schöne geschichte, allein das wort „Kopiermatritze“ im ersten satz sollte einen zum weiterlesen animieren, auch wenn man nach 1985 geboren ist. /quote.fm
Google News und andere Aggregatoren würden dadurch zu Lizenzierungs-Plattformen für Verlage umfunktioniert. Anders ausgedrückt: Google soll nicht mit kostenlosen Verlagsinhalten Geld verdienen können, sondern die Verlage sollen mit kostenlosen Google-Funktionen Geld verdienen können.
nur (bis jetzt) verdient google kein geld mit google news. google verdient geld mit anzeigen um die suchergebnisse. und das können die verlage nach belieben ein- und ausschalten. aber die verlage wollen offenbar mehr kontrolle:
Während das Protokoll robots.txt vor allem festlegt, welche Datei von den Robotern erfasst werden darf und welche nicht, kann das ACAP-Programm viel mehr. Es kann festlegen:
wann ein Inhalt aus dem Suchmaschinenindex wieder zu entfernen ist,
ob der komplette Inhalt erfasst werden darf oder nur einzelne Abschnitte daraus,
ob Inhalte in pdfs umgewandelt werden dürfen oder nicht,
ob das Layout verändert werden darf oder nicht,
welche Inhalte auf jeden Fall indexiert werden müssen,
welche Links auf einer Seite für Suchmaschinen tabu sind,
wie viele Zeichen der Text eines Suchmaschinentreffers (eines Snippets) maximal umfassen darf,
was eine Suchmaschine für die Indexierung bezahlen muss.
das können verlage aber jetzt schon fast alles steuern, wenn sie die logik nicht auf google auslagern, sondern in ihrem CM-systemen abbilden. mit ausnahme des letzten punktes natürlich: was eine suchmaschine für die indexierung bezahlen muss. und das ist der entscheidende punkt.
tritt ilse aigner jetzt eigentlich öffentichkeitswirksam aus dem meldeamt aus, wegen dem mangelnden datenschutz? wie damals bei facebook?
neben der tatsache, dass ich in diesen tweet (natürlich) einen tippfehler eingebaut habe, wollte ich dem tweet oben eigentlich nur etwas kontext zuteil werden lassen.
Ich habe mich nach einem Gespräch mit Vertretern von Facebook dazu entschieden, meine Mitgliedschaft zu beenden. Als Verbraucherschutzministerin kann und will ich es nicht akzeptieren, dass ein Unternehmen wie Facebook gegen das Datenschutzrecht verstößt und die Privatsphäre seiner Mitglieder in weiten Teilen ignoriert.
am 29. juni 2012 verabschiedete der bundestag ein gesetz zur „Fortentwicklung des Meldewesens“, von dem patrick beuth auf zeit.de meint, dass es „auch Gesetz zur Rückentwicklung des Datenschutzes“ heissen könnte. nicht nur bleibt es dabei, dass der weitergabe privater adressdaten ausdrücklich widersprochen werden muss, obwohl die regierung anfangs einen opt-in-mechanismus für die adresshandel-erlaubnis versprochen hatte. zusätzlich besagt das gesetz, dass auch bei einem widerspruch, die daten „zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten“ genutzt werden können. also praktisch immer.
manuel höferlin von der FDP-bundestagsfraktion sagt dazu (via):
Wir haben das Recht der betroffenen Person, einer automatisierten Melderegisterauskunft zu widersprechen, gestrichen. Bevor hier wieder das Geschrei aus der Opposition kommt: Die Entscheidung war richtig.
der grund dafür liegt auf der hand: geschäfte. direktmarketing-, inkassounternehmen, verwertungsgesellschaften wie die GEZ würden empfindlich in ihren abläufen gestört, wenn sie nicht automatisch auf aktuelle melderegisterdaten zugreifen könnten. der datenschutz muss da zurücktreten vor dem gemeinwohl den geschäftinteressen.
Auch der Umgang im weltweiten Internet braucht Regeln, die Datenschutz und Privatsphäre sichern.
die meldeämter sind nicht teil des internets und brauchen deshalb den datenschutz und die privatsphäre nicht zu sichern? wieso kann ilse aigner das bei facebook nicht akzeptieren, bei den meldeämtern aber schon?
