigentlich noch die aufzeichnung von „zimmer frei“ ansehen, mit katharina schubert. leider war die aufzeichnung fast komplett im arsch, bis auf ca. 10 minuten, relatv am ende der sendung. das ist nicht weiter schlimm, was schaupsielerinnen über die welt zu sagen haben interessiert mich in der regel eh nicht so arg doll. ich habe mich aber gefragt, warum katharina schubert bei sprechen hin und wieder ihre zunge rausstreckt. das hat mich auch schon damals bei anke engelke gewundert.
montag, 8:30h ersteigerte ebay-artikel beim verkäufer zuhause abholen hat etwas ernüchterndes. was man nicht alles tut um porto zu sparen. künftig werde ich das porto wieder zahlen, der vorteil der virtuellen internet-welt ist definitiv ihre körperlosigkeit.
montag, 19:00h tintenherz auf DVD geguckt. leider ein liebloser, vorhersehbarer und wirrer, kreuzöder film. die lieblosigkeit spricht aus jedem detail:
denk sogar nicht daran meine zeit zu vergeuden
montag, 22:00h ich habe mich innerlich aufs mein zwanzigjähriges klassentreffen vorbereitet. bei xing. bei den zwei, drei namen die ich gefunden habe nicht ein gesicht wiedererkannt. kaum einer meiner ehemaligen klassenkameraden ist xing- und googlebar. schlimmer noch, kaum einer, mit vier oder sechs ausnahmen, ist mir in irgendeiner form im gedächnis geblieben.
Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit weltweit durchsetzen und der Internetzensur entgegentreten
könnte man meinen, dass das angesichts der debatte um die internet-filter der #zensursula und der bundesregierung bei netzpolitik.de oder auf der homepage der piratenpartei oder des CCC stehen würde.
es ist aber die überschrift eines gemeinsamen dokumentes der CDU/CSU und SPD bundestagsfraktionen vom april letzten jahres. unterschrieben wurde es von „Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion Dr. Peter Struck und Fraktion“.
in dem dokument stehen wahre perlen des politischen wechselbalgentums:
In der Mehrzahl der Staaten dient die Zensur der Machtsicherung der Regierenden.
so kann man die initiative der familienministerin zenzursula von der leyen ja durchaus sehen: als einen durchsichtigen versuch ein delikates und hochkomplexes thema für wahlkampfzwecke, also machterhalt zu instrumentalisieren.
Ein Novum ist, dass sich in China viele ausländische Anbieter von Internetdiensten dem Druck der Behörden gebeugt haben und sich selbst zensieren. Die chinesischen Behörden betreiben zudem ein umfassendes Filternetzwerk, das den Zugang zu brisanten Seiten blockiert.
das ist jetzt kein novum mehr. die inländischen internetprovider wurden mit gezieltem druck dazu angehalten einen vertrag zu unterschreiben und ein umfassendes filternetzwek zu installieren und zu betreiben und das internet nach den vorgaben des BKA zu zensieren.
In Staaten des Nahen und Mittleren Ostens wird eine erhebliche Anzahl unmoralischer Webseiten durch Filter blockiert. In Iran z. B. geschieht dies offiziell aufgrund angeblich pornographischer oder religionsbezogener Inhalte […].
das wort „angeblich“ passt nicht nur für den nahen und mittleren osten. ein vertreter der hessischen landesregierung, heinrich sievers, schlägt vor, gleich „ausländischen Glücksspiel-Anbieter“ mit auf die sperrlisten zu setzen und fordert, laut augenzeugen seines auftritts auf dem kölner forum medienrecht, mal zu prüfen „ob man nicht diese chinesische Technik einführen könne“. (quelle)
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, […] im Rahmen aller genannten Forderungen auch und insbesondere die Zensur im Internet zu thematisieren und dieser entgegenzutreten.
komischerweise sind sowohl die fraktion als auch die anderen unterzeichner gerade jetzt, nachdem das bundeskabinett am mittwoch den „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet“ verabschiedet hat (PDF des entwurfs), eher zurückhaltend mit ihren forderungen. die bundesregierung beschliesst zensurmassnahmen und sie schweigen.
ralf bendrath verwies heute auch in einem artikel auf das dokument und stellt fest:
Leider hat offenbar in Köln niemand den Mund aufgemacht und gesagt, warum ein freies Internet auch politisch wichtig ist für eine freie Gesellschaft. Für andere Länder hat das ja sogar die CDU/CSU schon eingesehen, nur für Deutschland offenbar noch nicht.
witzigerweise sind die leute im bundestag ja der meinung, dass ihre wähler ihr treiben nicht als rückgratloses, verlogenes, doppelzüngiges treiben wahrnehmen und sie, wenn sie ein paar wochen vor der wahl nur ihr freundliches, verständnisvolles gesicht auzfsetzen wählerstimmen oder an glaubwürdigkeit gewinen könnten. klar, einerseits wohl durch erfahrung, bis jetzt sind sie ja immer mit jeden blödsinn durchgekommen und glauben wahrscheinlich tatsächlich, dass politik nichts mit überzeugungen, richtig oder falsch zu tun hat, sondern mit mehrheiten, kompromissen und machbarkeiten.
deshalb glauben politiker unverdrossen wiedergewählt zu werden, wenn sie sagen:
zensur ist scheisse, aber wir beschliessen sie trotzdem
wir sind für freie märkte, aber enteignung muss einfach manchmal sein
das „börsencasino“ und die „Jagd nach Maximalrenditen“ in der wirtschaft verletzen „das Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen“ aber die politiker in den aufsichtsräten der landesbanken und anderen maximalrenditefordernden aufsichträten haben da rein gar nichts mit zu tun
dieses ganze verlogene und verantwortung von sich weisende kasperletheater das die CDU und SPD derzeit veranstalten hat aber vielleicht doch einen gewaltigen vorteil. nämlich dass sich erstmals seit langem wieder echter widerstand bildet, echte und tatkräftige unzufriedenheit, die der herrschenden kaste zur wahl klar macht, dass sie sich von denen die sie wählen sollen so weit wie nie entfernt haben.
