arte hat mir zwei folgen der doku „rebel yell“ auf DVD geschickt und ich habe sie mir gestern abend angesehen. die beiden sendungen sollen die „aktuelle protestkultur“ dokumentieren und lassen zwischen anonymous, occupy, wikileaks, pussy riot, london riots, arabischem frühling, rage against the machine, nadine lantzsch und hausbesetzern wirklich nichts aus — ausser gegenstimmen.
jeder der schonmal gegen etwas protestiert hat darf ein paar o-töne abgeben und die protestform an der er oder sie gerade teilnimmt in einem positiven licht darstellen. das ist alles so wohlwollend und, wie der tagesspiegel schreibt, „hip“ abgefilmt, dass man die sendungen statt dokumentation auch getrost protest-selbstportraits hätte nennen können. ich hab niemanden gesehen der die proteste aus eine neutralen, aussenstehenden oder distanzierten perspektive kommentiert hat. es fiel in den 2wei mal 52 minuten protest-doku kein einziges kritisches wort, keine aussage wurde hinterfragt, keine selbstdarstellung wurde mit tageslicht beleuchtet.
die fehlende distanz der sendungen oder die abwesenheit von gegen- oder neutralstimmen ist nichts über das man sich echauffieren müsste — aber es macht die sendungen ziemlich langweilig und uninspirierend. interessierte sich meine oma für die „aktuelle protestkultur“, rebel yell würde ihr einen prima überblick verschaffen, welches selbstbild die verschiedenen protestkulturen haben.
am ende der zweiten folge sagt tom morello von rage against the machine:
mit der richtigen kombination aus rhytmus, melodie und bedeutung kann man wahrheit in einer einzigartigen form wiedergeben. das kann nur musik.
dokumentationen und journalismus können das leider nicht. da ist das mit der wahrheit etwas komplizierter.
so versucht rebel yell dem zuschauer immer wieder den eindruck zu vermitteln, dass die occupy-bewegung blühe. einmal sagt die off-stimme:
die bewegung breitet sich aus. überall kehrt der protest zurück in die öffentlichkeit.
occupytanten erzählen, der off-kommentar schwärmt und der zuschauer erinnert sich, dass das occupy frankfurt camp gerade geschlossen wurde (und 30 meter weiter zog) und das occupy london camp am 14. juni geschlossen wurde.
ich habe mir bei der ersten folge nach ca. 30 minuten sehnlich gewünscht, dass die sendung sich langsam dem ende zuneigen würde. tat sie aber erst nach 50 minuten. trotzdem fand ich die doppelfolge nicht schlecht.
denn wenn man hinter dem mond lebt, bekommt man einen ganz guten eindruck wer wo und wie gegen was ist und wie die verschiedenen modernen protestformen aussehen. wenn man nicht hinter dem mond lebt, bekommt man eine menge o-töne und bilder und musikschnipsel mit, die sich in dieser konzentration nicht einfach auf zeitungs- oder webseiten klemmen lassen. einige protest-protagonisten, die in meiner wahrnehmungsblase bisher nicht vorkamen habe ich jetzt auch mal kennengelernt.
hamada ben amor aka el général, zum beispiel, der in algerien mit seiner musik die revolution mitangefacht hat. leider kann ich mit dieser form yo-macho-hip-hop nicht viel anfangen, aber kraftvoll, wütend und authentisch wirkte das schon. hamada ben amor sagte dann auch sehr schön:
die musik, die stimme schlägt immer die waffen. das habe ich schon oft gesagt. selbst wenn die regierung über waffen und militär verfügt, die stimme und der wille siegen immer. die revolutionäre kann man töten, die revolution kaum.
mir fiel auf, dass musik auf eine angenehme, beinahe subtile, wenig aggressive art wütend machen kann. sehr schön zeigte das auch ein kleines segment, in dem rage against the machine in der wall street ihren song sehr laut spielten und sich dabei von michael moore filmen liessen (video). die idee: rage against the machine spielen, die polizei kommt, nimmt sie fest, die kamera hält drauf, fertig ist das wut-video. was aber auch passierte: nicht nur die polizei kam, sondern auch einige anzugträger aus den banken, bzw. der börse. die wippten sich dann auch in wut und skandierten: „suits for rage“.
