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Der Unterschied zwischen Schwulen-Gegnern und Schwulen-Gegner-Gegnern

Stefan Niggemeier

dieser beitrag von stefan niggemeier hat hier asyl bekommen, weil der server von stefan niggemeier gerade offline ist.


nachtrag 13.02.2014: der artikel ist jetzt auch wieder bei stefan niggemeier online.


Gegen Ende ihrer Talkshow wollte Sandra Maischberger demonstrieren, wie hoch die Emotionen auf beiden Seiten der Debatte gehen.

Sie zitierte aus Kritik, die das Publikum gegenüber dem Deutschlandfunk einerseits und ihrer Redaktion andererseits äußerte. »Dem Deutschlandfunk wurde im Prinzip vorgeworfen, zu schwulenfreundlich zu sein«, sagte sie. »Uns wurde im Vorfeld der Sendung vorgeworfen, zu schwulenfeindlich zu sein. Und das Interessante ist dabei« — sie zögerte und schaute betroffen in die Kamera — »die Wahl der Worte.«

Dann zeigte sie Beispiele. Einerseits:

»Homosexualität ist und bleibt pervers. In vielen Ländern ist sie bei Strafe verboten. Sie war es bei uns auch, als es noch keine falsch verstandene Liberalität gab.«
»Homosex ist nicht die Norm der Schöpfung.«
»Mich würde interessieren, wie eine Gesellschaft, die einheitlich auf die gleichgeschlechtliche Ehe setzt, die späteren Renten finanzieren will.«

Andererseits:

»Keine Plattform für Homo– und Transhasser.«
»Von Lesben und Schwulen geht keine Gefahr aus! Hier wird keiner umerzogen! Es droht auch nicht der Niedergang des Abendlandes, nur weil man über sexuelle Vielfalt informiert.«
»Beim Thema Homosexualität darf jeder zu Wort kommen, egal welchen Hass er predigt.«

Sie las hinterher noch weitere Beispiele vor, von der »einen Seite« und von der »anderen Seite«, und suggerierte, dass die Extreme auf beiden Seiten natürlich gleichermaßen zu verurteilen seien.

Und löschte damit die Resthoffnung aus, dass sie wenigstens im Ansatz verstanden haben könnte, was so kritikwürdig an der Konstellation der Sendung und ihrer Ankündigung war.

Die Deutschlandfunk-Kritiker verurteilen Menschen für das, was sie sind: homosexuell.

Die »Maischberger«-Kritiker verurteilen Menschen für das, was sie tun: Homosexuelle diskriminieren.

Das ist nicht dasselbe. Das hat nicht dieselbe Qualität. Objektiv nicht.

Wir können darüber streiten, was der richtige Umgang mit Menschen wie Birgit Kelle und Hartmut Steeb ist. Ob ihre Positionen richtig sind oder wenigstens satisfaktionsfähig oder nicht. Wir können darüber streiten, ob die Schmähungen, denen sie ausgesetzt waren, angemessen oder übertrieben waren. Aber Gegenstand der Diskussion ist, welche Positionen sie vertreten.

Wir können auch über darüber streiten, ob die Kritik an Maischberger berechtigt war. Sie entzündete sich vor allem an der Art, wie sich ihre Redaktion im Vorfeld die Thesen der Verfechter einer vermeintlich traditionellen Moral zu eigen machte.

Es sind Angriffe darauf, wie Menschen handeln und welche Positionen sie vertreten. Das ist die eine Seite.

Und die andere Seite sagt: Ihr seid weniger wert, weil ihr lesbisch oder schwul seid. Ihr seid krank. Eure Liebe müsste man verbieten (wie es in vielen Ländern geschieht). Es sind Angriffe auf die Identität von Menschen.

Das ist nicht dasselbe. Das sind nicht zwei gleichartige Extreme, hier die übertriebenen Schwulenhasser, da die übertriebenen Schwulenfreunde. Es sind zwei völlig unterschiedliche Arten von Angriffen.

Nicht für Sandra Maischberger. Sie präsentierte vermeintlich schlimme Zitate von beiden Seiten und war schockiert über die Wahl der Worte, auf beiden Seiten.

(Ich wüsste gern, was an dem zweiten Zitat der Maischberger-Kritiker überhaupt problematisch ist, aber um das zu verstehen, muss man vielleicht in einer Redaktion arbeiten, die es tatsächlich zunächst unproblematisch fand, der Sendung den Titel zu geben: »Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische Umerziehung?« Es gab da in der Sendung selbst nicht den Hauch einer Andeutung von Einsicht, warum das heikel sein könnte, oder gar Selbstkritik.)