In Frage gestellt ist tatsächlich nur eines: ein Geschäftsmodell, das darauf fußt, mit privaten Geschichten, mit Vorverurteilungen Geld zu machen.
kai „dann machts halt“ biermann machts einfach, das richtige interview, zur richtigen zeit auf zeit.de. wer kai biermanns interview mit christian bahls, dem vorstand von mogis (MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren) liest, erfährt mindestens genauso eindringlich wie in der c’t, dass die regierung hier eine widerliche wahlkampfshow abzieht und sich nichtmal ansatzweise dafür schämt, ihre wähler für dumm zu verkaufen.
eigentlich sollte ich morgen, am freitag, auch früh aufstehen und bei der „zenzurursula“ vor der tür stehen, statt nur rumzulinken. ix kan aber leider nicht.
wolfgang stieler versucht auf peter glasers text „In was für einer digitalen Gesellschaft wollen wir leben?“ zu antworten. stieler erhofft sich „Im Forum“ seines artikels „eine rege Diskussion, so dass wir im Idealfall zu einer neuen, möglicherweise ganz anderen, kollektiven Antwort auf die Frage kommen: In was für einer digitalen Gesellschaft wollen wir leben?“ drei kommentare in vier tagen sprechen für die spritzigkeit und originalität seiner anmerkungen. vielleicht auch ein bisschen für die unlesbarkeit seiner thesen, denn statt eines angemessenen „blockquotes“ setzt er glasers text in den fliesstext und seine anmerkungen kursiv dadrunter. auf dem mobilen opera ist das komplett unlesbar. ist aber auch egal. oder auch gut. ich habe so glasers text nochmal kritischer gelesen, weil ich immer raten mussten, welche these nun von glaser und welche von stieler ist. beispiel:
Das Teilen mit technologischer Hilfe führt nicht nur zur Vermehrung von Ideen, sondern auch zur Vermehrung von Problemen. Computer helfen uns dabei, Dinge schneller zu erledigen, die wir ohne Computer gar nicht hätten erledigen müssen, das wusste Marshall McLuhan schon in den sechziger Jahren... Im übrigen ist die Vermehrung von Problemen nicht unbedingt ein Manko. Von Egon Friedell stammt der Satz „Kultur ist Reichtum an Problemen“. Davon haben wir heute reichlich.
wären diesen sätze von stieler, hätte ich ihm widersprochen, glaser möchte ich nur ergänzen:
denn die art der probleme die wir nun haben (und die wir ohne computer gar nicht hätten) unterscheiden sich qualitativ und quantitativ gar nicht so sehr von denen die wir vorher hatten. oder anders gesagt, technologie löst viele probleme, lässt aber auch viele offen und schafft einige neue. nur neigen wir dazu, die probleme die wir noch vor ein paar generationen hatten aus unserer heutigen, gesättigten perspektive zu vergessen oder zu verdrängen. noch vor ein paar generationen haben uns raubtiere nicht in den zoo getrieben, sondern in lebensgefahr gebracht, haben keime, bakterien und viren millionen von menschen umgebracht oder verstümmelt und die frage „kohl“ oder „kartoffeln“ war keine die man sich an der gemüsetheke gestellt hat, sondern im angesicht des hungers.
natürlich hat die erfindung des penicillin nicht alle krankheiten verschwinden lassen, natürlich haben weder das internet, wikipedia, das blogdings oder der online-journalismus dummheit, ignoranz und desinformation verschwinden lassen — aber auch nicht verursacht. natürlich sind seit knut aus eisbären keine kuscheltiere geworden, wie manche zu glauben scheinen. weder dünger, noch traktoen haben den hunger ganz aus der welt geschafft.
natürlich können waschmaschinen, computer oder traktoren kaputtgehen, erfordern wartung, kraftstoff, strom, bedienungskompetenz und stetige weiterentwicklung um nutzbringend zu sein, aber war das leben ohne sie wirklich besser oder unproblematischer? natürlich nicht. und deshalb sind probleme, peter glaser und faulheit wichtig.
habe nach dem übermässigem konsum von amerikanischer fersehware gerade eine verschwörungstheorie aufgestellt: amerikanische fernsehware soll nach übermässigem konsum dazu verleiten, den konsumenten dazu zu bringen leichter an verschwörungstheorien zu glauben. zu glauben, dass ausser den drehbuchautoren amerikanischer fernsehware, auch politiker und emailausdrucker in der lage sind das ende eines irre komplexen planes vorauszusehen und entsprechend zu handeln. was natürlich völliger blödsinn ist und bleibt, aber nach dem konsum amerikanischer fernsehware wahrscheinlicher scheint. (konsumierte fersehware: „XIII“ und „dollhouse“ - empfohlenes gegenmittel „burn after reading“. dank an surfguard für die empfehlung)
ich bin ja wirklich ein grosser fan der fritzbox. die dinger funktionieren gut, werden relativ liebevoll mit regelmässigen firmwareupdates gepflegt und das linux auf dem sie laufen lässt sich relativ gut hacken. hab ix gehört. fritzboxen sind einfach einzurichten und arbeiten klaglos und zuverlässig.
