potemkinscher schlossplatz

[nachtrag 20.10.2009]
der schlossplatz in berlin steht voll mit leeren hüllen und kulissen.
da ist die schinkelschen bauakademie-kulisse, eine ecke gemauert, der rest aus gerüsten und kunstofffolien zusammengestöpselt. die kunsthalle ist ein bemalter oder mit folien beklebter schuhkarton, immerhin findest sich in ihrem inneren mehr inhalt als taubenscheisse, müll und kies. daneben, ganz neu, eine aussichtsplattform aus gerüstteilen, die mit einer folie behängt wurde, die die schloss-fassadekulisse zeigt, die hier angeblich bald wiedererstehen soll.
ist das ein ausdruck der zeit, dass man die landschaft mit hohlen körpern vollstellt, mit nix drin, aber einer geschwätzigen, bunten, aufgemalten hülle? und warum häufen sich diese kulissen gerade am schlossplatz, in der mitte berlins?
zwerghühner
pacman? bist du das?
susanne gaschke stillt ihren kommunikationshunger im falter
ich verstehe susanne gaschke nicht. im falter hat sie einen artikel geschrieben, in dem sie ihrem hobby nachgeht das internet scheisse zu finden. sie findet email zwar „praktisch“, schätzt die „schier unerschöpflichen Recherchemöglichkeiten“ und vermutet, dass das internet „Wissenschaftlern“ vorzügliche gelegenheit zur „Kooperation“ bietet. was sie aber am internet aber stört, ist dass das schlechte der welt auch dort zu finden ist:
da findet „belanglos-plappernden Zeit-Totschlagerei“ statt, es wird gestohlen, gegeifert, gepöbelt, es gibt „sozial gestörte junge Männer“ und ideologen. was sie besonders zu stören scheint: im „netz“ wird „netzkritik“ nicht einfach nur zur kenntnis genommen, sondern debatiert — und manchmal eskalieren diese debatten auch noch!
das kann man ja auch mal ruhig anprangern, dass das internet kein paradies ist und nicht alle susane gaschkes meinung sind. was ich aber nicht verstehe, ist dass susanne gaschke auf der einen seite ein übermass an kommunikation feststellt, die sie einerseits „belanglos“ findet, anderseits aber auch allgegenwärtig („überall, zu jeder Zeit“). auf der anderen seite führt sie dieses übermass an kommunikation darauf zurück, dass „die Menschen“ sehr vereinzelt und aus ihren familien und sozialen bezügen gerissen sind und ein „riesengroßes“ kommunikationsdefizit entstanden ist.
ist das logisch? wie kommt sie darauf, dass intakte soziale und familiäre bezüge das bedürfnis nach kommunikation stillen würden? plappern glückliche menschen nicht? reden menschen aus intakten familien keinen blödsinn oder zu viel? streiten menschen, die aus stabilen familien stammen, nicht? oder anders gefragt, haben nicht auch menschen aus intakten sozialen gefügen und familien einen „kommunikationshunger“?
vor allem, was ist schlecht an kommunikation? kann man zuviel kommunizieren? wie erkennt man belanglose kommunikation? ist belanglose kommunikation schlecht? und wenn ja, warum sollte einen das stören?
für mich hören sich susanne gaschkes erklärungen für die schlechtigkeit des internet nicht wie argumente an, sondern wie die billigen, scheinheiligen und konservativen patentrezepte aus dem vatikan oder dem bibel-tv an: ist die familie intakt, ist die welt gerettet und das internet füllt sich mit relevanz und güte. aber vielleicht ist susanne gaschke nicht scheinheilig und konservativ, sondern nur naiv?