die verbindung von wut und musik zeigt die doku eindrücklich. in mir kam beim zusehen der wunsch nach mehr wut allgemein und mehr wut von künstlern auf. nicht die regener art von ich-ich-ich- und business-wut, sondern wut wegen ungerechtigkeit, diskriminierung, gier, abbau von bürgerrechten und mangelndem gemeinsinn. wie das gehen kann und wer sowas macht, zeigt rebel yell ganz gut.
die erste folge rebel yell läuft heute abend um 22:30 uhr auf arte, die zweite folge läuft am 18. august. (vielleicht läuft die erste folge aber auch heute um 21:50 und die zweite am 18. august um 21:30. die arte webseite ist sich da nicht ganz sicher.)
[nachtrag 12.08.2012]
die erste folge von „rebel yell“ ist jetzt in der arte mediathek.
bei der mädchenmanschaft gibts eine mittelmässig interessante diskussion zwischen dem produzenten des films christian bettges, nadide lantzsch und einiges anderen kommentatoren.
am dienstag war ich bei mspro und max zum reden. wir haben ungefähr drei stunden geredet, davon wurden zweieinhalb stunden augezeichnet und zum aus der konserve anhören ins netz gestellt (mp3). das war sehr nett, wobei ich mich ständig gefragt habe, wer hört sich das geplauder von drei typen so lange an?
nach der aufzeichnung haben wir noch ein bisschen in den livestream geplaudert und mspro fragte mich, warum ich eigentlich nicht podcastete. ich glaube ich antwortete, dass ich mich schon gerne zu podcasts einladen lassen würde und auch durchaus eine gewisse faszination am podcasten nachvollziehen kann, aber selber weder podcasts höre, noch auf die idee käme, selber welche zu machen.
auch wenn man das nicht immer merkt, ich mag es ganz gerne, eine idee die ich habe so gut wie möglich auf den punkt zu bringen. das auf den punkt bringen ist audio- oder visuell, finde ich, viel anstrengender als in schriftform. ich hab ja mal für ne weile regelmässig videopodcasts gemacht, was einerseits spass gemacht hat, andererseits irre viel arbeit war — obwohl ich hilfe hatte (aufzeichnung, schnitt, encoding). und ich fand das was hinten rauskam auch nicht immer so befriedigend, woraus ix schliessen könnte, dass ich entweder mehr arbeit reinstecken sollte oder es eben zu lassen. in den letzten jahren liess ich es einfach. dazu kommt, dass ich mit dem ins internet schreiben eigentlich ganz gut bedient bin.
apropos geschriebenes wort. ich glaube mspro sagte in #wmr47, dass ich in letzter zeit ja kaum noch bloggen würde. worauf ich fast ein bisschen empört reagierte und meinte, dass ich im gegenteil nicht nur ziemlich regelmässig und bereits über ein jahr kommentierte links auf wirres.net posten würde, sondern auch gar nicht so selten artikel schröbe.
findet mspro, dass links-posten kein bloggen sei? wenn ich drüber nachdenke, ist da natürlich was dran. denn auch wenn das linken arbeit macht und mühe kostet, bei nährem hinsehen, bestehen meine links zu 80 prozent aus zitaten oder zusammenfassungen und manchmal, tatsächlich eher selten, einer einschätzung oder einem kommentar von mir.
das was ix mit den links mache, ist am ehesten mit dem vergleichbar, was ich früher mit dem sharing-feature im google reader getan habe: die leute in meiner blase auf aus meiner sicht lesenswerte artikel hinweisen und manchmal zu erklären warum ich das tue — und manchmal eben nicht. dabei scheint gewissermassen auch ein bisschen faulheit vor dem pointierten kommentieren und bewerten durch.