in der fon-variante erlauben sie sehr einfach alte, analoge telefone per voip und festnetz zu benutzen, dass heisst angerufen werden kann man nach wie vor unter der alten festnetznummer, telefonieren kann man mit leicht einzustellenden regeln über billige voip-anbieter. wenn man nen „komplett“-anschluss hat funktonieren sie auch klaglos rein unter voip. besonders toll: auch unter os x lässt sich kinderleicht ein vpn-tunnel einrichten mit dem man dann auf die fritzbox und das dahinterliegende netzwerk aus der ferne zugreifen kann. alles toll soweit.
nur wenn man den alten spruch, „never change a running system“ nicht beachtet und immer die aktuelle firmware aufspielt, kann man ins klo greifen, zumindest mit der FRITZ!Box WLAN 3270 und der aktuellen firmware-version 67.04.70 und freenet-internetzugang. da geht die fritzbox nämlich davon aus, dass man als freenet-kunde auch telefonie betreiben möchte. nur kann die 3270 das eigentlich gar nicht — nur mit dem völlig überteuerten fritz-mini-dings. zumindest hat die fritzbox sich seit dem letzten firmware-upgrade ständig, also ungefähr alle 10 sekunden darüber beschwert, dass pppoe-fehler aufträten und die internetverbindung (telefonie) getrennt wurde:
internet ging zwar noch, aber das log lief voll mit diesen meldungen und die fritzbox und das internet wurden sehr langsam. zumindest in einem forum fand ich einen hinweis auf das problem. die lösung war aber mit der 3270 nicht zu machen.
also habe ich die fritzbox zurückgesetzt und neu eingerichtet. und siehe da, plötzlich war klar, dass die fritzbox mit der aktuellen firmware bei freenet-kunden davon ausgeht, dass voip-telefonie genutzt werden soll:
ohne die eingabe der freenet-telefonnummer, verweigerte der assistent die dsl-einrichtung. wir haben zwar eine freenet voip-nummer, aber auch die eingabe der nummer fürhrte zum gleichen, ätzenden pppoe-fehler und der meldung, dass die voip-verbindung nihct hergestellt werden könne. der einzige ausweg war einen „anderen“ dsl-anbieter bei der einrichtung der fritzbox auszuwählen und die freenet daten in folgender form einzugeben:
frn6/LOGINNAME PINPASSWORT
dann gehts. ich hoffe AVM nimmt dieses problem zum nächsten firmwareupgrade zur kenntnis.
Ein anderes vieldiskutiertes Thema ist das Urheberrecht. Mit dem amerikanischen Rechtsprofessor Lawrence Lessig tritt der prominenteste Verfechter eines weitgehend Copyright-befreiten Internets auf. Lessig hat die „creative commons“-Bewegung gegründet, ein Modell der freien Lizenz für Medienerzeugnisse. Niemand dürfe für vermeintlich urheberrechtsverletzende Downloads kriminalisiert werden, trägt Lessig in einer erstaunlich schlichten Powerpoint-Präsentation vor: Kultur lebe von Freiheit der Gedanken und (kosten-) freier Verwendung von Medienerzeugnissen. Gegenwärtig herrsche ein „Kulturkampf“, in dem Künstler und große Medienhäuser aus Angst vor Veränderung ungerechtfertigt Besitzstand wahren wollten. Würde Lessig, einmal anders gefragt, auch von Immobilienmaklern, Steuerberatern und Rechtsprofessoren verlangen, dass sie auf ihren Besitzstand und die Bezahlung ihrer Leistungen verzichten? Dass die Urheber von Gedanken, die nicht bezahlt und geschützt werden, bald keine Zeit und kein Geld mehr haben, diese zu denken, und dass eine Avantgarde, die über 140 Zeichen und den Horizont ihres Privatlebens nicht hinauskommt, kaum geeignet ist, die Weltöffentlichkeit aufzuklären - an diesen Widerspruch mochte Lessig aus Angst vor Veränderung keinen Gedanken verschwenden.
da hat er glaube ich was falsch verstanden.
#1 „Mit dem amerikanischen Rechtsprofessor Lawrence Lessig tritt der prominenteste Verfechter eines weitgehend Copyright-befreiten Internets auf.“ soweit ich lessig verstanden habe, vertritt er keineswegs die meinung, dass das „copyright“ abgeschafft werden solle. im gegenteil, er hält dazu an, die kosten des, wie er es nennt „copyright-krieges“, gegen den nutzen aufzurechnen. was kostet uns die verfolgung angeblicher „copyright“-verstösse? welche freiheiten müssen wir für diesen aufgeben? ist es OK kinder und jugendliche vor gericht zu zerren die ihre videos mit urheberrechtlich geschützter musik untermalen, ist es hinnehmbar dass angebliche rechteinhaber verstösse gegen das urheberrecht als vorwand nehmen, um unliebsame inhalte verschwinden zu lassen? beispiele dafür, dass rechteinhaber die rechte die ihnen der „Online Copyright Infringement Liability Limitation Act“ auf übeleste weise missbrauchen finden sich alleien auf hundertfach. auch in deutschland zeigt sich dieses phänomen mittlerweile.
wie weit lohnt es sich einen (aussichtosen) kampf gegen „copyright“-verstösse zu führen, menschen zu kriminalisieren, bürgerrechte einzuschränken, einer industrie legislative und exekutive rechte einzuräumen fragt lessig und antwortet, dass es in vielen fällen aussichtslos und unsinnig ist.
abgesehen davon gibt es in deutschland kein „copyright“ das abgeschafft werden könnte. hier gilt das sogenannte „urheberrecht“.