offiziell: die meisten armen leben am brandenburger tor
kaffeetasse und -kanne
„Anti-sowjetischer Schaschlik“
christian esch über „anti-sowjetischesn schaschlik“:
Anti-Sowjetskaja stand damals noch in roten Lettern über Wanins Restaurant und darunter in goldenen Buchstaben Schaschlytschnaja - Anti-Sowjetischer Schaschlik-Imbiss. Eigentlich führt Alexander Wanin gar keinen Imbiss, sondern ein anspruchsvolles Restaurant, das wie viele in Moskau mit dem Retro-Chic spielt. Zu essen gibt es postsowjetisch veredelte Volkskost, zum Beispiel den Fisch-Salat „Hering im Pelz“, ergänzt mit Rote-Beete-Eis und Schoko-Spritzern. […]Die Organisation „Rat der Veteranen“, Abteilung Moskau, hatte sich am Namen des Restaurants gestoßen. Das „unangemessene politische Wortspiel“ provoziere „alle Bürger, die die sowjetische Epoche in unserer Geschichte respektieren“, schrieb sie dem Präfekten von Nord-Moskau. Der Präfekt, frisch im Amt und ohne Skrupel, schlug zu. Schließlich ist Wahlkampf, und Patriotismus zieht immer. „Dabei hat der Name mit Politik gar nichts zu tun", erklärt Wanin. „Hier war über Jahrzehnte ein beliebter Imbiss, und der hieß im Volksmund 'anti-sowjetisch' - weil gegenüber das Hotel Sowjetskaja liegt.“ (weiterlesen)
peer steinbrück hat verstanden
Meine persönlich schärfsten Kritiker, die viel näher als ihr glaubt in meinem unmittelbaren Familien- und Freundeskreis sind, werfen mir vor, dass ich zwar eine einigermaßen stichhaltige Gegenwartsanalyse vortragen kann, aber wenig faszinierende Angebote zur Zukunftsgestaltung vorlege. Das mag an unsicheren und unübersichtlichen Zeiten und Verhältnissen liegen, aber der Kern der Kritik trifft nicht nur auf mich, sondern unsere gesamte Partei zu: Worin liegt das Zukunftsversprechen und die Aufstiegsperspektive, welche die SPD insbesondere auch jüngeren Generationen machen kann? Welche Kommunikationsplattformen und Veranstaltungsformate bieten wir dafür an?
naja. ein bisschen zumindest hat er verstanden: peer steinbrücks abschiedsrede vor dem SPD-vorstand auf spon.
der dreifache stölzel-absatz
kann mir mal einer erklären was an dieser geschichte von thomas stölzel „exklusiv“ sein soll?

exklusiv, weil thomas stölzel in seiner schreibübung die aussagen zweier verbandssprecher so verstümmelt und veröffentlicht hat, dass man sie nirgendwo anders in dieser form lesen kann? oder exklusiv, weil der artikel in der wiwo erscheint und sonst nirgendwo? oder exklusiv weil hier darüber geschrieben wird, dass irgendein verein angeblich plant künftig irgendwo irgendwas zu veröffentlichen?
das ist der dritte absatz des artikels:
Auch in Deutschland wächst der Widerstand gegen die Jubel-Blogger. „Das gibt es auch in Deutschland, dass Blogger käuflich sind“, sagt Falk Lüke, Referent für die digitale Welt beim Bundesverband der Verbraucherzentrale. So plant die Public-Relations-Branche, von 2010 an schwarze Schafe öffentlich anzuprangern.
das sensationelle (oder meinetwegen auch „exklusive“) an diesem absatz ist, dass jeder einzelne satz in keinerlei zusammenhang zur überschrift, dem vorher gehenden oder dem darauf folgenden satz steht.
der erste satz postuliert einen angeblichen widerstand gegen „Jubel-Blogger“, ohne ihn weiter zu spezifizieren oder zu belegen. dann ein sprung zu einer binsenweisheit, die aber nichts mit der überschrift („Schleichwerbung in Blogs soll öffentlich angeprangert werden“) oder dem widerstand gegen „Jubel-Blogger“ zu tun hat. (abgesehen davon ist es doch nichts schlechtes wenn bloger käuflich sind. ich habe mich zum beispiel von watch-berlin bezahlen lassen, von zeit online oder von leuten die eine webseite haben wollen. genau wie die wiwo verkaufe ich werbepläze. käuflich zu sein, hat erstmal rein gar nichts mit schleichwerbung zu tun, genausowenig wie autofahren zwangsläufig etwas mit auffahrunfällen zu tun hat.) dann, so als ob das vorher gehende zitat des verbraucherschützers falk lüke etwas damit zu tun hätte, leitet stölzel über zu zu einem angeblichen vorhaben der PR-Branche.
ich nenn das mal den dreifachen stölzel-absatz:
1. postulat zu A.
