bei der geburt getrennt …

bonus: helmut kohl und tracy morgan.

bonus: helmut kohl und tracy morgan.

die beifahrerin bringt immer wieder dokumentarfilme für das kind aus der stadtbibliothek mit nachhause, um das bildungsniveau des kindes zu heben. kürzlich brachte sie einen haufen DVDs mit harald leschs „alpha centauri“ mit. als wir die erste folge der ersten DVD gemeinsam ansahen (insgesamt gibts glaub ich acht oder neun DVDs in der serie), wurde das kind immer unruhiger, die beifahrerin immer stiller, bis das kind nach ca. 5 minuten aufstand und — leicht frustriert — ausrief „langweilig, ich versteh kein wort!“. die erste folge war wirklich kompliziert („Wie viele Dimensionen hat das Universum?“). ich finde den lesch ja ziemlich klasse und kann mir das zeug ohne ende ansehen, aber für das kind, ist es wohl doch noch ein bisschen harter tobak. aber lesch soll hier gar nicht das thema sein.
denn: ausserdem hatte die beifahrerin eine nicht mehr ganz frische DVD (immerhin von 1991) ausgeliehen, „a short history of time“, eine stark biographisierende version von stephen hawkings bestseller. ich habe den film gestern und heute gesehen und fand ihn ziemlich beeindruckend. aus mehreren gründen.
erstens nervt philip glass’ musik überraschender weise kein bisschen, zweitens ist der film für 1991 mit ganz ansehnlichen special effects (alle analog produziert, wie man im making-of gut erkennen kann) versehen und drittens sind stephen hawking und sein forschung in der tat ziemlich spannend.
im making-of plaudert der regisseur von „a brief history of time“, errol morris, ein wenig über hawking und trifft damit einen ganz entscheidenden nagel auf den kopf:
stephen hawking, his frailty, his mortality, in a way has become a symbol for, i think, everybody.
grosse geister, hochintelligente menschen, die in und mit ihrem kopf sachen machen, die für uns normalsterbiche unvorstellbar sind, haben wir schon immer gerne vergöttert „genies“ genannt und zu einer art pop kopp-stars gemacht. hawking umschreibt das so:
But I think another reason is, that the public wants heroes. They made Einstein a hero, and now they are making me a hero, though with much less justification. But I fit the part of a disabled genius. At least I am clearly disabled.
wobei es dass natürlich nicht ganz trifft. so wie hawking ursprünglich inspiriert von roger penrose’s theorien über schwarze löcher, auf eine theorie der zeit und des urknalls (und der strahlung von schwarzen löchern) kam, werden wir beim betrachten von hawkings zerbrechlichkeit und fragilität auch an unsere eigene sterblichkeit erinnert und identifizieren uns mit ihm.
dass das sich bewusst-machen de eigenen sterblichkeit ungeheure (kreative, philosophische, wissenschaftliche) energien wachrufen kann, eben dafür scheint hawking ein bestens geeignetes symbol zu sein, im doppelten sinne. so hat hawking erst nachdem seine krankheit diagnostiziert wurde angefangen ernsthaft zu arbeiten und bahnbrechende werke zu veröffentlichen. er sagt von sich selbst, dass er vorher eigentlich nur blödsinn im kopf hatte und erst die krankheit ihn zu dem wissenschaftler gemacht habe, der er jetzt sei. ich musste beim sehen des filmes unweigerlich wieder an wolfgang herrndorf denken, welche energien seine krebsdiagnose in ihm freisetzte und dass auch hawking vor knapp dreissig jahren von den ärzten nur eine lebenserwartung von zwei bis drei jahren prognostiziert bekam.
errol morris nennt seinen film „a movie about hope“, einen film über die hoffnung und damit hat er recht.
den film kann man hier in kompletter länge online ansehen. fragt mich nicht warum.
→ weiterlesenwirres.net kann man folgen
mir kann man folgen
flattern kann man mich nicht nur unter jedem artikel, sondern auch
beim zurückfolgen bin ich extrem willkürlich. auf twitter folge ich fast nie leuten zurück die englisch twittern oder das wort „social media“ auf einen blick öfter als zwei-, dreimal benutzen (meine derzeitige schmerzgrenze). bei google-buzz (oder im google-reader) folge ich fast allen leuten die mir keine fefe-links in den reader sharen (zwei machen das schon. mehr fefe halte ich nicht aus) und ein oder zwei interessante links in den letzten tagen geshared haben. auf facebook, xing und linkedin bin ich am willkürlichsten. manchmal bestätige ich anfragen von leute die ich nicht kenne, wenn sie irgendwie interessant scheinen, was aber nur geht, wenn sie das eine oder andere von sich preisgeben oder mir sagen, warum ich ihre anfrage bestätigen soll. bei linkedin und facebook achte ich beim bestätigen von anfragen auch auf das benutzer-foto, schliesslich tauchen bestätige kontakte im adressbuch meines handys auf.
das sind natürlich nur meine eigenen regel, die sich ständig ändern. vielleicht sind meine regeln auch gar nicht so willkürlich, sondern eher — äh — intuitiv. weil nachgedacht hab ich darüber noch nicht besonders viel. sollte man aber mal machen. irgendwann.
die flattr-zahlen vom oktober sind da. meine flattr einnahmen im oktober betragen 84,75€.
mein artikel „Sofort-Kultur!“ hat im oktober noch 32 flattrs erhalten, die 23,04€ wert waren (15 flattrs und 3,47€ waren es bereits im september). sascha lobos „antwortantwortantwort auf meine buchfrage“ hat 47 flattrs erhalten, was 22,47€ macht, die — selbstverständlich — sascha lobo zustehen.
erstaunlich: ein flattr (unter „sonnenuntergang“) gab vier euro fünfzig. auch erstaunlich: 4 flattrs und 1,62€ für ein automatisch am 10.10.2010 um 10:10 uhr veröffentlichtes zahlenmystik-dings, ohne inhalt.