#2 „Würde Lessig, einmal anders gefragt, auch von Immobilienmaklern, Steuerberatern und Rechtsprofessoren verlangen, dass sie auf ihren Besitzstand und die Bezahlung ihrer Leistungen verzichten?“ hat lessig gesagt, irgendwer solle auf die bezahlung seiner leistungen verzichten? ich kann mich da nicht dran erinnern. er wies jedoch darauf hin, dass sich geschäftsmodelle stets wandeln und dass es durchaus vorkommen kann, dass ein geschäftsmodell dass unter bestimmten umständen funktioniert, unter anderen nicht funktioniert. saublödes beispiel (von mir): am polarkreis kann man eis auf dem wochenmarkt, offen ausliegend, verkaufen. soll der eisverkäufer vom polarkreis die sonne verklagen, weil er in italien sein eis nicht offen ausliegend verkaufen kann udn sein vom polarkreis erprobtes geschäftsmodell in italien nicht funktioniert?
was hielte herr stahnke davon, wenn imobilienmakler und architekten ihm und seinem stand verbieten würden, ihre gebäude zu fotografieren, wegen ihrer urheberrechte und weil sie die zu geld machen wollen? er würde einen ganzseitigen artkel verfassen, in dem er den niedergang der pressefreiheit beklagen würde. (ach das urheberrecht wird schon benutztumfotoszu verbieten?)
was hielte herr stahnke davon, dass steuerberater und rechtsprofessoren journalisten verbieten aus ihren arbeiten oder gutachten zu zitieren? wegen ihrer urheberrechte und weil sie die glauben zitate müssten ab einer länge von 20 buchstaben bezahlt werden? naja. wenn man für die faz arbeitet, hält man es wahrscheinlich mit dem herausgeber, der ja den eindruck erweckt, dass ausschliesslich die faz selbst zitieren darf, aber sonst niemand.
#3 „Dass die Urheber von Gedanken, die nicht bezahlt und geschützt werden, bald keine Zeit und kein Geld mehr haben, diese zu denken, […] an diesen Widerspruch mochte Lessig aus Angst vor Veränderung keinen Gedanken verschwenden.“ es geht eben nicht darum jemanden um seinen besitzstand, seine rechte oder seine bezahlung zu bringen, sondern vor allem darum, die bezahlung und den schutz der rechte an die gegebenheiten anzupassen und fair zu gestalten. auch die rechte die mit einer CC-lizenz lizensiert sind, sind durchsetzbar und zu schützen. das beste beispiel wie soetwas funktionieren kann, sind cory doctorows bücher, die er alle unter einer CC-lizenz veröffentlicht und zum download anbietet. trotzdem, oder gerade deshalb, erfreuen sich seine bücher allerbester verkaufszahlen. muss mario sixtus hunger leiden, weil „der elektrische reporter“ und „sixtus vs. lobo“ und „lost in deutschland“ unter CC lizensiert sind? im gegenteil. diese beispielen möchte jochen stahnke nicht mal ansatzweise nachgehen, weil er dann gedanken verschwenden müsste.
ich würde herrn stahnke empfehlen, die vorträg von lessig und doctorow einfach nochmal anzuschauen und zur abwechslung mal zuzuhören. kann natürlich sein, dass er kein englisch versteht.
[thomas knüwer meint auch, dass stahnke was falsch verstanden hat.]
nicht dass ich da was gegen hätte, von mir aus kann beckmann seinen gästen alle meine videos zeigen, was mich aber wunderte war, dass beckmann das video in etwa folgendermassen ankündigte:
es gibts schon im internet eine wirkliche parodie dieses fotos, da hat sich jemand die mühe gemacht, alle kennen den autor nicht, aber das ganze etwas künstlerisch aufzuladen.
wenn beckmann betont den autor oder urheber von etwas nicht zu kennen, vor allem wenn er stets darum bemüht ist, wie ein journalist zu wirken, kann man ja davon ausgehen, dass er oder seine redaktion zumindest ein bisschen rumgefragt haben um diese wissenlücke zu stopfen. auch wenn manche journalisten-darsteller sich mittlerweile sogar mit ihrer unfähigkeit zu recherchieren öffentlich brüsten („Nachprüfen lässt sich für uns weder die eine, noch die andere Version.“) — beckmann hat mich nicht gefragt. weder per telefon, mail oder kommentar unter dem video.
kurz: beckman nimmt ein video aus meinem youtube-account, fragt weder woher es kommt noch obs OK ist es zu benutzen und behauptet im fernsehen, er wisse nicht wer das video gemacht hat.
am montag früh habe ich eine mail an die beckmann-redaktion geschrieben um nachzufragen ob man mit einem solchen vorgehen neue journalistische standards setzen möchte. aber ehrlichgesagt glaube ich es gibt gar keine redaktion für die sendung. der beckmann macht das alles selber, wie früher der sixtus. der arme mann ist schlicht überfordert. oder?