2. zitat von X zu B.
3. beschreibung eines vorhabens oder einer tätigkeit von Y mittels massnahme C.
könte man auch zu anderen themen machen, fernsehen zum beispiel:
in deutschland wächst der widerstand gegen volksmusik. „ich habe mal jemanden gesprochen, der den ZDF-fernsehgarten scheisse findet“, weiss felix schwenzel, der schonmal bei „boulevard bio“ im publikum sass. so plant RTL ab 2010 eine neue staffel von „deutschland sucht den superstar“.
thomas knüwer hat auch was zu stölzels artikel geschrieben, witzgerweise greift er nicht stölzel an, der den müll aus sinnfreen zitaten tendenziös und einseitig zusammengestückelt und -gekürzt hat, sondern alexander gütler, den präsidenten der gesellschaft public relations agenturen, der PR für seinen PR-verein macht. andererseits hat thomas knüwer natürlich recht, seine sätze stehen in einem erkennbaren zusammenhang und er hat sich endlich mal wieder kurz gefasst.
der beste …
traum vom fernsehen und bloggen
gestern habe ich zum ersten mal im traum gebloggt. in meinem traum sah ich im fernsehen irgendeine sendung die aussah wie die 2DF-hitparade und in der irgendeine abgehalfterte schlagersängerin einen comebackversuch startete. die sängerin war bei ihrem auftritt umgeben von tänzerinnen und tänzern, die im laufe des liedes ihre sekundären geschlechtsmerkmale entblössten. als das lied zuende war konnte ich auch primäre geschlechtsorgane sehen. ich setzte mich sofort an den rechner um den auftritt als aufmerksamkeitsheischend, billige provokation zu brandmarken. leider schrieb ich im traum genauso schlecht wie im echten leben, ich kämpfte mit den formulierungen, überlegte eine parallele zum stumpfsinnigen rammstein porno-musik-video herbeizuformulieren und beide als kalkulierte und verzweifelte bettel-versuche um mediale aufmerksamkeit abzustempeln. so nach dem motto, wenn sich schon keiner für unsere musik interessiert, klappts ja vielleicht mit ärschen, titten und ficken.
wobei, geklappt hats bei rammstein ja auch nicht. über das rammstein porno-musikvideo hat sich, soweit ich mitbekommen habe, niemand echauffiert oder es grossartig zur kenntnis genommen. zum echauffieren über den auftritt der schlagersängerin hats bei mir dann auch nicht gereicht, weil ich mitten im formulieren aufwachte und den traum übers frühstück-machen wieder vergass.
linksatz statt linkdump
bob dylan sagte mal, dass die skyline moderner spiele durch das hirn von katzen und spatzen revolutioniert würde.
blöde symbolbilder
dann geh ix halt zu fuss, ersatzverkehr

[nachtrag]
an der schönhauser allee fuhren heute weder u- noch strassenbahnen. die tram fährt da ja schon seit wochen nicht mehr, die nicht-fahrende ubahn war ein neues feature. als ersatz fuhr alle alle 20 minuten ein bus. wer plant sowas? ein bus als ersatz für alle fünf minuten fahrende, 100 meter lange züge und alle 10 minuten fahrende trams?
also lief ich zur arbeit und mir fiel auf, mprgens aus hamburg zur arbeit nach berlin zu fahren geht fast schneller geht, als aus dem prenzlauer berg nach mitte zu kommen. dafür bekommt man morgens auf dem berliner fussweg besseren kaffee als im ICE und trifft bloggigere leute: auf dem weg nach mitte sah ich noch kosmar (der sich lobend, aber vielleicht auch ein bisschen neidisch, über meine frisur äusserte), moni auf dem fahrrad.
ausserdem bemerkte ix, dass morgens mit leerem magen an einer metzgerei vorbeizugehen eher unangenehm ist. kalter fleischgeruch hat morgens was ziemlich ekliges. sonst ist nix passiert.
bodo hombach will regulieren
bodo hombach beschäftigt sich gefühlte 3 jahre nachdem das internet-manifest erschien und ein kollektives schulterzucken auslöste, auch mal mit dem manifest und schreibt eine „replik“.