Ich halte den »Waldschlösschen-Appell gegen die Verharmlosung homosexualitätsfeindlicher Diffamierungen«, wie gesagt, für problematisch. Weil man ihn so verstehen kann, als sollten bestimmte, missliebige Positionen aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen werden. Aber er hat das Ziel, genau das zu verhindern, was bei Maischberger nicht nur passierte, sondern von der Moderatorin auch noch aktiv gefördert wurde: Dass der Eindruck entsteht, Diskriminierung von Minderheiten und Nicht-Diskriminierung von Minderheiten seien zwei gleichwertige Positionen oder »Meinungen«, die man in einem Duell gegeneinander antreten lassen kann. Als sei »zu schwulenfreundlich« ein natürlicher und sinnvoller Gegensatz zu »zu schwulenfeindlich« und das gesunde Maß irgendwas in der Mitte. Und als sei nicht »schwulenfeindlich« an sich schon eine Haltung, die im öffentlichen Diskurs so inakzeptabel sein sollte wie »ausländerfeindlich«, »frauenfeindlich« oder »schwarzenfeindlich«, ohne dass man sie überhaupt steigern müsste.

Und so bleibt von dieser ARD-Talkshow dank Sandra Maischberger die Botschaft, dass wir es nicht übertreiben sollten: Nicht mit der Akzeptanz von Schwulen und Lesben und nicht mit ihrer Ablehnung.

Und wenn Sie diesen letzten Satz für sinnlos halten, dann haben Sie es schwer in der Redaktion von Sandra Maischberger, die jeden Dienstag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland eine Talkshow moderiert.


Politisch korrekter Schwanzvergleich auf myblog.de

Stefan Niggemeier

Gestern schrieb mir Nico Wilfer, der myblog.de-Verantwortliche, er werde im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen „Politically Incorrect“ noch die Generierung der Liste der „meistgelesenen Weblogs gestern“ auf myblog.de überarbeiten lassen. Erst heute weiß ich, was er damit meinte: „Politically Incorrect“ ist nicht mehr in dieser Liste vertreten. Gestern war das Blog noch auf Platz 1, heute ist es nicht mal mehr unter den Top 100.

Ich gehe davon aus, dass das nicht den Tatsachen entspricht. Dass „PI“ nicht plötzlich all seine Leser verloren hat, im Gegenteil. Nun ist es natürlich ein Effekt solcher Charts, diejenigen, die ganz oben stehen, noch weiter zu pushen – und insofern könnte man sagen, ist es ein guter Effekt, dass „PI“ auf diese Weise keinen weiteren Zulauf bekommt.

Trotzdem finde ich das heuchlerisch, falsch und undemokratisch: Entweder „PI“ hält sich an die AGBs von myblog.de (und das Gesetz), dann hat „PI“ jedes Recht, in der Liste der meistbesuchten Blogs an genau der Stelle aufzutauchen, die seinen Besucherzahlen entspricht. Oder „PI“ hält sich nicht an die AGBs von myblog.de (und das Gesetz), dann hat es nicht nur in der Liste nichts zu suchen, sondern überhaupt bei myblog.de nicht.

myblog.de verheimlicht die Tatsache, welches Blog ihm den meisten Traffic verschafft, um nicht als Blog-Netzwerk der Rechtsextremen, Idioten und Undemokraten darzustehen, aber weiter von den Rechtsextremen, Idioten und Undemokraten profitieren zu können. Verlogener geht’s nicht mehr.


Mitbringsel

Stefan Niggemeier

quasi als verspätetes Gastgeschenk fürs Hierbloggenlassen

(Meersburg am Bodensee)

Hass (update)

Stefan Niggemeier

Das Foto, das ein gewisser Paule von einem bärtigen Familienvater und seiner verschleierten Frau in der Schwebebahn gemacht hat, ist nicht mehr online. myblog.de hat dieses Bild und alle anderen aus dem konkreten Eintrag bei „Politically Incorrect“ entfernt, weil es zweifelsfrei einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild darstelle (§ 22 KunstUrhG). Das ergibt sich schon aus der Beschreibung des Fotografen selbst: „Das obere Bild habe ich beim Aussteigen gemacht, so dass die nicht erwartet haben, daß man sie fotografiert.“