über die monate lässt sich beim besten willen kein muster bei der anzahl der flattrs und der einnahmen feststellen. seit april habe ich jeden monat gleichbleibend ungefähr 20 artikel veröffentlicht (ein konstanz, die mich selbst erstaunt). im juni gabs 247 flattrs und 77€ einnahmen, im juli nur 57 flattrs, aber 85€ einnahmen.
anbei ein nichtssagendes diagramm.
irgendwann mal habe ich gesagt, dass die „blogosphäre“ eine der wenigen gruppen ist, zu der ich mich jemals zughörig erklären würde, weil sie so unfassbar heterogen ist:
„die blogger“ sind die erste gruppe der ich mich freiwillig als mitglied zuordnen lasse, auch weil sie so wunderbar heterogen sind. […] ähnliche grupppen, äusserst heterogen und unfassbar, sind zum beispiel „autoren“, „wichser“, „männer“, „arbeitende“, „denkende“ oder „fernsehgucker“. (fast allen) diesen grupppen schliesse ich mich ähnlich unbekümmert an wie der der „blogger“.
die heterogenität einer gruppe schliesst selbstverständlich mit ein, dass sie auch arschlöcher beinhaltet. das haben gruppen so an sich. schwierig wirds für mich immer genau dann, wenn die arschlöcher anfangen zu schreien und regeln für alle anderen in der gruppe aufstellen wollen. anständige deutsche machen dies und das nicht. echte männer kritisieren sich nicht öffentlich, sondern trinken miteinander bier. anständige SPDler nehmen keine beraterjobs in der wirtschaft an. anständige blogger machen keine werbung, journalisten können nicht bloggen.
alle paar jahre kommen sie aus ihren löchern gekrochen, die regelaufsteller-arschlöcher, faseln von leitkulturen, datenschutzrichtlinien oder unabdingbaren rechten die blogkommentatoren angeblich zu gewähren seien. die rechte von blogkommentatoren die aufgeregt eingefordert werden, variieren zwischen: alle kommentare sind freizuschalten (sonst sei das zensur!), kommentarfunktionen sind grundsätzlich anzubieten (sonst sei das ding kein blog!) hin zu einem ganz neuen dogma, dass die anonymität eines jeden blogkommentators zu wahren sei (sonst sei das bild-zeitungs-niveau!) oder alternativ, dass störende kommentare einfach stillschweigend zu löschen seien (weil alles andere nur provoziere oder der profilierung des blogbetreibers diene).
das ärgerliche an den regelaufsteller-arschlöchern ist, dass sie meist nicht argumentieren oder vom einzelfall ausgehen, sondern dogmen aufstellen. wo ist der unterschied, zwischen einem politker der von „leitkultur“ oder „überfremdung“ faselt und bloggern die behaupten, journalisten könnten keine echten blogger sein? die argumentationsmuster zumindest sind die gleichen: ideologisch, misanthrop, populistisch und meist arschlochig. arschlochig vor allem auch deshalb, weil dogmen keine argumente sind (über die man diskutieren könnte), sondern eben lehrsätze.
das besonders unangenehme an den dogmatikern ist, dass sie für ihre kurzfristigen ziele hysterie provozieren und von den eigentlichen problemen und missständen ablenken. oft geschieht das sogar ohne absicht, aber mit derselben abstumpfenden wirkung. nichts gegen den schockwellenreiter, er ist nur eines von vielen beispielen die ich wählen könnte, aber ich nehme ihn mal wegen des geringen schwierigkeitsgrades als beispiel: ist mal jemandem aufgefallen wie oft der schockwellenreiter „zensur!“ schreit? gefühlt 300 mal pro jahr und tatsächlich ziemlich oft. jeden kleinschiss, bei jeder privatfehde oder editwar oder im müll gelandetem leserbrief (oder kommentar) „zensur“ zu schreien vernebelt die wahrnehmung und trivialisiert das eigentliche problem. oder anders gesagt: wenn man bei über jedem scheiss „zensur“ schreit, fällts schwer sich über echte zensur zu empören — oder sie überhaupt noch als solche zu erkennen.
das gleiche prinzip wenden politiker gerne an — auch wenn da oft eine prise mehr berechnung hintersteckt. wenn sie beispielsweise von einem verfassungsmässigen grundrecht der bürger auf freiheit und sicherheit reden, gefährdungen hochhysterisieren, seien es gesundheitsgefahren oder terroristen, vernebeln sie ebenso wie aufgeregtes zensurgeschrei die wahrnehmung und trivialisieren das eigentliche thema. schlimmer noch, die ursprüngliche streitfrage wird aus dem wahrnehmungsfeld geschoben. denn das fundamentale problem — und das zeigt nicht nur die geschichte — ist ein staat der seinen bürgern keine sicherheit und freiheit vor dem staat garantiert (mehr dazu hab ich mal hier vor zwei jahren geschrieben).
ebenso trivialisiert man die gefahren denen die wahrung der persönlichkeitsrechte oder der privatssphäre in unserer gesellschaft ausgesetzt sind, wenn man stefan niggemeier in der diskussion um das sogenannte „konstantingate“ vorwirft mit bild-methoden vorzugehen oder ein ominöses recht auf anonymität verletzt zu haben oder verbrechen gegen den datenschutz begangen zu haben. ich finde durchaus, dass stefan niggemeiers vorgehen zu kritisieren ist, aber einfach mit der grossen prinzipienkeule draufzuhauen, sich ein paar lehrsätze aus der nase zu ziehen, einen verstoss gegen diese dogmen zusammenreimen und dann die verlorene ehre des stefan niggemeiers zu proklamieren ist voll aigner.
die macht das nach dem gleichen muster. ängste oder unsicherheiten aufspüren, diese ängste aufblasen, ohne interesse an details diese unsicherheiten aufputschen und mit der prinzipienkeule einfach überall draufhauen. so hat das wunderbar bei der google street-view- oder facebook-diskussion funktioniert. am ende standen auf allen seiten hysterische diskutanten, die der gegenseite entweder verantwortungslosigkeit, unkenntnis, dummheit — oder hysterie vorwarfen. inmitten dieses nebelkerzen-meeres, lassen sich jetzt prima schaufenster-gesetze verabschieden, die — wie die diskussion — niemandem helfen und kein einziges problem lösen — ausser das problem von aigners vorheriger profillosigkeit.
und das ist das eigentlich widerliche an der diskussion um „konstantingate“, aber auch an vielen aspekten der politik (oder in teilen, natürlich nur exemplarisch, an nico lumma): kein interesse an details, hintergründen oder den dingen hinter dem augenschein aufbringen, dogmatisch und laut schreiend mit der prinzipienkeule draufhauen und dann scheinheilig allgemeingültige regeln oder gesetze fordern.
da könnte man echt internet-, politik und weltverdrossen zugleich werden.
abgesehen davon, eine abschliessende meinung habe ich dazu auch nicht. eigentlich zu gar nix.
ich bin ja ausgebildeter architekt und auch wenn ich keine ahnung von architektur habe (eine weitverbreitete unsitte unter architekten), habe ich das studium zuende gebracht. dass ich das studium zuende gebracht habe habe ich (unter anderem) zwei inspirationsquellen zu verdanken: einmal otl aicher und seinem buch „die welt als entwurf“ und telepolis, die damals, vor 12, 15 jahren nicht nur schon online war, sondern auch tolle architektur-theoretische texte online hatten (beispiel).
an diese zeit musste ich heute zurückdenken, als ich diesen text von robert kaltenbrunner über adolf loos las. sehr lesenswert. wie auch otl aicher.