im teaser steht:
Essen. „Es gibt keine Systeme, die ohne Regeln funktionieren“, sagt Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ Mediengruppe, und fordert eine Debatte über Netz-Regularien. „Augen zu und durch“ ist keine Lösung, sagt er - und „Es wird schon alles gut“ erst recht nicht. Eine Replik.
was genau das mit „Essen.“ zu tun haben soll, weiss ich nicht, erinnert mich aber an eine meiner ersten architektur-vorlesungen in stuttgart, als der dozent am anfang seiner vorlesung laut ins mikro rülpste und das mit der sülze die er am abend vorher im speisewagen gegessen hatte erklärte. meine antwort auf hombachs steile these:
hamburg. „es gibt systeme die ohne regeln funktionieren“, sagt felix schwenzel, „onlinecommunitybenutzer“ aus berlin und hamburg und verweist auf die letzten zwanzigtausend jahre menschheitsgeschichte und die physik.
aber mal im ernst, wenn man die bedeutung des wortes „regel“ nachschlägt, erfährt man, dass regeln normen, vorschriften oder gesetzmässigkeiten sind (wikipedia: „Eine Regel ist eine aus bestimmten Regelmäßigkeiten abgeleitete, aus Erfahrungen und Erkenntnissen gewonnene, in Übereinkunft festgelegte, für einen bestimmten Bereich als verbindlich geltende Richtlinie.“). Ich weiss nicht ob es bodo hombach überrascht, aber das grösste system das wir menschen kennen, funktioniert ohne regeln: das universum unterliegt keinerlei vorschriften oder übereinkünften, sondern ausschliesslich den naturgesetzen. keine regel oder vorschrift hält die schwerkraft auf, auch wenn das in vielen fällen wünschenswert wäre. auch von menschen geschaffenen systeme funktionieren ohne regeln. klar, manchmal funktionieren sie mit regeln besser, gerechter oder menschenfreundlicher, aber sie funktionieren auch ohne regeln.
der entscheidende punkt steckt aber tatsächlich bereits in der definition die ich aus der wikipedia geklaubt habe: regeln werden aus erfahrungen und erkenntnissen gewonnen, sie sind übereinkünfte und sie werden stets nach dem sammeln von erfahrungen und erkenntnissen aufgestellt. systeme ohne regeln sind per definition selbstorganisiert. gäbe es diese systeme ohne regeln nicht, gäbe es auch keine regeln — oder um es für bodo hombach verständlich auszudrücken: es gab bereits vor der gründung des VDZ BDZV zeitungen und es gab bereits vor der niederschrift des pressekodex qualitätsjournalismus.
jetzt habe ich bereits mit der auseinandersetzung nur eines satzes von bodo hombach, knapp 400 wörter verpulvert. das kann ja lustig ein langer artikel werden, denn der oben zitierte satz ist nicht die einzige pseudoargumentation hombachs. statt zu argumentieren, postuliert hombach lieber: über das internet wird nicht debatiert, weil es eine „Verdrängungsspirale“ gibt, im gegensatz zu den klassischen medien, sei das internet von der politik kaum reglementiert, irgendwelche apostel oder leute fordern „unantastbare Freiheit“ für das internet und so weiter und so fort. mit belegen oder quellen müht hombach sich nicht ab.
hombach:
Ein Medium, das massenhaft Opfer produziert, hat seine universelle Freiheit längst aufgegeben. Anarchie führt eben nicht zur herrschaftsfreien Gesellschaft, sondern zur Machtübernahme durch die Rücksichtslosen. Man kann sich fragen, wie man z. B. Kinderpornografie im Internet eindämmt und möglichst verhindert, aber im Sinne der unantastbaren Freiheit gar nichts zu unternehmen, ist die Insolvenzeröffnung des Rechtsstaates, einer verantwortlichen Politik und einer offenen und freien Bürgergesellschaft.