Over the past six months, it appears that the US's massive overreaction to Megaupload, at the urging of a typically clueless Hollywood, has done the exact opposite of what they hoped. Whereas they figured the prosecution of Megaupload and Dotcom was a slam dunk, and that it would act as a clear "education campaign" for others, the truth seems to be the exact opposite. People are realizing that the government and Hollywood overreacted, and it's almost entirely rehabilitated Dotcom's image.
ich habe mich auch dabei erwischt, wie ich den bisher durchgängig dubiosen, peinlichen und in jeder hinsicht unsympathischen kim schmitz, plötzlich hin und wieder sympathien entgegengebracht habe. das ist mal ne leistung. (kim schmitz macht in letzter zeit aber auch wirklich gute PR.)
interessant. tina folsom verlegt sich selbst:
Ich mache fast alles selbst. [...] Deshalb arbeite ich auch meistens 60-80 Stunden pro Woche und nehme mir selten mal ein Wochenende frei.
ich hab erst den ersten dieser fünf TED-talks gesehen, aber wenn die anderen genauso gut sind wie der erste, dacht ich mir, dann kann ich das auch verlinken ohne alles gesehen zu haben. /boingboing.net
stefan niggemeier dekonstruiert christoph keese und fasst unten in den kommentarenb nochmal zusammen:
Die Verlage sind in der Praxis nicht gegen die Snippets. Die Verlage wollen, dass Google für die Snippets zahlen muss.
Sie sagen: Google bedient sich verbotenerweise einfach an unseren Inhalten, ohne dafür zu bezahlen. Das Paradoxe ist nur: Sie könnten diesen angeblichen Missbrauch ganz leicht verhindern. Aber sie tun es nicht, weil von diesem angeblichen Missbrauch profitieren.
Sie wollen, dass Google sie für eine Dienstleistung, die Google ihnen bringt, bezahlt.
schade dass christoph keese sich an der diskussion inhaltlich nicht beteiligt, sondern sich nur beleidigt in die ecke stellt.
gute sache. käsebrot und metwurst statt kaviar und schampus beim „bürgerfest“ im schloss bellevue. der nächste schritt um die politische teppichhaftung zu verstärken könnte sein, das „schloss bellevue“ in „haus belllevue“ umzubenennen.
Aber vorher konnte man diese Daten nicht sehen. Also waren sie nicht "da". Wie mein kleiner Sohn, mit der Decke über dem Kopf.
sehr eindrückliche metapher, die aber leider etwas zu kurz greift. menschen haben eine allgemeine seh- und erkenntnisschwäche für potenziale. und das aus gutem grund: wenn wir bei allen dingen dieser welt die gefahren, potenziale und (zukunfts-) chancen sehen könnten, wäre die welt voll mit irren.
die autistin amanda baggs, die intensive betreuung im alltag benötigt, nicht spricht, aber wunderbar schreibt, bloggt hier einen sehr eindrucksvollen text was bei der pflege von behinderten so alles schief laufen kann -- und was sich alles verändern kann, wenn das mit der pflege und hilfe klappt.
Vielleicht ist ACTA der Wendepunkt in der Debatte um das Urheberrecht: Bis hier und nicht weiter! Aufhören mit der Repressionsspirale, die immer nur zu mehr Überwachung, mehr Kontrolle und mehr Einschränkung unserer Grundrechte führt. Und hin zu einem zeitgemäßen Urheberrecht ohne Überwachung und mit einem Recht auf Remix.
johannes ponader hat die schnauze voll von arbeitsamt und schreibt in der faz, unter einer etwas missverständlichen überschrift, warum. das witzige ist natürlich, dass viele den text nicht lesen, sondern nur die überschrift. linken-fraktionschefs bodo ramelow schrob beispielsweise auf twitter
Wieder einer von Bord! Er hat genug: Der Bundesgeschäftsführer der Piraten Johannes Ponader verlässt das Amt.
und outete sich damit als überschriften-leser.