[wirres.net, bzw. einer seiner vorläufer, war in den frühen anfangstagen übrigens mal in rotis gesetzt. das hat nur kaum einer gemerkt, weil es 1995 noch keine webfonts gab. das mit der kleinschreibung hat aber auch was mit meiner bnegeisterung über aicher zu tun.]
[nachtrag]
ich muss das buch wirklich nochmal raussuchen. ich glaube neulesen könnte sich lohnen:
ix hab mich vor fünf jahren schonmal etwas ungelenk über bob geldof und seinen gewissen-beruhigungs-scheiss den er mit hilfe von schwerreichen musikanten veranstaltet aufgeregt. ähnlich ungelenk wie geldof, der sich damals über kritik an seinem vorgehen echauffierte. die kritik an geldof kasperletheater ist nicht neu, im gegenteil, aber dieser artikel über ein buch des journalisten peter gill, scheint ein paar schwerwiegende argumente dafür zusammengetragen zu haben, dass bob geldof ein quaksalber ist.
Das Bittere an dieser zweiten Hilfsaktion aber war, dass der äthiopische Präsident Meles Zenawi von Geldof, Bono und Tony Blair auf dem Edinburgher Gipfel hofiert wurde. Gill kann sich nur wundern, wie der Mann, der kurz zuvor die Wahlen in Äthiopien in einem Blutbad hatte enden lassen, als neues Role Model des afrikanischen Staatsführers auratisiert wurde. Bono schwärmte von seinen ökonomischen Kenntnissen, Blair feierte ihn als Vorzeigepolitiker. Seither durfte Meles, wie David Rieff in einer exzellenten Besprechung des Buches von Gill anmerkt, "Afrika auf einem nach dem anderen Panel vertreten, von G8 über G 20 bis Kopenhagen 2009." Was bedeutet, das Live8 vor allem einem geholfen hat: Dem Despoten Meles Zenawi. (quelle)
bei musikanten (und schauspielern) die sich politisch betätigen sollte man sehr, sehr vorsichtig sein.
mario sixtus blinkenlichten produktionen haut einen sendungs-dummy nach dem anderen raus. mit dem anschauen komme ich noch nach, mit dem kritisieren kaum noch. so gefiel mir der dummy für „web-wissen kompakt“ vor ein paar wochen ganz gut, zumindest ungefähr zweihundert mal besser als der unsäglich doofe „hyperland“-dummy. damals klagte ich vor allem über den ganzen tand, mit dem der „hyperland“-dummy (und andere blinkenlichen-sendunegn) aufgepimpt wurde (unötige animationen, moderation, sinnfreie symbolbilder, der „barocke überfluss an bildern, schnitten, splitscreens, transformationseffekten und allem was das schnittprogramm“ hergibt), steht seit gestern ein sendungs-dummy online, der ganz nach meinem geschmack ist.
ein bisschen elektrischer reporter 1.0, schöne artdirektion und grafik, kein tand, viele interviews und — ganz neu und mal was neues — nicht immer die gleichen papnasen die sich zu den immerselben themen zum hunderttausendsten male äussern. sehr schön, sehr informativ, gute themenwahl und — endlich — eine sendung ohne hektisches, elektrisches hyperventilieren: der „epolitik“-dummy.
am wochenende war ich bei meinen eltern zu besuch, weil die unter anderem hilfe brauchten eine erbschaft unterzubringen und an die wände zu nageln. unter anderem wollten sie diverse „regulatoren“ im haus unterbringen. meine eltern wollten einen bisher leerstehenden raum mit den erbstücken, aber auch den resten der studentenbude meiner schweseter einrichten. ich entschied mich zwei der regulatoren aus der erbmasse an eine wand zu hängen und wieder gangbar zu machen.
mein vater war etwas entsetzt über meine art der hängung, er meinte sowas habe er ja, ausser in einem uhrenladen, noch nie gesehen, zwei regulatoren nebeneinander. das entscheidende detail war jedoch das studentenbudenbett meiner schwester neben den uhren. ich habe lange nicht mehr so etwas meditatives erlebt, wie den beiden tickendenden regulatoren auf dem alten bett meiner schwesetr liegend zu lauschen.
das ticken der beiden uhren war um einige hundertstel sekunden verschoben, was man beim lauschen des tick-tick-tack-tack, tick-tack-tack-tick, tack- tick-tack-tick und tack-tack-tick-tick-geräuschs leicht erkennen konnte, wenn man sich auf das ticken konzentrierte. lange habe ich das vergehen der zeit nicht mehr so sinnlich erlebt, wie an diesem wochenende, wo ich im bett liegend dem ticken der beiden uhren lauschte und die beiden pendel beim ausschlagen beobachtete. auch wenn ich dieses ganze digital-gedöns liebe und schätze, diese beiden uhren sind für mich das sinnbild all dessen, was uns durch die digitalisierung an sinnlichen erfahrungen verloren geht. wer in der letzten zeit einer pendeluhr gelauscht hat, wird verstehen was ich meine. alle anderen nicht.
der tod von loki schmidt macht mich traurig, geht mir emotional aber nicht wirklich nahe, auch wenn ich sie und ihre unprätentiöse art unheimlich mochte.
wenn ich aber gemeinsame interviews mit helmut und loki schmidt sehe, erschütterts mich, wie helmut schmidt, der olle eisklotz, sie hin und wieder ansieht und dabei tiefe vertrautheit und zuneigung zu ihr austrahlt. das schwerste ist immer das zurückbleiben. ich fühle tiefes mitleid mit helmut schmidt.
[bildquelle ARD, „wir schmidts“, mediathek-link]
höhö.