mit dem medium das massenhaft „opfer“ produziert meint hombach natürlich nicht etwa die bildzeitung, „wild und hund“ oder das feldtelefon, sondern das internet. mit „anarchie“ meint er offenbar newsgroups, foren, blogs, webseiten, suchmaschinen oder soziale netzwerke die sich weltweit gebildet haben und dummerweise nur in deutschand der deutschen jurisdiktion unterliegen. und wie jeder weiss, sind nur die rücksichtslosen im internet erfolgreich: google, spiegel online, netzpolitik.org, die huffington post, ebay, amazon. schlimmer noch ist das beispielsweise bei facebook, xing, studivz und dem anarcho-netzwerk twitter. auch dort sind nur die rücksichtslosesten mitglieder an der macht. das alles muss dringend reglementiert werden, jetzt kommts, weil freiheit kinderpornographie ermöglicht. freiheit, anarchie, opfer, rücksichtslosigkeit, kinderpornografie. was für eine argumentationskette!
man kann den oben zitierten hombach-satz für ein plädoyer für den polizeistaat halten, wenn man den begriff des „mediums“ und des „internet“ mal weglässt. denn kinderpornografie und kindesmissbrauch entsteht nunmal vor allem im familienumfeld (in der realität und nicht im internet). und trotzdem: unser liberales rechtssystem schafft freiräume in denen solches unrecht möglich ist. der staat überlässt der familie, der privatssphäre, dem einzelnen menschen bestimmte unantastbare freiheiten. das wesen der freiheit ist, dass sie potenziell missbarucht werden kann. erstaunlicherweise nennt hombach diese unantastbarkeit der familie und der privatsshäre nicht „die Insolvenzeröffnung des Rechtsstaates“ — obwohl gerade diese freiheit mitunter unfassbare verbrechen möglich macht. die insolvenzeröffnung des rechtsstaats sieht er nur im internet. im internet fordert er eingriffe in elementare bürgerrechte (oder debatten darüber) — zum schutz der kinder und der urheber.
das grundsätzliche problem von regeln ist, dass man sie zwar aufstellen kann, aber ihre einhaltung manchmal nicht durchsetzen kann, ohne andere regeln zu verletzen. beim urheberrecht ist das ziemlich plastisch sichtbar. laut hombach würden urheberrechte im internet „plötzlich“ nicht mehr gelten, weil man sie ja massenhaft verletzen könne. die frage ist, wollen wir um urherberrechte zu schützen, regeln aufstellen und durchsetzen die bestimmte bürgerrechte aufweichen oder abschaffen? wollen wir privatwirtschaftliche interessen, also geschäftsmodelle, über bürgerrechte stellen? don dahlmann hat das dilemma aufschlussreich beschrieben.
um es kurz zu machen: hombach hat natürlich recht, auch das internet braucht regeln, die gesellschaft muss sich weiterhin fragen, wie sie ihr zusammenleben gestalten will. was hombach aber übersieht, ist dass sich diese regeln längst etabliert haben und weiter etablieren werden. es haben sich in demokratischen (nicht anarchischen) prozessen erfahrungen und erkenntnisse herausgebildet aus denen übereinkünfte und regeln erwachsen sind. diese regeln schmecken hombach nicht, deshalb ignoriert oder verteufelt er sie. hombach:
Jede Gesellschaft steht vor der Frage, welche Gesellschaft sie haben will. In der Demokratie geht alle Macht vom Volke aus. Warum also sollten wir nicht darüber diskutieren dürfen, nach welchen Regeln wir das Spiel spielen wollen. Wir wollen es nämlich nicht in jedem Fall verlieren.
würde hombach zugeben, dass sich im internet ganz gut funktionierende regeln etabliert haben, die teilweise nicht ganz den klassichen regeln entsprechen, könnte er sich nicht aufs „volk“ berufen und hoffen, dass es sein spiel spielt und für ihn gewinnt. er müsste zugeben, dass sich das volk (oder grosse teile davon) bereits überlegt hat, welche gesellschaft es haben will. dummerweise hat das volk nicht immer die intereessen oder die geschäftsmodelle der zeitungsverleger, der unterhaltungsindustrie, des finanzministeriums oder der polizeibehörden im sinn, wenn es sich überlegt in welcher gesellschaft es leben will.
deshalb, aber auch aus ein paar anderen gründen, ist die replik von bodo hombach auf das internet-manifest, interessengetrieben und scheinheilig und damit noch kleingeistiger und halbgarer als das manifest selbst. abgesehen von seiner interessengetriebenen scheinheiligkeit, hat bodo hombach natürlich recht.
galerie oel-früh


jetzt weiss ich auch warum die off-galerie oel-früh „off-galerie“ heisst. sie ist am arsch der welt. heute abend sind die beifahrerin und ix mal kurz an den arsch der welt brandshofer deich 45 gereist um uns dort eine ausstellungseröffnung anzusehen. vor der ausstellung haben wir viele interessante sachen gesehen:
- in der s-bahn einen harry-rowohlt look-alike, der sehr unangenehm roch.