Ich hatte beim myblog.de-Verantwortlichen Nico Wilfer nachgefragt, was sich ein bei ihm gehostetes Blog denn noch zu Schulden kommen lassen muss, um die Kündigung zu bekommen. In den Allgemeinen Geschäftsbedindungen heißt es ja immerhin, dass keine „diffamierenden, verleumderischen, beleidigenden, bedrohenden, volksverhetzenden oder rassistischen Inhalte“ zulässig seien – das beschreibt eigentlich genau das, woraus „Politically Incorrect“ besteht. Nico Wilfert antwortete mir, es gebe folgende interne Richtlinien bei myblog.de:

„1. Wird uns ein offensichtlicher Rechtsverstoß bekannt, deaktivieren wir den betreffenden Beitrag/Kommentar/Gästebucheintrag direkt und informieren den Autor darüber -- oder, bei ‚weniger schlimmen’ Verstößen -- wir machen den Autor darauf aufmerksam, mit der Auflage, die Rechtsverstöße innerhalb von 24 oder 48 Stunden zu beseitigen
2. Kommt es sehr häufig zu offensichtlichen Rechtsverstößen, sperren wir das Blog, nach einer Vorwarnung, die 48 Stunden vorher erfolgt, bzw. bitten den Autor, sich eine andere Plattform zu suchen.
3. Bei einer ganzen Liste von Verstößen legen wir die Liste dem Autor vor mit der Bitte, sämtliche Verstöße innerhalb von 48 Stunden zu entfernen. Tut er das nicht, deaktivieren wir das Blog.
4. Dient ein Blog lediglich illegalen Zwecken (möglich: Porno-Blogs, Blogs ausschließlich zur Beleidigung von Klassenkameraden), wird es umgehend deaktiviert und der Autor benachrichtigt.“

Vorwürfe (zum Beispiel von Dr. Dean, bluejax, Daniel, Don Alphonso und vielen anderen), wonach myblog.de Beschwerden über „Politically Incorrect“ bislang immer ignoriert habe, seien falsch, sagt Nico:

„Es gab im konkreten Fall 1. äußerst selten Hinweise auf mögliche Rechtsverstöße, von denen 2. die meisten nicht als klare Rechtsverstöße erkenntlich waren. Waren sie doch berechtigt, haben wir umgehend reagiert und die Texte oder wie in diesem Fall Fotos entfernt. Es waren nicht so viele Rechtsverstöße, dass wir bislang eine Schließung des gesamten Blogs für gerechtfertigt halten. (...)

Wir fordern übrigens auch in unserem Impressum explizit dazu auf, Rechtsverstöße an support@myblog.de zu melden. Das betreffende Weblog werden wir nun weitergehend prüfen.“

Nico schreibt, ich solle ihm Zitate aus „Politically Incorrect“ zuschicken, die die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten und rechtswidrig sein könnten, dann werde er der Sache nachgehen. Deshalb meine Bitte an alle, die sich schon länger und gründlicher mit der Sache beschäftigen als ich: Schickt mir solche Zitate mit Quellenangabe. Ich werde sie an Nico weiterleiten. Und dann schauen wir, ob etwas passiert.


Hass

Stefan Niggemeier

Der Paule aus Wuppertal hat jetzt mal ein Foto gemacht von dem Feind. In der Wuppertaler Schwebebahn haben sie gesessen, Vater mit Vollbart, Mutter und drei Kinder verschleiert, klar: Islamisten. Die wollten das nicht, klar, und einige Fotos, die er gemacht hat, konnte der Paule praktisch wegwerfen hinterher, weil die Frau ihre Augen mit ihren Händen verdeckt hat. Aber der Paule ist nicht blöd, und so hat er beim Aussteigen noch mal die Kamera auf die Eltern gerichtet, „so dass die nicht erwartet haben, daß man sie fotografiert“. Das Foto hat er dann an den Stefan Herre geschickt, der betreibt „das politisch inkorrekte Weblog in Deutschland“, das wird sogar von bekannten Vertretern des politischen Inkorrektismus wie Henryk M. Broder empfohlen. Und dieser Stefan Herre also hat das Foto von den beiden Menschen, die nicht fotografiert werden wollten, auf seine Seite gestellt und aus der E-Mail von Paul zitiert. Er hat „Mehr Burkas und Bärte in Wuppertal“ darübergeschrieben und seine Leser aufgefordert, ihm ähnliche „aussagekräftige Zusendungen“ zukommen zu lassen.