[nachtrag 28.10.2010]
ist mir erst jetzt aufgefallen, dass man die hand, den hand-witz, die witz-hand vielleicht auf dem foto oben gar nicht erkennen kann. auf den folgenden fotos zwar auch nicht, aber vielleicht kann man sie ein bisschen besser nicht erkennen.
ich habe die grossartigkeit dessen, was schascha lobo in diesem artikel verlinkt hat, fast übersehen, weil sascha vorher fast drei absätze über musik geschrieben hat. und da es mir schon schwer fällt musik anzuhören, aber noch schwerer fällt über musik zu lesen, hab ich den artikel heute früh, als er bei mir im google reader auftauchte, nur so überflogen.
dieser ganze schrott mit irgendwelchen deppen die in der ubahn mit iphones musik machen oder die kreuzlangweilige scheisse die „improv everywhere“ veranstalten, wird mir ständig in meinen google-reader reingeshared und ploppt über tage immer wieder — wenn einer den müll in seinem „reader“ oder „buzz“ „shared“ — direkt vor meine nase. sascha lobos artikel hat mir heute keiner in den reader geshared, den musste ich mir analog sharen lassen, von der beifahrerin, die mich heute abend fragte: „haste das gelesen, mit dem wolfgang herrndorf, der hat krebs, nicht mehr lange zu leben und schreibt jetzt bücher und ein blog dass ihm sascha lobo eingerichtet hat.“
sie hat das glaube ich völlig anders gesagt, und auch noch fast alle details und pointen genannt, aber genau wie bei einem guten krimi oder einem guten film ist es scheissegal, wenn man die geschichte kennt oder sogar das ende (viele filme zeigen heutzutage ja sogar das ende des films am anfang). es kommt nicht auf die story an (herrndorf hat krebs, stirbt möglicherweise bald und schreibt trotzdem weiter bücher), sondern was man aus ihr macht, wie man sie erzählt. und wie wolfgang herrndorf seine geschichte erzählt [„dämmerung“, zwei kurze rückblenden (eins und zwei) und „eins“ (leseempfehlungsreihenfolge via sascha lobo)], haut mich um. ohne pathos und doch erschütternd, erschütternd, aber doch witzig, ich-bezogen ohne ende und doch findet man sich in jedem zweiten absatz selbst wieder. alles dreht sich um den möglichen tod und doch tropft aus jeder zeile ansteckende hoffnung, realismus und optimismus.
zum ersten mal seit langer zeit bedauere ich es mal wieder am bildschirm lesen zu müssen und (ab)sätze, fragmente die ich festhalten möchte nicht mit einem textmarker markieren zu können:
Der Gesichtsausdruck des Fünfzehnjährigen erinnert mich auf sonderbare Weise an das, was ich ursprünglich einmal gewollt habe im Leben. Der trotzige, hellwache, angewiderte Blick, die Erkenntnis, daß diese Welt eine Zumutung ist und der ablesbare Wille, ihr beizeiten noch mit der Axt den Schädel zu spalten. So gut wie Hamsun habe ich natürlich nie ausgesehen, aber ich weiß noch sehr genau, wie sich dieses Gesicht von innen anfühlte. (quelle)
Passig steht irgendwann mit der Hüfte an einen Tisch gelehnt und hinterläßt einen Brief, in dem steht, daß bei der Häßlichkeit meiner Bettwäsche Krebs die notwendige Folge sei. Ich brauche lange, um herauszufinden, welche Bettwäsche sie meint und daß sie bei mir zu Hause war. (quelle)
Gespräche mit den Ärzten laufen darauf hinaus, daß sie versuchen, mir Erinnerungslücken nachzuweisen, weil ich mich an sie und ihre Namen nicht erinnere. Mich nennen sie grundsätzlich Hernsdorf. (quelle)
irgendwann hab ich mal gelesen, dass die interessanz der menschen, die kreativität und lebensfreude der menschheit in ihrer sterblichkeit (bzw. dem bewusstsein derselben) begründet liegt. bei wolfgang herrndorf ist dieses phänomen konzentriert zu beobachten. so konzentriert dass es einen schüttelt.
Eine Infragestellung der Existenz, eine nicht mehr nur bloß abstrakte Erkenntnis der eigenen Bedeutungslosigkeit im Angesicht der Unendlichkeit und eine Selbstüberredung zum Leben. Schließlich die Gewißheit, die Sache in den Griff zu bekommen.
Eine Selbsttäuschung, von der ich von Anfang an wußte, daß sie eine Selbsttäuschung ist, und die trotzdem funktionierte. Im Grunde nichts anderes als die Einstellung, mit der ich im Alter von sechs oder sieben Jahren, nach der Erkenntnis des Todes, auch weitergelebt habe: Ich werde sterben, ja, aber es ist noch lange hin (und der Tag wird nie kommen).Es beginnt: Das Leben in der Gegenwart. (quelle)
am besten alles lesen. jetzt gleich!
ich fand das gerade ne super idee, am montagmorgen ein foto vom vorherigen mittwoch mit einem sonnenuntergang zu posten. schlimm, was ich mir manchmal so einbilde.
condoleezza rice, die ehemalige sicherheitsberaterin und aussenministerin der vereinigten staaten war am donnerstg bei jon stewart zu gast. erstaunlicherweise wirkte condoleezza rice alles andere als unsympathisch. andererseits redeten stewart und rice auch nicht über politik (nur einmal, als stewart rice fragte ob dick cheney nicht ein bisschen unheimlich sei und ob die temparatur, wenn man an seinem büro vorbeiginge, nicht ein wenig steige), sondern über ihre autobiographie. die autobiographie reicht allerdings nicht in den teil ihres lebens, den sie im weissen haus verbrachte, diesen teil will sie in einem weiteren buch beschreiben.
die ganze (sehenswerte) sendung kann man hier sehen, die zwei teile des interviews hier.
dass man das kleine ß nicht in versalien benutzen sollte wusste ich bereits, wenngleich es mir natürlich auch total egal ist. dass es aber bereits ein grosses eszett gibt, auch in unicode-zeichensätzen, wusste ich nicht.
so sieht das aus: ẞ (und so das kleine: ß)
mehr dazu in der wikipedia: Großes ß.
das hier ist sascha lobos „anwortantwortantwort“ auf meine buchfrage an sascha lobo. drüben wollte ich die antwort nicht mehr drunterkleben, ich fand den eintrag auch schon so potenziell unübersichtlich. trotzdem hängen diese „anwortantwortantwort“ und meine ursprüngliche frage, sascha lobos antwort, meine antwortantwort natürlich zusammen und sollten unbedingt vor dieser anwortantwortantwort von sascha lobo gelesen werden! die kommentare dadrunter natürlich auch.