Our job as independent writers isn’t to be first or even to get the most pageviews. It’s to answer the question of “so what?”. Taken as a whole, our sites should tell a unique story that no one else can, with storylines that develop over time that help bring order to the chaos of what we cover.
einerseits ist das völlig übertrieben, andererseits stimmt es natürlich schon, dass die eigene stimme und interessen im eigenen blog klar und deutlich durchscheinen sollten. aber ich finde das muss nicht immer in der gleichen stärke sein. und zum ordnung schaffen bin ich eh nicht da. ich stosse lieber an, als (ein) zu ordnen.
mir fiel dann noch ein, ich könnte ja nochmal nachdenken und -suchen, bei wem ich schon so alles gepodcastet habe. entgegen der oft geäusserten schwachsinns-these, dass das internet nie vergesse, sind ein paar dieser spuren in den letzten 6 jahren bereits wieder verschwunden oder funktionieren nicht mehr richtig. das ist die liste der podcasts bei denen ich mal zu gast war, die mir noch einfielen oder googlebar¹ waren:
das nuf fragt sich wann und wie man sich erwachsen fühlt:
Nur frage ich mich, ob irgendwann der Tag kommt, an dem ich mich auch innerlich erwachsen fühle? [...] Aber wie fühlt sich dieses Erwachsen sein an? Werde ich dann immer den Müll runter bringen, nur weil er voll ist? Werde ich eine Einbauküche zum Preis eines Jahresgehalts kaufen und mich darüber freuen? Werde ich mich über unerwünschte Werbung in meinem Briefkasten aufregen? Nach 22 Uhr keinen Hunger mehr haben weil Schlafenszeit ist?
ich habe mir vor zwei jahren eine einbauküche zu weihnachten gekauft und über die feiertage hinweg aufgebaut. hat aber nur ein halbes monatsgehalt gekostet und erwachsen fühl ich mich damit immer noch nicht.
Parteipolitik, Lobbyismus und kommerzieller Journalismus sind das Dreigespann, das heute wirkliche Politik - im Sinne von: gemeinsam Regeln für das gute Zusammenleben aller zu finden - aktiv verhindert und unmöglich macht.
In der zehnseitigen „Spiegel“-Titelgeschichte über Aldi war am 30. April unter anderem behauptet worden, dass in der Dieburger Filiale Kameras auf Frauen in kurzen Röcken oder mit ausgeschnittenen Tops zoomten, daraus Filmchen auf CD gebrannt und unter Aldi-Männern ausgetauscht wurden.
Kurz darauf stellte „Spiegel“-Redakteur Janko Tietz in einem Rundfunkinterview aber klar, dass dies in Dieburg geschehen sei, bevor der jetzige Filialleiter seinen Posten übernahm. Das hätte also vor dem Jahr 2003 sein müssen. Im „Spiegel“-Text findet sich dieser klärende Hinweis nicht. Zudem: Kameras gibt es bei Aldi in Dieburg erst seit dem Jahr 2008.
Auf diesen Widerspruch vom ECHO hingewiesen, revidiert der „Spiegel“-Rechercheur nun erneut die Angaben. Ein anderer Aldi-Mitarbeiter, der von Christian Glaser über gut zwei Jahre in Dieburg zum Filialleiter ausgebildet wurde, habe die Aufnahmen gemacht.
es gibt wysiwyg-editoren (what you see is what you get) und es gibt wyadwyg-interviews (who you ask determines what you get). (aber ich mag die antworten von thierry chervel.)
was für ein schrecklich geschwätziger unsinn. jeden absatz könnte man mit ein, zwei sätzen widerlegen, bzw. als falschannahmen kennzeichnen. nur das wäre dann noch langweiliger als der text selbst.
thilo planz über das neue autoflattr-mashup-gedöns, mit dem man instagram-herzchen und google-reader- oder twitter-sternchen automatisch flattrn lassen kann. mindestens so wichtig wie diese flattr-API automatismen find ich die maschinenlesbaren meta-angaben in feeds und webseiten die beispeilsweise mit dieser chrome-extension erkannt werden können.
die übersetzerin gabriele zöttl begleitet den prozess gegen pussy riot auf twitter:
Ich freue mich über diese Aufmerksamkeit für ein Verfahren, das sich im Verlauf der letzten Tage zunehmend zum Schauprozeß, der alle rechtsstaatlichen Hüllen fallen läßt, entwickelt hat.
nachdem mat honan in seinem blog bereits ausführlich berichtete, wie er böse gehackt wurde, hat er das alles jett nochmal in wired.com reingeschrieben.