Es gab dann in den Kommentaren ein paar vereinzelte kritische Stimmen, ob das nicht undfreundlich oder gar verboten sei, Leute gegen ihren Willen zu fotografieren und das dann zu veröffentlichen. Aber erstens sind die ja selbst schuld, wenn sie sich verschleiern und nicht rasieren und so. Und zweitens kann man diese Islamisten doch eh nicht auseinanderhalten, deshalb haben sie auch kein Recht am eigenen Bild: „zumindest verschleierte frauen darf man aufnehmen wo und wann man will, da sie nicht als individuen erkennbar sind.“

Die Diskussion danach ist eindrucksvoll. Das Synonym für Deutsche lautet „‚normale’ Einwohner“, Ausländer sind Kriminelle und Schläger. Über das Foto, das – wie gesagt – nichts weiter zeigt als einen bärtigen Mann und eine verschleierte Frau, die in der Schwebebahn sitzen, schreibt jemand: „Eine Gesellschaft, die sich das bieten lässt, ist selbst schuld, wenn sie untergeht.“ Und ein anderer: „Alleine wenn ich mir diesen Typen auf dem Bild ansehe,kann es ja wohl nicht verkehrt sein, wenn sein Bild irgendwo gespeichert bleibt. Denn sowas, wie der, passt zumindest von der Optik genau in das Raster derer, die Flugzeuge klauen U-Bahnen ind die Luft jagen usw. (...)“ Und ein dritter: „(...) werde ich weiterhin versuchen unseren Moslemischen ‚Freunden’ [Feuer] unterm Hi[n]tern zu machen (...)“ Einer schreibt von den „Säcken“ und tut es so, dass nicht ganz klar ist, ob er damit die Burkas meint oder die Moslems.

Noch beeindruckender als den Fremdenhass an sich fand ich zunächst den Stolz, mit dem er hier zur Schau gestellt wird, gelegentlich noch als Verteidigung der Demokratie verbrämt. Aber das liegt sicher nur an meiner Naivität, denn bestimmt kommt der Fremdenhass schon längst bevorzugt in dieser Form daher: nicht verdruckst, latent, unterschwellig, sondern mit der Fanfare: Wir retten das Land, das Volk, die Demokratie! Das kokette modische Label „politisch unkorrekt“ ist ein Markenzeichen dafür: Man hält sich natürlich für politisch korrekt und gibt sich als unterdrückte Minderheit - so als hätte man nicht zum Beispiel die mit Abstand größte deutsche Tageszeitung auf seiner Seite. Und womöglich den Volkszorn einer schweigenden Mehrheit.

Viele Kommentare sind von himmelschreiender Ahnungslosigkeit. Als einer meint, dass der Abdruck von Fotos, die ohne Einwilligung entstanden sind, doch verboten sei, antwortet ein anderer: „Nein - nur die kommerzielle Nutzung wäre verboten.“ Hey, das stimmt zwar nicht, klingt aber super souverän. Woher der Hass kommt, das kann ich theoretisch noch nachvollziehen. Aber woher nehmen diese Leute das Selbstbewusstsein, neben ihrer Menschenverachtung auch ihre Dummheit so demonstrativ zur Schau zu stellen?

Der Paule ist unterdessen bestimmt schon wieder mit seiner Kamera unterwegs und kämpft für eine bartlose Gesellschaft. Vielleicht hat er die Kamera auch weggelegt und macht den Moslems schon Feuer unterm Hintern. Einer muss es ja tun.

[Update hier]


rausgegoogelt?

Stefan Niggemeier

Vielleicht kann ich den Luxus, vertretungsweise über ein Blog mit Kommentarfunktion (!) zu verfügen, mal nutzen, um auf die Kompetenz der wirres-Leserschaft zurückzugreifen:

Seit ganz kurzem taucht BILDblog nicht mehr unter den ersten Treffern auf, wenn man nach „Bild“ googelt. Vorgestern noch waren wir der zweite Treffer (gleich nach „Bild“ selbst), im Moment tauchen wir nicht mal unter den ersten 100 Treffern auf (weiter habe ich nicht gesucht). Unser Pagerank ist, soweit ich das erkennen kann, unverändert. Was ist da passiert?