Am 13.10.2010 um 23:45 schrieb Sascha Lobo:
hallo lieber felix,
ich hielt dich ja immer für den prototyp des bloggers. weil du zwar völligen unsinn geschrieben hast – aber immerhin das, was du wolltest und dich nicht um die lesermeinung gekümmert hast wie spreeblick oder netzpolitik, wo johnny und markus für ein widerwärtig selbstgerechtes publikum schreiben, das jubelt, wenn seine kleingeistigen erwartungen erfüllt werden. niggemeier könnte auch protoblogger sein, aber dann wieder nicht, weil er eine eigene liga darstellt, beyond blogging, niggemeier könnte texte in fantasiesprache in die rinde einer eiche bei leipzig einritzen, seine stumpfen fans würden begeistert hinpilgern und ihm ein flattr-blümchen hinlegen. dabei ist er ganz offensichtlich gelangweilt von der ständigen beschäftigung mit dem dreck, den er kritisiert. ich möchte also hoffen, dass unsere freundschaft auf einem ausreichend festen fundament steht, bevor ich dich frage:
willst du mich verarschen, du erlebnisschrottblogger?
hast du meine antwort überhaupt gelesen, bevor du deine ungelenken, fehlerstrotzenden buchstabenketten druntergeflanscht hast?
80% deiner kommentatoren sind im besten fall schwer gestört und im nicht einmal schlechtesten fall von der realität erwachsener, arbeitender menschen eine million kilometer entfernt. und wenn man davon auf deine leserschaft schliesst, ist ja eigentlich alles egal, trotzdem hättest du dir wenigstens die mühe machen können, meine antwort durchzulesen.
schwarzfahren ist verboten und ich habe kein problem damit, wohl aber mit drakonischen strafen, wie kinder nachts an ostdeutschen landbahnhöfen auszusetzen, oder schwarzfahrer zu verprügeln.
genau das habe ich doch geschrieben, dass es "eine unanständigkeit" ist. warum tust du so, als hätte ich die todesstrafe für raubkopierer rückwirkend zum 1.7. '93 gefordert oder ähnlich "drakonische strafen"? in den ersten von durchtränkter dummheit feuchtklammen blogs steht bereits, ich würde netzsperren für das urheberrecht fordern. völlig abgesehen davon, dass du selbst in der fragemail doctorow auf so nichts-checkende weise falsch verstanden hast, als wolltest du dich damit bei meedia bewerben (wo der pokulturjunkie offenbar die zeit bis zur rente hirnenergiesparend durchbringen will):
"oder sollte ich den worten cory doctorows glauben schenken, der behauptet, das unautorisierte verteilen in tauschbörsen, bzw. die möglichkeit das buch kostenlos herunterladen zu können, den verkaufszahlen hilft?"
du bist verwundert, dass ich diese aussage von dir "überinterpretiere"? und belehrst mich dann auch noch, dass "äpfel nicht unwahr" sein müssen? das würde ja sogar noch im blog von mspro als unangenehm verschwurbelte metapher auffallen, der sein zusammengeklautes twitterbuch natürlich nicht kostenlos zum download anbietet, obwohl er doch so gegen das urheberrecht ist. ja, ich hätte das doctorow-zitat überprüfen können, aber für dein lächerliches blog mit 12 depressiven langzeitstudenten als leser und kommentar-imitatoren durchforste ich doch nicht die 23 millionen interviews von doctorow, der über nichts anderes spricht als seine eigene, ungeheure superheit, der typ ist eine fast so schlimme ich-hupe wie beratungs-consultant knüwer. dann aber nehme ich dir wirklich übel:
"dass die urheber selbst bestimmen können sollen, was mit ihren werken geschieht ist, glaube ich, mehr oder weniger unstrittig,"
sehe ich so verwirrt aus wie stöcker von der spon netzwelt oder jochen wegner, von dem ich nicht wissen will, mit welchen pillen er es so lange beim focus ("deutschlands beste ampeln - das ultimative ranking") ausgehalten hat und warum? oder handelt es sich bei deiner festanstellung um die hausmeisterliche betreuung eines wurmlochs, durch das du die 80er jahre in stand halten musst? UNSTRITTIG? das ist der strittigste punkt überhaupt in der diskussion zwischen dem selbstzufriedenen politfeuilleton, das wie neospiesser mario sixtus nichts will als bei gesicherter rente am kamin den lebensabend mit dem neuen franzen zu verbringen – und den apologeten der egoistischen, dauermasturbierenden filesharing-pubertäter, die noch niemals in ihrem leben gearbeitet haben, aber glauben, die welt müsse alles umsonst für sie bereithalten.
lies doch mal meinen disput mit dem unerträglichen turbobesserwisser marcel weiss, mit dessen belehrungsenergie man die polarkappen drei winter lang eisfrei halten könnte, der seit seinem weggang von blogwerk gegen den vollständigen bedeutungsverlust kämpft und der seit jahren mit dem ebenfalls vierzehnjährigen martin weigert der welt erklärt, wie sie im digitalen gefälligst zu funktionieren hat, weil ihre "erkenntnisse" – die jedem fussgängerzonenprediger peinlich wären vor plattheit – sie selbst so sehr berauschen. oder lies, was jetzt.de-journalistendarsteller dirk von gehlen dazu meinte, der glück hat, dass seine chefs von der süddeutschen zeitung das internet für eine mischung aus fax, fernseher und elektronischen leserbriefkästen halten und deshalb sein blog nicht lesen: für jeden zweiten beitrag zum thema urheberrecht in dirks selbstgefälligem blog würden sie nicht nur ihn feuern, sondern auch alle, die so ähnlich heissen oder schon mal in der kantine mit ihm gesprochen haben.
und immer geht es darum, dass eben doch strittig ist, ob und wie der urheber bestimmen darf, was mit seinem werk passiert. es ist superstrittig. es ist gigastrittig. es ist s21strittig. dass du das verkennst, lässt dich auf den naivitätspfaden der piraten wandeln (falls dein gedächtnis noch so schlecht ist: das war im jahr 2009 eine partei, die ihre kurze chance, die politik für immer zu verändern, so unfassbar dämlich nicht genutzt hat, wie es nur nerds hinbekommen).
und dass du schliesslich am ende deiner antwort auf meine antwort auf deine frage mit der formulierung um die ecke kommst:
"die frage war eher: ist das auftreten von schwarzfahrern oder blinden passagieren nicht ein zeichen dafür, dass man ein relevantes, atraktives produkt anbietet, […] und ist das gegenteil […] nicht vielleicht ein zeichen dafür, dass man etwas anbietet, was nur sehr wenige leute interessiert?"
soll ich es doch ganz schnafte finden, wenn mein buch illegal kopiert wird? soll ich es deiner unqualifizierten, nervigen blogger-meinung nach gut finden, dass sich endlich jemand für mich interessiert? dass endlich irgendein 19jähriger in 30 sekunden einen drm-knacker über das ebook drübergebügelt hat und mein quatschbuch für wichtig genug erachtet hat, um es in die egoisten-netzwerke einzupflegen? hast du übrigens gesehen, dass sogar der anbiedermann olaf kolbrück kommentiert hat, mit einer dämlichen spitzfindigkeit, vermutlich, um davon abzulenken, dass er aus mutlosigkeit sein potenzial im blog eines zweieinhalbtklassigen medienmagazins aus dem 90er jahren verkümmern lässt?