"That is the question we have all asked since grade school," said Jay Neitz, a color vision scientist at the University of Washington. In the past, most scientists would have answered that people with normal vision probably do all see the same colors. The thinking went that our brains have a default way of processing the light that hits cells in our eyes, and our perceptions of the light's color are tied to universal emotional responses. But recently, the answer has changed.
das habe ich mich in der tat seit meiner kindheit gefragt: sehen andere menschen mein blau auch so wie ich es sehe? was ich mich seitdem auch immer wieder gefragt habe: ist das wichtig oder in irgendeiner form relevant? und dann könnte ich doch wieder stundenlang über die menschliche, visuelle wahrnehmung nachdenken. zum beispiel diese irre effektive steadycam-funktion in unserem kopf, die es schafft, dass unser kopffilm nie wackelt. unser erstaunliches gesichtsfeld von ich glaube horizontal 180°, in dem wir zwar nicht alles erkennen können, aber doch vieles sehen. alles sehr erstaunlich.
70 Prozent Fleisch, dazu dann Wasser, Weizenprotein, Weizenmehl, Rote-Beete-Saft, Paprikaextrakt, Gewürzextrakt.
Warum Hackplus in 350-Gramm-Packungen verkauft wird, ist übrigens auch ein Rätsel: Laut Packungsaufdruck besteht eine “Portion” aus 150 Gramm Hackplus. Eine Packung enthält demnach also zwei und eine Drittel Portion. Die vom Meisterkoch stolz präsentierten Hackplus-Rezepte gehen hingegen konsequent von 400-Gramm hackplus für jeweils vier Personen aus.
malte welding schlägt vor, dass wir frieden schliessen mit unseren körpern:
Wir müssen nicht Picasso sein, um durch einen Picasso unsere Seele zum Schwingen zu bringen, wir müssen keinen niedrigen Körperschwerpunkt haben, um ein Tor von Lionel Messi zu genießen. Nur ein sehr schlecht gelauntes Kind wäre erzürnt darüber, nicht selbst diese Eigenschaften zu haben.
ich muss seit sonntag immer lachen, wenn ich auf spiegel-online die werbung für den neuen spiegel sehe:
möglicherweise ist das aber gar keine unabsichtliche ironie, wenn man werbung für eine „digitale diät“ mit werbung für die eigene digitalen apps, digitalen ausgaben und digitalen diskussionsforen kombiniert.
vielleicht wird man mit solchen absurditäten einfach zeuge, in was für eine verfahrene situation sich der spiegel mit seiner fundamentalen wir-hassen-digital-haltung manövriert hat. das ist wie einen ertrinkenden zu beobachten, der ein t-shirt mit der aufschrift „FUCK YOU DLRG!“ trägt. demnächst dann auf dem spiegel-titel: „wie sie ihre sorgen los werden, indem sie weniger lesen“ oder „so kündigen sie ihre zeitschriften-abos“.
schon etwas älter (oktober 2011) und wahrscheinlich wegen einer bevorstehenden wiederholung auf der spiegel.de-startseite nach oben gespült. interessant deshalb, weil es sich elegant an das thema „mutter natur will uns vergiften“ anschliesst und ein paar erschütternde erkenntnisse von udo pollmer zu vermitteln versucht:
in der kartoffelschale befinden sich keine keine vitamine.
unter der kartoffelschale befinden sich dafür, unter bestimmten umständen und vermehrt bei bestimmten kartoffelsorten, gerne gifte.
acrylamid nicht krebserregend.
röstaromen sind gesund.
schade, dass pollmer das was er sagt in so viel unsachliche laberwatter verpackt, statt nüchtern und auf den punkt zu argumentieren. das wäre noch überzeugender.
Mir ist auch aufgefallen, über was ich alles nicht geschrieben habe. Das vergessen viele Leser_innen ja gerne mal: dass man weitaus mehr ist als diese Pixel hier. Das vergesse ich in anderen Blogs oder, noch schlimmer, bei Twitter übrigens auch gerne. Deswegen will ich gar keine große Rückschau halten oder den vergeblichen Versuch starten, zehn Jahre in einen Eintrag zu quetschen. Stattdessen gibt es nur eine kleine, sehr hoffnungsvolle Essenz aus zehn Jahren Weblogschreiben:
Es hat mein Leben verändert. Und es verändert es täglich weiter, weil ihr da draußen auch Weblogs schreibt. Danke dafür.