Er sieht aus wie Käse, schmeckt wie Käse, ist aber kein Käse. Denn beim so genannten „Analog-Käse“, einem Käse-Imitat, wurde das teure Milchfett gegen billiges Pflanzenfett ausgetauscht. Das ist zwar erlaubt - nur darf man das Produkt nicht mehr als „Käse“ bezeichnen. […] Schätzungsweise an die 100.000 Tonnen Analog-Käse werden jährlich in Deutschland produziert. […] [Analog-Käse] verträgt bis zu 400 Grad Hitze. Selbst das robuste Teflon schmilzt bei 327 Grad. So können Fließband-Pizzas doppelt so schnell gebacken werden wie mit echtem Käse, der schon bei 200 Grad anbrennt.
was während der republica durchgehend nervte, war die immer wieder durchscheinende haltung, dass die organisatoren der republica dieses oder jenes nicht richtig gemacht hätten, diese oder jene gruppe benachteiligt hätten, diese oder jenes zu viel oder zu wenig betont hätten. ich hab ja nix gegen kritik, auch gegen kritik unter der gürtellinie, aber dieses diffuse, pauschale rumnörgeln nervt.
natürlich hätte man vieles auf der republica besser, anders, eleganter, pointierter, pünktlicher machen können, vor allem aber hätte man selbst etwas machen können. die aufrufe mitzumachen, hallen mir seit monaten in den ohren.
die republica war zu oberflächlich, zu belanglos, zu labertaschig? schlagt bessere themen und referenten vor, setzt euch selbst auf die podien. schreibt überzeugende blogs mit guten argumenten, ruft zu kampagnen auf, redet mit den politikern, geht in den bundestag oder auf ausschusssitzungen — und berichtet drüber. immer nur zu sagen „macht doch mal was“, „macht das mal besser“, nervt auf dauer.
das problem sind nicht nur „die da oben“, sondern dass von unten, von rechts, von links nix kommt, dass kaum einer bereit ist selbst was zu machen, selbst zu reden, selbst zu schreiben, sich hinzustellen und stellung oder prügel zu beziehen. ein klassiker unter bloggern ist ja, den journalisten (zu recht) mangelnde recherche, oberflächlichkeit oder die falschen themen vorzuwerfen. selbst zu telefonieren, selbst nachzufragen oder selbst recherchieren, dazu hat aber auch keiner bock. blogger weisen dann gerne darauf hin, dass man ohne presseausweis ja eh nix machen könne als von anderen seiten zu zitieren. was natürlich quark ist wer o-töne haben, mit politikern reden, auf einen parteitag oder in den bundestag will, bekommt das auch so hin — wenn er will.
politikern ahnungslosigkeit vom internet vorzuwerfen ist einfach, mach ich auch gerne, aber mit ihnen reden, dazu reichts dann meistens nicht. bei mir spielt oft die angst mit, dass es auffallen könnte, dass ich in bezug auf politik völlig ahnungslos bin. nur: ist das nicht auch genau der grund (neben zeitknappheit) mit dem sich die politiker vor dem internet drücken?
ich merke schon, das entwickelt sich hier zu einem rant gegen mich selbst, gegen meine eigene lahmarschigkeit. und tatsächlich bin ich frustriert, dass ich selbst ständig in dem chor derjenigen mitsinge, der das lied singt, wie scheisse alles ist, wie ahnungslos alle sind, wie dumm und verbohrt politiker sind. noch frustierter bin ich aber, wenn ich mit politikern rede, über politik nachdenke oder diskutiere und sehe, dass es keine einfache lösungen gibt, dass politik irre komplex ist und wohl auch sein muss und eben nicht vom „gesunden menschenverstand“ bestimmt wird. sondern von mehrheiten, stimmungen, polemik, strategie, kompromissen und menschen. und noch frustrierender: der einzige weg etwas zu verbessern ist es selbst zu versuchen, selbst etwas zu machen.
Es wird verflucht noch mal Zeit, dass die Akteure des Web 2.0, die Social Networker, Twitterer und vor allem die Blogger, von sich ablassen, die selbstbeschworene Macht ausüben und ihren Fokus auf die Probleme unserer Zeit richten! Vom Pathos hingerissen, möchte ich sagen: Nehmt die Zügel in die Hand, macht Stimmung im Land, reißt die Grenzen ein und zeigt der Politik wo der Hase läuft. Die Lippenbekenntnisse der großen Politik in Richtung Einigkeit im internationalen Handeln, und sei es nur auf europäischer Ebene, reichen erfahrungsgemäß bis zu dem Moment, wo es ernst wird. Jetzt ist die Lage ernst! Es ist genau der richtige Moment, in dem die Blogosphäre beweisen könnte, dass sie sich nicht dem politischen Verhalten anpasst. Welcher Rahmen böte sich hier besser an, als eine re:publica in diesen Tagen? Das Programm lässt leider anderes vermuten. Hübsch verklausuliertes Stochern um den heißen Brei herum. Nicht mehr tun das! Shift happens? Veränderung passiert nicht von alleine! What are you doing? At the moment I do democracy. Cause it’s my fucking job!
in der aktuellen brandeins (04/2009) witzigerweise auch:
Barbara Kellermann: Wir sehen Proteste in Island und Russland, aber die Leute hier wissen nicht einmal mehr, wie man Widerstand organisiert. Es herrscht unglaublich viel Wut und Zorn in der Blogosphäre — aber sich im Internet zu beklagen ist kein wirklicher Protest. Es kann gut sein, dass der Ärger einer handfesten Protestbewegung die Kraft entzieht. Es kann auch gut sein, dass die Menschen ihre Energien in die Fantasievorstellung kanalisiert haben, dass Obama sie auf wundersame Weise retten wird.