"würde ich ein buch geschrieben haben und würde es in tauschbörsen auftauchen, ich glaube ich würde ne flasche relevanz-schampus aufmachen und mir auf die schulter klopfen."
ist der titel deines blogs, "fachblog für irrelevanz" wirklich PURE koketterie? wenn es überhaupt je relevanz geben sollte, lässt sie sich mit sicherheit nicht dadurch ausdrücken, dass schmierige filesharing-egoisten aus langeweile beschlossen haben, files zu sharen. wie erbärmlich ist das denn? nach dieser teenagerrelevanz zu streben, die nicht einen verkackten funken respekt beinhaltet, geschweige denn zahlungswillen – und mir kommt es da nur aufs geld an, denkst du, ich schreibe bücher aus überzeugung? kann ich von tauschbörsenrelevanz meine teuren hobbies bezahlen? wenn ich so ärmlich und ohne jeden stil leben würde wie niggemeier oder kathrin passig, dann wäre das vielleicht okay, aber ich brauche 10.000 netto im monat, da kann ich mich nicht mit diesem kinder-relevanzshit auseinandersetzen.
bei uns in der firma gibt es eine sehr schöne tradition: einmal im monat setzen sich alle angestellten um 11 uhr zusammen und brunchen. die brunchwaren besorgen die mitarbeiter selbst, jeder kauft für ungefähr fünf euro etwas ein. meine aufgabe ist es zum brunch für 5 euro brötchen („schrippen“) zu kaufen. je nachdem welchen weg ich zur arbeit wähle oder je nachdem wo ich mich durch den jeweiligen ersatzverkehr in berlin wiederfinde, wähle ich den bäcker meist spontan aus.
letzte woche wählte ich einen bäcker, der seine bäckereifachverkäuferinnen dazu zwingt schürzchen und häubchen zu tragen. die reaktion auf mein ansinnen „30 schrippen“ war eisig und verwirrt. die verkäuferin reagierte, als sei mein ansinnen etwas ungehöriges. zeternd bewegte sie sich zur brötchenauslage und begann mit einer greifzange brötchen in eine papiertüte zu schaufeln, bis sie kurz darauf merkte, dass ihr vorgehen extrem ineffektiv war. also suchte sie eine grössere plastiktüte und zog sich einen latex-handschuh zum effektiveren brötchen-greifen an.
erschwerend für die verkäuferin kam hinzu, dass kurz vor meiner bestellung eine unablässig vor sich hinredende ältere dame den verkaufraum betrat. sie bennante und kommentierte alles was sie sah laut und deutlich: „ach sie haben das bonaqua-wasser! das ist gut! sehr lecker! ist das schinken? was kosten denn die belegten brötchen? kann man die auch ohne tomate haben?“
die verkäuferin stand kurz davor zu wegen überforderung zu platzen. als sie sich in einem verzweifelten versuch die konzentration zu behalten der brötchenauslage zuwandte und die plappernde ältere dame auszublenden versuchte, nahm diese ihre chance wahr, beugte sich über die virtine in die auslage und griff sich eine riesige streuselkuchen-platte aus der vitrine, verstaute den kuchen in ihrer jacke und redete weiter: „ich schreib das dann auf! die brötchen mit dem schinken sehen wirklich sehr gut aus.“ und verliess langsam den laden.
als die bäckerteifachverkäuferin sich wieder mir zuwandte, erklärte sie mir, dass ich künftig doch bitte solche ungewöhnlichen einkäufe vorbestellen solle. ich zahlte wortlos, dachte leise, dass es sicherlich kein nächstes mal und dementsprechend auch keine vorbestellung geben würde und war dann aber doch verwundert, als ich beim brunch merkte, dass die brötchen auf ihrer oberseite alle ein herz eingeritzt hatten.
Am 11.10.2010 um 18:56 schrieb felix schwenzel:
hallo sascha,
leider kann ich dir diese buchfrage nicht über lovelybooks.de stellen, da ich mich nicht kurz genug fassen kann. deshalb stelle ich sie dir per email und wirres.net, wo ich die frage und deine eventuelle antwort gerne veröffentlichen würde.
aus purer neugier habe ich eben bei piratebay nach „strohfeuer“ gesucht. leider kenne ich mich mit der illegalen beschaffung von lesewaren nicht besonders gut aus, so dass ich nach dieser einen stichprobe einfach mal annehme, dass dein roman (noch?) nicht als ebook raubkopiert wird.
mich würde aber interessieren, was du persönlich darüber denken würdest, wenn das der fall wäre. oder anders gefragt, ich frage mich, was ich denken würde, wenn ich ein buch geschrieben hätte und ich es in unautorisierter form, kostenlos im internet herumliegend finden würde. ich frage mich ob ich mich dann freuen würde, ein buch geschrieben zu haben, dass einige leute so relevant finden, dass sie sich die mühe machen es zu digitalisieren oder den kopierschutz zu knacken, oder ob ich mich darüber ärgern würde, weil mir dadurch einnahmen oder umsatz- und absatzzahlen verloren gingen.
mir fehlt leider die phatasie, mich in diese situation angemessen einzufühlen, weshalb mir auch partout kein massstab einfällt, wie ich, wäre ich in dieser situation, meinen ärger quantifizieren sollte. wie würde ich den möglichen aufmerksamkeitsgewinn gegen den potenziellen einnahmeverlust abwägen? spielen die einnahmen aus dem buchverkauf für mich als autor überhaupt eine so grosse rolle? müsste ich neben meinen interessen, aus fairness oder solidarität, auch die interessen des verlages bedenken? oder sollte ich den worten cory doctorows glauben schenken, der behauptet, das unautorisierte verteilen in tauschbörsen, bzw. die möglichkeit das buch kostenlos herunterladen zu können, den verkaufszahlen hilft?
deshalb frage ich dich: wie fändest du es, wenn dein buch irgendwo in den weiten des internets unautorisiert herunter zu laden wäre?
würdest du dich freuen oder ärgern? und warum?
liebe grüsse, ix
Am 12.10.2010 um 10:11 schrieb Sascha Lobo:
Wenn "Strohfeuer" illegal herunterzuladen wäre, würde mich das ärgern. Was mich fast noch mehr ärgert, sind Behauptungen wie die von Cory Doctorow, unautorisiertes Verteilen in Tauschbörsen würde generell den Verkauf fördern (über seinen speziellen Fall hinaus). Das halte ich für eine anbiedernde Schutzbehauptung: er hat Angst, dass seine Nerd-Fans ihn sonst doof finden.