In the space of one hour, my entire digital life was destroyed. First my Google account was taken over, then deleted. Next my Twitter account was compromised, and used as a platform to broadcast racist and homophobic messages. And worst of all, my AppleID account was broken into, and my hackers used it to remotely erase all of the data on my iPhone, iPad, and MacBook.
horst schlämmer, karla kolumna, borat, kent brockman, tim, miranda priestly, mikael blomkvist, clark kent und lois lane, j. jonah jameson und charles foster kane. /von und via ronnie grob
kleines portrait von homer simpsons deutschem synchronsprecher norbert gastell:
In den USA läuft es ganz anders: Dort spielen die Sprecher die Dialoge zuerst, dann wird passgenau gezeichnet. Dafür soll der Original-Homer Dan Castellaneta auch 500.000 Dollar je Folge bekommen, sagt zumindest Gastell - "bei mir sind es nur 10.000 Euro pro Staffel", erklärt der nicht weniger austauschbare deutsche Sprecher. Jedenfalls sei das Synchronsprechen, vom großen Fritz Kortner als "Dunkelkammergewerbe" verhöhnt, eine unterschätzte Kunst, sagt er, "man sollte es eher Synchronspielen nennen. Aber es ist auch harte Arbeit wie am Fließband".
den nachtrag hatte ich noch nicht gesehen. stefan niggemeier verlinkt die reaktion von christoph keese auf seinen artikel und zitiert einen kommentar unter keeses antwort:
Meine Aussage »Es gibt keine Meeressäuger« ist nicht falsch. Es ist daher nicht richtig mir vorzuwerfen, dass ich entweder lüge oder keine Ahnung von Meeresbiologie habe. Wohl war meine Aussage möglicherweise nicht ausführlich genug, denn was ich meinte war »Es gibt keine Meeressäuger außer Pottwale, Seekühe, [es folgen mehrere Folianten mit allen möglichen Erläuterungen zur Meeresbiologie, nur nichts speziell dazu, wie denn die früher aus der nicht-ausführlichen Version gezogenen Schlüsse nun genau aufrecht erhalten werden sollen]«
Es bleibt aber [...] dabei, dass E-Mail das offenste Kommunikationsprotokoll ist, das mir gerade beim zweiten Spätabendbier einfällt. Facebook gehört Facebook, Skype gehört Microsoft, das Telefon gehört den Telefongesellschaften, die Post gehört... you get the picture. Mail darf dagegen jeder, der sich an ein paar Standards hält - oder auch nicht; die meisten Mailclients nehmen auch proprietär verkorkste Mail mit.
Prima gemacht, Herr Königshaus. Dank Ihres Briefes an den Deutschlandfunk, weiß ich nun, was Sie von der Pressefreiheit halten. Und ich weiß, dass nicht nur das Bundesverteidigungsministerium Schwierigkeiten damit hat, souverän zu kommunizieren, sondern auch derjenige, den das Parlament zum “Anwalt der Soldaten” erklärt hat. Schade nur, dass Sie mit Ihrem Schreiben die steile These des Kollegen Klaus Pokatzky, nämlich stark an sich interessiert zu sein, bestätigen. Willkommen in der Dementifalle. Außerdem zeigt der Vorgang, dass Sie zwar einer liberalen Partei angehören, Freigeister aber nicht wirklich gut ertragen können. Hierarchie ist Ihnen lieber, denn da kann man unliebsame Meinungen zwar nicht verbieten, aber zumindest unterdrücken - dachten Sie. Doch siehe da, statt das Feuer zu löschen, sind Sie mitten im Streisand gelandet.
sehr schönes wortspiel: im streisand. sehr schöner kommentar, sehr schön auf den punkt gebracht.