Damit sind wir wieder bei der Frage nach der Leadership-Industrie: Wir starren wie gebannt auf den Ritter in der strahlenden Rüstung.
manchmal quält mich das schreiben. besonders quälend ist es, wenn man mal was geschrieben hat, was einem ganz gut gefällt und man merkt, das das niveau am nächsten tag nicht mal ansatzweise zu halten ist. dann schreibt man sich nen wolf und heraus kommt nur langatmiger quark, den andere schon längst besser aufgeschrieben haben oder von anderen komplett dokumentiert wurde. früher half es mir beim verstehen von vorträgen oder diskussionen unentwegt notizen zu machen, danach alles runterzuschreiben und dabei über das gesagte nachzudenken und zu reflektieren. mittlerweile reflektiere ich lieber ohne mich mit dem schreiben zu quälen.
aber ich wollte was ganz anderes sagen. ich habe gemerkt, dass ich die kurzen zusammenfassungen vom dritten tag der republica, die ich gestern im zug von berlin nach hamburg zusammengeschrieben habe, auch kürzer (≤140 zeichen) fassen kann, beinahe ohne erkenntnisverlust:
lang: „jimbo“ wales auf eines war auf der republica verlass: auf den terminkalender konnte man sich nicht verlassen. das passte heute früh ganz gut, statt zum vortrag von jimmy wales zu spät zu kommen („jimbo wales“ stand im programm — ich finde den spitznamen ja ein bisschen obzön), war ich dann viel zu früh, obwohl ich eigentlich zu spät war. nachdem ich einmal vor ein paar wochen gehört hatte was herr wales als honorar fü einen vortrag nimmt, waren meine erwartungen an den vortrag jedoch einen tick zu hoch. für einen saal voller email-ausdrucker wäre der vortrag sicher eine sensation gewesen, so war er nur so, naja mittelmässig. immerhin kenne ich jetzt alle möglichen statistischen eckdaten der wikipedia und von wikia, habe einiges über das wesen von enzyklopädien gelernt (sie sind nicht alles andere) und erfahren, dass es sich lohnen könnte mal nach muppets und matrix zu googlen und dass es mindestens einen besucher auf der republica gab, der nicht wusste das „wiki“ auf hawaianisch „schnell“ heisst. kurz: jimmy wales, egal wieviel honorar er bekommen hat, war sein geld nicht wert. immerhin kenn ich jetzt die kennzahlen der wikipedia.
lang: rechte kann man nicht essen danach sprach cory doctorow, ohne rechner und ohne powerpoint, nur mit ein paar zerknüllten papierfetzen vor sich. cory doctorow kann ich stundenlang zuhören und all seine argumente gegen DRM, „takedown notices“ udn diesen ganzen copyright-wahnsinn, die geltenmachung von urheberrechten für willkürliche zensurzwecke (gerade auch wieder aktuell von stefan niggemeier beleuchtet und in einem etwas anderem zusammenhang von der FAZ) sind so einleuchtend, so kristallklar, dass ich mich wundere, dass die verantwortlichen der medienndustrie nicht reihenweise mitglieder in der piratenpartei werden. ernsthaft. [sind cory doctorows romane eigentlich lesenswert? hat die schonmal jemand gelesen?] kurz: ich bin davon überzeugt, dass musikmanager oder filmbosse nach einem vortrag von cory doctorow sofort mitglied in der piratenpartei würden.
lang: dada-falafel der falafel-mann am oranienburger tor war auch am zweiten tag grossartig. das haar im schawarma war glücklicherweise lang, dünn und blond — und nicht kurz, dick, gekräuselt und schwarz. kurz: im dada-falafel am oranienburger tor ein haar und ein schawarma gegessen. http://is.gd/qHVc
lang: „katholische femministInnen — äh fundamentalistInnen“ die diskussion um die frage „Warum Babykotze genauso relevant ist wie das iPhone“ ist leider recht schnell in die 80er jahre abgeglitten. immerhin entstand eine lebhafte diskussion, wobei ich nicht genau verstand um was es eigentlich ging und warum der tonfall teilweise so irre aggressiv war. was ich verstanden habe: es ging nicht um babykotze und nicht ums ipohne, frauen stellen ihr licht gerne unter den scheffel und kraulen sich nicht gegenseitig die eier. kurz: manchmal habe ich den eindruck, dass der grösste feind von frauen die frauen sind.
lang: politische blogs diese diskussion war eine der interessanteren, auch wenn sie von einem als cherno jobatey verkleidetem und werner höfer imitierenden falk lueke moderiert wurde. kai biermann schreibt überzeugender als er spricht, julia seliger ist irre hibbelig und kommt auf dem podium exakt so rüber wie auf twitter und ihrem blog (humorlos, angriffslustig), markus beckedahl hat zwar kein charisma, kann mich aber immer wieder überzeugen und jens matheuszik war witziger als man denken sollte. inhaltlich ging es in etwa um folgendes: „mensch leute! macht doch selbst mal was!“ kurz: falk lueke hat sich als cherno jobatey verkleidet. #rp09
von der republica gabs gestern eigentlich nichts zu berichten. es ist nichts bemerkenswertes passiert, ausser dass den ganzen tag lang geredet wurde. vielleicht kann man die republica tatsächlich genau so zusammenfassen:
vom 1. bis zum 3 april redeten in berlin sehr viele leute miteinander.