- einmal, auf der suche nach der bushaltestelle, um den hauptbahnhof rumgelaufen und 10 besoffene, zwei davon mit bepisster hose gesehen.
- im bus einen besoffenen der beim anfahren in einen kinderwagen fiel gesehen.
- an der schnellstrasse, an der wir aus dem bus ausstigen, eine ebenfalls orientierungslose und auf der suche nach der galerie oel-früh befindliche kunstinteressierte getroffen, die uns auf unseren umwegen durch dunkle unterführungen und LKW-parkplätze begleitete.
in der galerie angekommen haben wir uns dann zwei wände und vier blatt papier angesehen und zwei bier getrunken. das war alles sehr abstrakt, aber auch sehr hübsch und lecker. nach ca. 30 minuten aufenthalt sind wir dann nach 30 minuten fussweg und 15 minuten s-bahnfahrt wieder aus dem off zurückgewesen.
flavio briatore zu besuch in hamburg
der wahre gegner der SPD: die realität
nach der wahl am sonntag wurde mir klar, was das problem der SPD ist. oder genauer, was das problem von politik allgemein ist. die SPD hat massive wahrnehmungsstörungen.
man hörte nach der wahl, wie die SPD ihre massiven verluste unter anderem damit erklärt, dass sie ihr wählerpotenzial nicht habe ausschöpfen können. manchmal wird diese blödsinnige aussage auch so formuliert: man habe die stammwähler der SPD nicht mobilisieren können. das ist in etwa so blödsinnig wie wenn microsoft behaupten würde, dass der zune sich nicht ordentlich verkauft, weil das marketing nicht gut genug war oder man nicht ausreichend für den zune geworben hätte. fakt ist, dass niemand den zune kaufen will, weil kaum jemand glaubt, dass der zune ein gutes produkt ist. der grund für diese annahme ist nicht mangelndes marketing oder optimierungswürdige kommunikation, sondern weil der zune DRM-verseuchter, schlecht zu bedienender schrott ist. zumal niemand einer firma glaubt, die ihr „plays for sure“-DRM system nicht mal selbst benutzen will, weil es zu kompliziert ist.
die parallele ist einfach zu erkennen, microsoft kann wiederholt behaupten, dass der zune ein tolles, einfach zu bedienendes und überlegenenes produkt ist, wenn das produkt aber nicht hält was microsoft verspricht, kauft es auch keiner. die SPD kann so viel gerechtigkeit, wohlstand und arbeitsplätze versprechen wie sie will, der bürokrat an der spitze kann sich so einfühlsam, kunstsinnig und menschlich darstellen wie er will, nur wählt niemand die SPD, der die SPD elf jahre dabei beobachtet hat wie sie trotz gegenteiliger versprechen nichts gegen steigende arbeitslosenzahlen unternehmen konnte, ein milliardenteures bürokratiemonster namens „bundesanstalt für arbeit“ in ein noch teureres bürokratiemonster umwandelte und umbenannte, wie sie bürgerrechte abschaffte und den polizeistaat stärkte.
um zurück zum wahrnehmungsproblem zu kommen: die SPD scheint nach elf jahren öffentlichem und exessiven wein-konsums zu glauben, dass die menschen davon zu überzeugen seien, die SPD stünde nicht für wein sondern für wasser, weil sie das ein paar wochen lang im wahlkampf wiederholt behauptet: wir stehen für wasser, die anderen für wein und der wein ist im übrigen unser aller untergang. was kann das anderes sein als eine wahrnehmungsstörung? die stamwähler oder potenziellen wähler der SPD kritisieren seit jahren den exzessiven weinkonsum der SPD, sie zeigten ihren missmut bei jeder einzelnen wahl und die SPD meinte nach jeder abwahl das sei eine klare ermunterung im alltag weiter wein zu trinken und im wahlkampf wasser zu predigen?