ich weiss gar nicht mehr, wie ich vor 26 oder 27 jahren darauf gekommen bin ein jahr als austauschschüler nach amerika zu fahren. ich glaube es war nele, die sich irgendwann entschloss das austauschjahr zu machen und sich bei YFU dafür bewarb. als ich mich entschied, war die bewerbungsfrist bei YFU bereits abgelaufen. bei iST konnte ich mich aber noch bewerben. an weitere organisatorischen details kann ich mich nicht mehr erinnnern. woran ich mich aber noch erinnern kann, war meine vorfreude. deutschland, aachen, die schule, mein alltag langweilten mich. ich fand deutschland nach 17 jahren aufenthalt furchtbar. helmut kohl war bundeskanzler, alles war so klein und provinziell. aachen war OK zum aufwachsen, aber den rest meines lebens wollte ich dort nicht verbringen. ich scherzte schon damals, dass aachen ein super alterswohnsitz sei, aber nix zum leben.
ich hatte das gefühl, dass mein leben sich in einer trüben blase abspielte, ich fürchtete in aachen zu verwelken oder im domkeller zum alkoholiker zu werden. ich wollte an der welt schnuppern.
ein paar monate vor meiner abreise hatte ich mich zwar gerade überwinden können gita, in die ich schon ewig verknallt war, zu küssen. wir waren abends mit ein paar freunden im „hauptquartier“, einer aachener kneipe in der promenadenstrasse die es tatsächlich noch gibt. damals war das aber definitiv nicht „aachens schrägste kneipe“, sondern ein dunkles punkschmuddelloch. ich glaube die musik war dort aus prinzip scheisse, das war an dem abend aber auch egal, ich war ja am knutschen. plötzlich waren meine lieblingsfreundin und ich ein paar. witzigerweise langweilte uns das paar-sein nach ein paar wochen beide so sehr, dass wir uns entschieden zum ursprünglichen zustand zurückzukehren: beste freunde. zwei wochen vor meiner abreise machten wir auf der treppe vorm domkeller einvernehmlich und erleichtert schluss.
in der schule hatte ich mein erstes einigermassen erfolgreiches jahr hinter mir. die ersten jahre im gymnasium war ich ein so schechter schüler, dass mein deutschlehrer mir empfahl doch ein handwerk zu erlernen und den hauptschulabschluss zu machen. darauf folgten drei jahre in denen ich die befürchtungen meines deutschlehrers bestätigte und dreimal in folge sitzenblieb. zweimal schaffte ich in französisch die nachprüfung, bei der versetzung in die zehnte klasse hatte ich dann zuviele sechsen für eine nachprüfung. in der zehnten klasse machte mir die schule plötzlich sogar spass. am meisten spass bereitete mir das lesen; ich verschlang hoimar von ditfurts bücher, las douglas adams im original, erich fromms „die kunst des liebens“ und fast alle bücher von hermann hesse.
schreiben konnte ich allerdings nicht. meine bewerbung, bzw. selbstbeschreibung für die gastelternsuche schrob ich in krakeliger pseudo-schreibschrift, die sätze waren unbeholfen formuliert. auf den fotos mit denen ich meine familie vorstellte, sah man meinen vater mit einem glas feierabendwein, ich lächelte auf keinem der fotos, auf dem familienportrait sah niemand in die kamera; die familie sass am frühstückstisch, mein vater verdeckt von blumen, meine mutter war lediglich als blauer blop mit roten haaren zu erkennen.
erwartungen an meinen aufenthalt in amerika hatte ich keine, nur vorfreude auf das neue und auf das weit-weg-sein. ich fühlte mich wie ein pilgervater. ich hatte die chance komplett zu verschwinden und alles neu anzufangen, alle zwänge denen ich mich ausgeliefert fühlte könnte ich hinter mir lassen. was für eine grossartige erfindung dieses amerika war.