«‹Menschen bei Maischberger› müsste eigentlich ‹Senioren bei Maischberger› heissen – knapp 60 Prozent ihrer Gäste sind 60 Jahre alt oder älter», kommentierte der «Spiegel».
für nen moment habe ich eben gedacht ich sei auch noch jung und wollte von mir selbst auf andere schliessen, indem ich behauptete, für die verkackten, vergreisten und selbstbezüglichen talkshows in ARD und ZDF interessieren doch eh keinen menschen. aber im ernst, wer unter 50 guckt sich das eigentlich noch an? /marcel weiss.
Wie schön, dass gerade im Zusammenhang mit Sportereignissen dieser neue, vollkommen entspannte Patriotismus in Deutschland zu sehen ist. Dieser unverkrampfte, neue Nationalstolz, der nichts mit Überheblichkeit zu tun hat. Diese gesunde Euphorie für die eigenen Landsleute, die aber andere Nationen deswegen kein bisschen geringschätzt. Diese anderen Nationen - das soll man mal nicht vergessen - haben ja auch Nationalstolz.
ja, die natur, egal wie bio, natürlich, naturbelassen das zeug das wir ihr entnehmen ist, die natur will uns, pilze, insekten und andere schädlinge davon abhalten alles wegzufressen und hat sich dafür viele effektive (natürliche) gifte ausgedacht. walter krämer:
Die in zwei Muskatnüssen enthaltenen Mengen der Gifte Myristicin - auch in Dill und Petersilie - und Elemicin z. B. reichen aus, ein Kind umzubringen. Die hochgiftige Blausäure kommt in Bittermandeln - da allerdings in abnorm hoher Konzentration - und in fast allen anderen pflanzlichen Lebensmitteln, besonders konzentriert auch in Leinsamen vor - mehr als zwei Kochlöffel täglich, und man darf den Doktor rufen. Das in Käse enthaltene Tyramin gefährdet Personen, die sogenannte MAO-Hemmer als Antidepressiva oder gegen Parkinson nehmen, mit den Folgen Bluthochdruck und Herzinfarkt. Honig enthält den Krankheitserreger Clostridium botulinum, bei Babys kann das zu einer Lähmung des Darmes und einer hartnäckigen Verstopfung führen. Rohe Grüne Bohnen - schon fünf bis sechs Stück - rufen schwerste hämorrhagische Gastoenteritis hervor, und auch die besten biologisch angebauten Karotten enthalten das Nervengift Carotatoxin plus eine ganze Reihe weiterer giftiger Substanzen sowie sogenannte Isoflavone, die eine östrogene Wirkung besitzen, also weibliche Sexualhormone imitieren. Äpfeln, Birnen oder Pflaumen enthalten giftige Kaffeesäure, Aprikosen, Kirschen, Pfirsiche und Pflaumen enthalten Chlorogensäure, Orangen enthalten d-Limonen (können Allergien auslösen), kaltgepreßtes Olivenöl enthält Perchlorethylen.
das ist von brent simmons tatsächlich faszinierend einfach ausgedacht, eine offene twitteralternative auf RSS-basis. /via und überschrift von uarrr.org
ich bin sehr, sehr froh, das maximilian buddenbohm solche sachen aufschreibt. aus ganz vielen gründen. einerseits wegen der dejá-vu-momente, die mich an mich, als kind, erinnern. andererseits als erinnerung daran was wirklich wichtig ist (schwarze kleidung zum beispiel).
die favoriten von enno park sind diesen monat alle volltreffer. aber sowas von. hab ich alle favorisiert, so dass sie hier in 30 tagen auftauchen.
abgesehen davon, dass man bei allem was fefe so raushaut erstmal skeptisch sein sollte, war ich hier besonders skeptisch und schrob in mein pinboard:
abgesehen davon dass ich die geschichte die fefe verlinkt mit vorsicht geniessen würde, habe ich auch schon von pflanzen oder bakterien oder viren gehört, die durch natürliche genmodifikation oder mutation gift produzieren.
deborah blum erklärt nun auf wired.com, dass wir ziemlich viele pflanzen essen, die blausäure enthalten:
He then reviews an astonishing variety of food plants that contain these precursor poisons, including wheat, barley, oats, rye, French beans, kidney beans, lima beans, apples, peaches, plums, apricots, cherries, almonds, Macadamia nuts, quince, papaya, passion fruit, bamboo shoots, cassava root, taro root and more.