In memoriam

Stefan Niggemeier

Elisabeth Volkmann

Turi & Fonsi

Stefan Niggemeier

Von Paul Watzlawik stammt der bekannte Satz: „Man kann in einer sozialen Situation nicht nicht-kommunizieren.“

In Blogs verschärft sich die Lage dramatisch. Hier gilt der nicht so bekannte Satz: „Man kann in Blogs nicht nicht-kommentieren.“

Die Möglichkeit, jemanden, den man für dringend ignorierenswert hält, einfach zu ignorieren, existiert hier nicht. Stattdessen schreibt man in sein Blog, warum jemand dringend ignoriert werden sollte, und ignoriert ihn also nicht. Es folgt eine längere Kommentarschlacht, in der es wiederum unmöglich ist, vernachlässigenswerte Bemerkungen einfach zu vernachlässigen. Bestenfalls werden aus besonders abwegigen Diskussionen Metadiskussionen über ihre Abwegigkeit.

Es scheint keine [ignore]-Funktion im Netz zu geben.

Bei der „Tier-Nanny“ im Fernsehen sieht man fast jede Woche, dass es nicht hilft, das Verhalten einer kläffende Töle zu ändern, in dem man sie am Halsband zieht, anbrüllt, schlägt, tritt, einsperrt, mit ihr schimpft, ihr das Spielzeug oder das Fressen wegnimmt. Das einzige, was komischerweise fast immer hilft, jedenfalls bei der „Tier-Nanny“ im Fernsehen: sie nicht beachten. (Die Töle, nicht die „Tier-Nanny“.)

Menschen sind nicht gut darin, und Blogger können es gar nicht. Ich auch nicht. Deshalb ist auch dies einer dieser Millionen Einträge, die eigentlich nicht geschrieben werden sollten, weil sie nur Aufforderung zum Ignorieren sind und das Gegenteil tun und erreichen. Aber ich tröste mich damit, dass ix auch nie seine Klappe halten kann, wenn es besser wäre zu schweigen, und auch etwas dazu gebloggt hätte, nur wahrscheinlich kürzer und witziger.

Und jetzt kommt, was ich immer schon mal schreiben wollte: ein Disclaimer. Nein, gleich zwei.

1.) Ich habe Ende der 90er Jahre als freier Mitarbeiter für den „Kress Report“ gearbeitet, als Peter Turi dort Chef war. 1999 habe ich gekündigt und war nicht unglücklich, in der Zeit danach ungefähr nichts mit Peter Turi zu tun gehabt zu haben.
2.) Ich habe im Sommer 2004 im Zusammenhang mit einem Artikel, den ich über die „Netzeitung“ geschrieben habe, und der nachfolgenden, langen und heftigen juristischen Auseinandersetzung sehr unangenehme Erfahrungen mit Rainer Meyer Don Alphonso gemacht, der sich einen Körper mit Don Alphonso Rainer Meyer teilt.

Turi und Fonsi mögen sich nicht. Wenn die beiden öffentlich mit Förmchen aufeinander werfen oder sich an den Haaren ziehen, weiß ich nicht, wen ich gewinnen sehen möchte. Eigentlich wäre dann die normale Reaktion, wegzugucken – die Freude und Spannung beim Verfolgen eines Wettkampfes entsteht doch auch vor allem dadurch, dass man einer Seite die Daumen drückt. Oder natürlich dadurch, sich ganz allgemein an der Technik, dem Talent, der Kunst der Wettkämpfenden zu erfreuen – aber davon kann hier wirklich keine Rede sein.

Nein, ich weiß nicht, warum ich mir das immer wieder angucke und durchlese, wenn die sich miteinander kabbeln. Das ist ein genetischer Defekt von mir: Ich kann auch nicht umschalten, wenn mich auf Neun Live zugekokste Moderatoren anbrüllen, dass der Hot Button jeden Augenblick zuschlagen kann und die Uhr nicht auf Null läuft. Das ist dieser bekannte Effekt, den Blick nicht von überfahrenen Tieren am Straßenrand abwenden zu können. Jedenfalls: Ich les mir das alles durch, und das ist natürlich meine eigene Schuld und die von niemandem sonst.

Und, ja, ich kann es verstehen, dass man irgendwann denkt, man müsse das endgültig vernichtende Fonsi-Stück aufschreiben, dem Terror, der aus jeder Diskussion einen Brüllwettbewerb macht, endlich ein Ende setzen, dieses aufgeblasene, wichtigtuerische, selbstgefällige… oh, ich verzettel’ mich. Ich kann den Gedanken gut nachvollziehen. Einmal, ein einziges Mal, habe ich es geschafft, Fonsi auf eine längere Mail nur zu antworten: „Nein, diskutieren wollte ich mit Ihnen nicht.“ Da war ich ziemlich stolz auf mich. Naja, ein einziges Mal. Und nun kriegt er hier schon wieder x Zeilen.