in zwei wochen reist das kind für ein jahr nach amerika, in eine kleinstadt in der nähe von portland, in oregon — kaum 200 kilometer entfernt von tacoma, wo ich mein jahr verbracht habe. die gasteltern sind seit ein paar wochen auf facebook mit uns, den grosseltern und dem kind befreundet. das kind ist bereits mit der halben stadt und fast allen künftigen gastschülern dort befreundet und hat schon ein paarmal mit seinen gasteltern videotelefoniert. alles scheint so nah, viel näher als damals bei mir. statt luftpostbriefen auf extra dünnem papier schreibt man facebook-nachrichten, man kann kostenlos dort anrufen, der lehrplan der schule und profile von allen lehrern stehen im internet. wir und das kind haben bereits die halbe stadt mit streetview und google maps erkundet, wir haben hunderte fotos der stadt, der gasteltern und der gastelternenkelkinder gesehen.
die beifahrerin ist definitiv aufgeregter als das kind. ich glaube das kind wäre nur aufgeregt, wenn es in amerika kein facebook, kein youtube oder ein playstationverbot gäbe. das äusserste an aufregung brach letzte woche kurz aus dem kind heraus, als es sagte: „oh, nur noch zwei wochen, dann fliege ich.“
ich glaube, dem kind ein austauschjahr in amerika schmackhaft zu machen und die finanzierung mit tatkräftiger unterstützung von fast allen familienzweigen zu organisieren, war die beste entscheidung, zu der uns das kind je gedrängt hat.
ich habe in den letzten 26 jahren ziemlich viel von meinem amerika-aufenthalt vergessen. viele erinnerungen kommen jetzt wieder hoch. erstaunlich finde ich aber vor allem, wie sich die umstände so einer reise in den letzten jahren geändert haben. die distanz nach amerika ist dank des internets enorm geschrumpft, wir können dem kind dank facebook, digitalphotographie und dem direkten draht zu den gasteltern wie bisher auf die pelle rücken.
musste man früher mehr oder weniger alle verbindungen in die alte heimat kappen, nimmt man sie heute mit dem netz in echtzeit mit bis in die letzte ecke der welt. andererseits könnte man sich der neugier der eltern und anderen zurückgebliebenen auch einigermassen mit netz-abstinenz und -ignoranz entziehen. ich habe das damals nach ein paar monaten gemacht, indem ich ankündigte, dass ich jetzt aufhöre briefe zu schreiben. erst als ich geld brauchte, fing ich wieder an zu schreiben.
wie sich so ein schüleraustausch aus deutschland anfühlt, was wir vom kind so alles mitbekommen und ob der austausch bei mir die eine oder andere erinnerung wachruft, schreibe ich hier in den nächsten 10 monaten unregmässig auf.
So lassen sich Umzugs- und Verdrängungs- bzw. Abwanderungsdaten nach Einkommen gestaffelt wunderbar visualisieren. Die Planung von sozialem Wohnungsbau wird so erleichtert, Gentrifizierungsprozesse nachbild- und vorhersagbar.
Für Stadtplaner ein Traum - ebenso wie für Spekulanten, die bei der Nutzung solcher Modelle den städteplanerischen Bemühungen sehr leicht entgegenwirken können. Die Anpassung von Mieten, Luxussanierung und Grundstückspekulationen werden stark erleichtert.
Der emanzipatorische Ansatz fehlt noch zu oft - die Frage nach dem Nutzen solcher Visualisierungen für Minderheiten wird nicht gestellt. Herrschaftsverhältnisse werden nicht durch die Visualisierung von Daten gebrochen, eher zementieren sie diese noch. Der Ghettoisierung von sozial Benachteiligten, Fremd- und Gastarbeitern oder schlecht Verdienenden wird nicht vorgebeugt, sie wird sogar noch verstärkt - der privilegierte Mensch wird sich nicht mit den unteren Klassen mischen.
tatsächlich machen wir uns viel zu wenig gedanken, wie die digitalisierung unterprivilegierten menschen helfen kann, bzw. wie der missbrauch der digitalisierung zur zementierung von „Herrschaftsverhältnisse“ verhindert werden kann.
die überschrift ist besser als der artikel von gunnar sohn, in dem das wort AGB gar nicht vorkommt. ich hab dazu vor nem jahr auch mal was geschrieben, nachdem ix getwittert hatte, dass die eigentlichen fragen doch nicht internet vs. privatsphäre, appstore oder google vs. transparenz lauten, sondern AGBs vs. bürgerrechte.