As Jones notes, in most cases we are eating plants in which the cyanides remain locked up by the surrounding sugars. Or they are found in parts of the fruit, say, that we normally don't eat - the seeds of the apple, the pit of the peach. And we usually eat them in a small enough amount (dose) and at a gradual enough rate that our own metabolic enzymes can break them down into a relatively harmless state.
die natur und die medien halten trotz aller zivilisation und trotz allen fortschritts noch allerlei gefahren für uns bereit. nochmal deborah blum:
But don't let that fool you into thinking that cyanides are a human invention. They aren't. We just capitalized on an invention of nature itself, a chemistry shared by numerous plant species including some grasses. Why? Most scientists believe that plants developed this chemistry as a way of fending off predators, from insects to grazers. The plants store cyanides in an inactive form but they can release them under threat or stress.
offenbar sind weder massenpanik, noch absichtliches schubsen für die todesfälle auf der letzten love-parade verantwortlich, sondern physikalisch erklärbare menschenmassen-beben. /boingboing.net
In einer Plattformwelt bist du besser ein Plattformprovider.
ich weiss nicht. ein vergnügen ist das als plattformbetreiber auch nicht gerade. man kann nämlich auch als plattformbetreiber ganz böse in einer plattformwelt scheitern.
ich lese die brand eins genauso lange wie ich wolf lotters heftthemen-prologe nicht lese. seit ein paar ausgaben lese ich lotters prologe doch. hin und wieder. und manchmal fesseln sie mich dann auch. ein paar kluge zitate am anfang und sätze die interpretationsoffen und unspezifisch genug sind um als prima projektionsflächen für die eigenen gedanken zu dienen. ix lese lotter und glaube, da sagt einer etwas das nicht dumm ist und gar nicht so weit von meinen eigenen erfahrungen.
gleich am anfang ein wunderbares zitat, das nichts mit risiko zu tun hat, sondern der munitionierung lotters erster these dient:
Das Geheimnis jeder Macht besteht darin: zu wissen, dass andere noch feiger sind als wir.
— Ludwig Börne
ein wirklich schöner satz und lotter betont auch ganz richtig, dass börne weder heldenmut verklärt, noch die feigheit die in uns allen steckt verachtet. und auch lotters ableitung aus diesem satz stimme ich zu; nämlich dass ein beliebtes gegenmittel gegen unsere vermeintliche risikogesellschaft, die autarkie, auch ohne bunkermenatlität, alles andere als eine geeignete antwort auf komplexe systeme und ihre risiken ist. auch wenn er gleich auf seite zwei einen godwin-gruss absondert und behauptet, dass das „zeitalter der autarkie“ in deutschland mit der machtübernahme der nazis begann, liest sich lotters text wie ein sympathisches plädoyer gegen ängstliche fortschrittsverstimmtheit, zukunftängste und übertriebenes sicherheitsstreben. lotter:
Gut wird alles nur dann, wenn man es schlechtredet. Das ist die Formel — oder besser gesagt: die Doktrin — des Zweckpessimismus, die ein interessantes Menschenbild offenbart. Denn nur wenn man „die Leute“ für unverantwortlich und dumm hält, für unselbstständig also, muss man Gefahren übertreiben, Zukunft düster malen. Man meint es ja nur gut. Eine Notlüge, gebaut auf Überheblichkeit, Besserwisserei und vorgetragen mit elitärem Gehabe.
toll. lotter mal ganz zukunfts- und menschenfreundlich — und besserwisserei anklagend. da scheint sogar ein bisschen technikbegeisterung durch. naja, zumindest bei kraftwerken und anderen „systemen“ kommt bei lotter technik-begeisterung auf. die allermeisten systeme kollabierten nämlich nicht, sondern funktionierten erstaunlich gut — allerdings nur, wenn man den dahinterstehenden experten vertraue, sagt lotter.
auf der sechsten seite legt lotter dann plötzlich seine hasskappe an. plötzlich, beim wort „digital“ redet er sich in rage und nazi-vergleichstimmung — schon zum zweiten mal:
Im Beruf ist maximale Risikovermeidung angesagt, in der Freizeit hingegen besteht Kick-Pflicht. Allerdings ist das in der sich entwickelnden digitalen Risikogesellschaft auch schon wieder überholt. Denn man kann sich seinen Kick auch auf dem Sofa holen. Als Ego-Shooter, der sich durch virtuelle Welten ballert.