Aber wenn ich es dann schriebe, das große Fonsi-Abrechnungsstück, dann hätte ich mir im Gegensatz zu Peter Turi bessere Beschimpfungen überlegt als die, die ich vom Schulhof kenne: „er ist nur Rainer Meyer: großes M* * * und kleine E* * *“. Oder den längst totzitierten und dadurch pointen- und geistfreien Satz: „Keiner ist unnütz auf Gottes schöner Erde - er kann immer noch als abschreckendes Beispiel dienen.“ Ich hätte mir bessere Argumente gesucht, als das, dass Fonsis Buch inzwischen auch gebraucht verkauft wird und sich andere Bücher besser verkauft haben. Und vor allem hätte ich vorher recherchiert, was Rainer Meyer nun tatsächlich gemacht hat bei und mit dem „Aufbau“ und was nicht. Ich hätte, kurz gesagt: noch einmal drüber geschlafen, bevor ich die reine geronnene Wut in all ihrer Dummheit, die Wut so an sich hat, in mein Blog gekippt hätte. Und wenn ich schlau gewesen wäre, hätte ich am nächsten Tag gar nichts über Rainer Meyer geschrieben. Und wenn ich weniger schlau gewesen wäre, hätte ich meinen Text noch einmal kritisch durchgelesen und dann erst gebloggt.

Aber, ja: Das wäre nicht Bloggen. Bloggen ist Schreiben ohne nochmal drüber schlafen. Oder, im Fall von Turi und Fonsi: Schreiben ohne nachdenken.

Fonsi hätte tatsächlich ein paar Punkte bei mir gutmachen können (nicht dass ihn das interessiert, bei mir Punkte gutzumachen), wenn er aus diesem Blogeintrag bei Turi den vermutlich einzigen Blogeintrag überhaupt gemacht hätte, in dem er vorkommt, aber sich nicht zu Wort meldet. Aber das kann er nicht. Wenn man ihn einen allgegenwärtigen Rumkrakeeler nennt, kommt er sofort und krakeelt rum. Turi nennt ihn einen Prozesshansel, und Fonsi droht mit Anwälten! Glaubt, dass man Strafe zahlen muss, wenn man aus seinem 416-Seiten-Werk zwei kleine Absätze zitiert! Beschimpft Turi als „Pleitier“, was er schon so oft gemacht hat, dass es ihn selbst schon langweilen müsste. Aber das ist ein Hasstextbaustein, der muss dann raus, so wie „Web2.0“ oder „ProBlogger“ oder „New Economy“. Und auch das ist noch nicht genug, Fonsi muss auch noch in seinem eigenen Blog eine Szene erfinden, die mit all ihrer wichtigtuerischen Verschwurbeltheit noch jeden Vorwurf von Turi bestätigt.

Und das Schlimmste: Aktuell stehen unter den beiden Einträgen zusammen 46 Kommentare von Leuten, die nicht es nicht schafften, das Elend nicht zu kommentieren. Man müsste kleine Blogschutzpolizisten an diesen Einträgen aufstellen, die die Schaulustigen verscheuchen: „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!“ Aber nein, man steht da, starrt auf das überfahrene Tier am Straßenrand und darauf, wie sich zwei Menschen voller Stolz in aller Öffentlichkeit zu Komplettdeppen machen, und schreibt auch noch ganze Blogeinträge darüber.


„und“

Stefan Niggemeier

Am Eingang einer Buchhandlung in Oberstorf. Foto: Arne S.

Ich mal das hier mal grün

Stefan Niggemeier

Ich hätte dann noch ein Wörtchen zu reden mit dem Menschen, der für die „ADAC LänderKarte Berlin und Brandenburg“ die Entscheidungen verantwortete, an welche Straßen die grünen Striche kommen, die sie zur „landschaftlich schönen Strecke“ aufwerten. Das ist, wenn man so einen Wochenendausflug macht, ja keine ganz unwichtige Information: Man guckt sich in einem Reiseführer zwei, drei schöne Ziele aus und versucht sie so miteinander zu verbinden, dass man möglichst viele grün markierte Straßen benutzt. So mache ich das jedenfalls.