ich bin übrigens zur republica gegangen ohne vorher einen blick ins programm zu werfen und ohne irgendetwas zu erwarten. ausser natürlich, ein paar leute zu treffen die reden und denen man zuhören kann und selbst ein bisschen zu reden, zu essen und zu trinken. insofern sind meine erwartungen nicht enttäuscht worden.
ein paar dinge haben mich gestern (und vorgestern) dann aber doch überrascht. zum beispiel das wetter. oder die erfahrung, dass radeberger um 15 uhr besser schmeckt, als um 23 uhr. ich überlege ob ich meinen lebensrhytmus künftig umstellen sollte, denn ich habe in den letzten wochen auch bemerkt, dass das mittagessen um 10:30 besser schmeckt als um 13 uhr. insofern sind meine erwartungen gestern sogar übertroffen worden.
gestern habe ich bemerkt, dass man auch mal gut einen tag ganz ohne internet verbringen kann. naja fast. der vortrag von peter glaser war so inspirierend, dass ich mich danach fast eine stunde lang in den hof gesetzt habe und per umts meinen rss-reader leerzulesen. dabei habe ich mich wohl recht oft geräuspert. naja, ein paar emails hab ich auch gelesen und geschrieben, dann hab ich noch die fritzbox meiner eltern über einen ssl-tunnel ein bisschen umkonfiguriert, 1und1 verflucht und versucht den support von 1und1 zu kontaktieren. aber ins internet hab ich nix geschrieben, weder auf twitter noch hier. gab ja auch kaum internet gestern. geht ja auch ohne internet. nicht.
es wurde sehr viel geredet gestern. eigentlich besteht diese republica fast nur aus reden. peter schaar, manche nennen ihn auch „den schah“, fing morgens an zu reden, was hübsch anzusehen war was ganz interessant war, aber doch die entscheidende frage offen liess: wie können wir eigentlich unsere daten schützen? wenn ich peter schaar richtig verstanden habe, geht das (noch) nicht. ganz schrecklich wurde es nach peter schaar, beim zweiten vortrag des tages. da quälten drei deutsche sich und ihr publikum, weil sie den eindruck erwecken wollten, dass sie ihre vorträge auf englisch vortrugen. es gibt fast nichts peinlicheres, als wenn ein deutscher „ztudiwiehzieh“ oder „ztudiwiehzett“ sagt, wenn er über studiVZ redet. ach doch. wenn man das publikum auf englisch fragt ob „native speakers“ anwesend seien und man dann, wenn sich niemand meldet, unverdrossen weiter englisch stammelt (trotzdem war die twitterlesung toll!).
irgendwann redete markus hündgens. sein vortrag hinterliess mich ebenso ratlos wie herrn klein. was genau wollte er uns mitteilen? ich filme, also filme ich? hündgens wies zwar ziemlich stolz darauf hin, dass er mit twittpic bilder „bis zu einer stunde schneller als die agenturen“ veröffentlichen kann, aber die antwort auf die frage, worin genau der vorteil dieser geschwindigkeit liegt, liess er offen. was ist gut an diesem schnell? nur so nebenbei, ich fand das bild des abgestürzten flugzeugs im hudson river nicht gut weil es schnell war, sondern weil es gut war.
ich habe dann auch irgendwann, so gegen die mittagszeit angefangen zu reden. auf der treppe, an der theke, im hof, beim falaffelmann. meistens versucht man in den gesprächen abgebrochene email-konversationen weiterzuführen („tut mir leid, dass das mit den tickets nicht geklappt hat“), aufgeschnappten tratsch zu verifizieren („bist du jetzt echt wieder single?“) oder mit in blogs angelesenem wissen zu glänzen („ist das dein hochzeitsanzug?“). auch wenn ix gestern ein paar neue gesichter kennenlernen durfte („ich bin der den du vor nem jahr mal gedisst hast“, „ich les dich“), sind die gespräche und gesprächspartner zum grossen teil exakt die gleichen wie vor einem jahr. hört sich doof an, ist aber ziemlich angenehm. weniger angenehm dürften die interviews sein, zu denen die veranstalter von diesen berichterstattern gezwungen werden. irgendwann gestern platzte es aus aus markus beckedahl raus. in einer interview-pause, meinte er, dass er ein bisschen müde sei, immer wieder blogs für über 60jährige zu erklären.
am besten von allen reden konnte übrigens lawrence lessig. teilweise fühlte ich mich an einer der besseren folgen von „boston legal“ erinnert. spätestens als eines meiner boston-legal-lieblingswörter auf die leinwand fiel: „OUTRAGEOUS“. gegen lessig ist alan shore ne null. natürlich auch, weil shore ohne apples „keynote“ arbeitet.
was ix mich auch fragte:
wer hat nochmal gesagt, dass wir uns vom qualitätsjournalismus hin zum quantitätsjournalismus bewegen?
wo war frank westphal?
ist jens schröder gewachsen?
färbt sich don dahlmann die haare grau?
bekommt mario sixtus den lawrence lessig-award (in messing), weil er dem 2DF und 3SAT CC-lizenzen aufgeschwatzt hat?
wer hört eigentlich noch radio?
warum behauptet thomas knüwer, heiko hebig habe getwittert „Wenn ich groß bin, möchte ich so vortragen können wie Lessig.“ obwohl er nur twitterte „lessig. rocks.“?
das ist keine kunst, sondern eine warnung in einer dönerthek, dass der käse den man auf wunsch ins döner bekommen kann, kein echter käse ist:
KÄSE ART LEBENSMITTELZUBEREITUNG AUS MAGERMILCH UND PFLANZLICHEM ÖL IN SALZLAKE 45% FETT .I. TR
8:15 aufgewacht. wollte eigentlich um 7:30 aufstehen, aber der wecker sah das anders. ix war dem wecker dann aber doch dankbar, weil ich eh vergessen hatte, warum ich so früh aufstehen wollte.
kollegin angerufen, um zu fragen ob sie schon auf der republica ist. kollegin ist nicht rangegangen.