seit ich vor zwei jahren mal zu einem presse-dings von den fantastischen vier eingeladen war (was wohl nie wieder vorkommen wird), hab ich einen fanta4-google-alert. der stiess mich auf diesen welt-artikel von jan küveler, den ich nur unter schmerzen verlinke (springer-bäh), aber den ich in seiner floskeligkeit ganz amüsant und ein bisschen bösartig fand:
Die Fantastischen Vier sind längst keine Band mehr, sondern eine Firma. Ihre Anteilseigner sind seit Jahren Millionäre, die munter ihr Portfolio diversifizieren. Smudo hat sich ein Flugzeug gekauft, Michi Beck eine Penthouse-Wohnung in Prenzlauer Berg, wo er den Schwabenhass erträgt.
Ihr Unternehmenslogo ist die gute Laune, sie legen sich nicht mit dem Kapitalismus an, rangeln kaum mit dem eigenen Ich. Auch wenn sie die Liebe verlässt ("Sie ist weg"), kommen sie bald wieder klar. Und auch das ist lange her. Inzwischen schwelgen sie mit Vorliebe in Nostalgie. "Bring it back, old Stuttgart Rap", singen sie und wagen auf dem Schwinghocker ein Tänzchen.
erstaunliche komposition. auch auffällig die farben: die männer tragen zu 90% dunkelblau, drei frauen tragen rot, drei grau-beige-weiss, eine grün und hillary clinton dunkelblau.
ich mag den spot, trotz oder gerade wegen des pathos. aber auf jeden fall wegen des minimalismus. / via boingboing.net , wo xeni jardin aus einem businessinsider-artikel über den 12 jährigen darsteller zitiert, dass er während der dreharbeiten in einen graben gekotzt hätte. er hätte eine stunde vor den dreharbeiten mittag gegessen. das ist die gute nachricht. die schlechte nachricht: der junge will demnächst mit seiner mutter den jojo-effekt durchspielen:
Nike has further plans for Sorrell. He and his mom, Monica, are now trying to lose weight. If they make it, Nike will return to shoot another spot.
Und doch - jedes Mal, wenn ich sein Blog aufmache, zieht sich meine Bauchmuskulatur unwillkürlich zusammen. Wie es ihm nun wieder geht. Und jeder Rückschritt lässt die Mundwinkel ein wenig nach unten sinken. Und dabei will ich gar nicht klagen, ich lese das alles nur, ich muss es nicht ertragen. Trotzdem doppelte Hilflosigkeit.
herrndorfs blog rückt einem das sterben unangenehm deutlich und nah vor augen. deshalb fühle ich michbeim lesen paradoxerweise nicht nur hilflos, sondern auch ein bisschen selbstmitleidig wegen meiner eigenen sterblichkeit.
sandra smilla dankert schreibt über und fotografiert den istanbuler stadtteil tarlabaşi:
Ich solle meine Kamera lieber einpacken, macht mir der Mann am Fenster in Zeichensprache klar, auch wenn er mir erlaubt ihn zu fotografieren. Kommt sonst die Polizei? frage ich. "Nein. Mafia, Mafia." raunt er mir zu. Mit seiner Mutter lebt er hier, sie sind Roma. Wie lange sie hier leben, frage ich. Lange, sehr lange, so deute ich die Handbewegung, die als Antwort kommt. Der Mann am Fenster ist wohl hier zur Welt gekommen.
Randall "XKCD" Munroe's "What If?" site continues to shine -- and possibly even to outshine his most excellent webcomic. This week, Randall (whose background is in robotics), looks at what would happen in a robot uprising. He's rather sanguine about this, given the general uselessness of robots in the field.
dieses whatif allgemein und die ausgabe über die roboter-apokalypse ist schon ziemlich toll. vor allem besser verstehbar für deppen wie mich als die comics.
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Wenn man keine Investoren findet, ist das ein gutes Zeichen dafür, daß es sich nicht lohnt. Nürburgring wäre auf Kickstarter durchgefallen.