Und ich habe mich immer schon dafür interessiert, wer das eigentlich entscheidet, ob eine Strecke „landschaftlich schön“ ist oder nicht. Gibt es da Straßentester, die kritisch die Strecken abfahren und sich Notizen machen? Gibt es strenge Kriterien: keine grüne Markierung bei mehr als drei Windrädern in Sichtweite? Gibt es regionale Unterschiede: Ist es im unaufregenden flachen Hamburger Umland leichter für eine Straße, grün markiert zu werden, als in der ohnehin sagenhaften Sächsischen Schweiz, in der eigentlich jede Straße grün markiert werden müsste, wenn man die Maßstäbe des Hamburger Umlandes anlegt? Und darf jeder Kartenverlag selbst entscheiden, welche Strecken er „landschaftlich schön“ nennt und welche nicht, oder gibt es eine staatliche Strecken-Markierungs-Kommission, die in einem langen bürokratischen Prozess über Grün oder Nicht-Grün entscheidet?

Jedenfalls haben wir am letzten Wochenende südöstlich von Berlin eine Weile gebraucht, bis wir gemerkt haben, dass der Mensch, der für die grünen Markierungen in unserer Karte verantwortlich war, offenbar wenig mit den schönen, hügeligen, abwechslungsreichen Landstraßen im Landkreis Oder-Spree anfangen konnte, aber jeden eintönigen Nadelbaumwald rechts und links der Straße Grund genug fand, sie grün zu markieren. Und seitdem frage ich mich, ob der Mann wirklich nichts geiler findet, als kilometerlang schnurgerade an Baum-Monokulturen vorbeizufahren. Oder ob sich da ein Abgrund an Korruption auftut und ein paar clevere Bürgermeister und Gastronomen in der Gegend einfach wissen, wie hilfreich es für das Geschäft (und den touristischen Durchgangsverkehr) sein kann, wenn man so einem Streckentester und Grünmarkierer einfach ein paar Jungfrauen aus dem Dorf opfert zur Verfügung stellt.

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Symbolfoto

Stefan Niggemeier

Frage: Welches Thema haben die Leute von sueddeutsche.de mit diesem Foto bebildert?

a) Ärzte raten Menschen mit Wurstfingern von Laptops ab.
b) Blinde DJs.
c) Froschmenschen erobern das Internet.
d) Stiftung Warentest warnt vor billigen Fotolaboren.
e) Schleichwerbung bedroht die Glaubwürdigkeit von Blogs.

Na?

Klare Sache: e). Und unter das Foto, das fast so viel Platz einnimmt wie der ganze Artikel, haben die Profis von der Süddeutschen als Bildtext zur Erklärung geschrieben:

Meinung - zum Greifen nah.

Und irgendwann, wenn alle „Freizeitschreiber“ ihre Glaubwürdigkeit lange an die „Marketing-Fuzzis“ verkauft haben, wird man auch bei der Süddeutschen eine typographische Möglichkeit entdecken, Anführungszeichen unten zu setzen, ohne mühsam kleine Fruchtfliegen dafür abrichten zu müssen, sich schräg nebeneinander vor die Buchstaben zu legen.


Oben ohne

Stefan Niggemeier

Vergangenes Wochenende hatte ich ein Cabrio gemietet. Seitdem weiß ich, dass es ein Irrglaube ist, sich beim Cabriofahren zwischen Verdeck-Auf und Klimaanlage-An entscheiden zu müssen. Geht beides. Die Klimaanlage pustet die Füße eisig, der Fahrtwind den Kopf, und man schwitzt dann nur noch ein bisschen in der Mitte.

Wirklich nervig am Cabriofahren sind nur die Leute, die einem beim messerscharfen Vorbeischrammen am vorderen Auto aus den Straßencafés Dinge zurufen wie: „Hinten wären locker noch drei Meter gewesen.“ (Ich frage mich, ob mir die Menschen sowas immer zurufen, wenn ich einparke, und ich das nur sonst nur nicht höre.)


Doppelgänger

Stefan Niggemeier

Gerade Jesus getroffen. Sagt, er wäre schon wieder auf der Straße mit Sascha Lobo verwechselt worden!


Fnoptsch!

Stefan Niggemeier

Ich hab sogar nach Befindlichkeit gegoogelt. Half alles nichts. Ich glaube, die erste Regel beim Befindlichkeitsbloggen ist, die innere Stimme auszustellen, die fragt: Und wen soll das interessieren? Haben das nicht alle anderen schon aufgeschrieben, und besser? (Oder lautet die erste Regel beim Befindlichkeitbloggen, alles, was die innere Stimme sagt, aufzuschreiben? Schwierig.)

Aber da der Urlaubsvertretungspraktikantenkollege genau den Begriff in seinem ersten Beitrag erwähnt hat, über den ich auch geschrieben hätte, wenn ich mich nicht gefragt hätte: Wen soll das interessieren? Haben das nicht alle ... Also, jedenfalls: Flipflops.