09:41 kollegin ruft zurück, bin nicht rangegangen, weil ich mich gerade über typo3 ärgerte. noch nen kaffee getrunken.
09:50 kollegin angerufen, um zu fragen ob sie schon auf der republica ist. kollegin ist nicht rangegangen.
10:30 zum friedrichstadtpalast gegangen und im friedrichstadtpalast rumgelaufen. viele bekannte gesichter gesehen und viele unbekante gesichter gesehen, die mich ansahen, als ob ich ein bekanntes gesicht hätte.
11:00 vortrag mit vielen bunten visualisierungen der vernetzung der internationalen und amerikanischen blogosphäre gesehen. war fasziniert, wie genaue aussagen man über die deutsche blogoshäre treffen kann, ohne auch nur die leisteste ahnung von deutschen blogs zu haben. ahnung von statistik kann also durchaus zu was nütze sein.
11:30 die kollegin setzte sich neben mich.
11:32 im publikum läuft ein fonsi look-alike herum: cordaustattung, schirmmütze, n bisschen pummelig.
11:50 die diskussion zum status quo des blogdings in deutschland („blogs in deutschand“) angeguckt. das war eine ganz okaye nabelschau, auch wenn robert basic, glaube ich, die ganze zeit kroatisch sprach. ich habe zumindest kein wort von dem verstanden was er sagte. ausser einmal, da hat er einen wutanfall bekommen. er meinte sinngemäss, dass ihn „das negative“ in deutschland total ankotzen würde, diese scheiss negative haltung deutscher blogger, da würde er zuviel kriegen, er fände das total scheisse, dass die leute alles so scheisse fänden. man merkte, diese verdammte negative aggro-haltung in der deutschen blogosphäre kotzt robert basic total an, es schüttelte ihn und er wurde laut. kurz hatte ich das gefühl, dass er kurz davor war auszurasten und selbst was negatives zu sagen. er fing sich dann aber wieder und sprach dann irgendwann wieder im gewohnt ruhigen kroatisch — oder so — weiter.
13:00 döner gegessen, dritten kaffee gekauft, zurück in die firma gegangen um den launch der neuen site zu betrinken. hatte als erster von neun leuten mein sektglas leer. das buffet wurde auch von mir eröffnet.
14:00 in die sonne gesetzt und aufgeschrieben wie ich bisher den tag verbracht habe. gedanken ob das jemanden interessieren würde beiseite gewischt, wie ich das bereits seit 10 jahren tue.
14:30 im friedrichsstadtpalast fiel mir auf, dass ich lieber im dunkeln sitze als in der sonne. trotzdem: es ist sehr, sehr dunkel im friedrichstadtpalast. das publikum ist hier und da durch ein paar spots schummrig beleuchtet, die gesichter der anderen hälfte sind durch die displays ihrer laptops oder netbooks oder ihre mobiltelefone beleuchtet. schön. aber dunkel.
16:20 wieder aufgewacht.
16:30 habe erfahren was rickroling ist und das das 4chan-board postings nach wenigen minuten wieder vergisst. fühle mich in meiner alten these bestätigt, dass einschränkungen und technische beschränkungen der beste dünger für kreativität sind. irgendwann guck ich mir dieses 4chan auch mal an.
18:00 auf der bühne unterhalten sich drei techniker über technik und twitter und twitter-technik. hinter mir unterhalten sich zwei pappnasen darüber, dass sie es scheisse finden wenn die da unten über technik reden. auf der twitterwall wird moniert, dass die techniker sich über technik unterhalten und dass das ja eh schon alles bekannt sei, über was die da reden. ich entscheide mich das gespräch gut zu finden, schweife aber immer wieder in meinen gedanken ab, wenn der twhirl-programmierer monologe hält. max winde versteh ich kaum. cem basmann kann eh sagen was er will, auch langweiliges zeug, ich fände es nicht langweilig.
18:30 johnny haeusler, tanja kreitschmann, nilz bockelberg und eine frau mit CB-funk zeug am kopf laufen 10 minuten auf der bühne auf und ab und stellen sachen auf, verschieben die sachen, spielen an einem laptop rum und gegen 18:40 fangen johnny und nilz an zu schreien. danach gibts technische probleme (kein internet, keine sms-wall, keine twitterwall) die deshalb doof sind, weil das publikum im saal quiz-fragen auf der sms- oder twitter-wall beantworten soll. um die technischen probleme zu überbrücken versucht nilz bockelberg lustig zu sein. johnny ist lustig. ix bin trotzdem gelangweilt und gehe raus.
18:50 holm friebe grüsst mich nachdem ich aus dem klo komme. robert basic grüsst mich und fängt an mit mir zu reden. ich verstehe jedes wort. er ist wirklich nett. allerdings finde ich heraus, dass er gar keine getönte brille trägt, sondern seine dunklen augenringe schatten aufs brillenglas werfen. kosmars neue brille ist dagegegen getönt.
19:30 ich leihe mir in der DVDhek „der mann, der niemals lebte“ aus. mal sehen ob ich der mann werde der niemals den mann der niemals lebte sah, weil er zu müde war.