im ernst, wie kann man jahrelang die parole „auf nach norden“ ausgeben, während es aus dem unterstützer- und sympatisanten-lager ruft „im süden gefällt es uns besser“ und sich dann wundern, dass einen niemand wählt, obwohl man mehrere wochen im wahlkampf-bus nach norden schöne lieder vom süden gesungen hat?
kann natürlich auch sein, dass das gar keine wahrnehmungsstörung ist, sondern hybris. oder eine überschätzung der eigenen rhetorischen und kommunikativen fähigkeiten. aber erstaunlich finde ich es dann doch, dass man sich in der SPD über das wahldesaster wundert und meint das jetzt analysieren zu müssen. jeder mensch weiss doch, dass menschen die man mit „tralafitti“-sprüchen veralbert oder mit wanzen, bürokraten, wilkür und polizei droht oder mit unhaltbaren versprechen veräppelt, einem bei der stimmabgabe nicht unbedingt unter die arme greifen wollen.
jahrelang hat die SPD mit der CDU wein gesoffen, weil das notwendig für das land gewesen sei. ausserdem habe man durch das weinsaufen immerhin das schnapssaufen verhindern können. wenn sich jetzt andere mehrheiten bilden und plötzlich andere mit der CDU wein saufen können und werden, sei das total schlecht. beleidigt wendet man sich von den dumköpfen ab, die der SPD kein wort glaubten und die jetzt schon noch ihre schwarz-gelbe quittung bekommen werden.
hätte die SPD auch nur einen hauch realitätssinn, hätte sie merken können, dass die menschen unzufrieden sind. nicht nur unzufrieden mit der CDU oder der FDP oder der linken oder den grünen, sondern auch und vor allem mit der SPD. statt diese unzufridenheit mit klaren, offenen und ehrlichen worten zu begengen, dachte man in der SPD man könne die unzufriedenheit im wahlkampf auf die anderen lenken. die FDP neoliberal und antisozial, die linken schwätzer, die das blaue vom himmel versprechen, aber nichts halten können, die CDU irgendwie einfach doof und schädlich, allerdings nicht so schädlich, dass man ncht weiter mit ihnen an einem strang ziehen wolle. kein einziges selbstkritisches wort habe ich im wahlkampf von der SPD gehört. auch nach der wahl übrigens nicht, da hiess es dann man müsse jetzt mal analysieren woran es gelegen haben könnte, dass man seine wähler nicht mobilisieren konnte. die höchste form der selbstkritik zu der die SPD fähig zu sein scheint, ist die aussage, jetzt zu versuchen alles besser zu machen.
was hindert die SPD daran offen und klar zu bekennen, dass sie in den letzten elf jahren (auch) viel scheisse gebaut hat? warum bekennt sich die SPD nicht dazu, in der arbeitsmarkt-politik versagt zu haben. warum sagt niemand, wir haben auch keine ahnung wie man mit dieser wirtschaftskrise umgehen soll, wir haben nur versucht die lage zu stabilisieren, ja, man habe auch gemerkt, das die alten patentrezepte nicht mehr funktionieren. warum kein klares bekenntnis zur stärkung der bürgerrechte? warum überlässt man jetzt der FDP dieses feld, statt zu sagen: wir haben uns über den tisch ziehen lassen, wir waren hysterisch, der staat hat im privatleben der bürger nichts zu suchen. statt selbstkritik wird die SPD jetzt, wie immer, personalkritik üben. die alten sind schuld, der münte, der frank-walter, der schröder sowieso.