Ich finde ja, dass schon das Tragen von Sandalen eine bewusste Verweigerung gegenüber dem zivilisatorischen Fortschritt darstellt, etwa als würde man der Evolution den Stinkefinger zeigen. Ich bin mir (nach mehreren Diskussionen mit Sandalenträgern) schmerzhaft bewusst, dass mir in dieser Sache sachliche Argumente fehlen, aber das ist mir alles egal: Sandalen sind eklig. Ja, auch in der von weiten Teilen der Gesellschaft akzeptierten Variante ohne Socken. Riemen um nackte Füße: Buäh.

Und dann Flipflops. Es ist nicht nur, dass ich Flipflops hasse wie alle anderen Sandalen. Ich verstehe sie auch nicht. Ich habe das vage Gefühl, dass Flipflops sowas sind wie Sandalen mit Absicht. Also: nicht nur aus Notwehr gegen die Hitze getragen, sondern extra.

Ist das so?

Ich wüßte es gerne. Ich wüßte vor allem gerne, ob die Leute, die Flipflops tragen, das Geräusch, das sie machen (und das gar nicht so niedlich klingt, wie ihr Name suggeriert, sondern -- jedenfalls bei Schweißfüßen -- eher ein fieses Fnoptsch! ist), ob sie also dieses ewige Fnoptsch! Fnoptsch! Fnoptsch! einigermaßen beschämt als Preis für Freie Füße ertragen. Oder ob auch das Teil des Flipflop-Stolzes ist, so etwa: „Jawohl, meine Füße machen beim Gehen laute schmatzende Geräusche, weil sie in Flipflops stecken, und das ist auch gut so“?

Schön übrigens, dass die Wikipedia beim Thema Flipflops von ihrem Neutralitäts-Grundsatz abweicht und das Elend dieses Sommers und der daraus resultierenden Schuhmode sehr treffend zusammenfasst:

Seit dieser Sandalentyp in Massen produziert wird, sieht man Flip-Flops vermehrt auch an den Füßen sehr armer Menschen in vielen klimatisch warmen Teilen der Welt.
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„Teletext“ aus der F.A.S. vom 23.10.2005

Stefan Niggemeier

[nicht nur die f.a.s. bedient sich mit kleinen zitaten aus blogs, nicht nur die welt klaut druckt blogtexte, auch blogs bedienen sich in zeitungen, in diesem fall allerdings mit freundlicher genehmigung des autors stefan niggemeier.]

Was ist das: Steht vor der Kamera und lacht immer als erster? Ein Fernsehkomiker.

Gerade hatten wir in Deutschland gelernt, lustige Stellen in Serien zu erkennen, auch wenn sie nicht durch Gelächter vom Band markiert werden, da fangen die Witzeerzähler damit an! Der große Humorhandwerker Rudi Carrell hat nach einer Pointe mit unbewegtem Knautschgesicht in eine andere Richtung geguckt, geschwiegen und gewartet. Seine jungen Nachfolger zerreißt es vor Begeisterung über die eigene Witzigkeit.

Schuld muß Stefan Raab sein, der immer schon seine eigenen Auftritte ausdauernd bekichert hat, so wie Fozzi Bär in der „Muppet Show“ mit offenem Maul immer beifallheischend ins Publikum nickte. Raabs Epigonen, die ganzen Eltons und Ingo Appelts und Ingo Oschmanns und Oliver Pochers, haben das offenbar von ihm abgeguckt. Das feixende Gesicht, der stotternde Ö-ö-ö-Lachmotor, und der Zuschauer weiß: Das war gerade lustig. Also, jedenfalls der Herr Pocher fand das lustig. Selbst. Ja.

„Anklatscher“ nennt man beim Fernsehen Leute, die dafür bezahlt werden, an den richtigen Stellen als erste Beifall zu spenden, damit das Publikum dann reflexartig einstimmt. Die Fernsehkomiker von heute sind ihre eigenen Anlacher. Nur Harald Schmidt hat dafür jemand anderes: Manuel Andrak, dessen wichtigste Aufgabe es ist, noch bevor sein Meister einen Satz ausgesprochen hat, aus dem Off ein prustendes „Tsmpfchr-mpfchr!“ erklingen zu lassen, oder, wenn es ganz besonders lustig ist, ein wieherndes „Hjahaja“.

Sehr unlustig ist das. Und, nein, dieser Text hat keine Pointe. Höhö. Extra nicht.