Es ist ja nicht so, dass ähnliche Mechanismen für Deutschland nicht überprüft worden wären. 2007 haben wir mit der Riesenmaschine bei Heyne (Random House) ein Papier-Taschenbuch auf den Markt gebracht, das gleichzeitig kostenlos herunterzuladen war (und auch immer noch ist). Das Ergebnis war ernüchternd; das Buch wurde über 20.000 Mal heruntergeladen, mit einem Klick, ohne irgendwelche Daten hinterlassen zu müssen, was nicht besonders leicht mit Random House herauszuverhandeln war – und die Verkaufszahlen waren sehr, sehr gering. Die Übertragung des Interesses vom Ebook zum gedruckten Buch hat zumindest in diesem Fall überhaupt nicht funktioniert. Das habe ich vorher befürchtet, aber ich halte viel davon, theoretische Annahmen auch praktisch auszuprobieren, weil ich selbst die Erfahrung gemacht habe, dass man trotz Fachwissen, Erfahrung und Gefühl immer noch grauenvoll falsch liegen kann.
Dass die Verbreitungseffekte von illegalen Tauschbörsen für den Verkauf von Musik tatsächlich anders gelagert sein könnten und es dort für diese Effekte auch solidere Untersuchungen gibt, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings einem Blatt, das mir nicht so wichtig ist – denn ich halte es für richtig, für Kulturgüter zu bezahlen, wenn der Urheber sich das so ausgesucht hat. Ich glaube an das Recht des Urhebers, über die Bedingungen der Verbreitung seines Werkes zu bestimmen, zumindest für eine bestimmte Zeit. Wer das nicht tut, muss konsequenterweise so etwas Gutes wie Creative Commons ablehnen, denn auch dafür ist die Grundlage, dass der Urheber bestimmen darf, was mit seinem Werk passieren darf und was nicht. Dass das Urheberrecht in seiner aktuellen Form in vielen Punkten für das digitale Zeitalter ungeeignet ist, ist absolut richtig. Die Abschaffung von "geistigem Eigentum" als Reaktion wäre absolut falsch. Die Abschaffung würde denjenigen wirtschaftlich nützen, die ohnehin die größte Wirkmacht haben. Die Funktion des geistigen Eigentums schützt den Urheber, egal, wieviel Geld der hat, diese Schutzfunktion des Schwächeren gegenüber dem Stärkeren wird oft unterschlagen.
Wer "Strohfeuer" oder irgendein anderes Buch illegal herunterlädt, handelt in meinen Augen egoistisch. Er nutzt ein Produkt, will aber dafür nicht bezahlen. Das Argument, er würde das Buch sonst gar nicht kaufen und das eBook bloß kopieren und nichts wegnehmen, kann ich ebensowenig gelten lassen wie bei jemandem, der im Zug nicht bezahlen will. Dadurch geht auch nichts kaputt, man nimmt nichts weg, der Zug fährt sowieso, es entsteht "nur" ein virtueller Schaden und trotzdem ist es allgemein als unanständig anerkannt. Als schwerwiegendes Verbrechen empfinde ich das aber nicht, sondern eben als Unanständigkeit. Kann man unter dem Schutzmantel der Siebzehnjährigkeit mal machen, aber irgendwann ist es sinnvoll einzusehen, dass illegales Herunterladen ein schmieriger Akt ist, wenn einen Klick weiter das Produkt legal zu kaufen ist. Für den illegalen Download aus einer Art Notwehr heraus, wenn das digitale Kulturprodukt aus grotesken Anwaltsgründen erst drei Jahre später oder nie verfügbar ist, habe ich aber durchaus Verständnis.
Der mögliche Aufmerksamkeitsgewinn, von dem oft gesprochen wird, interessiert mich exakt null, erst recht von denjenigen Leuten, die illegal herunterladen, denn deren Aufmerksamkeit ist in diesem speziellen Fall nichts wert, und zwar ihnen selbst nichts wert. Es geht an dieser Stelle vor allem um Geld, Geldflüsse sichern einen Großteil der Kultur, in allen möglichen Bereichen. Wer das ablehnt, soll entweder konsequent für die Abschaffung des gesamten Systems kämpfen, das respektiere ich politisch – oder akzeptieren, dass man für Kulturgüter bezahlt. Aber nicht den Kapitalismus an der Stelle toll finden, wo es einem nützt, und nur dort doof finden, wo er der eigenen Bequemlichkeit im Weg steht. Um diesen sehr, sehr komplizierten Prozess zwischen Markt und Kultur zu organisieren, gibt es Verlage – Autoren allein könnten das nicht. Die Verlage da allesamt undifferenziert zu verteufeln und als "blöde Contentindustrie" zu beschimpfen, zeugt von erheblichem Unwissen und geringer Kenntnis der Funktionsweise der Kulturlandschaft. Mir ist bewusst, dass Teile der diffusen "Internetszene" meine Haltung ganz fürchterlich finden. Das ist ihr gutes Recht, genauso wie es mein Recht ist, sie dafür fürchterlich zu finden.
Am 12.10.2010 um 19:46 schrieb felix schwenzel:
ich weiss gar nicht so genau, ob doctorow gesagt hat „unautorisiertes Verteilen in Tauschbörsen würde generell den Verkauf fördern“, da hast du meine ungenaue wiedergabe von doctorows worten vielleicht überinterpretiert. ich habe kürzlich folgendes von doctorow gelesen:
For me, the answer is simple: if I give away my ebooks under a Creative Commons licence that allows non-commercial sharing, I'll attract readers who buy hard copies. It's worked for me – I've had books on the New York Times bestseller list for the past two years.