Oder als Teilnehmer an einem Shitstorm, der im Schutz der Anonymität andere ferigmacht. Die Shit-Stürmer halten sich dabei für Helden. Und das geht, weil so viele immer noch feiger sind als sie, was eigentlich kaum möglich ist, und behaupten, man könne diesen Netz-Nazis nichts entgegenhalten.
„shit-stürmer“ die im schutz ihrer redaktionen oder justiziare andere fertigmachen, medienkampagnen die eine oder mehrere säue wochenlang durchs dorf treiben, anonyme autoren, anonyme arschlöcher — all das ist ganz sicher nichts neues. diese phänomene haben auch nichts mit einer sich entwickelnden „digitalen risikogesellschaft“ zu tun, wolf lotters betrachtungen haben aber möglicherweise etwas mit vergesslichkeit oder mangelndem differenzierungsvermögen zu tun.
das bedauerliche an lotters text ist, dass er sich im ersten teil darüber beklagt, dass die menschen alles schlechtreden, andere menschen, „die leute“, für dumm und unselbstständig halten, die welt düster malen, gefahren übertreiben und elitärem gehabe anhängen. dann, im zweiten teil des textes, fängt lotter an die digitale zukunft schlechtzureden, die mitglieder der „digitalen Risikogesellschaft“ für dumm, unselbstständig, feige und faul zu erklären, gefahren zu übertreiben. zwischen den zeilen deutet er schliesslich an, dass die kunst andere fertig zu machen und medienkampagnen zu entfachen, gefälligst den ausgebildeten fachleuten, also journalisten und kolumnisten, zu überlassen sei. elitäres gehabe, versteckt in seinem hass auf vollidioten, die ihm offensichtlich im netz begegnet sind.
dabei wäre lotters puls so einfach zu beruhigen: differenzieren, ignorieren, gelassen bleiben.
für mich lautet der zentrale satz in martensteins text:
Moralische Normen und Gesetze können nämlich keine perfekten Menschen aus uns machen. Sie verhindern lediglich durch Sanktionen, zu denen auch der Gesichtsverlust und die Blamage gehören, dass allzu viele allzu sehr über die Stränge schlagen. Es wird immer Diebe geben, Betrüger, Lügner, fast jeder von uns hat schon gelogen. Aber wenn wir uns mit der Lüge und dem Diebstahl abfinden, dann brechen alle Dämme.
martenstein differenziert, nennt konkrete beispiele und regt sich mit gelassenheit über die scheisse missstände unserer gesellschaft auf, ohne in die misanthropie abzugleiten. lotter schreibt theoretisch, bleibt im allgemeinen, will allgemeingültige aussagen hämmern. die gelassenheit verliert er schon nach zwei, drei seiten und sieht sich plötzlich mit „Netz-Nazis“ konfrontiert. martenstein schreibt lauter fragen auf, wundert sich auch über „Hasskommentare“, glaubt aber an wenigestens ein bisschen restvernunft, auch in deppen. lotter kann nur rhetorisch fragen und ausrufezeichen* setzen. immerhin bekommt er einen optimistischen abschluss hin, indem er jemand anders zu wort kommen lässt:
Geht das ein wenig konkreter? Sicher, sagt Berner. "Ermutigung heißt, sich selbst und anderen Impulse zu geben, selbstständiger zu werden und Verantwortung zu übernehmen." Verzagtheit führt in die Irre. Mut führt zu einem selbst.
Das tut der Firma gut, der Gesellschaft und letztlich natürlich den Risikogesellschaftern. Und Börnes Erkenntnis wäre endlich von gestern, wir bräuchten sie nicht mehr. Denn die Macht hätten nicht mehr die Angstmacher, sondern die Ermutiger.
bleibt zu hoffen, dass wolf lotter seine verzagtheit bald ermutigt.