ich wünsche mir eine SPD die aufhört mit dem finger auf angeblich schuldige zu zeigen, die aufhört die fehler immer bei den anderen zu suchen, bei den neoliberalen, dem rechten SPD-flügel, der wirtschaft, den managern, der FDP, der presse oder gar den wählern, die nicht begriffen haben wie irre sozial und patent die SPD ist. ich wünsche mir eine SPD die selbstkritisch ist, demütig und vorwärts statt rückwärtsgewandt, eine SPD die wieder an das gute im menschen glaubt und mehr bürgerrechte, mehr freiheit und weniger staat wagen möchte, eine SPD die die zukunft nicht als bedrohung, sondern als chance sieht und die menschen ernst nimmt und nicht für deppen hält, denen man die welt nur richtig erklären muss. eine SPD die ehrlich zu ihren fehlern und ihrem scheitern steht, die niederlagen nicht mit schlechtem wahlkampf oder fehlender mobilisierung, sondern mit schlechtem regieren erklärt.
ich glaube es geht gar nicht so sehr um programmatische fragen, sondern um die haltung. wenn die SPD endlch mehr aufrichtigkeit wagen würde, dann könnte das auch wieder was werden.
dass das mit der aufrichtigkeit, dem realitätssinn und der SPD so schnell nichts wird scheint aber auch klar. grosse teile der SPD glauben offenbar tatsächlich, dass leute wie nahles oder sigmar gabriel wählbar sind. das werden lange oppositionszeiten.
hardware-beschaffung
jeder der ins internet schreibt kennt das wahrscheinlich. man bekommt ständig ungefragt pressemitteilungen von pr-agenturen oder irgendwelchen initiativen ins postfach gedrückt. startups schicken einem gerne pakete mit tand oder glasperlen, in der hoffnung, dass man über sie schreibt, manchmal um irgendeine imaginäre spannung zu erzeugen, schicken sie ihren tand auch anonym. hin und wieder kommen unanständige angebote von leuten die einen link mit vorgegebenen SEO-optimierten werbe-text gegen irgendeinen müll eintauschen möchten, die werbung aber nicht als werbung oder mit rel="nofollow" gekennzeichnet haben wollen. ein suchmaschinenoptimierer hat mir sogar mal ein paar schuhe geschickt, in der hoffnung dafür einen link zurückgeschenkt zu bekommen.
letzte woche habe ich zur abwechslung mal eine unaufgeforderte pressemitteilung bekommen, in der unter anderem das wort „testgerät“ stand. zu meinem erstaunen reagierte der pr-mensch auf meine rückfrage „dann schick mal ein testgerät“ sogar und schickte mir anstandslos ein testgerät, obwohl ich ihm keine veröffentlichung von irgendwas zusicherte. das fand ich so erstaunlich, dass ich das gerät dann tatsächlich benutzte und etwas aufschrob. noch erstaunlicher fand ich dann aber, dass dieser verein mir den artikel abkaufte und veröffentlichte.
schade finde ich es übrigens, dass die presseabteilung von o2 auch nach zwei wochen nicht auf meine anfrage nach einem testgerät des palm pre reagiert hat. jetzt warte ich mal auf ne pressemitteilung für nen 42" bildschirm in meinem postfach. oder so.
das schloss ist tot, der palast lebt

während der palast der republik soeben am schlossplatz quasi neu auferstanden ist, berichtet der tagesspiegel über das mit allergrösster wahrscheinlichkeit totgeborene projekt der stadtschloss-rekonstruktion am schlossplatz. zusammenfassen lässt es sich in etwa folgendermassen: unregelmässigkeiten beim wettbewerb, zu geringes spendenaufkommen, das auch noch vom steuerzahler mitfinanziert wurde, zu niedrige kostenschätzungen, zu wenige steinmetze und neuendeckte historische fundamente des originalen stadtschlosses, die neue kostenrisiken enstehen lassen und neue bautechniken erforderlich machen.
das fazit des tagesspiegel-artikels fasst das ganze elend gut zusammen:
Unterdessen könnte man auf dem Gelände schon mal kleine Bäumchen pflanzen. Die haben in der Zwischenzeit gute Chancen, in aller Ruhe zu prächtigen Parkbäumen heranzuwachsen. Christoph Ingenhoven hat 2001 in der Galerie Aedes das charmante Alternativprojekt „Central Park Berlin“ vorgestellt. Es ist derzeit das einzig realistische für die Mitte Berlins. (ganzen artikel lesen)
[die finanzierbarkeit und das konzept der schloss-rekonstruktion hab ich hier schon mal vor knapp einem jahr stark in zweifel gezogen.]