What should other artists do? Well, I'm not really bothered.ich lese das eher wie: soetwas kann funktionieren, oder eben auch nicht. für mich verhält sich das ein bisschen so wie die parallele von deutschen und amerikanischen techblogs. man kann ein paar jahre lang ein tech-blog aufbauen und dann mit etwas glück den laden für ein paar millionen an AOL verkaufen, aber wenn man das in deutschland versucht, kann man auch mit 5000 lesern am tag und knietief im dispo enden.
äpfel und birnenamerika und deutschland sind schwer zu vergleichen, was aber nicht heissen muss, dass äpfel unwahr sind.dass die urheber selbst bestimmen können sollen, was mit ihren werken geschieht ist, glaube ich, mehr oder weniger unstrittig, selbst wenn das werk durch und durchgehegemannt ist, sollte es dem hegemann überlassen bleiben, wie das buch vertrieben werden sollte (hegemann hat es übrigens immerhin mit einem film in die tauschbörsen geschafft). genauso wie es unstrittig ist, dass es hierzu durchaus ausnahmen gibt. kafka wäre ein beispiel bei dem es durchaus (von mir aus „gesellschaftlich“) sinnvoll erschien, sich dem willen des urhebers zu entziehen. ebenso von ausnahmen durchwoben sehe ich urheberrechtsfragen bei nachrichten oder anderen gesellschaftlich relevanten geistigen (recherche- oder forschungs-) leistungen.
aber das war auch nicht meine frage, noch sehe ich es als streitpunkt. schwarzfahren ist verboten und ich habe kein problem damit, wohl aber mit drakonischen strafen, wie kinder nachts an ostdeutschen landbahnhöfen auszusetzen, oder schwarzfahrer zu verprügeln.
die frage war eher: ist das auftreten von schwarzfahrern oder blinden passagieren nicht ein zeichen dafür, dass man ein relevantes, atraktives produkt anbietet, dass man etwas geschaffen hat, was die leute unbedingt haben oder nutzen wollen und ist das gegenteil, keine schwarzfahrer, keine blinden passagiere, keine schwarzkopierer nicht vielleicht ein zeichen dafür, dass man etwas anbietet, was nur sehr wenige leute interessiert?
ich will das nicht negativ klingen lassen, im gegenteil, was ich sagen will: würde ich ein buch geschrieben haben und würde es in tauschbörsen auftauchen, ich glaube ich würde ne flasche relevanz-schampus aufmachen und mir auf die schulter klopfen.
und noch eine frage (nicht speziell an dich, sondern einfach mal so in den raum gestellt): wer hat das „geistige eigentum“ an banksys simpsons opener, den fox von youtube hat entfernen lassen? fox, banksy, groening, spon oder gar ein einhorn?
[nachtrag 12.10.2010]
marcel weiss hat ein paar ganz kluge, lesenswerte anmerkungen zum saschas und meinem mailwechesel und zu ein paar der kommentare hier.
[nachtrag 16.10.2010]
hier gehts weiter mit sascha lobos antwortantwortantwort .
„spiesser alfons“ läuft gegen einen laternenpfahl und findet jetzt alle laternenpfähle doof. unter anderem, weil die laternenpfähle nicht ordentlich ausgebildet sind.
nach vier absätzen einleitendem schubladen-denken (ausgebildete journalisten vs. selbsternannte journalisten), verallgemeinern, klugscheissen und beschönigen, wendet sich „spiesser alfons“ irgendeinem typen („unhold“) zu dessen treiben er, wahrscheinlich sogar zu recht, gelöscht sehen will und dessen urheber er hinter schloss und riegel oder in einer zwagsjacke sehen will. aber warum philosophiert „spiesser alfons“ ausufernd über artikel 5 des grundgesetzes, pressefreiheit, blogger, ärzte, journalisten oder die rettung des abendlandes durch presseausweise? weil der „durchgeknallte Blogger“ sich nicht nur hin und wieder als „Fernsehtechniker” und „Reserveoffizier” oder „Elektroingenieur” bezeichnet, sondern auch als „Journalist“?
Doch während ein ausgebildeter Journalist aufgrund seines Wissen und aus Erfahrung weiß, wo seine Grenzen liegen und er in aller Regel einen Chefredakteur oder Ressortchef vor sich hat, der die Beiträge vor Veröffentlichung gegenliest, ist das bei einem selbsternannten Journalisten kaum der Fall. Zum Beispiel bei einem Blogger.
neben der tatsache, dass „wissen“ und „erfahrung“ nur in den seltensten fällen das sind, was arschlöcher von ihrem arschlochtum abhält, frage ich mich immer wieder, woher dieser drang von minderbemittelten menschen kommt, dinge die ihnen in der welt begegnen nicht nur in lieblos kategorisierte schubladen zu stecken, sondern gleich die ganze welt als schrank zu betrachten und statt des inhalts, die schubladen zu kritisieren.
so geht es beim spiesser nicht einfach um irgendeinen depp, der „beschimpft und beleidigt“, sondern um leute die keine ausbildung als journalist haben („Blogger“), so sind bei stepahnie zu guttenberg nicht pädophile straftäter, ineffektive polizeiarbeit (und zum beispiel fehlende mittel der polizei) eine gefahr für „unsere kinder“, sondern „das internet“. nicht einzelne politiker sind korrupt, gefährlich oder blöd, sondern gleich die ganze politik, nicht einzelne, (jaja, viele) fernsehsendungen sind schrott, nein „das fernsehen“ ist insgesamt schrott, nicht robert leicht versagt, sondern gleich und in gänze „die medien“.
differenzieren, einzelne zusammenhänge oder protagonisten herausarbeiten und zu kritisieren ist mühsam, klar, und wenn man zu hohen puls hat, vielleicht auch unmöglich, aber das man sich mit schubladen-denken und -sprechen zum affen macht, sollte man zumindest bedenken.
[nachtrag 12.10.2010]
apropos ordentliche journalisten-akkreditierung, für die sich der „spiesser alfons“ so leidenschaftlich einsetzt, hier in einem etwas anderem zusammenhang:
Wer aus der Islamischen Republik berichten will, braucht ein Journalistenvisum. Da sind die Iraner nicht zum Scherzen aufgelegt. Sie wollen kontrollieren, was und worüber die Ausländer berichten und das Visum ist für die Behörden die effektivste Möglichkeit, unerwünschten Medienvertretern die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Eine Möglichkeit, von der reichlich Gebrauch gemacht wird.
(via don dahlmanns buzz)
bitte diesen artikel ignorieren. es geht nur um ein bisschen zahlenmystik.











